> Lisa Schomburg: Was ich durch den Krieg verlor und gewann

Lisa Schomburg: Was ich durch den Krieg verlor und gewann

Dieser Eintrag stammt von Lisa Schomburg (*1930) aus Hamburg, Interessengruppe "Senioren Schreiben und Lesen", Seniorenbüro Hamburg, Juni 2004 :

Der Krieg war und ist für mich von großer Bedeutung. Lange noch trauerte ich meinem kleinen Hab und Gut nach. Hierzu gehörten alle Spielsachen, Bücher, Fotos und meine Kinderzimmermöbel; diese Dinge wurden durch Sprengbomben auf unser Haus mit zerstört. Über den Verlust meiner Schulzeugnisse aus dem Gymnasium war ich nicht besonders traurig.

Gewonnen habe ich die Erkenntnis, daß Menschen anderen Menschen Entsetzliches antun können. Gewonnen habe ich aber auch die Erkenntnis, daß man aus wenig viel machen konnte. Das alte Sprichwort 'Not macht erfinderisch' bewahrheitete sich in dieser zeit in jeder Familie, in jedem Haus. Meine Mutter nähte aus einer Militärwolldecke eine lange Hose für mich. Aus Fallschirmseide, die sie irgendwo aufgetrieben hatte, nähte sie Blusen, auch meine kleine Schwester profitierte davon. Aus unserer Hakenkreuzfahne trennte ich den weißen Kreis mit dem schwarzen Hakenkreuz heraus; von dem roten Fahnenstoff nähte meine Mutter für mich einen Sommerrock. Ein ausgedienter Pullover wurde aufgeribbelt und aus der Wolle ein Badeanzug gestrickt.

Eine aus Lebensmittelresten gekochte Suppe wurde mit Wasser verlängert, damit auch am nächsten Tag noch alle satt wurden - mehr oder weniger. Es wurde kein Kartoffelstückchen weggeworfen. Heute noch profitiere ich aus dieser zeit und lebe - im Gegensatz zu vielen jüngeren Leuten heute - bewußter und sparsamer. Das Zueinanderfinden von Menschen in den Kriegs- und Nachkriegsjahren, die jahrelange miteinander verfeindet waren, fand ich bedeutungsvoll und bemerkenswert, ja einfach wunderbar.

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