> Michael Ströber: Kriegsbeschreibungen meines Großvaters aus den Jahren 1914-1915 (Teil 2)

Michael Ströber: "Kriegsbeschreibungen" meines Großvaters aus den Jahren 1914/1915 (Teil 2)

Dieser Eintrag stammt von Michael Ströber (mihestroeber@web.de) aus Tittmoning, Februar 2012:

Erste Gefechte im Elsaß

/lemo/bestand/objekt/kurz_6 "Am 17. VIII. jedoch war wieder schönes Wetter, und so war die Schanzarbeit doch angenehmer als 40 Kilometer weit gehen mit 70 Pfund schwerem Gepäck wie am 15. VIII. Am Abend wurde biwackiert, jedoch wurden wir schon um 1 Uhr morgens am 18. VIII. aus unserem Zelte gerufen, und vorwärts gings mit Kampfeslust dem Feind entgegen. Seit 16. hörten wir täglich schweren Kanonendonner. Am 17. sahen wir Rauchwolken von Geschützen und Brandstätten. Flieger sehen wir täglich mehrere, dann heißts hinlegen.

18. VIII. Früh 1/2 4 Uhr Abmarsch von den Schützengräben, in welchen wir auf Franzosen lauerten. Schon um 6 Uhr bekamen wir feindliches Feuer und ungefähr um 8 Uhr machten wir den 1. Angriff auf ein Haus voll Franzosen in einem Wald, welche bald Reißaus machten, dann gings fort bis 1/2 2 Uhr immer wieder auf Franzosen schießend, dann 1/2 Stunde Rast und fort gings durch den ganzen Wald bis wir in einem Zug liegend auf freiem Felde von starkem feindlichen Feuer begrüßt wurden (Gefecht bei Bisping). Wir geben gut gezieltes Feuer, und bald mußte der Feind zurück, aber halt, von links bekammen wir Flankenfeuer, welchem wir hätten unterliegen müssen, wenn ich nicht um Unterstützung zurückgelaufen wäre mit Gottvertrauen im Schutz Mariens. Um 1/2 5 Uhr war es Ruhe, hatten aber seit 3 Uhr morgens nichts zu Essen, dort selbst 1/2 l Kaffee. Es gab manche Tote und Verwundete, darunter tot Vordermayer Joseph, verwundet Fellner Sohn von Felln schwer, leicht verletzt Angerpointner Alois. Um 1/2 9 Uhr abends gings ins Dorf Bisping, wo wir Quartier nehmen sollten, war aber unsicher und wir mußten Biwackieren und kammen um 11 Uhr zur Ruhe. Das ganze Gefecht war im Walde Sankawohl an dem Kanal in Unterelsaß. 21. VIII. Um 6 Uhr morgens krochen wir in aller Gemütsruhe aus dem Zelt, faßten unsern Kaffee und lagen dann bis 10 Uhr auf dem Boden umher, dann mußten wir unsere Rüstung wieder aufnehmen, und ein Marsch ging los wieder näher an die französische Grenze, wir marschierten bis 2 Uhr morgens, legten uns ungefähr 2 Stunden auf die Straße und schliefen wie im besten Bette. Dann gings nach Avricour und hinüber nach Frankreich."


Vormarsch durch Lothringen

"Nach einem weiteren Marsch ungefähr um 9 Uhr morgens am 22. VIII. begrüßten uns französische Schrapnellen, welche aber Gottlob zu weit gingen. Wir mußten unsere Gefechtslinie nach rechts verlängern und kamen um 1/2 11 Uhr ins Gefecht, bei welchem wir von der eigenen Artillerie sehr gefährdet. Um 1/2 5 Uhr kamen wir zurück nach Avricour und mußten noch um 7 Uhr 1 Stunde weit ins Quartier nach Mosey. Wir schliefen wie Ratten im Heu bis 6 Uhr morgens des 23. VIII. Um 7 Uhr war Abmarsch nach Avricour. Das Gefecht bei Anemoncour kostete viele Tote und Verwundete. Um 1/2 5 Uhr abends gings von Deutsch-Avricour fort bis Domevre ungefähr 3 Stund über der Grenze, wo wir alsdann Biwak hatten.

