> Horst Ahrens: 22. August 1944 - Bomben auf die FLAK-Batterie 213/VIII in Odertal

Horst Ahrens: 22. August 1944 - 220 Bomben auf die FLAK-Batterie 213/VIII in Odertal (Oberschlesien)

Dieser Eintrag stammt von Horst Ahrens (*1928) aus Hamburg, Dezember 2010, zusammengestellt mit Texten von Engelbert Milde, Georg Rosmus, Paul Niewalda, Werner Hofert, Günter Dlugosch und Viktor Janetzko †. Die Fotos stammen von Engelbert Milde.

 

Wir waren Schüler der Moltke-Schule, städtische Oberschule für Jungen in Oppeln, in Oberschlesien. Die Kameraden der Klassen 5a und 5b, soweit sie den Geburtsjahrgängen 1927 und 1928 angehörten, wurden im Dezember 1943 auf "Luftwaffenhelferftauglichkeit" ärztlich untersucht und bekamen dann ihren "Einberufungsbescheid" per 12. Januar 1944. Sie hatten sich in Odertal bei der FLAK-Untergruppe Oberschlesien-West zu melden und wurden dort auf die vier Heimat-FLAK-Batterien mit den Nummern 213/VIII, 218/VIII, 223/VIII und 242/VIII verteilt.

Die hier berichtenden Kameraden Engelbert Milde und Paul Niewalda gehörten zur 213/VIII. Günter Dlugosch, Viktor Janetko und ich waren Angehörige der Nachbarbatterie 223/VIII. Georg Rosmus kam vorübergehend von der Batterie227/VIII aus Eschendorf in die 213/VIII.

US-Bomber hatten ab Juli 1944 schon mehrfach Angriffe auf Odertal geflogen. In diesem Bericht geht es um die Vernichtung der Heimat-FLAK-Batterie 213/VIII am 22. August 1944 durch US-Bomber.

 

