Dieser Eintrag stammt von Christine E. Gangl (gangltext@t-online.de) aus München, Großnichte von Hermann Keck (1898-1917), Januar 2014:
Von meinem Großonkel Hermann Keck sind 26 Briefe und 7 Postkarten aus dem I. Weltkrieg an seine Eltern Lina und Karl Keck erhalten − von seiner Meldung zum Militärdienst in Freiburg im November 1916 und seiner Rekrutenzeit bis Anfang Januar 1917 (Briefe Nr. 1–3) über den Truppenübungsplatz auf dem Heuberg (Mitte Januar bis Ende März 1917; Postkarte Nr. I, Briefe Nr. 4–9) bis zu seinem Einsatz an der Westfront im Elsass (Ende März bis Anfang Oktober 1917; Postkarten Nr. II–VII, Briefe Nr. 10–14 + Nr. 20–26) sowie von seinem Aufenthalt im Etappen-Seuchenlazarett Logelbach bei Colmar aufgrund einer Darmkatarrh- und Typhuserkrankung (Mai 1917; Briefe Nr. 15–19).
Ortsangaben in der Feldpost von der Westfront sind spärlich – Hermann erwähnt die Gegend von Altkirch, Mülhausen, St. Maurice – und im Briefkopf heißt es allenfalls »Schützengraben« oder »Im Felde«. Die zensierte Feldpost zeigt jedoch die Situation und Nöte (in einigen Briefen die zunehmende Desillusionierung, Wut und Resignation sowie die Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen mit der Familie) des trotz eines Augenleidens eingezogenen, ständig mit Hunger, Verletzung, Schmerzen, Krankheiten und Ungeziefer kämpfenden Soldaten Hermann Keck. Lediglich ein Brief aus dem Etappen-Seuchenlazarett zeigt die ungeschminkte, entlarvende Wahrheit (Nr. 18; 20.5.1917). Er wurde Hermanns Eltern durch einen Kameraden unter Umgehung der Zensur überbracht.
Hermanns in seinem letzten Brief (Nr. 26; 2.10.1917) geäußerte Hoffnung auf eine Verlegung weg vom Elsass und der gefährlichen Westfront erfüllte sich nicht. Er kam nach Flandern und fiel dort am 9. Oktober 1917 bei Poelkapelle. Im Kontext der Skizzierung des Todestages von Hermann Keck während der 3. Flandernschlacht stehen die beiden Briefe, in denen ein Kamerad, Musketier Heinrich Staiger (18.10.1917), und Leutnant Leo Lohmiller (20.10.1917) der Familie Keck die Todesnachricht überbringen.
Hermann Keck wurde nach Auskunft des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. im Jahre 1955 als nicht mehr identifizierbarer Gefallener von Poelkapelle auf den Soldatenfriedhof Langemark (6 km nordöstlich von Ieper/Ypern) in ein Kameradengrab mit 24.916 Toten umgebettet.
Brief Nr. 1: Freiburg, den 10. November 1916
Liebe Eltern!
Das Paket und die 10 M (Mark) sind gut angekommen, besten Dank dafür. Fleischkarten brauche ich keine mehr. Wir bekommen in einer guten Wirtschaft für verhältnismäßig wenig Geld und ohne Brot- und Fleischkarten zu essen – soviel wir wollen. Das Essen in der Kaserne ist auch ordentlich, aber wir verdienen es sauer bei dem strengen Dienst. Nächsten Samstag werde ich ein Paket mit Wäsche abschicken, die Socken nimmt es böse her, ich weiß gar nicht, was ich da machen soll. Vielleicht könntet Ihr mir Fußlappen besorgen, dadurch würden die Socken sehr geschont werden. Mit der Impferei wird es es jetzt bald haben. Am Freitag haben wir die fünfte Dosis bekommen. Bis jetzt ist es mir erst einmal schlecht davon geworden. Am Dienstag werden wir dann nochmals geimpft und dann haben wir für einige Zeit Ruhe. Gottfried Weber und Martin Bottling habe ich bereits getroffen. Beinahe wäre ich nach Konstanz gekommen, heute zu den Maschinengewehren, aber wegen den schlechten Augen hätte meine Meldung doch keinen Wert gehabt. Aus meiner Korporalschaft sind zwei hingekommen. Morgen wird es sich wohl über meinen entscheiden, wir haben nämlich das erste Scharfschießen. Der Urlaub ist bei uns allen ein großer Trost, denn wir werden wohl nicht mehr lange hier sein. Der Ausgang am Sonntag läßt zu wünschen übrig. Heute z. B. sind wir erst um ½ 5 Uhr fortgekommen, obwohl es der Tag der Vereidigung war. Das hat uns alle sehr empört. Am Werktagabend darf man überhaupt nicht ans Ausgehen denken, und da lassen sie uns nicht mal am Sonntag zur rechten Zeit fort. Auf den Nachtausgang verzichte ich gerne, denn davon hat man nichts. Daran ist hauptsächlich der Feldwebel schuld, der sich jetzt als nicht besonders feiner Herr entpuppt hat. Er war noch nie im Feld, hat aber trotzdem die badische Verdienstmedaille. Nun muß ich mein Schreiben schließen.
Auf baldiges Wiedersehen hoffend grüßt Euch alle,
Hermann
Abs. Musketier Hermann Keck
1. Rekrutendepot
2. Ersatzbataillon
113 Freiburg i. Breisgau
Brief Nr. 2: Freiburg, den 28. November 1916
Liebe Eltern!
Das Paket ist gestern abend gut angekommen, besten Dank hierfür. Macht Euch nur keine Sorgen, Es geht mir Gott sei Dank immer gut. Nur manchmal werden wir so gedrillt, daß ich kaum mehr ein Bein tragen kann, und dann kommt ein wenig ein Entleider, aber den verschlafe ich wieder über Nacht. Der Dienst ist sehr streng. Wir müssen bis Mitte Januar, wie uns Herr Hauptmann Kalenberg schon gesagt hat, ausgebildet sein, da könnt Ihr Euch denken, wie wir da rangenommen werden. Aber wir haben wenigstens ein ordentliches Ausbildungspersonal, Unser Zugführer, Leutnant Grewen (?), war, wie er mir sagte, bei Kriegsanfang in Garnison in Radolfzell. Er ist ein sehr ordentlicher Mensch. Der Hauptmann ist heute versetzt worden, nach Karlsruhe. Was wir jetzt für einen bekommen, wissen wir noch nicht. Der Feldwebel heißt Schuhwerk und ist Hauptlehrer in Dogern. Amt Waldshut. Den Gruß, den Ihr mir für ihn aufgetragen habt, getraue ich mir nicht auszuführen, denn 1. könnte der es als Schmeichelei auffassen und 2. kann ich gar nicht schmeicheln, das bringe ich nicht fertig. Wenn Papa nun kommen würde, wäre es eine große Freude für mich, und dann könnte er auch mit dem Feldwebel bekannt werden. Beim Dienst merke ich halt immer mehr, daß mir das Turnen fehlt, aber beim Zielen hatte ich einen sehr guten Erfolg und so kann ich vielleicht noch ein ordentlicher Schütze werden. Das Impfen bin ich jetzt bald gewöhnt. Wir sind schon zweimal geimpft worden. Das erste Mal hat es mir gar nichts ausgemacht. Aber das zweite Mal, als wir auf die Brust geimpft worden sind, ist es mir etwa 4 Stunden später so 5 Minuten lang unwohl gewesen. Viele Leute sind in sich zusammengesunken, aber paar Minuten später war es ihnen schon wieder wohl. Jetzt werden wir noch 4 mal geimpft. Vielleicht bekomme ich bald mal Urlaub, aber wahrscheinlich brauche ich vor Weihnachten nicht dran glauben. Letzten Sonntag sind wir ausgeführt worden, und kommenden Sonntag bekomme wir Ausgang.
