> Karl-August Scholtz: Das Kriegsende als Soldat - eine Welt brach für uns zusammen

Karl-August Scholtz: Das Kriegsende als Soldat - eine Welt brach für uns zusammen

Dieser Eintrag stammt von Karl-August Scholtz (*1920 ) aus Hamburg , Juli 2007 :

  • Letzter Kriegseinsatz am Frischen Haff 1945


Unsere Nachrichtenkompanie 667, die Funktrupps zu Kampfgruppen in Ostpreußen abstellte, wurde ganz plötzlich Anfang April 1945 zu einer "Neuaufstellung in Neuruppin" von Pillau nach Swinemünde verschifft. Eine unfassbare Überraschung in Tagen, als jeder, der nur noch kriechen konnte, an die Front geschickt wurde! Hierbei wurde auch uns endgültig klar, dass der Seeweg wirklich nur noch die einzige Verbindung ins "Reichsgebiet" war. Kannten wir bis dahin doch nur den Frontverlauf unseres jeweiligen Kampfabschnittes!

Gleich nach der Ausschiffung am 15. April in Swinemünde auf Usedom marschierten wir zum Bahnhof Heringsdorf. Dort hörten wir, Pillau, wo wir vor drei oder vier Tagen eingeschifft waren, sei jetzt in russischer Hand, nicht wissend, wie weit der Russe wirklich schon vorgedrungen war. Also starteten wir nach einer Wartezeit noch froh gelaunt in Güterwagen die Fahrt, wie wir glaubten im tiefen Hinterland zur Neuaufstellung nach Neuruppin. Unterwegs wurden Waggons mit weiteren Wehrmacht–Einheiten angekoppelt. Statt nach Neuruppin kroch der Zug über Angermünde – Berlin – Seddin – nach Niemegk, nahe Wittenberg. Schon bei der Ankunft am 19. April wurden unser Zug und der Güterbahnhof von britischen Jagdbombern angegriffen. Das war anders, als wir es von russischen Fliegerangriffen kannten. Die Splitterwirkung englischer Waffen war sehr viel stärker und die angreifenden Flieger flogen nicht quer, sondern viel wirkungsvoller parallel zu Gleisen und Straßen.

Auch wir wussten, dass die Anglo-Amerikaner seit Monaten auf deutschem Boden standen. Aber solche Luftüberlegenheit? Und die Niemegker erzählten, Engländer und Amerikaner ständen nicht mehr am Rhein, nein, schon mitten in Deutschland! Unter diesen neuen, unerwarteten Eindrücken kam Torschlusspanik auf! Wir wollten nun, von einer Minute auf die andere, nur noch überleben! Als Sirenen einen Fliegeralarm ankündigten, gab es kein Halten mehr. Wir, die in Russland bis vor ein paar Tagen in schweren Abwehrkämpfen wirklich unseren Mann gestanden hatten, liefen ohne jede Ordnung zum Luftschutzbunker und drängelten uns zwischen der Zivilbevölkerung in den sicheren Bau! Nach der Entwarnung sahen wir unseren Güterzug zerstört. Soldaten, die den Weg zum Bunker gescheut oder nicht mehr geschafft hatten, waren verwundet, zum Glück nur ein Toter. – Dieses in der Heimat! Wo blieben unsere Flugzeuge?

Für zwei Nächte fanden wir in einem Silo Quartier. Soldaten, die im Berliner Raum beheimatet waren, wurden abkommandiert. Wohin wohl? Wir ahnten ja noch nichts von Kämpfen um Berlin, hatten am 18. April doch noch den Stadtrand und sogar Angermünde passiert, wähnten den Russen jenseits der Oder. Die Offiziere sagten natürlich nichts. Es war gewiss die Frontlage, die uns zurück Richtung Norden zwang. Zunächst ein ca. 100 km langer Fußmarsch nach Friesack – also jetzt waren wir nicht weit von Neuruppin (!) – sodann mit der Reichsbahn schleppend über Güstrow, Bad Kleinen in den Raum Plön. Wieder Tote und Verwundete und sogar eine zerschossene Lokomotive bei zwei Tieffliegerangriffen hinter Bad Kleinen. Nach weiteren Umwegen am 27. April Einquartierung in Kossau bei Plön (Schleswig-Holstein) in der Scheune eines Bauernhofes. Wir wurden gut versorgt mit viel Milch direkt aus dem Kuhstall! Als der Rundfunk am 1. Mai meldete, der Führer sei in Berlin "im Kampf gefallen", machten wir uns darüber eigene Gedanken. Endlich klärten uns auch Offiziere über die wirkliche Lage auf. Nochmals brach für uns die Welt zusammen!

Dennoch mussten wir am Morgen des 3. Mai feldmarschmäßig antreten, marschierten Richtung Dänemark noch einmal zu einem vorgesehenen Kampfeinsatz. Gegen wen? Wir wussten nichts, aber schon am Nachmittag wurde dieser Irrsinn abgebrochen. Am 5. Mai löste unser Oberleutnant die Kompanie auf. Hamburg war in britischer Hand und überall schien Chaos zu herrschen. Wir erhielten provisorische Entlassungspapiere, und wer wollte, konnte versuchen, sich nach Hause durchzuschlagen.

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