Engelbert Milde berichtet:
"Dienstag, der 22.08.1944. Ein strahlender Sonnentag, blau und wolkenlos der Himmel. Die Oberschüler der FLAK-Batterie 213/VIII haben Unterricht. Das sommerliche Wetter lenkt ab und erschwert die Aufmerksamkeit. Ein Fliegeralarm würde die Paukerei beenden und Abwechslung bringen, so denken nicht wenige Schüler.
In der Unterrichtspause wird dann bekannt: 'Starke amerikanische Bomberverbände sind in Italien gestartet. Sie haben auf ihrem Flug Ungarn erreicht'. Schließlich wird es zur Gewissheit: 500 bis 600 feindliche Bomber befinden sich im Anflug auf Oberschlesien.
Gegen 10.30 Uhr wird Fliegeralarm gegeben. Wir Luftwaffenhelfer eilen zu unseren Plätzen an den Geschützen und Geräten.
Doch bald zeigt sich ein altes Problem: Die als FLAK-Hilfssoldaten verpflichteten Mitarbeiter des Odertaler Werkes sind nicht zur Stelle. Die Batterie ist aus diesem Grund personell unterbesetzt. Es muss umdisponiert werden. Positionen werden getauscht, die Mannschaftsstärke an den Geschützen und Geräten verringert sowie Luftwaffenhelfer und ein russischer Kriegsgefangener als Ladekanoniere eingesetzt.
Auch ich bin von dieser Maßnahme betroffen. Die Reservemannschaft des Kommandohilfsgerätes, die aus den frisch geschulten Kräften der Batterie 213/VIII besteht, wird auf die Geschütze verteilt. Ich nehme meine frühere Position als Seitenrichtkannonier am Geschütz 'Dora' ein. Wahrscheinlich verdanke ich dieser Regelung mein Leben, denn die meisten Toten sind später unter den Luftwaffenhelfern des Kommandohilfsgerätes zu beklagen.
Und dann beginnt das Warten. Endlich tauchen sie auf: Dunkle Punkte am blauen Himmel, dicht an dicht. Die Punkte werden größer und größer, Konturen zeigen sich. Dann erkennen wir sie, die amerikanischen Bomber des Typs 'Fortress II' und 'Liberator'. Das Motorengeräusch der anfliegenden Maschinen wird immer stärker. Als die Bomber in die Reichweite unserer Geschütze gelangen, kommt der Schießbefehl. Wir feuern. Schuss auf Schuss, Gruppe auf Gruppe.
Ein feindlicher Bomber wird getroffen und explodiert in der Luft; ein zweiter wird lahm geschossen, schert aus dem Verband aus und gleitet mit brennenden Motoren im langsamen Sinkflug nach unten. Sein tödliches Ende sehen wir nicht.
Dann plötzlich übertönen laute Detonationsgeräusche den Geschützdonner und das Dröhnen der Flugzeugmotoren. Die feindlichen Fliegerbesatzungen haben angefangen, die todbringende Last ihrer Bomben abzuladen. Die Bombeneinschläge dieser Angriffswelle beginnen etwa 400 m vor der FLAK-Stellung. Der zweite Angriff erfolgt fast unmittelbar. Die Bombeneinschläge dieser Angriffswelle enden erst kurz vor den Geschützstellungen. Druckwellen erreichen uns und lassen das Geschütz erzittern. Der Detonationslärm ist ohrenbetäubend. Wir lassen uns jedoch trotz aller Ängste nicht beirren und schießen diszipliniert weiter.
Dann geht alles rasend schnell, so schnell, dass die meisten keine Zeit finden, sich schutzsuchend auf den Boden zu werfen. (Mein Freund Peter Böhnisch erleidet am Geschütz 'Berta' als Höhenrichtmann - wie wir später erfahren - stehend seine tödlichen Verwundungen).
Vor uns plötzlich Erdfontänen detonierender Bomben. Die Erde ringsum bebt, das Geschütz 'tanzt'. Ein Inferno erschreckender Eindrücke bricht über uns herein. Schmerzhaft laut und bedrohlich nahe das Getöse der Detonationen, das Krachen, Bersten und Splittern. Zwischendurch Schreie. Qualm und aufwirbelnde Erde trübt die Sonne. Und dann - es ist eine flüchtige, aber starke Empfindung - diese unheimliche Stille.
Wir sind wie betäubt. Die Stimmen der Kameraden aus dem Kommandostand in unseren Kopfhörern sind verstummt, ein Weiterschießen ist nicht möglich (ich weiß heute nicht mehr, ob wir die 'Richtwerte' vom Kdo.Hi. 35 oder vom Malsi-Gerät bekamen).
Ein schneller Blick über die Geschützstellung macht uns betroffen: Bombentrichter an Bombentrichter, am Ort des Kommandohilfsgerätes ein tiefer Bombenkrater. Folge eines Volltreffers; der Kommandostand des Batteriechefs mit dem Malsi-Gerät zur Hälfte zerstört; die Schutzwälle der Geschützstände mit den Munitionsbunkern an mehreren Stellen zerbomt; besonders schwer getroffen das Geschütz 'Berta' mit dem nach unten gerutschten Geschützrohr (Bombensplitter hatten die Rücklaufbremse durchschlagen); die Splitterschutzgräben zugeschüttet.
Doch der Schrecken ist noch nicht vorüber. Wir gehen in Deckung. Ein weiterer Bombenhagel geht nieder und zertrümmert die Dienstbaracken und die Schulbaracke entlang der Geschützstellungen. Die Bomben der fünften und letzten Angriffswelle vernichten schließlich auch die Wohnunterkünfte und die Küchenbaracke längs der Bahnstrecke und besiegeln damit den Untergang der Heimat-FLAK-Batterie 213/VIII.

Danach:
Wir sammeln uns. Aber nicht alle finden sich ein. Und dann suchen wir die, die nicht mehr kommen können - und wir bergen sie. Einen Kameraden finden wir zunächst nicht.

Die toten Kameraden: Peter Böhnisch, mein Schulfreund und Stubenkamerad aus Oppeln; Josef Duhsa und Josef Palmer, die neuen Luftwaffenhelfer (Lehrlinge) aus dem Oppelner Raum; Edmond Barton, Josef Czapla, Heinz-Gerd Hallermann und Udo Karls, die von der FLAK-Batterie 227/VIII abgeordneten Luftwaffenhelfer; Heinz Klamt, Luftwaffenhelfer aus Cosel und Klassenkamerad in Odertal, er wird tief unter mehreren Erdschichten verschüttet und erst Tage später nach umfangreichen Grabungsarbeiten gefunden und geborgen. Etwa 30 Luftwaffenhelfer werden verwundet, einige schwer. Nur wenige Luftwaffenhelfer bleiben unverwundet, darunter ich.

