> Josepha von Koskull: Sportpalastrede

Josepha von Koskull: Sportpalastrede

Aufzeichnungen aus der Autobiographie von Josepha von Koskull (1898-1996) aus Berlin, (DHM-Bestand; Inv.-Nr.: Do2 98/501):


Der achtzehnte Februar 1943 wurde zu dem Tag unseligen Angedenkens, da sich das deutsche Volk, vertreten von einer nach einigen Tausend zählenden Schar von eingeladenen Gästen, im Berliner Sportpalast für den "totalen Krieg" entschied. Der Demagoge Goebbels forderte von diesen Leuten den "Schwur der Bereitschaft", und sie waren nur allzu bereit, dies Gelöbnis abzulegen. Ich hörte die Goebbels-Rede zusammen mit meiner Mitbewohnerin Frau Schramm abends im Radio, und ich war von der Tragweite dieser Rede und von dem frenetischen Gebrüll: "Ja! Ja! Ja!", das auf alle Fragen des Redners antwortete, geradezu niedergeschmettert.

Goebbels schrie: "Ich frage euch: Wollt ihr den totalen Krieg?" Wollt ihr ihn, wenn nötig, totaler und radikaler, als wir ihn uns heute überhaupt vorstellen können?" Sie brüllten zurück: "Ja! Ja! Ja!" Goebbels rief: "Ich frage euch: Ist euer Vertrauen zum Führer heute größer, gläubiger und unerschütterlicher denn je? Ist eure Bereitschaft, ihm auf allen seinen Wegen zu folgen und alles zu tun, was nötig ist, um den Krieg zum siegreichen Ende zu führen, eine absolute und uneingeschränkte?"

Der "Völkische Beobachter", der am nächsten Tag dieser Kundgebung nicht weniger als vier Seiten seines Riesenformates widmete, vermerkte nach der Wiedergabe dieser Frage: Die Menge erhebt sich wie ein Mann. Die Begeisterung der Masse entlädt sich in einer Kundgebung nicht dagewesenen Ausmaßes. Vieltausendstimmige Sprechchöre brausen durch die Halle: "Führer befiel, wir folgen!" Eine nicht abebbende Woge von Heilrufen auf den Führer braust auf. Wie auf ein Kommando erheben sich nun die Fahnen und Standarten, höchster Ausdruck des weihevollen Augenblicks, in dem die Masse dem Führer huldigt.

Das Gebrüll hörten wir allerdings aus dem kleinen Radioapparat dringen, aber wir waren durchaus nicht begeistert, sondern entsetzt! "Führer befiel, wir tragen die Folgen!" wandelten die Hitler-Gegner den Spruch ab. Wir fragten uns, was sich die "begeisterte Masse" wohl denken mochte, als sie Goebbels versprach, "zehn, zwölf und, wenn nötig, vierzehn und sechzehn Stunden" täglich zu arbeiten - "und die übrigen acht Stunden sitzen wir im Keller", ergänzte Frau Schramm.

Schon damals sagten meine Freunde, von den Leuten, die wir da in die Lautsprecher jubeln und "Ja" brüllen hörten, wird es später keiner gewesen sein wollen. Und bald darauf kamen Nachrichten aus Ostpreußen und aus Bayern, daß "Bombenflüchtlinge" dort miserabel untergebracht und ausgesprochen unfreundlich von der ihnen bis dahin freundlich entgegenkommenden Bevölkerung aufgenommen worden seien; man habe ihnen vorgeworfen, die Berliner hätten für den "totalen Krieg" im Berliner Sportpalast gestimmt und sie sollten sich nur wieder nach Berlin zurückbegeben.

lo