Am 24. VIII. marschierten wir um 1/2 7 Uhr ab und kamen um 11 Uhr nach Halleinville, wo wir die Häuser durchsuchen mußten und sehr viel Wein bekommen hätten, aber wegen seiner Stärke nicht viel zu trinken getrauten. Um 3 Uhr war Abmarsch nach Menillville, wo wir Quartiere bezogen und in Betten schliefen, was mir seit Fortgang von zu Hause nie mehr passierte. Aber auch am 25. VIII. mußten wir von 12 Uhr mittags bis 12 Uhr nachts marschieren und waren dann wieder im gleichen Quartier. Wir sahen aber nicht das geringste vom Gegner, welcher sich sehr weit zurück drängen ließ durch unsere Artillerie, welchen einen unausgesetzten Kampf mit ihm führte. Auf drei Seiten sah man Brandröten.

Am 26. VIII. war um 9 Uhr vormittags Abmarsch über Moschee nach Luneville, wo wir eine Stellung bezogen und auf den Gegner warteten, wir mußten aber bis hieher 8 Std. marschieren, was wir an den Füßen stark merkten. Seit 8 Uhr morgens haben wir nichts mehr gegessen, was uns auf den bisherigen Märschen schon wiederholt passierte. Erst mittags 12 Uhr den 27. VIII. bekamen wir wieder etwas warmes zum Essen. Brod hatten die meisten schon lange keins mehr. Bei uns heißt es nur fest marschieren und gut schießen, das Essen ist, glaub ich, überflüssig. Der Kanonendonner rollte auch am 27. VIII. gleichmäßig fort bis in die Nacht hinein.

Ungefähr um 2 Uhr morgens des 28. VIII. begann nördlich von uns ein heftiges Infanterie-Gewehr-Feuer, was nach einer Std. wieder verstummte. Um 6 Uhr morgens kam der Befehl zum Einschanzen, da die Brigade vorläufig ein paar Tage hier bleiben soll. Wir begannen zu graben, Bretter zu holen und machten uns die schönsten Wohnungen unter unaufhörlichem Kanonendonner. Die Nacht verlief ebenso wie vorigen und ebenso der Vormittag des 29. VIII., an welchen ich zum Utoffz. [Unteroffizier] befördert wurde wie noch 4 meiner Kollegen. 4 Uhr nachmittags wurden wir vom 2. Res.Rgt. [2. Reserve-Regiment] abgelöst und kammen in die Kaserne des Cheveauxl.Rgt. [Chevaulegers-Regiment = leichte Kavellerie-Einheit] französisch. Die Nacht verlief für uns ruhig, bis auf die Wanzenstiche, die wir in der Kaserne, welche von Misthaufen voll ist, bekammen. Mittags mußte ich mit mit 6 Mann auf Kasern-Wache, wo es uns besser gefiel als in der Komp. beim Appelaufstellen. Große Hitze und Kanonendonner wie bisher.

31. VIII. Mittags Abmarsch von der Kaserne in Privathäuser am Bahnh., um vom Feind nicht entdeckt zu werden. 1. IX. Keine Änderung, aber mittags wurden wir etwas in Angst versetzt, weil franz. Granaten um unsere Quartiere herum einschlugen, daß grad der Staub aufwirbelte, war aber schnell wieder gar. Wir waren die Nacht hindurch und den ganzen Tag des 2. IX. bis zum Abend des 3. IX. noch in Luneville, dann war Abmarsch ins Biwak bei Priv., wo wir auch am folgenden Tage, also am 4. IX. blieben. Am 3. IX. kam ein Feldgeistlicher vorbei, welcher an das Batalion eine Ansprache hielt und alle zum weiteren Tragen der Strapazen des Krieges aufmunterte, dann den priesterlichen Segen spendete.