Zum Schlusse grüßt Euch alle herzlich
Euer Hermann
Brief Nr. 3: Freiburg, den 14. Januar 1917
Liebe Eltern!
Vor allem bitte ich Euch um Verzeihung, daß ich so lange nichts mehr von mir hören ließ. Seit Papas Besuch habe ich noch eine strenge Zeit verlebt. Die Besichtigung durch den General fand letzten Donnerstag statt, und da könnt Ihr Euch wohl denken, was für einen Dienst wir bis dahin hatten. Aber das wäre nicht so schlimm gewesen, wenn ich nicht zu allem hin noch meinen Fuß übertreten hätte, und jetzt habe ich schon zehn Tage einen geschwollenen Fuß. Aber trotz aller Schmerzen habe ich meinen Dienst gemacht. Wenn ich mich krank gemeldet hätte, so würde ich jetzt nicht mit den anderen Kameraden fortkommen, sondern müßte zurückbleiben und würde dann zu mir unbekannten Leuten kommen. Herzlich froh bin ich, daß ich durchgehalten habe und die Rekrutenzeit hinter mir habe. Seit Freitag werden wir eingekleidet. Heute morgen hatten wir Appell in feldmarschmäßiger Ausrüstung. Montag Abend kommen wir nun fort. Wohin wissen wir noch nicht genau, aber sehr wahrscheinlich auf den Heuberg zu einem neuen Regiment. Von dort aus hoffe ich dann paar Tage Urlaub zu bekommen. Die Wäsche und die übrigen Sachen werde ich morgen fortschicken. Vorderhand brauche ich keine Wäsche mehr, denn wir haben 2 ganz neue Hemden, 2 Paar neue Socken, 1 Paar Pulswärmer, 1 Kopfschützer und 1 Leibbinde empfangen. Schicke die Pulswärmer und 1 Leibbinde wieder zurück. Zu Hause sind sie besser aufgehoben als bei mir und später bin ich vielleicht froh, wenn ich Ersatz habe. Geld kann ich dann auch wieder brauchen, wenn ich an Ort und Stelle bin. Das Paket habe ich am Freitag erhalten und danke dafür. Zu Papas Auszeichnung sende ich die herzlichsten Glückwünsche.
In der Hoffnung auf baldiges Wiedersehen grüßt Euch herzlich
Hermann
Feldpost vom Truppenübungsplatz Heuberg
Postkarte Nr. I: Heuberg, den 17. Januar 1917
Liebe Eltern!
Bin seit gestern Abend hier auf dem Heuberg. Wir sind schon eingeteilt, aber arg auseinandergerissen. Nur Wernert (Kamerad aus Ettlingen) ist bei mir. Alles nähere folgt noch. Es war ein schönes Abenteuer bis wir hier oben waren. Geld brauche ich gleich und Hunger habe ich auch.
Einstweilen grüßt Euch herzlich Hermann
Musketier Hermann Keck
Infant. Regim. 470, 1. Bataillon, 4. Kompagnie, 2. Zug,
z.Zt. auf dem Heuberg
Brief Nr. 4: Heuberg, den 18. Januar 1917
Liebe Eltern!
Nun will ich Euch näheres über unseren Aufzug nach dem Heuberg berichten. Dientag morgen um 6 Uhr fuhren wir in Freiburg ab. Der Weg ging über Offenburg den Schwarzwald hinauf. Die Wagen waren nicht geheizt und wir mußten ziemlich frieren. Um ½ 3 Uhr waren wir in Immendingen, wo wir gute und reichliche Mittagskost bekamen. Abends um 5 Uhr kamen wir in Hausen an. Jetzt begann ein elender Leidensweg für uns. Unser Gepäck auf dem Rücken hatte ein Gewicht von über 50 (Pfund). Dazu kamen noch in den Patronentaschen über 90 scharfe Patronen. Zuerst mußten wir noch ½ Stunde mit dem Affen (Spitzname für Rucksack) auf dem Rücken herumstehen. Dann ging Marsch auf der Straße der Bahn entlang bis fast nach Thiergarten. Hier schwenkten wir ab, und nun gings auf einem Fußweg einer hinter dem anderen hergehend den Berg hinan. Der Weg ist in der Steigung ungefähr gleich wie der Fußweg von Bodman nach dem alten Schloß, manchmal ist er noch steiler, denn er führt ziemlich gerade hinauf. Doch die Steigung wäre nicht das Schlimmste gewesen, aber es liegt hier oben etwa 10–15 cm tiefer Schnee. Ich selber wundere mich jetzt noch, wie ich überhaupt hinaufgekommen bin, da ich ja, wie ich Euch bereits geschrieben, zu allem Unglück den Fuß auf dem Marsch übertreten habe und da könnt Ihr Euch denken mit was für Schmerzen ich da hinauftrappeln mußte. Aber ich habe auf die Zähne gebissen und bin halt mitgetrippelt so gut es gegangen ist. Von uns hundert Rekruten haben 12 Mann schlappgemacht. Selbst die Unteroffiziere sagten, daß sie einen solchen Aufstieg noch nicht mitgemacht hätten. Um ½ 9 Uhr endlich waren wir oben. Wir sind in einem Pferdestall einquartiert. Aber der Zementboden tut nicht besonders gut. Heute Nachmittag fand nun die Gründung des neuen Regiments 470 statt.
Zum Schlusse grüßt Euch herzlich
Euer Hermann
Brief Nr. 5: Den 8. Februar 1917
Liebe Eltern!
Habe soeben die Kiste und 15 M (Mark) erhalten. Besten Dank dafür. Bin recht froh, daß ich jetzt etwas verschließbares habe, aber wenn wir nach auswärts ausziehen müssen, ist die Kiste umständlich zu transportieren. Die Diebstähle nehmen nun ganz unheimlich überhand. Zur Strafe hat von jetzt ab die ganze Kompagnie bis auf Weiteres jeden Tag eine Stunde nachexerzieren. Es muß alles wieder für einige büßen. Auch der Dienst ist diese Woche strenger geworden. Es ist uns allen hier oben entleidet, denn die Kälte ist doch etwas groß. Auch treten jetzt die Fälle von Erfrierungen häufiger auf. Der eine erfriert die Hände, der andere die Ohren und so geht es fort. Ich hätte heute beinahe den Fuß erfroren, es geht zur Zeit wieder der gleiche Wind wie am Kaiserstag (27.1.: Geburtstag Kaiser Wilhelms II.). Unsere Adresse hat sich auch verändert, übersende sie Euch anbei. Ihr dürft nichts anderes draufschreiben, auch nicht »auf dem Heuberg«. Würde Euch gerne noch Näheres schreiben, aber es ist uns verboten. Diese Woche bin ich zwei Tage im Bett gelegen, denn ich konnte keinen Dienst mehr machen. Vor lauter Überanstrengung. Hoffentlich kommen wir bald weg von dem elenden »Heubuckel«. Muß nun Schluß machen, denn es ist Zeit in die Klappe zu gehen.