Das Areal der Heimat-FLAK-Batterie 213/VIII wird durch die Bombardierung zu einem Kraterfeld. Die Einschläge mittelschwerer und schwerer Bomben hinterlassen 220 Bombentrichter.

Am Mittwoch, den 23. August 1944 erfüllen wir wenigen unverletzten Luftwaffenhelfer, also auch ich, eine traurige Pflicht: In der Odertaler Leichenhalle identifizieren wir die dort aufgebahrten toten Kameraden.
Am Freitag, den 25. August 1944 nehmen einige Kameraden und ich an den Beerdigungen von Peter Böhnisch, Josef Duhsa und Josef Palmer teil. Die Trauerfeier am Grabe meines Schulfreundes Peter, einziges Kind seiner Eltern, geht mir besonders nahe. Nach der Beerdigung bin ich tief erschöpft und habe die Grenze des psychisch Ertragbaren erreicht.

/lemo/bestand/objekt/milde_09 Die Luftwaffenhelfer der FLAK-Batterie 213/VIII werden nach der Zerstörung ihrer Stellung vorübergehend aus dem Kampfeinsatz genommen. Die nicht verwundeten Luftwaffenhelfer beziehen am Spätnachmittag des 23. August 1944 eine Art Ruhestellung in der Nähe der Gehöftsgruppe 'Annahof'. Die Unterbringung erfolgt in sogenannten 'Finnenzelten'. Der Platz in den Zelten ist beengt, und die Qualität des Essens lässt zu wünschen übrig. In den Nächten frieren wir. Trotz der nicht idealen äußeren Lebensumstände herrscht in dem Zelt, das ich mit sieben Kameraden teile, eine besondere Atmosphäre der Kameradschaftlichkeit und Toleranz. Sie ist geprägt durch die tragischen Geschehnisse der letzten Tage und das verbindende gemeinsame Erleben.

Die Eindrücke, Empfindungen und Erfahrungen aus dieser Zeit nehme ich als Gewinn mit in meine Zukunft."

Soweit der ausführliche Bericht unseres Schulkameraden Engelbert Milde.

 

Von unserem Luftwaffenhelfer-Kameraden Georg Rosmus aus der 227/VIII Eschendorf, erhielt ich folgende Zeilen:
"Ich gehörte zu den Luftwaffenhelfern, die zu der 213/VIII abgeordnet wurden, um unsere dortigen Kameraden in das frisch angelieferte Kommando-Hilfsgerät 35 (Kdo.Hi. 35) einzuweisen.

Dann kam der Angriff vom 22. August 1944. Ich war in der 'B 2', am Kdo.Hi.35. ... Wir stehen am Feuerleitgerät, errechnen und übermitteln die Schusswerte an die Geschütze. Inmitten des Infernos kommt plötzlich ein Bomben-Zielwurf direkt auf uns zu. Einer schreit noch 'D e c k u n g !' Jeder wirft sich an die nächstgelegene Seite des ausgehobenen Vierecks der 'B 2'. Das geschieht in Bruchteilen von Sekunden. Die 'B 2' erhält einen Volltreffer. Ergebnis: Einige sind tot, einige werden durch den Luftdruck aus dem Erdloch geschleudert und sind verwundet, einige werden 'nur' verschüttet; Kamerad Klamt wurde besonders weit aus der Deckung geschleudert und besonders tief verschüttet.
Tod oder Leben hingen praktisch davon ab, auf welche Seite (des ausgehobenen Vierecks) man sich geworfen hatte. Ich war nur bis zur Hüfte verschüttet und bald vom herbeieilenden Batteriechef, Hauptmann Dzinoh, ausgegraben. Ich war zwar blessiert, aber nicht so, dass ich dafür bei diesem Ereignis das Verwundetenabzeichen erhielt.
Die Batterie 213 ist ausgebombt. 220 Trichter liegen in der Stellung. 9 Mann lassen ihr Leben, 30 sind verletzt worden."


Kamerad Gerhard Schmack berichtete mir, dass auch er zur Beerdigung von Peter Böhnisch gefahren war. Beide kannten sich 'von Kindesbeinen' an. Die Beerdigung fand auf dem Halbendorfer Friedhof in Oppeln statt.