Am 4. IX. war um 2 Uhr nachmittags Abmarsch vom Biwak bei großer Hitze, infolgedessen sehr viele austraten. Nach 2 1/2 Stunden war Rast, was auch sehr notwendig war, um neue Kräfte zu sammeln für die kommende Nacht, wo wir in einem Straßengraben eines Waldes von 12 Uhr nachts an ruhten, aber durch fortgesetztes Schießen seitens der Inftr. und Artil. wenig schliefen. Es war ein heißer Kampf, welchen unsere Vortruppen führten, und es gab viele Verwundete. Nach 6 Uhr am Morgen des 5. IX. marschierten wir aus dem Walde, in welchem uns die feindlichen Kugeln stets umtosten. Wir lagen bis 7 Uhr abends in einer Deckung und mußten uns dann zirka 500 m südlich noch einschanzen und lagen die ganze Nacht bei kaltem Ostwind. Vom Feind sahen wir nichts. Auch der Artilleriekampf hörte 10 Uhr abends auf. Tote und Verwundete gab es sehr viele. Es war für viele ein schwerer Tag. Am 6. IX. blieben wir in der Verschanzung, welche noch verbessert wurde, wo wir aber erst abends 6 Uhr was warmes zu Essen bekammen und infolgedessen Kartoffeln sotten.

Am 7. IX. blieben wir bis 9 Uhr abends in unserer Verschanzung und mußten dann ungefähr 2 km westlich einen Höhenzug besetzen, in welchem wir bis 9 Uhr morgens des 8. IX. unter Infanteriefeuer in schnell ausgeworfenem Schutzgraben verblieben. Dann wieder Rückzug in die alte Stellung, bei welcher wir sehr viele Verwundete sahen. Wir kammen vor in erste Gefechtslinie und es lagen 3 Tote Kameraden sehr nahe. Ich und 2 Kameraden machten uns daran, selbe zu beerdigen, was jedenfalls sehr traurig aussah. Am Nachmittag beschoß uns feindlich Artillerie sehr stark, ohne uns zu schaden. Nachts mußten wir auf feindlichen Angriff lauern, blieb aber alles bis zum nächsten Morgen ruhig. Nur Artilleriekampf lebhaft wie bisher. Am 9. IX., 10. und 11. IX. blieben wir in dieser Stellung und hatten wiederholt feindliches Artilleriefeuer, wir waren aber stets vom Glück begünstigt. Täglich einmal bekommen wir von der Feldküche ein kräftiges Essen, abends und morgens kochten wir uns Kaffee und Konservensuppe. Vom 9. auf 10. IX. hatten wir schweren Gewitterregen, sodaß wir ganz durchnäßt wurden.

Am 12. IX. kamen wir 3 Uhr morgens in eine neue Stellung, zu welcher wir 5 Stunden bei finsterer Nacht in strömendem Regen marschieren mußten. Dann hoben wir noch einen Schützengraben aus. Schlafen war für diese Nacht nicht zu rechnen, nur hinter einer Staude lag ich eine Zeitlang, aber es fror mich zu sehr, da ich durch und durch naß war. Um 5 Uhr abends war Abmarsch zurück nach Charteau-Saline, wo wir um 1/2 4 Uhr morgens des 13. IX. unter Sturm und furchtbarem Regen ganz erfroren und durchnäßt ankamen. Wir legten uns auf den harten Boden in einem Gebäude und schliefen bis ungefähr um 9 Uhr, dann holten wir unsere Menage und gingen in der Stadt umher, uns Brod, Fleisch und dgl. zu holen. Gegen abend besuchte ich die Kirche, und es war zum Staunen, wieviel Soldaten sich in den geweihten Räumen befanden. Am 14., 15. 16. und 17. mußten wir in einem Weinberg westlich der Stadt Schützengräben ausheben, was bei wiederholtem Regen sehr schmutzig war. Am 18. und 19. Sept. mußten wir ebenfalls schanzen, weil die Schützengräben infolge starken Regens sehr stark einfielen, und das Wasser sich staute.