Herzliche Grüße sendet Euch
Hermann
Anbei folgen die Photographien. Die Übrigen habe ich von hier aus verschickt.
Brief Nr. 6: Den 15. Februar 1917
Liebe Eltern!
Bin seit Samstag krank, habe mich erkältet und liege nun im Revier. Seid nun so gut und schickt mir etwa 3 Hemden, 2 Handtücher und besonders Taschentücher. Auch ein wenig Weißbrot wäre gut, kann den Kommis kaum mehr kauen. Schickt auch etwas Zucker, denn der Kaffee schmeckt mir gar nicht, er kommt mir ganz bitter vor. Bekommen kann ich hier nichts. Aber ich brauche die Wäsche sofort, muß also gleich geschickt werden. Muß nun Schluß machen, sonst werde ich ganz durcheinander im Kopf.
Es grüßt Euch herzlich
Hermann
Brief Nr. 7: Den 17. Februar 1917
Liebe Eltern!
Habe erst am Freitag abend Papas Brief erhalten. Die Post braucht zur Zeit schrecklich lange bis sie hier oben ist. Die Eßwaren in der Kiste sind richtig angekommen. Es war ein Laib Brot, Wurst, Speck, Apfelschnitze und Zucker. Mit meiner Erkältung geht es etwas besser. Habe Stirnhöhlenkatarrh und durch die starken Schmerzen habe ich noch Kopfweh bekommen. Liege jetzt schon 8 Tage im Revier, aber hier hat man keine Ruhe und keine Verpflegung, es ist mehr Rummelplatz für Kranken(be)trüger.
Wernert hat mehr Glück gehabt wie ich, der ist in einer Baracke, während ich immer noch im Stall bin. Wir sind nämlich auseinandergerissen. Ich bin jetzt ganz verlassen im 3. Zug, habe mich aber bereits daran gewöhnt, wenn es mir auch schwer fiel. Das 1. Batl. bleibt nun im Lager, das 2. kommt in die Umgegend, und das 3. kommt nach Stetten. Wir bleiben also an Ort und Stelle. Wie es mit Urlaub steht, weiß ich noch nicht. Ich werde ja doch wieder Pech haben. Wenn ich ohne Urlaub ins Feld muß, dann geht mein guter Soldatengeist bald flöten. Wahrscheinlich werden vor allen Dingen die alten Soldaten beurlaubt werden. Soviel wir jetzt gehört haben, geht es Mitte März los und zwar allem Anschein nach gegen Italien. Bestimmtes wissen wir ja nicht, es sind nur Vermutungen. Mama wünsche ich zu ihrem kommenden Geburtstag (am 16.2.) viel Glück und Segen.
Schließe nun in der Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen und grüße Euch herzlich,
Hermann
Brief Nr. 8: Den 21. Februar 1917
Liebe Eltern!
Habe heute morgen ein Paket empfangen mit 1 Laib Brot, Butter, Speck, Zucker und Apfelschnitz. Es scheint, als ob dies Paket ziemlich lange unterwegs war, denn alles was ich hier oben empfange, kommt von Straßburg. Dachte schon, daß das Paket die gewünschte Wäsche enthalte, die ich sehr notwendig brauchen könnte. Ich muß nämlich meine Militärwäsche in Stand setzen, denn es wird nicht mehr reichen, dieselbe nach Hause zu schicken. Ihr werdet wohl auch schon erfahren haben, daß der Urlaub wiederum gesperrt ist. Wenn ich draußen so viel Pech habe wie in Garnison, dann wird es heiter werden. Jetzt habe ich so lange mit Schmerzen auf den 19. Febr. gewartet und auf Urlaub gehofft und nun ist es wieder vorbei. Jetzt muß ich mich halt mit Urlaub vom Feld aus trösten, aber der wird nicht so schnell und so leicht zu bekommen sein. So viel man jetzt wieder hört, sollen wir schon am 5. März fortkommen. Allgemein hört man auch sagen, daß wir nach Italien kommen. Nun besser wäre es schon, als nach der Westfront. Mit meiner Erkältung geht es jetzt wieder besser. Werde wahrscheinlich morgen aus dem Revier entlassen. Bin herzlich froh, wenn ich da wieder raus komme. – Bei so schöner Behandlung. Überhaupt fängt es bei mir schon an, daß ich vom Militärleben genug habe, denn die Enttäuschung mit dem Urlaub war zu groß. Auch wird es jetzt hier oben ungemütlich, denn es taut sehr stark. Auf der Straße liegt schon kein Schnee mehr. Allerdings schneit es heute wieder kräftig. Aber ob der Schnee liegen bleibt, ist fraglich.
Nun will ich schließen in der Hoffnung, daß Ihr alle gesund und wohl seid und daß Ihr Euch tröstet wie ich wegen dem Urlaub.
Grüße Euch alle herzlich
Hermann
Brief Nr. 9: Den 25. Februar 1917
Liebe Eltern!
Gestern Mittag ist ein Paket gekommen mit 3 Hemden, 3 Handtüchern, Taschentüchern, 14 Äpfel, Schokolade u. Zucker. Besten Dank dafür. Es geht mir nun wieder besser. Werde von morgen an wieder Dienst machen. Stanger hat heute Besuch, seine Eltern sind da. Wernert von Moos wieder hier (?), habe es soeben erfahren. Nun hätte ich auch einen sehnlichen Wunsch. Wie wäre es, wenn Ihr nächsten Sonntag wenigstens bis Thiergarten kommen könntet! Allerdings ist es ja sehr umständlich für Euch. Irma und Toni (Hermanns Schwestern) werdet Ihr ja wohl nicht gut mitnehmen können. Natürlich ver(?) ich Euch nicht unbedingt, Ihr könnt ja am Besten darüber entscheiden, ob Ihr kommen könnt oder nicht. Schön wäre es ja, wenn wir uns wiedersehen könnten, denn der nächste Sonntag ist ja sicherlich der letzte, den wir hier oben erleben! Im Falle Ihr nun kommen würdet müsstet Ihr mir bei Zeit antelegraphieren, damit ich Urlaub einreichen kann. Ihr würdet dann natürlich in Thiergarten bleiben, denn hier oben ist es jetzt ganz ungemütlich, es ist ein fürchterlicher Schmutz überall.
In der Hoffnung auf baldiges Wiedersehen grüße ich Euch alle herzlich,
Euer Hermann
Brief vom Transport zur Westfront
Brief Nr. 10: 24. März 1917
Liebe Eltern!
