> Margarete Schleede: Eine Idylle des Friedens

Margarete Schleede: Eine Idylle des Friedens

Dieser Eintrag stammt von Margarete Schleede (*1926) aus Hamburg, April 2001:

Im Februar 1945 mußten wir vor den Russen aus Schlesien flüchten. Zwei Monate waren wir zu Fuß mit dem Treck unterwegs über das Riesengebirge bis in die Tschechei bei Eis und Schnee. Da wurden wir in einer Schule untergebracht in Katschitsch bei Kladno, wo wir aus dem Massenquartier nicht raus durften, weil uns Deutschen viele Tschechen nicht gut gesinnt waren. An einem schönen Frühlingstag kamen Deutsche Soldaten in das Dorf. Wir waren begeistert und jubelten ihnen zu. Endlich konnten wir mal wieder die deutsche Sprache hören und das Massenquartier für einen Tag verlassen. An diesem Wochenende kam ein Jahrmarkt in das Dorf. Alle, die noch Laufen konnten, gingen da hin. Besonders die Kinder und wir jungen Leute waren ganz ausgelassen vor Freude. Das Karussell stand nie still. Tschechen und Deutsche, alles durcheinander, man konnte nur noch an der Sprache erkennen, wer zu wem gehörte. Es war viel Freude in allen Gesichtern, bei Jung und Alt. Nur die deutschen Soldaten erinnerten an den Krieg.

An diesem Tag konnten wir den Krieg für ein paar Stunden vergessen. Die Soldaten bezahlten uns alle Karussellfahrten. Eine kleine Schießbude war die Sensation. Papierblumen, kleine Trostpreise und Süßigkeiten wurden an die Kinder und auch an uns verteilt. Deutsche und Tschechen, alle waren gleich. Es war eine Idylle des Friedens und ein Tag voll Lebensfreude für Alt und Jung. Am Abend ging jeder in seine Behausung wieder zurück und der Abschied wurde uns sehr schwer. Wie ein Traum kam uns dieser Tag vor. Als wir wieder in unserem Strohlager lagen, erinnerten uns nur ein paar Süßigkeiten und die Papierblumen daran, daß alles Wirklichkeit war. Meine dunkelrote Rose aus Papier steckte noch lange an meinem Platz. Ich konnte an so manchem Abend nicht einschlafen und träumte noch lange von dem unvergeßlichen Tag.

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