> Paul Thomaschki: Tagebucheintrag vom 14.9.1918

Paul Thomaschki: 14.9.1918

Eintrag aus dem Kriegstagebuch von Paul Thomaschki (1861-1934), Pfarrer an der Burgkirche zu Königsberg/Ostpreußen.

Das Tagebuch bezieht sich nicht nur auf den privaten Bereich, den kirchlichen Alltag, die Kriegsereignisse sowie um Verluste aus der Gemeinde, dem Corps und von Bekannten, sondern reflektiert auch die persönliche Meinung zu den vielfältigen Ereignissen. Teilweise wurden auch die Kopien der Todesanzeigen aus der Zeitung eingefügt. Der nachfolgende Eintrag stellt keinen Anspruch auf Richtigkeit der Informationen dar. Ein ganz besonderer Dank gilt der Sütterlinstube in Hamburg, die das 720 Seiten umfassende Original in mehr als 500 Stunden durch ehrenamtliche Mitarbeiter in die lateinische Schrift transliterierte. Dabei wurde die zum damaligen Zeitpunkt verwendete Grammatik, Ausdruckweise und Rechtschreibung im Wesentlichen beibehalten.
J. Frank, März 2018

Sonnabend d. 14.9.18

Lloyd George:
Der preuß. Militarismus muß nicht bloß besiegt werden, sond. das dtsche. Volk muß wissen, daß seine Fürsten für die "flug-würdige Treulosigkeit" bestraft werden müssen. Also kein Friede ohne Sieg! –
U. da spricht man v. baldigen Frieden. Und solche Rede nehmen die Zeitungen auf und verbreiten sie unter dem Volk! Die gut gesinnten Elemente schließen sich ja nun so fester zusammen, aber die Masse des Volkes wird dadurch zur Revolution aufgehetzt. Die Zeitungen bringen fast gar nichts mehr. Aber solche Reden und die langen siegestrunkenen Heeresberichte der Feinde müssen, bei aller Papierknappheit, drin stehen. Das ist wirklich eine harte, und dazu noch so unnötige Belastungsprobe unseres Volkes. Oder will man uns auf die Notwendigk. e. Verzichtfriedens vorbereiten?

Petersburg
soll v. den Gegenrevolutionären genommen, und die Kaiserin von Rußland mit ihren 4 Töchtern von den Bolschewikis ermordet sein. Letzteres wird wohl ein Märchen sein, das auch früher schon einmal aufgetaucht ist. Auch ersteres ist gelogen.

In Archangelsk
sind amerikanische Truppen gelandet.

Der Bogen von St. Mihiel
ist bis auf die Linie Combres-Höhe – Thiaumont – Priesterwald (wo Siegfr. einmal stand) "zurückgebogen". Zum ersten mal werden hier österr. Ungarische Regimenter genannt. Der Feind zählt 13.300 Gefangene.

Die Anschläge der Entente
in Rußland und in der Ukraine gehen weiter. Auf die große Explosion in Kiew folgte die riesige Explosion der Munitionsdepots in Odessa und jetzt eine Explosions-katastrophe, bei der 6 Eisenbahnzüge samt Bahnhof und benachbarten Gebäuden zerstört wurden. Der Schaden beträgt 30 Mill. Rubel. 350 Tote wurden gezählt. Über 1.500 Verhaftungen sind vorgenommen.

Regenwetter
Den ganzen Tag über rauscht vom Himmel her die Oceansymphonie. Man befürchtet ein Verfaulen der Kartoffeln und des gehauenen Grummets. Aber das war ja in jedem Herbst dasselbe.

lo