Bin gut angekommen hier. Unsere Kompagnie rückte gerade aus zum Schanzen und kam erst wieder um 12 Uhr zurück. Der Dienst beginnt heute erst um 9 Uhr, wir hätten es gar nicht besser erwischen können. Mit dem Sonntagsurlaub ist es vorbei, haben schon auf dem Weg erfahren, daß wir im Laufe der nächsten Woche fortkommen. Wir werden wohl an die Westfront kommen, denn die Reise soll nur 3-4 Tage in Anspruch nehmen. Die Quartiermacher gehen heute fort, wir werden erst einige Zeit hinter der Front sein. Näheres wissen wir ja nicht. Das Paket ist bereits angekommen. Hier oben haben wir jetzt wieder Winter. Es schneit den ganzen Tag und der Schnee liegt schon ziemlich hoch. Wahrscheinlich werdet Ihr in der nächsten Zeit keine Nachricht mehr bekommen von mir, denn die Post wird ja doch, wie uns gesagt wurde, für einige Zeit zurückbehalten, bis wir an Ort und Stelle sind. Es ist auch möglich, daß wir in die Karpaten kommen.
Nochmals grüßt Euch alle auf baldiges Wiedersehen,
Euer Hermann
Viele Grüße an Karl (Bruder von Hermann), wenn er heimkommt. Meine Adresse lautet vorerst wie bisher.
Feldpost von der Westfront (Elsass)
Brief Nr. 11: Den 4. April 1917
Liebe Eltern!
Sende Euch aus dem Schützengraben die ersten Grüße. Es geht mir ganz gut. Die Franzmänner verhalten sich hier ziemlich ruhig. Wir sind in der Gegend von (Ortsname unleserlich; nähere Angabe in Klammern gestrichelt, weil verboten! Gemeint sein könnte in Altkirch/Sundgau). Habe mit der ersten Post Papas Brief erhalten, der mich sehr gefreut hat. Leider kann ich keinen passenden Umschlag bekommen, um die Erklärung zurück zu schicken. Sendet mir bald einen solchen zu. Auch fehlt es mir an Tinte aber in diesem Falle wird es auch mit Bleistift gehen. Die Stollen in denen wir untergebracht sind, wirken ganz schön aber furchtbar naß. Läuse habe ich auch schon und sogar schwarze Pusteln (?). Die Gegend ist sehr schön und nur wenig verwüstet. Unsere Arbeit besteht aus Schanzen denn unsere Kompagnie liegt in Reserve.
Schließe nun indem ich Euch alle nochmals grüße und wünsche Euch fröhliche Ostern. Euer Hermann
Musketier Hermann Keck
Inf. Regt. Nr. 470
1. Bataill.
4. Komp., Straßburg i. Els. 50
Brief Nr. 12: Schützengraben, den 13. April 1917
Liebe Eltern!
Bin immer noch gesund u. munter. Wir sind seit Ostermontag im vorderen Graben. Wir haben es sehr streng, es gibt viel zu schanzen und Posten stehen. Ans Schlafen darf man kaum denken. Habt Ihr die Kiste vom Heuberg erhalten? An eigener Wäsche habe ich ein Hemd, 3 Paar Socken mitgenommen. Ich vermute, daß wir nicht lange hier sind und wohl dorthin kommen, wohin wir zuerst zu kommen glaubten, vorausgesetzt, daß uns die nächste Zeit keine Offensive bringt. Von meinen Ettlinger Kameraden bin ich beinah ganz abgeschlossen. Wernert habe ich in den 14 Tagen nur einmal gesprochen, denn wir sind zu weit auseinander. Zur Zeit haben wir richtiges Aprilwetter, ich sehne mich sehr nach wärmeren Tagen.
In der Hoffnung, daß wir uns bald wiedersehen grüße ich Euch herzlich
Euer Hermann
Brief Nr. 13: Im Felde den 19. April 1917
Liebe Eltern!
Das Paketchen ist am 15. des Mo. gut angekommen, besten Dank dafür. Den Bogen betr. Stipendium werde ich in nächsten Tagen abschicken, konnte bis jetzt noch keine Tinte auftreiben. Die Schreibstube liegt in Altkirch und bis dorthin haben wir ¾ Stunde zu gehen und bei unserer jetzigen Schanzarbeit ist es unmöglich wegzukommen. Wir kommen in nächsten Tagen in Ruhe, dann läßt es sich machen. Es wird hoffentlich nicht so arg eilen. Vom letzten Samstag Mittag bis Montag abend hatten wir ununterbrochen Artilleriefeuer und erwarteten einen Angriff, der aber ausblieb. Die Franzosen wissen schon durch viele Überläufer (!) daß ihnen eine Neuformation gegenüberliegt und nun haben sie vor ihr Drahtverhau ein Plakat gehängt mit der Aufschrift »Neuformation herzlich willkommen«. Wir werden deshalb bald von dieser Stelle wegkommen.
Herzliche Grüße sendet Euch
Hermann
Brief Nr. 14: Im Felde, den 22. April 1917
Liebe Eltern!
Nachdem wir nun in Ruhe nach A...H (gemeint ist Altkirch, wie in Brief Nr. 13 erwähnt) gekommen sind, ist es mir endlich möglich geworden, Tinte aufzutreiben. Ich übersende Euch hiermit die Erklärung betr. Stipendium. Herr Direktor hat mir geschrieben, daß es eilt mit der Erklärung. Papa soll nun so gut sein, und ihm den Grund der Verspätung schreiben. Wollte Euch schon längst übriges Geld schicken, aber jetzt bin ich froh darum. Wir bekommen nämlich nur noch 1/3. Brot täglich. (Noch weniger als in Garnison und da kauft man halt, was man erwischen kann.) Besondere Wünsche habe ich keine, wenn ich auch etwas hungern muß bei der schmalen Kost. Das macht gar nichts, man gewöhnt sich an alles. Die Hauptsache ist ja, daß man gesund durchkommt.
Schließe nun, indem ich Euch alle herzlich grüße,
Euer Hermann
Feldpost aus dem Etappen-Seuchenlazarett Logelbach bei Colmar
Brief Nr. 15: den 8. Mai 1917
Liebe Eltern!
Werdet wohl schon lange mit Schmerzen auf Nachricht von mir warten. Bin seit 28. (April) krank und kam am 4. Mai ins Lazarett. Habe an einem schweren Darmkatarrh gelitten und war anfangs Typhusverdächtig, doch es geht mir jetzt schon etwas besser aber das Zeug hat mich ziemlich mitgenommen. Seid nun so gut und schickt mir in Briefen ab und zu etwas Geld, damit ich mir Wein kaufen kann. Ich muß etwas zusetzen, denn bei der schmalen Kost kommt man nur sehr schwer wieder auf die Höhe. Ich liege in der Nähe von Kolmar und habe den Weg von der Front bis hierher im Sanitätsauto zurückgelegt.
Grüße Euch alle herzl.