Am 20. IX. war ich um 1/2 Uhr in die Messe gegangen, als ich nach 11 Uhr heimkam, stand die Komp. feldmarschmäßig auf der Straße, und ich mußte mich sehr eilen mitzukommen. Es ging auch hier wieder zum Schanzen. Abends 6 Uhr war Abmarsch ins Quartier. Am 21. IX. war Rasttag, was uns zu 1. Mal beschieden war. Am 22. hatten wir die alten Schützengräben wieder auszubessern und um 1/2 3 Uhr durften wir einrücken.

Am 23. IX. war um 5 Uhr Abmarsch nach Salomes, wo wir beim ersehnten schönen Wetter die Ortschaft bewachen mußten, welche nach Spionen ausgesucht wurde. Um 2 Uhr kamen wir ins Quartier zurück, in welchem wir bis 25. IX. verblieben und um 8 früh Abmarsch hatten nach Solger, wo wir um 7 Uhr abends ankammen, in einem Bauernhof übernachteten und am 26.9. 6 Uhr früh nach Chorny abmarschierten und um 1/2 2 Uhr ankamen. Wir wurden hier einquartiert und blieben bis 28.9. 4 Uhr nachmittags. Wir hatten am 27.9. feldmarschmäßigen Appell, sonst im allgemeinen Ruhe. Am 28.9. 4 Uhr nachm. war Abmarsch nach Metz, dort wurden wir, nachdem wir Verpflegung erhalten, um 12 Uhr nachts auf der Bahn verladen, und fuhren um 1 Uhr ab."


Truppenverlegung ins belgische Wallonien

"Wir kamen nach Luxemburg Arlon, durch ganz Belgien, wo es bis Lipramont im Lauf des Vormittag sehr viele zusammengebrannte Häuser, zertrümmerte Eisenbahn-Wagons zu sehen gab, was von dem Durchbruch der Deutschen am Anfang des Krieges herrüren mochte. Die Fahrt am Nachmittag war sehr reizvoll, denn es gab hohe Felsenklippen, wunderbare Dörfer und reizende Städte zusehen. Auch 3 Tunnels hatten wir zu durchfahren von je einer Dauer von ungefähr 2 Minuten Fahrzeit. Abends kamen wir nach Lütich, wo wir menagierten und nach 3 stündigem Aufenthalt um 10 Uhr wieder abfuhren. Wir fuhren die ganze Nacht, schliefen auf Bänke und Boden und kamen um 5 Uhr morgens nach Namur, bekamen dort wiederum Menage und fuhren um 6 Uhr des 30.9. ab über Monastier nach Tamines, wo wir wieder an ausgebrannten Häusern vorbeikamen. Von hier ab kammen wir an großartigen Bergwerken, Briketfabriken und Eisenwalzwerken vorbei. Es gab auch hier in dieser reizvollen Gegend sehr schöne Ortschaften, und wir konnten uns nicht genug sehen und staunen. Aber auch diese Dörfer wurden teilweise ausgebrannt. Und so kamen wir um 11 Uhr mittags nach Couilet, menagierten und fuhren um 12 Uhr wieder ab, kamen am Nachmittag wieder an großartigen Bergwerken vorbei und waren um 6 Uhr abends in Mons, menagierten und um 7 Uhr in Cislai die belgische Grenze überschritten und wieder nach Frankreich kamen. Bevor wir Belgien verließen, sah man eine abgebrannte Kirche und bereits das ganze Dorf ohne Dachstühle. Wir fuhren noch bis 1 Uhr. schliefen sehr gut und wurden in Ronuly ausgeladen am 1.10."

In den Aufzeichnungen meines Großvaters folgen nun Beschreibungen von Kämpfen in Nordfrankreich und seiner Verwundung.

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