> Paul Thomaschki: Tagebucheintrag vom 22.7.1918

Paul Thomaschki: Montag, der 22.7.18

Eintrag aus dem Kriegstagebuch von Paul Thomaschki (1861-1934), Pfarrer an der Burgkirche zu Königsberg/Ostpreußen.

Das Tagebuch bezieht sich nicht nur auf den privaten Bereich, den kirchlichen Alltag, die Kriegsereignisse sowie um Verluste aus der Gemeinde, dem Corps und von Bekannten, sondern reflektiert auch die persönliche Meinung zu den vielfältigen Ereignissen. Teilweise wurden auch die Kopien der Todesanzeigen aus der Zeitung eingefügt. Der nachfolgende Eintrag stellt keinen Anspruch auf Richtigkeit der Informationen dar. Ein ganz besonderer Dank gilt der Sütterlinstube in Hamburg, die das 720 Seiten umfassende Original in mehr als 500 Stunden durch ehrenamtliche Mitarbeiter in die lateinische Schrift transliterierte. Dabei wurde die zum damaligen Zeitpunkt verwendete Grammatik, Ausdruckweise und Rechtschreibung im Wesentlichen beibehalten.
J. Frank, März 2018


Montag d. 22.7.18

Ein trübseliger Tag

V. Siegfr. keine Nachricht. Dafür lasen wir in der Abendzeitung, daß Universitätsprofessor Mutschmann gefallen ist, der als San.Uffz. in Siegfrieds Batterie steht, v. ihm sehr geschätzt u. an den Offz.-Tisch gezogen wurde. Also ist die Batterie wahrscheinlich im Kampf gewesen.

Die Nachrichten aus d. Feld lauten sehr niederdrückend. Wir haben 20.000 Gefangene u. 400 Geschütze verloren (Armee des Kronprinzen). Und was hatten wir alles v. der Offensive erhofft! Aber solche Rückschläge müssen doch auch mal kommen. Sie zeigen, wie wir bisher mit Siegen verwöhnt waren. Die Kämpfe zw. Aisne u. Marne müssen furchtbar sein. Foch will mit aller Gewalt durchbrechen und setzt rücksichtslos seine Reserven ein, Franzosen, Italiener, Amerikaner u. schwarze Hilfstruppen (180.000 Mann farbige Amerikaner). So läßt sich die Größe der gebrachten Opfer mit den Verlusten keiner Schlacht dss. Krieges vergleichen. –
          
Nachm. zog ein Trupp Verwundeter mit Gesang durch den Ort zum Bhf. Es war zum Heulen, u. alle, die sie sahen, waren wohl tief bewegt. Die meisten hatten die Köpfe gebunden, Pflaster auf den Augen, blaue Schutzbrillen; aber es gab auch Lahme u. Krüppel unter ihnen. Und wieviel Hunderttausende von Leidensgenossen umschließt jetzt uns. deutsches Vaterland.
                     
Der Zar erschossen
am 16.7. in Jekaterinburg, laut Urteil des Ural-Sowjets. Die Bluttat wird mit folgenden Worten gemeldet: "Durch d. Willen des revolutionären Volkes ist der blutige Zar auf das glücklichste in Jekaterinburg verschieden. Es lebe der rote Terror!" Zur Mordtat noch bestialischer Hohn! Eine entmenschte Menschheit.

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