Euer Hermann
Musketier Hermann Keck
Inf. Reg. 470
z. Zeit Etappenseuchenlazarett
Brief Nr. 16: undatiert
Eben fällt mir ein, daß wenn Ihr meinen ersten Brief noch nicht erhalten habt, Euch dieser Brief ein Rätsel sein würde. Bin seit 28. v.M. krank und kam am 4. Mai als Typhusverdächtig in das Seuchenlazarett Logelberg bei Kolmar. Bin nun wirklich auch an Typhus erkrankt, aber es ist nicht schlimm, braucht also gar keine Sorgen zu haben. Es nimmt mich allerdings ziemlich mit, aber es wird auch wieder besser werden. Meine Adresse steht auf der anderen Seite. Wenn ich nur schon zu Hause wäre, ich kann es kaum erwarten, bis es mal so weit ist.
Nochmals viele Grüße
Hermann
Brief Nr. 17: Lazarett, den 12. Mai 1917
Liebe Eltern!
Habe soeben erfahren, daß die Post so lange braucht bis sie an Ort und Stelle ankommt. Ihr werdet wohl in Angst und Sorgen um mich gewesen sein bis die erste Nachricht ankam! Das Paket Nr. 2 habe ich noch erhalten. Gleichzeitig kamen auch von Glatt zwei Stück, die ich aber leider nicht verzehren konnte, mußte sie fast unangetastet herschenken. Heute hat mir der Arzt zuerst mal das Aufstehen erlaubt, aber ich kann kaum mehr stehen, so schwach bin ich. Doch die Gefahr ist vorüber, der Typhus ist überstanden. Hoffentlich gibt es bald Erholungsurlaub aber bis dahin vergehen noch ein paar Wochen. Schön ist es in einem Seuchenlager nicht, das sagt eigentlich ja nichts, das sagt ja schon der Name, man lebt wie in einem Gefängnis. Schicke Euch anbei noch 2 Bilder von mir, die M... in Freiburg aufgenommen hat auf dem Heuberg. Schickt mir bitte etwas Seife und etwas zum Rauchen. Die Seife ist mir auf dem Transport gestohlen worden und hier können wir nichts beikriegen.
Grüße Euch alle,
Hermann
Schreibt mir bitte bald damit ich weiß wie lange die Post braucht.
Brief Nr. 18 (nicht zensiert): Logelbach, den 20. Mai 1917
Liebe Eltern!
Täglich warte ich auf Nachricht von Euch, aber immer wieder gebe ich die Hoffnung auf, daß Ihr schon wieder einen Brief erhalten habt. Unsere Post, die von diesem Seuchenlager ausgeht braucht nach Aussagen von Kameraden 14 Tage bis 3 Wochen bis sie zu Hause ankommt. Das kommt daher weil jeder Brief u. jede Karte in Kolmar durch die Zensur geht. Das ist ja zum Verrücktwerden mit solch einer Postverbindung. Diesen Brief will ich nun durch einen Kameraden, der übrigens von Sipplingen ist durch seinen Truppenteil befördern lassen, damit man auch mal bißchen Wahrheit schreiben kann. Nun, ein angenehmer Aufenthalt ist es hier nicht. Wir haben nämlich gar keine Bewegungsfreiheit, denn es steht uns nur ein kleiner Garten zur Verfügung und darin liegen Baracken, die mit kranken Rumänen und Russen gefüllt sind. Dieses dreckige Volk empfängt aus der selben Küche das gleiche Essen, trägt die gleiche Wäsche sodaß man damit rechnen muß, daß man mal ein Hemd von solch einem dreckigen Kerl erwischt, also kurz und gut, die Gefangenen werden genauso behandelt wie wir. Überall wo man geht und steht rufen einem die Kerle an ob man nichts zu essen oder zu rauchen hat für sie. Nun, Gott sei Dank werden wir bald befreit von dieser Bande, denn die Gefangenen sollen von hier wegkommen. Ich selbst liege seit 4 Tagen wieder im Bett. Der Arzt hat scheints was gefunden bei mir. Er untersucht mich täglich 2 mal, aber er äußert sich nicht. Nun je länger es geht desto lieber ist es mir, dann komme ich nach Gengenbach zum Ersatzbataillon. Da gibt’s kräftig Erholungsurlaub. Ich möchte auch gar nicht so schnell wieder zu meiner Truppe zurück, denn mit dem Feldwebel stehe ich gar nicht gut, und ich glaube, daß wenn ich ihn wieder gar zu schnell zu Gesicht bekäme, ich meinen Mund nicht mehr halten könnte. So ein Mann reißt einem mit Gewalt die Vaterlandsliebe aus dem Leib heraus.
Nun hoffentlich werdet Ihr diesen Brief bald bekommen und bitte, schreibt mir auch bald wie es bei Euch steht. Ihr werdet wohl auch so schönes Wetter haben wie wir.
Auf baldige Nachricht wartend grüßt Euch alle herzlich
Euer Hermann
Brief Nr. 19: Lazarett, den 26. Mai 1917
Liebe Eltern!
Der gestrige Tag ist doch ein Gedenktag für mich. Nachdem ich 4 Wochen lang keine Post mehr erhalten habe, wurden mir von der Kompagnie die inzwischen eingetroffenen Postsachen nachgeschickt. Mit einem Schlage erhielt ich 5 Pakete und 10 Karten und Briefe. Aber noch größer war meine Freude, als ich gleichzeitig die Karte von Papa erhielt und endlich nun die Gewißheit hatte, daß Ihr jetzt Nachricht von mir habt. Das war auch eine große Beruhigung für mich. Von Euern Paketen habe ich Nr. 1 & 2 in Stellung erhalten, 3 & 4 kamen gestern in gutem Zustande an. Nr. 5 steht noch aus. Habe auch von Karl ein Paket mit Speck erhalten, aber der sah bös aus. 2 Pakete habe ich von Glatt erhalten mit Speck & Butter. Die Butter war allerdings schlecht, konnte sie aber in der Küche gegen frische umtauschen lassen. Der Speck von Glatt ist noch ziemlich gut. Da ich aber noch keinen Speck ertragen kann, habe ich den größten Teil unter meinen Kameraden ausgeteilt. Wollte denselben zuerst Euch schicken, fürchtete aber, daß er den Transport von 14 oder noch mehr Tagen nicht mehr aushalten würde. Die Brötchen, die Irma gebacken hat, sind etwas hart geworden, aber schmecken doch. Brot darf ich noch keines essen, bekomme nur etwas Weißbrot, und zwar bekam ich das heute zum ersten Mal. Bisher durfte ich nur Zwieback essen. Das Bett muß ich immer noch hüten. Heute ist auch eine Anweisung mit 10 M (Mark) gekommen. Mein einziger Wunsch ist der, daß ich wenigstens bis Juli in Urlaub komme. Ich weiß ja nicht, wie lange ich noch hier bin, der Arzt äußert sich in keiner Weise, wo es fehlt. Doch schlimm kann es nicht sein, denn ich fühle mich ziemlich wohl, bin nur ziemlich schwach, was ja immer eine Folge bei diesen Krankheiten ist.
