> Hermann Lohmann: Rettung über die Ostsee 1945

Hermann Lohmann: Rettung über die Ostsee 1945

Dieser Eintrag stammt von Hermann Lohmann (1925-2016) aus Deutsch Evern, Februar 2010.

Im März 1945 nahm unsere "Panzer-Division Hermann Göring" an der Schlacht am Frischen Haff teil. Kurz nach Ostern 1945 erfolgte unser Abtransport zurück nach Pillau, um dort zwecks Rückführung der Reste der 2. Fallschirmpanzergrenadierdivision H.G. nach Mitteldeutschland auf ein Frachtschiff verladen zu werden.

Unmittelbar vor der Verladung auf einen Frachter gemeinsam mit Flüchtlingen und Verwundeten erlebten wir einen sehr massiven russischen Bombenangriff. Wir standen bereits auf der Hafenmole und es gab dort kaum Deckungsmöglichkeiten als Schutz vor den umherfliegenden Bombensplittern und Trümmern. Auf der Nachbarmole, so erinnere ich mich jedenfalls, gelang es mir mit meinem Seitengewehr (auf den Karabiner für den Nahkampf aufsteckbares langes dolchartiges Messer) schnell eine flache Mulde in das Erdreich zu kratzen, um wenigstens etwas Schutz zu haben. Glücklicherweise war diese Mole nicht gepflastert. Ich blieb unverletzt. Unser Schiff lag mit Schlagseite halbversunken im Hafenbecken. Ob es viele Verwundete und Tote im Hafen und an Bord gab, habe ich damals wohl nicht erfahren. Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern oder wir sind sofort vom Hafen abgezogen worden.

Etwa am 7. oder 8. April 1945 nachmittags wurden wir dann auf ein anderes Frachtschiff verladen. Die Verladung gelang ohne Zwischenfälle. Es war ein holländisches Frachtschiff. An Bord sollen etwa 5.000 Menschen gewesen sein. Davon waren etwa die Hälfte Flüchtlinge. 2.500 Soldaten waren etwa an Bord. Davon etwa 1.000 Verwundete und ca. 1.500 kampffähige Soldaten, die aus Ostpreußen zwecks Einsatzes an anderer Stelle herausgezogen wurden. Darunter viele Angehörige unserer Division.

Die Menschen waren in den Frachträumen verteilt, die auf mehreren Etagen übereinander lagen. Auch auf Deck verteilt befanden sich Menschen. Ganz unten im Schiff zu liegen und völlig dem Schicksal des Schiffes ausgeliefert zu sein, war mir unheimlich. Ich hatte Angst, im Falle der Versenkung eingeschlossen zu werden und so hilflos ertrinken zu müssen. So hielt ich mich möglichst in der Nähe der obersten Ladeluke unter Deck auf, obwohl es dort relativ kalt war.

Am 9.4.45 lagen wir mit unserem Geleitzug wegen U-Bootgefahr vor Hela. Der Geleitzug soll aus 3 Transportschiffen, 2 Sicherungsbooten und 2 Minensuchbooten bestanden haben. Infolge eines russischen Bombenangriffs auf den Geleitzug fiel ein Schiff aus. Es war aber keines von den großen Frachtschiffen. Es sollen weitere Menschen an Bord gekommen sein. Ob alle gerettet wurden und wie viele es waren, habe ich nicht erfahren. Infolge der Menschenmassen an Bord habe ich damals eine Übernahme von Menschen nicht gesehen.

Endlich am 11. oder 12. April 1945 liefen wir nachts in den Hafen von Kopenhagen ein. In dieser Nacht fuhren wir an der friedensmäßig strahlend hell erleuchteten schwedischen Stadt Malmö vorbei. Mir wird stets in Erinnerung bleiben, wie diese Stadt hell erleuchtet leise an der Steuerbordseite an uns vorbeizuschweben schien. Es war wie eine Fata Morgana aus einer anderen Welt. Wir Soldaten waren damals verdreckt, die Uniformen teilweise zerrissen und dreckig. Wir waren verlaust. In dieser Situation kam uns eine so herrlich hell erleuchtete Stadt natürlich wie ein Wunder vor. So sah also der Frieden aus, nach dem wir uns so sehr sehnten. Wir schliefen dann in einer Schule in Kopenhagen. Endlich konnten wir uns dort ausstrecken und schlafen. Vor allem aber konnten wir uns endlich wieder einmal satt essen, denn es gab in Dänemark damals noch überall, auch in Gaststätten, genügend zu essen.

Nachdem Flüchtlinge und Verwundete ausgeladen waren, ging es wieder an Bord Richtung Swinemünde. Etwa am 13. oder 14.4.1945 kamen wir im Hafen von Swinemünde an. Beim Ausladen bekamen wir schon russischen Artilleriebeschuss. Der Russe war also bereits bis in den Raum Stettin vorgerückt. Das Frachtschiff, so erinnere ich mich, sah furchtbar aus. Infolge fehlender sanitärer Anlagen war das Schiff an allen Seiten mit einer gelbbraunen Kruste, die aus Menschenkot bestand, bedeckt.

Wir wurden schnell ausgeladen. Mittags ging es sofort mit einem Schnellboot weiter Richtung Stralsund. Wir fuhren mit hoher Geschwindigkeit an der Küste entlang. Es waren etwa 100 Soldaten an Bord. Viele konnten das heftige Auf und Ab des Bootes in den Wellen nicht vertragen. Sie wurden schwer seekrank. Ich denke da besonders an unseren österreichischen Leutnant Männel, der während der ganzen Fahrt todkrank über der Reling hing. Ich bin glücklicherweise nicht seekrank geworden.

In Stralsund wurden wir kurzfristig in einer Kaserne untergebracht. Dort wurden wir auch endlich von den sehr lästigen Kleiderläusen befreit. Das Läuseabsuchen und -knacken waren wir auch wirklich leid. Wir waren so verlaust, dass die Läuse in Scharen aus dem Nackenbereich herauskommend auf dem Kragen der Uniform herumspazierten, die wir uns dann gegenseitig absuchten. Endlich wurden wir nun davon erlöst. Alle Kleider einschließlich Unterwäsche und Uniform wurden abgegeben und stark erhitzt. Unterdessen konnten wir endlich unseren Körper unter den Duschen von dem Schmutz des Ostpreußeneinsatzes und restlichen Läusen befreien. Oh, war das eine Wohltat.

Anschließend ging es zwecks Neuaufstellung nach Sachsen, wo ich dann das Ende des Zweiten Weltkrieges erlebte.

lo