> Helga Dirks: 8. Mai 1945

Helga Dirks: 8. Mai 1945

Dieser Eintrag stammt von Helga Dirks (* 1928) aus Frankfurt/M., 11.12.1999:


Die Kriegswirren hatten mich mit meinen Eltern in eine Kleinstadt in der Nähe der tschechischen Grenze verschlagen. Das Städtchen war von den Amerikanern "eingenommen". Dort nun, an meinem 17. Geburtstag, erfuhren wir vom Ende des Kriegs. Mit 17 hat man schon gewisse Vorstellungen von seinem Geburtstag. Nun, das größte Geschenk war natürlich das Kriegsende. Außerdem hatte meine Mutter aus Graupen, Sirup und weiteren abenteuerlichen Zutaten einen "Kuchen" gezaubert. An weitere Geschenke erinnere ich mich nicht.

Über das kleine Städtchen war eine Ausgangssperre verhängt worden. Somit war keinerlei Besuch zu erwarten. Plötzlich läutete es jedoch an der Haustür. Draußen fand mein Vater einen amerikanischen Soldaten in "vollem Ornat" vor. Mangels gegenseitiger Verständigungsmöglichkeiten wurde ich herbei zitiert. Meine damaligen Englisch-Kenntnisse lagen dank einer guten Englisch-Lehrerin möglicherweise etwas über dem Niveau anderer 17-Jähriger - von perfekt meilenweit entfernt. Bis heute weiß ich auch nicht, wie man auf mich kam. Jedenfalls erklärte der "Ami" meinem verdutzten Vater, dass er mich für eine Stunde mitnehme zum Rathaus. Unser Erschrecken war groß.

Nie werde ich den Gang durch das ausgestorbene Städtchen an einem strahlend schönen Maitag vergessen. Was würden "sie" mit mir machen? Das Rätsel war schnell gelöst: Ich hatte die ehrenvolle Aufgabe, in zwei bäuerlichen Anwesen Eier und Zwiebeln zu requirieren - offensichtlich gab es einen diesbezüglichen Engpass bei der Army. Anschließend wurde ich wieder ordnungsgemäß zu Hause abgeliefert.

Als Erinnerung an diesen aufregenden Geburtstag klebt in meinem Tagebuch ein kleines Schildchen: "Ab heute - 8. Mai 1945 - ist die Verdunkelung aufgehoben!" - Ich hatte es wenige Tage später von einer Plakatwand gestohlen.

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