Für die Pakete u. die 10 M bestens dankend grüße ich Euch alle herzl.
Euer Hermann
Habe soeben in der Zeitung gelesen, daß Kurt Berger, der 2. Sohn von Hauptlehrer Berger gefallen ist.
Feldpost von der Westfront nach Aufenthalt im Seuchenlazarett und Heimaturlaub
Postkarte Nr. II: den 24. Juni 1917
Liebe Eltern!
Bin seit Donnerstag wieder bei der Truppe an der Front. Es geht mir wieder ziemlich gut, nur fühle ich mich noch sehr schlapp u. habe oft Kopfschmerzen. Karl wird jetzt wohl zu Hause sein in Ferien. Vielleicht bekomme ich Urlaub.
Es grüßt Euch herzlich
Euer Hermann
Brief Nr. 20: Im Felde den 12. Juli 1917
Liebe Eltern!
Bin gut bei meiner Truppe angekommen und habe wieder tüchtig zu arbeiten. Ich habe mich wieder gut eingewöhnt, aber an die schönen Tage zu Hause darf ich nicht denken, sonst bekomme ich kräftig Heimweh. Meine Leibschmerzen lassen immer noch nicht nach. Bin scheints doch zu früh aus dem Lazarett fort oder habe mich wieder von Neuem verdorben. Der Franzmann ist immer noch sehr ruhig. Er ließ uns sogar den Großherzogstag fast ohne Störung feiern. Das Wetter war in den letzten Tagen sehr schlecht, doch es scheint jetzt wieder besser zu werden.
In der Hoffnung, daß Ihr immer noch gesund und wohl seid grüßt Euch alle herzlich
Euer Hermann
Brief Nr. 21: Im Felde den 23. Juli 1917
Liebe Eltern!
Habe heute die Pakete 1 u. 2 erhalten, herzlichen Dank dafür. Es geht mir immer noch ganz gut, auch fühle ich mich wieder wohler. Zur Zeit gefällt es mir ganz gut. Wir liegen in einem Wäldchen und da ist der Aufenthalt im Sommer und besonders bei dem herrlichen Wetter, das wir jetzt haben ganz angenehm. Allerdings ist es nicht mehr so ruhig. Neuerdings scheinen wir ja gute Fortschritte zu machen auf allen Fronten, besonders in Rußland. Leider bekommen wir hier in Stellung nur selten eine Zeitung zu sehen, und gerade jetzt vermißt man dieselbe sehr. Doch wir kommen bald in Ruhe, dann kann man sie ja wieder besser bekommen. Alle Urlauber wundern sich über die Zuversicht des nahen Friedens, die zu Hause herrscht, während die Soldaten hier draußen schon wieder mit einem Winterfeldzug rechnen. Ich selbst glaube auch mehr an die Hoffnung derer zu Hause. So Gott will wird diese Hoffnung in Erfüllung gehen. Ihr rechnet auf Urlaub für mich für den Herbst zur Obsternte, doch ich habe keine Hoffnung, denn es gehen bis zum Winter nur landwirtschaftliche Urlaube vor, was für mich selbstverständlich ist. Es wird schon Frühjahr werden vielleicht auch etwas früher bis ich wieder an die Reihe komme, denn der Erholungsurlaub wird mir wohl auch angerechnet werden. Doch bis dahin wird auch der Krieg zu Ende sein.
Was ist denn mit meiner Uhr, ist sie noch nicht fertig? Ich passe mit Schmerzen drauf, denn ich vermisse sie und brauche sie sehr notwendig. Schickt sie also bitte alsbald.
Nochmals bestens dankend und mit dem Wunsche, daß es Euch allen gut geht grüßt Euch herzlich
Euer Hermann
Postkarte Nr. III: Im Felde, den 29. Juli 1917
Meine Lieben!
Will Euch ein kleines Lebenszeichen schicken. Es geht mir immer noch gut, wenn sich auch unser Standpunkt etwas schwieriger gestaltet hat. Näheres werde ich Euch brieflich mitteilen. Wir können ja Gott sei Dank wieder etwas freier schreiben denn die Zensur durch die Kompagnie besteht nicht mehr. Wie steht es bei Euch? Es wird wohl sehr trocken sein, aber die Ernte wird schon begonnen haben. Im Seminar (Lehrerseminar in Ettlingen) haben sie seit 21. d. Mon. Ferien. Ach wie gerne wäre ich jetzt wieder Seminarist!
In der Hoffnung, daß Ihr alle gesund und wohl seid, grüßt Euch alle
Euer Hermann
Postkarte Nr. IV: Im Felde, den 1. August 1917
Liebe Eltern!
Habe die Paketchen Nr. 3 u. 4 mit bestem Dank erhalten. Die Suppenwürfel haben tadellos geschmeckt. Den Kakao habe ich in den Kaffee eingerührt, wodurch er viel besser geschmeckt hat. Seit 2 Tagen haben wir Regenwetter, hat sich aber heute schon wieder gebessert. Der Regen wird bei Euch wohl gut getan haben. Wenn Papa nach Glatt geht, so soll er auch so gut sein und Grüße dort ausrichten besonders an Alois, falls er auf Urlaub sein sollte. Karl wird wohl auch bald kommen. Wenn ich nur auch das Glück hätte, die Heimat wieder zu schauen. Doch das wird noch lange auf sich warten lassen.
Auf baldiges Wiedersehen grüßt Euch
Euer Hermann
Brief Nr. 22: Im Felde, den 7. August 1917
Liebe Eltern!
Habe die beiden Pakete Nr. 5 u. 6 mit bestem Dank erhalten. Die Butter hat sich gut gehalten. Suppenwürfel dürft Ihr schicken, soviel Ihr bekommt, denn es ist das billigste, läßt sich leicht zubereiten und schmeckt auch einem Soldaten ganz vortrefflich. Wir waren bisher immer in Stellung und kamen nun heute früh in Ruh. Letzten Freitag machte unser Bataillon die ersten Gefangenen bestehend aus einem Mann und zwar ist das eine Leistung von der 4. Kompagnie. Eine Patrouille hob drüben unter großen Schwierigkeiten einen Grabenposten aus. Die beiden Kerle müssten aber großen Widerstand geleistet haben, statt zu wachen miteinander gesungen und gepfiffen, und so wurde es den unsrigen ermöglicht unbemerkt bis an den französischen Graben zu kommen, dann aber gab es einen schweren Kampf bis die beiden Franzmänner überwältigt waren. Schließlich wurde der eine erschossen und der andere dann verwundet mitgenommen. Leider wurde der Patrouillenführer, der hierfür das EK 1 erhielt, ebenfalls verwundet. Ich bin nun in den letzten Tagen auf Horchposten gewesen. Da könnt Ihr Euch denken wie man da Augen und Ohren aufgesperrt hat, um zu lauschen, ob sie nicht kommen, einen Gegenbesuch abzustatten, dessen Ziel man schließlich selbst sein sollte. Doch sie haben sich bisher gehütet uns zu belästigen.
