> Paul Thomaschki: Auszüge aus dem Kriegstagebuch. Berichte zu den Kriegsereignissen, 1914-1918

Paul Thomaschki: Berichte, Einschätzungen und Stimmungen zu den Kriegsereignissen

Auszüge aus dem Kriegstagebuch von Paul Thomaschki (1861-1934), Pfarrer an der Burgkirche zu Königsberg/Ostpreußen.

Das Tagebuch bezieht sich nicht nur auf den privaten Bereich, den kirchlichen Alltag, die Kriegsereignisse sowie um Verluste aus der Gemeinde, dem Corps und von Bekannten sondern reflektiert auch die persönliche Meinung zu den vielfältigen Ereignissen. Teilweise wurden auch die Kopien der Todesanzeigen aus der Zeitung eingefügt. Die nachfolgenden Auszüge reflektieren Szenarien der einzelnen Zeitabschnitte und stellen keinen Anspruch auf Vollständigkeit und/oder Richtigkeit der Informationen dar. Ein ganz besonderer Dank gilt der Sütterlinstube in Hamburg, die das 720 Seiten umfassende Original in mehr als 500 Stunden durch ehrenamtliche Mitarbeiter in die lateinische Schrift transliterierte. Dabei wurde die zum damaligen Zeitpunkt verwendete Grammatik, Ausdruckweise und Rechtschreibung im Wesentlichen beibehalten.
J. Frank, September 2017

02. August 1914
Die Mobilmachung ist erfolgt bis zum Landsturm 2ten Aufgebots, ca. 5 Mill. Menschen!
Die 16er sind ausgerückt. Die Tilsit-Memeler 43er bereits seit Tagen in der Festung Boien, die 41er auf der Farts.

Jeder empfand den furchtbaren Ernst der Lage, und nicht Radaubrüder sondern begeisterte Menschen waren es, die durch die Straßen zogen mit einem: „Deutschland, Deutschland über alles“. Warschau in Revolution; die Finnen empören sich; die Japaner hauen rein; die Schweden stehen den Finnen bei etc.
Ha, es werden noch manche Übertreibungen folgen.
Zuerst wird die englische Flotte aufgerollt, dann Paris genommen und vor Petersburg die Entscheidungsschlacht geschlagen.
Gott gebe es. –


04.August 1914
Die Stimmung der Bevölkerung ist die einer entschlossenen Tatbereitschaft. Es ist keine Durchbrechung der musterhaften Selbstdisziplin wenn das Militär mit HURRA empfangen wird.


10. Oktober 1914
Auch Jugendliche im Alter von 16 und 17 Jahren melden sich freiwillig zur Armee.


01. Februar 1915
Alles gesperrt!
Wieder eine schreckliche nervenzerrende Wartezeit. Die Karpatenpässe sind von uns genommen nach heftigen Kämpfen. Personen, Güter und Briefverkehr fallen darunter. Es ist etwas Großes im Gange. Die Sperre hielt bis zum 8. Februar an.


23. Mai 1915  
Die Lusitania ist untergegangen, durch unser U-Boot torpediert. Scheußlich. Aber Prachtvoll. Ein Kriegsschiff mit Privatpersonen an Bord. Das sollen wir schauen.


04. Dezember 1915
400.000 Tropenhelme sollen von der Heeresleitung in Luckenwalde bestellt sein. Also Ägypten!


01. Januar 1916
Weder militärisch noch wirtschaftlich können unsere Feinde niederringen; aber zermürben können sie uns wenn wir nicht die Kräfte des Glaubens aus der unsichtbaren Welt hernieder holen.


04. Februar 1916
Kriegslage: Aus allen Feldbriefen geht die Sehnsucht nach Frieden hervor. Serbien und Montenegro sind erledigt; in Albanien stehen die Österreicher vor Durasczo, die Bulgaren rücken gegen die Italiener auf Valona vor. Die russischen Häfen sind vereist. In Persien geht es den Engländern schlecht. Unsere Zeppelinangriffe auf Paris und England quer durchs ganze Land sind geglückt. Aber das alles zusammen und manches mehr ist nicht Ausschlag gebend es ist gering in diesem großen Krieg.


13. Februar 1916
Der U-Bootkrieg geht weiter, die Erfolge der Marine sind sehr erfreulich.
Die Frachtgebühr in der Ostsee ist um das 3-fache gestiegen.


01. April 1916
Große Sensation! Holland macht mobil! Gegen wen? Die Leute müssen doch in diesem Krieg von dem Schicksal von Belgien, Serbien und Montenegro etwas gelernt haben.


21. Dezember 1916
Hindenburg soll im Westen e. gerade Front haben wollen u. alle Einbuchtungen aufgeben wollen, um Menschen zu sparen u. sie im Osten einzusetzen. Hier soll die Entscheidung angestrebt werden.
Unsere Schlappe  bei  Verdun (6 km Breite u. 3 km Tiefe) unter Verlust  all  der  neuen eingebauten  schweren  Geschütze, ist doch recht bedenklich.


12. August 1917
Die militär. Lage für uns glänzend. Galizien ist, bis auf e. kl. Stück nord östlich von Tarnopol v. Feind befreit, die Bukowina z. größten Teil, u. uns. Truppen stehen bereits auf russ. u. rumän. Boden. Die 11te russ. Armee ist zerschmettert, die 7te mit in die Flucht gerissen, die 8te  z. Rückzug gezwungen. Das ist das Ergebnis v. nur 14 Tagen. Jetzt leistet der Russe energischen Widerstand, östlich des Grenzflusses Zburz u. östl. u. südöstl. v. Czernowitz, bei Foczani in Rumänien sind wir (Mackensen) im Vormarsch. –
D. Schlacht in Flandern ist e. gr. Mißerfolg der Engländer. Sie sind wohl in uns. Trichterfeld. Aber Regen, Grundwasser u. Überschwemmungen hindern sie, sich  einzugraben u. so sind sie unserem Feuer ausgesetzt, in dem sie sich hoffentlich verbluten werden.


15. April 1918
Die Schlacht von Armentiers, Zeppelinangriff auf Mittelengland, Paris von Fliegern bombardiert, der Ploegsteertwald


19. Juli 1918
Die Offensive scheint an der Marne gescheitert. Ja, die Franzosen setzten sogar zu einer Gegen- u. Durchbruchs-Offensive ein, die unsere Linien zurückdrückte u. nur durch uns. Reserven paralysiert werden konnte. Doch haben wir es hier fraglos nur mit den Anfängen der großen Schlacht zu tun. Ich denke mir, die Hauptmacht der Franzosen soll hier gefesselt werden, damit wir weiter oben, vielleicht bei Ypern, es allein mit den weniger gefährlichen Engländern zu tun haben.


09. September 1918
Die feindliche Offensive scheint endlich zum Stillstand gekommen zu sein.


13. Oktober 1918
Die Würfel sind gefallen. Der Krieg ist verloren. Auf Gnade und Ungnade ergeben wir uns. Mit Blut und Tränen schreibt man das nieder. Unser großes deutsches Volk ist zu schlapp, um in den Kampf auf Tod und Leben einzutreten. So muß es denn das Schicksal erleiden, das es verdient.



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