> Friedrich Bornkessel: Vor fünfzig Jahren in Gefangenschaft in Amerika

Friedrich Bornkessel: Vor fünfzig Jahren in Gefangenschaft in Amerika

Dieser Eintrag stammt von Friedrich Bornkessel (*1915) aus Hamburg, August 2002:

Ich war seit Mai 1944 in amerikanischer Gefangenschaft und kann mich an eine Begebenheit noch gut erinnern.

Es war im Camp Douglas, im Staat Wyoming. Wir mussten dort in der Landwirtschaft arbeiten. Eines Tages hieß es, dass zwei Mann aus unserem Lager einen Ausbruch planten. Sie wollten die Bahnlinie nach Chicago erreichen und dort versuchen, in der Stadt unterzutauchen. Nun wurde im Lager für die Beiden "Marschverpflegung" gesammelt. Sie wurden von unseren Rationen einbehalten. In den Baracken begann jetzt die Anfertigung von "Ersatz-PoWs" [Anmerkung: PoW=Prisoner of War]. Die Grundlage war ein Holzkreuz, dieses wurde zur Puppe modelliert und mit einer Uniform versehen. Eine war etwas größer als die andere.

In jedem Lager gab es die morgendliche "Zählung". Alle Gefangenen mussten in Fünferreihen antreten. Die Meldung wurde von unserem deutschen Feldwebel an den amerikanischen Offizier weitergegeben. Nun hieß es "rechts um" und der amerikanische Sergant zählte die Reihen durch. Die Puppen wurden von den Gefangenen abwechselnd in die Mitte genommen. Beim "rechts um" mussten sie mitgedreht werden. Die Puppen waren anscheinend gut gelungen, denn zwei Tage lang wurden sie nicht erkannt.

Am dritten Tag nach der Flucht hieß es wieder "rechts um" und der Sergant begann die Zählung. Er war schon vorbei, aber in der Nähe einer Puppe zeigte sein Arm zurück, und er rief: "What is that for a man?" Dabei ließ der Mann die Puppe los, und zur selben Zeit krachten beide Puppen zu Boden. Nun wurden alle Gefangenen auf den Sportplatz beordert. Es dauerte sehr lange, bis die Lagerleitung festgestellt hatte, wer geflüchtet war. Wir dachten, dass die Kameraden schon in Chicago wären. Doch am übernächsten Tag brachte die Präriepolizei die Beiden zurück. Sie hatten den Zug nicht erreicht.

Für die beiden Ausbrecher gab es dann 28 Tage Bau, und damit war alles erledigt. Wir bekamen jeden Tag die amerikanischen Zeitungen, die von unseren Dolmetschern immer gut übersetzt wurden. So konnten wir die Begebenheit in der New York Times nachlesen. Ich denke, wer diese Notiz gelesen hatte, konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. An diese Story während meiner amerikanischen Gefangenheit muss ich noch oft denken.

lo