Dieser Tage bin ich dem Kosmosverein beigetreten. Es ist dies ein naturwissenschaftlicher Verein in Stuttgart, der eine Zeitschrift und jährliche verschiedene Hefte mit interessanten Aufsätzen herausgibt. Ich habe es hauptsächlich getan, um hier im Felde etwas zu lesen zu haben. Ihr werdet wohl auch damit einverstanden sein. Es kostet jährlich etwa 6 M (Mark). Seit Neuestem haben wir hier ein Soldatenheim, das kann man nur besuchen, wenn man in Ruhe liegt.
Sonst geht es mir immer noch gut. Hoffentlich ist bei Euch alles wohlauf.
Schließe nun in der Hoffnung auf baldiges Wiedersehen und grüße Euch alle herzlich,
Euer Hermann
Postkarte Nr. V: Den 27. August 1917
Liebe Eltern!
Will Euch rasch ein Lebenszeichen von mir schicken, werdet wohl schon lange auf ein solches warten. Bin zur Zeit meistens auf Reisen ins Ungewisse. Ausführliches folgt, sobald es mir möglich ist.
Grüße Euch einstweilen
Euer Hermann
Brief Nr. 23: Schützengraben, den 1. September 1917
Liebe Eltern!
Endlich komme ich wiedermal dazu, Euch einige Zeilen zu schreiben. Seitdem ich das letztemal geschrieben habe, hat sich alles gewaltig geändert. Wir waren 8 Tage lang in der Gegend von Mülhausen einquartiert. Es war sehr schön, obwohl wir ganz kasernenmäßig exerzieren mußten. Aber man konnte doch wieder als Mensch unter Menschen leben. Letzten Samstag hat uns dann der Großherzog in Mülhausen besichtigt. Nun sitzen wir in der Nähe eines heißen Kampfplatzes, links der Festung V... (exakte Angabe verboten!). Es geht halt jetzt doch allmählich in die Schweinerei rein. Im Allgemeinen geht es mir immer noch gut, aber hoffentlich kommt es doch bald besser, denn es gehört doch viel dazu, um das alles auszuhalten. Feuer haben wir bis jetzt noch nicht bekommen. Die Franzmänner liegen nur 60 m. von uns entfernt. Näheres darf ich Euch ja nicht schreiben. Die Postsachen habe ich alle erhalten. Von Papa sind vor einiger Zeit Zigarren gekommen. Auch die Pakete 7, 8, 9, 10 sind alle gut erhalten angekommen. Für alles sei Euch bestens gedankt. Wollte schon längst die leeren Marmeladedosen heimschicken, bin aber noch nie dazu gekommen. Muß nun schließen, denn es mangelt uns an Licht, nur Ungeziefer haben wir im Überfluss.
Herzl. Grüße sendet Euch
Euer Hermann
Viele Grüße an Herrn Direktor Reiter, falls er noch da ist.
Postkarte Nr. VI: Im Felde, den 14. September 1917
Liebe Eltern!
Habe die beiden Pakete Nr. 1 u. 2 erhalten, besten Dank dafür. Die anderen Pakete habe ich, wie ich Euch bereits mitteilte alle erhalten. Aber es scheint, daß Ihr von mir die beiden Briefe noch nicht erhalten habt. Bitte schreibt mir ob sie nicht angekommen sind inzwischen, denn es liegt mir sehr viel dran. Wenn wir wieder mal verschoben werden, dürft Ihr die Post ruhig weiter abgehen lassen. Wir bekommen die Sachen von zu Hause immer. Nur dürfen wir selbst nichts fortschicken. Suppenwürfel dürft Ihr keine mehr schicken, haben nämlich kein Wasser in dieser Gegend. Konnte mich seit 14 Tagen erst einmal waschen. Könnt Euch denken, wie wir aussehen!
Herr Feldwebel Noppel (?) läßt Euch ebenfalls grüßen.
Herzliche Grüße sendet Euch
Hermann
Brief Nr. 24: Im Felde, den 22. Septmber 1917
Liebe Eltern!
Die Pakete Nr. 3, 4, 5 u. 6 sind alle gut angekommen, danke Euch bestens dafür. Meinen letzten Brief müßt Ihr nicht als Klagebrief aufnehmen, sondern ich wollte Euch nur schildern, wie es bei uns ungefähr hergeht. Doch besonders was die Kost betrifft ist ziemlich abgeholfen worden, denn diesmal haben sich auch Utoff. an der Beschwerde beteiligt. Später werde ich Euch alles mündlich erzählen, schriftlich geht es doch nicht gut, könnte höchstens noch reinfliegen. Zur Zeit sind wir in Ruhe in der Nähe von St. Maurice. Es wäre alles recht schön, aber es fehlt halt an Wasser. Vorn in Stellung konnte ich mich in den 20 Tagen einmal waschen. Jetzt hier in Ruh ist wieder ungenügend Wasser da zum Baden. Und dazu immer noch die Läuse und Flöhe, das ist noch das Schlimmste. Hoffentlich gehen die Gerüchte vom nahen Frieden auch bald in Erfüllung.
Seit einigen Tagen bin ich unwohl und liege im Revier. Habe es mal wieder mit den Gedärmen zu tun. Der Arzt glaubte schon, es gäbe wieder Typhus. Bekomme jetzt schon 2 Tage nichts zu essen nur Tee des morgens, mittags und abends. Sonst fühle ich mich immer unwohl und habe Kopfschmerzen. Fieber habe ich keines mehr. Kann scheints das Kommisbrot nicht vertragen. Man geht halt hier draußen mit der Zeit ganz kaputt. Doch macht Euch keine Sorgen um mich, ich schreibe Euch das alles nur aus dem Grunde, weil man in Deutschland vielfach glaubt, wir Soldaten würden in Saus und Braus leben.
Schließe nun und grüße Euch alle herzlich
Euer Hermann
(Schicke Euch anbei einige Ansichten von Altkirch)
Brief Nr. 25: Im Felde, den 25. September 1917
Liebe Eltern!
Schicke Euch anbei wieder einige Ansichtskarten. Es geht mir wieder besser. Hoffentlich geht es bei Euch auch gut. Zur Zeit geht bei uns das Gerücht um, wir sollten nach Rußland kommen und zwar nach Galizien, denn dort steht das 8. Armeekorps, zu dem wir zählen. Auch liegen die Regimenter, die wir ablösten immer noch hinter uns in Ruhe. Die Anzeichen sind also da, daß wir bald wieder weg kommen. Diese Woche schicke ich noch leere Schachteln und Marmeladedosen heim. Papa möchte ich bitten, in Zukunft meine richtige Adresse zu schreiben. Entweder schreibt er XIV. Armeekorps oder deutsche Feldpost 476. Beides ist falsch und es könnte mal Unannehmlichkeiten geben, denn es ist streng verboten, etwas von einem Armeekorps zu schreiben. Es genügt wenn Ihr schreibt Inf. Reg. 470 4. Komp. Wenn wir wieder mal verschoben werden könnt Ihr mir ruhig weiterschreiben, ich bekomme alles nur ich selbst darf für eine bestimmte Zeit kein Päckchen nach Hause schicken. Die Butter, die mir Mama schickte hat sich sehr gut gehalten, besser noch als die Käse, denn diese fing schon an zu schimmeln, hat aber dennoch gut geschmeckt, trotzdem ich krank war.