 

Es gelang mir, einen weiteren Oppelner Schulkameraden ausfindig zu machen, nämlich Paul Niewalda. Von ihm erhielt ich folgenden Kurzbericht:
"...Zu den Ereignissen selbst folgendes: Bei besagtem Angriff auf die 213 war ich am Kommandohilfsgerät.
Ich wachte erst im Lazarett mit einem Schultergelenkbruch und einer Gehirnerschütterung auf, weiß daher vom Angriff selbst nichts mehr. Im Lazarett wurde mir das Verwundetenabzeichen und das 'Kriegsverdienstkreuz 2. Klasse' überreicht, letzteres wohl nur wegen meiner schweren Verwundung.
Ich bekam im Lazarett einen 'Stuka' verpasst, d.h. einen Oberkörpergips, der den linken Arm ruhig stellte. Sieben Wochen habe ich ihn getragen, dann genügte eine Binde für den linken Arm. Ich ließ mich ins Heimatlazarett nach Oppeln verlegen und wurde ausgerechnet in die Moltke-Schule eingewiesen, die inzwischen Lazarett geworden war.
Anfang Januar 1945 wurde ich dann zu meiner Einheit zurückgeschickt.
Zu meinen eigenen letzten Kriegserlebnissen kurz Folgendes: Ich wurde mit einem Trupp FLAK-Wehrmännern und 10 Luftwaffenhelfern von Annahof nach Ratibor zum Erdeinsatz in Marsch geschickt. Der Standortkommandant von Ratibor hatte aber Mitleid mit uns Jungen und schickte uns wieder zu unserer Einheit zurück, die wir dann auf abenteuerlichen Wegen zu viert im Sudetenland erreichten. Die Übrigen 'verabschiedeten' sich unterwegs, um zu ihren Eltern heimzukehren..."



Kamerad Georg Rosmus berichtete mir zusätzlich zu dem bisher gesagten:
"Mein Schulkamerad Hans Weisbrich wurde durch den Bombenvolltreffer in der 'B 2' der '213' aus dieser herausgeschleudert und erlitt eine Rückratverletzung. Seine wundersame Rettung aus diesem Inferno hat das spätere Leben des Kameraden Hans Weisbrich bestimmt: Er wurde Jesuit und ist nach Ostafrika gegangen, wo er dann im christlichen Sinne gewirkt hat."



Kamerad Günter Dlugosch von der 223/VIII wußte zu berichten:
"...Südlich des Werkes, jenseits der Eisenbahnlinie, an einem Bahn-übergang, lag die '213'. Die '213' hatte es mächtig erwischt. Ich war ein paar Tage später dort und sah den Malsi-Bunker, den eine Bombe voll in einer Ecke getroffen hatte. Man sagte mir, dass alle heil herausgekommen seien, einen hätte es aber erwischt, angeblich den, der so lange bei den hohen Außentemperaturen verschüttet war. Die Überreste des gefallenen Kameraden wurden sofort in einen Sarg getan. Er durfte den Angehörigen nicht mehr geöffnet werden."

Kameraden berichteten mir damals, dass sich die Haut des Kameraden Klamt nach der Bergung seiner sterblichen Überreste sehr schnell schwarz verfärbte. Das war wohl der Grund dafür, dass der Sarg nicht mehr geöffnet werden durfte, um diesen Anblick den Angehörigen zu ersparen.



Kamerad Georg Rosmus schrieb mir:
"23.8.1944, Mittwoch: Wir buddeln weiter nach Klamt.
Ich gehe mit einigen Kameraden in die Leichenhalle Odertal. Unsere Aufgabe ist getan. Die Toten sind identifiziert. Bei einigen sind die Gesichter vom Luftdruck deformiert. Es war schlimm. Mit drei der toten Kameraden habe ich 6 Jahre lang gemeinsam die Schulbank gedrückt, davon 1 Jahr bei der FLAK. Die Katastrophe hat sich schnell herumgesprochen. Eltern erschienen. Eine Mutter warf sich, vor Schmerz aufschreiend, über den Sarg ihres Sohnes; ich glaube, es war Frau Czapla. In diesem Augenblick kann auch ich die Tränen nicht zurückhalten. Am Abend machen wir Stellungswechsel in Ruhestellung (Annahof).

24.8.1944, Donnerstag: Die Luftwaffenhelfer der Batterie '213' schlafen in Finnenzelten, eng zusammengedrückt. Am Tage ist es heiß, in der Nacht frieren wir; das Essen ist schlecht.