Schluß nun in der Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen und grüße Euch alle sehr herzlich,
Euer Hermann
Zur Zeit ist es wieder ein wenig schöner hier, seit die Mißstände etwas beseitigt wurden. Ganz nach Wunsch geht es ja nie, aber doch kann man jetzt eher wieder zufrieden sein.
Letzte Postkarte Nr. VII: Den 30. September 1917
Liebe Eltern!
Habe gestern die Pakete Nr. 7 u. 8 mit bestem Dank erhalten. Mit der Post ist es jetzt zur Zeit ganz gut. Heute Nacht gehen wir wieder in Stellung, hoffentlich wird dann das Essen nicht wieder schlechter. Seid auch so gut und schickt mir bald ein Paar Socken. Habe noch 2 Paar gute, aber komme nicht mit aus. Das dritte Paar wurde mir gestohlen. Auch einige Taschentücher könnte ich brauchen. Habe nur 3 und die sind schmutzig, kann sie jetzt nicht waschen. Habe heute 3 Pakete weggeschickt. Ich glaube es wird sich schon lohnen, die leeren Schachteln zurückzuschicken, sie werden auch nicht mehr billig sein.
Schließe nun in der Hoffnung, daß Ihr alle gesund seid und grüße Euch alle herzlich
Euer Hermann
Letzter Brief Nr. 26: Den 2. Oktober 1917
Liebe Eltern!
Schicke Euch anbei wieder einige Photographien. In der Nähe dieses Dorfes (St. Maurice) ging die Kompagnie in Stellung. Ich habe das Glück gehabt, hier bleiben zu dürfen auf Wache. Herr Feldwebel hat sich meiner erbarmt, wahrscheinlich weil ich krank war. Habe auch in letzter Zeit ein ziemlich schlechtes Aussehen. Sonst im Allgemeinen kann man jetzt wieder ganz zufrieden sein. Das Essen ist besser und reichlicher. Auch die Behandlung ist ganz gut. Hoffentlich bleibt es so. Wie ich nun eben erfahre, ist es jetzt ziemlich sicher, daß wir wegkommen hier und zwar in den nächsten Tagen. Wir vermuten, daß es nach Galizien geht, wo unser Armeecorps liegt. Zuerst sollen wir für einige Tage nach Metz in Ruhe kommen. Einesteils ist es ja gut, daß wir von hier von der gefährlichen Westfront wegkommen. Anderswo gibt es doch keine so hartnäckigen Kämpfe. Im Übrigen kann kommen, was kommen mag, man kann doch nichts ändern.
Will nun schließen und grüße Euch alle herzlich,
Euer Hermann.
Soeben ist Paket 1 & 9 angekommen, herzlichen Dank dafür.
Dritte Flandernschlacht (31.7.-6.11.1917)
Im Rahmen dieser Schlacht erfolgte am 9. Oktober 1917, dem Todestag von Hermann Keck, bei Poelkapelle ein britischer Angriff (Hermann erhielt von einem britischen Soldaten den tödlichen Brust- und Bauchschuss, siehe unten: Feldpostbrief Heinrich Staiger vom 18. Oktober 1917), der jedoch unter hohen Verlusten scheiterte und den Deutschen im Gegenstoß Geländegewinne verschaffte.
Die Lage war für die Soldaten verheerend. Über die Ufer getretene Bäche und starker Regen hatten Schlachtfeld und Schützengräben in Wasser und Schlamm versinken lassen. Durch britischen Beschuss waren die Entwässerungskanäle zerstört worden. Holzlatten wurden als Fußwege verlegt, für die schwer bepackten Soldaten bestand allerdings Ausrutsch- und Ertrinkungsgefahr. Panzereinsätze waren nicht mehr möglich.
Die Nachrichten von Hermann Kecks Tod erreichten seine Eltern am 18. und 20. Oktober 1917.
Im Felde, 18. Oktober 1917 (Flandern)
Werte Fam. Keck!
Muß Ihnen leider die traurige Mitteilung machen, daß Ihr lieber Sohn und unser Kamerad Hermann bei einem Sturmangriff am 9. nachmittags ½ 3 Uhr gefallen ist. So viel ich weiß, war Hermann gleich tot. Er erhielt einen Schuß in die Brust und einen zwischen Brust und Leib. Todesqualen hat er nicht viel zu überwinden gehabt. Mit ihm verlieren wir einen unserer besten Kameraden. Mir selbst hätte es auch bald geblüht, aber Gott sei Dank kam ich gerade noch durch. Wir wollen Hermann nicht vergessen und ihn in die Reihe der Helden, die ihr höchstes Gut für das Vaterland hingaben, einreihen.
In tiefer Trauer seine hinterbliebenen Kameraden
Heinrich Staiger
Inf. Reg. 470, 1. Bat., 4. Komp. Westen
Im Felde, den 20. Oktober 1917
Sehr geehrter Herr Hauptlehrer!
Es ist für mich eine traurige, schmerzliche Pflicht Sie von dem Heldentode Ihres hoffnungsvollen, trefflichen Sohnes Hermann in Kenntnis zu setzen. Die unersättliche Flandernschlacht nahm uns auch diesen guten, treuen, tapferen Kameraden, den wir so gerne noch in unserer Mitte hätten und dem wir von Herzen glückliche Heimkehr ins Vaterhaus wünschten. Beim Gegenstoß gegen die über Poelkapelle vorgedrungenen Engländer traf Ihren Heldensohn am 9. Okt. das Todesgeschoß durch den Bauch und machte seinem Leben ein rasches Ende. Zu hart am Feind mußten wir die Ehrenpflicht, unsere teuren, großen Toten zu bergen und geweihter Erde zu übergeben, der Sanitätskomp. überlassen, die wir sogleich um Angabe der Begräbnisstätten und Zusendung der Wertgegenstände unserer gefallenen Kameraden angegangen haben. Noch ausstehenden Bescheid werden wir Ihnen sofort zukommen lassen. Wie wir Ihnen zu jeglichem Dienste für unseren teuern, toten Kameraden gern bereit sind. Nehmen Sie, hochverehrter H. Hauptlehrer, unsere innigste Anteilnahme an dem schweren Verlust entgegen. Gott gebe Ihnen Trost und Kraft, wie Ihnen auch das Bewußtsein Trost geben möge, daß Ihr Sohn als Held für eine heilige, gerechte Sache sein Leben hingab und des Lohnes für seinen Opfertod sicher ist. In unserem Herzen hat sich Ihr trefflicher Sohn durch seine Pflichttreue, seinen Opfermut, seinen Heldensinn ein bleibendes Denkmal gesetzt. Und treu wie die Erinnerung an die Ruhmestage in der Flandernschlacht in uns fortleben wird, wird die Trauer um so viele liebe, wackere gefallene Brüder sein.
Mit innigster Anteilnahme
Ergebenst
Leo Lohmiller
Lt. U. Komp. F.4./470.