25.8.1944, Freitag: Beerdigung in Ratibor. Um 01.00 Uhr in der Nacht werden wir zur Beerdigung abgeholt. Ein Teil der Kameraden fährt zur Beerdigung von Dusa, Böhnisch und Palmer nach Oppeln. Ich fahre nach Ratibor zur Beerdigung von Udo Karls, Josef Czapla und Heinz-Gerd Hallermann. Die Luftwaffenhelfer der mittleren Heimat-FLAK-Batterie 12/VIII aus Ratibor und die überlebenden Ratiborer der 213/VIII gaben Josef Czapla das Ehrengeleit bei seiner Beerdigung auf dem Jerusalemer Friedhof. Anschließend erwiesen wir auch Udo Karls und Heinz-Gerd Hallermann auf dem evangelischen Friedhof die letzte Ehre. Es ist hart, eigene Schulfreunde beerdigen zu müssen, die nur wenige Meter von uns entfernt gefallen sind. Es ist fast noch härter, den schmerzerfüllten Angehörigen als 'Übriggebliebener' dabei ins Angesicht schauen zu müssen. Ich bin kurz zu Hause gewesen.

In der Nacht schlafe ich in der '223' und am 26.8.1944, Sonnabend, fahre ich zur Beerdigung von Barton um 05.00 Uhr nach Bischofswalde.

29.8.1944, Dienstag, fahren wir zur Beerdigung von Klamt nach Cosel. Die Kameraden wurden alle mit militärischen Ehren beigesetzt. Ich bin nach diesen Beerdigungen körperlich und seelisch k.o."



Kamerad Werner Hofert berichtete mir hierzu:
"Als Angehöriger eines nach dem 22. August 1944 eiligst gebildeten Ehrenzuges habe ich an der Beisetzung eines gefallenen Luftwaffenhelfer-Kameraden in Cosel teilgenommen. Nach kurzer Einweisung am Karabiner '98 K' haben wir an seinem Grabe Salut geschossen. Es wurde dabei keine 'scharfe' Munition verwendet."

 

Warum Johannes Malik und ich dazu ausersehen waren, für den gefallenen Kameraden einer anderen Batterie (213/VIII) das Ehrengeleit zu geben, weiß ich heute nicht mehr. Ich habe jetzt darüber mit einem anderen Kameraden gesprochen. Der meinte, dass einfach nicht genügend einsatzfähige Luftwaffenhelfer aus der '213' vorhanden waren, um an allen Trauerfeiern gleichzeitig teilnehmen zu können, und so griff man eben auf Luftwaffenhelfer der Nachbarbatterie 223/VIII zurück.

Es ging jedenfalls in ein mir namentlich nicht mehr erinnerliches Dorf in Oberschlesien. Am Grabe des gefallenen Kameraden standen wir Luftwaffenhelfer beiderseits des Sarges, gaben ihm so die letzte Ehre, und dann gab es im Rahmen der Trauerfeier einen militärischen Ehrensalut (3 x "Hoch legt an - Feuer !"). Dann wurde die Melodie "Ich hat' einen Kameraden, einen bess'ren find'st Du nicht" gespielt. Ein Text, der mich sehr ergriffen hat. Meine Gedanken schweiften ab, ich erinnerte mich an unsere Feuertaufe vom 7. Juli 1944 und der fehlgeschlagenen Bombardierung unserer Batterie (223/VIII) am 7. August 1944. Dabei dachte ich: 'Das hätte ja ich sein können, der da jetzt 'in die Grube gesenkt' wird' - und dann kam etwas, was ich bisher noch nicht kannte: Einen Leichenschmaus, spendiert von der Familie des gefallenen Luftwaffenhelfer-Kameraden, mit Vorsuppe, Hauptgericht und Nachtisch und vielen Getränken. Unvorstellbar in einer Zeit, wo eigentlich alles rationiert und fast alles nur auf Lebensmittelmarken zu haben war!
Die noch einsatzfähigen Luftwaffenhelfer von der 213/VIII wurden vorübergehend aus dem Kampfeinsatz genommen. Sie kamen in die Nähe des Gutes 'Annahof'. Die Unterbringung erfolgte in sogenannten 'Finnenzelten'. Das waren kreisrunde Häuschen aus Sperrholzteilen gefertigt, mit einem kegelförmigen Dach. So etwas kannten wir bis dahin noch nicht.

Soweit die hier untergebrachten Kameraden zum Geburtsjahrgang 1927 gehörten, wurden sie per 9. September 1944 als Luftwaffenhelfer entlassen und kamen zum RAD. Die restlichen Kameraden wurden nach einer Erholungs- und Regenerationsphase in die neu aufgestellte Großkampfbatterie am Annahof eingegliedert.



Kamerad Viktor Janetzko erinnerte sich:
"Nur 7 Mann, darunter unser Proskauer Kamerad Engelbert Milde, kamen in der '213' mit heiler Haut davon. Alle Übrigen der Batterie waren entweder tot oder trugen unterschiedlich schwere Verwundungen davon."

Bei diesem Feindeinsatz waren nicht nur Bomben auf die 213/VIII gefallen.

Die Fernmeldeverbindung von dem FuMG der 218/VIII zur 223/VIII war zerstört. Der Flugmelder unserer 'B 1' kam nach 'unten' und zeigte uns auf dem Malsi-Tisch, aus welcher Richtung die Amerikaner anflogen und sagte, welche Flughöhe sie vermutlich hatten. Als Fluggeschwindigkeit wurde die übliche 'v/h 110' angenommen. Unser damaliger Batteriechef, Hauptmann Müller, befahl darauf 'Planquadratschießen'. Das war praktisch ein Sperrfeuerschießen 'in der Luft'.

 

Ich habe hier die Meinung eines Kameraden übernommen:
"Das war kurz vor der Verlegung nach 'Annahof', der Zusammenlegung mit anderen 8,8-cm-Batterien. Da brauchte man das Feuerleitsystem 'Aufiere' nicht mehr. An dem Kdo.Hi.35 waren wir noch nicht ausgebildet."

Der Flugmelder berichtigte unsere Schießergebnisse anhand der gesehenen Sprengwolken in puncto 'Höhe' und 'Vorhalt', und tatsächlich gelang es uns, mit Hilfe des dabei eingesetzten Malsi-Gerätes einen feindlichen Bomber abzuschießen. Zunächst bekam unser Batteriechef wegen der 'Munitionsverschwendung' einen Rüffel. Wenig später erhielt er jedoch für seinen Entschluss zum 'Planquadratschießen' (mit Abschusserfolg ) - und u n s e r e r L e i s t u n g - das 'E.K. 2'. Stolz verkündete Hauptmann Müller nach der Verleihung seines Ordens vor der versammelten 'Mannschaft': "Ich trage es für Euch alle!"

Neben dem Angriff auf die 213/VIII erhielt von uns unbemerkt das Schaffgotsche Werk wieder Bombentreffer. Wir fragten uns später, was es da wohl noch zu zerstören gäbe, galt dem Werk doch kurz zuvor ein lang anhaltender vernichtender Angriff.

Auch Blechhammer soll am 22.8.1944 'was abbekommen' haben.



Kamerad Viktor Janetzko berichtete mir:
"Die danach folgenden Flugzeugwellen der Amis (Anmerkung: Nach der Bombardierung der 213/VIII) legten Bombenteppiche auf die Benzolabteilung und die Kokerei des Schaffgotsch-Werkes."

Von einem Kameraden aus der Nachbarbatterie 242/VIII erhielt ich Fotos von einem abgeschossenen Liberator-Bomber. Er schrieb mir, dass dieses ein Abschusserfolg seiner Batterie gewesen sei.


Das Oberkommando der Wehrmacht gab für diesen Tag u.a. bekannt:
"Nordamerikanische Bomber griffen das Gebiet von Wien und einige Orte in Oberschlesien an. Deutsche und ungarische Luftverteidigungskräfte schossen 57 feindliche Flugzeuge, darunter 51 viermotorige Bomber (über dem ganzen Reichsgebiet), ab."

Dem "Geheimen Tagesbericht" vom 22. August 1944 habe ich entnommen:
"200 Feindflugzeuge, Weiterflug ... in oberschlesisches Industriegebiet mit Angriffen auf Heydebreck - Blechhammer - Odertal. Odertal 11.35 Uhr, Abwurf von etwa 500 Sprengbomben. Die Anlage mittelschwer beschädigt, sonst nur leichte Schäden. Ein Teil der Bomben in freies Feld. Heydebreck 11.35 Uhr. Abwurf von 150 Bomben. Geringer Gebäude- und unbedeutender Sachschaden."

Über die Bombardierung der Batterie 213/VIII wird nicht berichtet.

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