> Paul Thomaschki: Tagebucheintrag vom 26.3.1918

Paul Thomaschki: Dienstag den 26.3.18

Eintrag aus dem Kriegstagebuch von Paul Thomaschki (1861-1934), Pfarrer an der Burgkirche zu Königsberg/Ostpreußen.

Das Tagebuch bezieht sich nicht nur auf den privaten Bereich, den kirchlichen Alltag, die Kriegsereignisse sowie um Verluste aus der Gemeinde, dem Corps und von Bekannten, sondern reflektiert auch die persönliche Meinung zu den vielfältigen Ereignissen. Teilweise wurden auch die Kopien der Todesanzeigen aus der Zeitung eingefügt. Der nachfolgende Eintrag stellt keinen Anspruch auf Richtigkeit der Informationen dar. Ein ganz besonderer Dank gilt der Sütterlinstube in Hamburg, die das 720 Seiten umfassende Original in mehr als 500 Stunden durch ehrenamtliche Mitarbeiter in die lateinische Schrift transliterierte. Dabei wurde die zum damaligen Zeitpunkt verwendete Grammatik, Ausdruckweise und Rechtschreibung im Wesentlichen beibehalten.
J. Frank, März 2018


Dienstag den 26.3.18

Die Offensive geht immer noch weiter. Jetzt werden auch deutsche Tanks erwähnt. 2 franz., 1 engl. u. 1 amerikan. Div., die bei Chauny zum Angriff auf uns. südl. Flügel heranrückte, wurde geworfen, Chauny erobert, dse. wichtige Verbindungs-stelle v. Franzosen u. Engländern Mehr als 100 feindl. Tanks liegen vernichtet auf d. Schlachtfeld, u. die Anzahl der eroberten Geschütze hat sich auf 963 erhöht. Der Stellungskrieg ist in den Bewegungskrieg übergegangen u, da kommt die bessere Durchbildung uns. Soldaten zur Geltung. Aber erst die eine Hälfte des engl. Heeres ist geschlagen. die andere Hälfte u. die ganze französ. u. amerikan. Armee, sowie die Operationsarmee stehen noch zum Einsatz bereit. Das Telegramm meldet heute sehr starke Artillerietätigk. in Lothringen. Möglich, daß die Franzosen dort eine Entlastungsoffensive unternehmen dann wäre Siegfr. daran beteiligt. – 

Wir erhielten heute e. Brf. v. Siegfr. v. 20. u. 21sten. Sie waren südlich von Metz bei Lirningen eingesetzt u. mußten mit 4 Kanonen in 1 Stunde 900 Schuß verfeuern. Schließlich krepierte ein Frühzerspringer (Langgranate) 1 ½ m vor d. Rohr, streute rückwärts u. verwundete e. Kanonier sehr schwer (Kopfschuß), einen andern schwer u. 3 leicht. Das Resultat der Unternehmung (Exzellenz Tripp) waren 4 gefangene Franzosen. –

In den Hotels werden die Tischtücher beschlagnahmt, um Windeln daraus zu machen.

Nachm. e. Taufe.

Frl. v. Bernhardi hat für uns. Pflegebefohlenen v. d. Frauenhilfe  1 Ctr. Farin [Zucker] besorgt. Da wird sich mancher freuen.        
Fr. Grengschas erzählte v. e. Kriegerfrau in ihrem Hause, die v. e. reichen Kfm. beglückt wird. Sie strotzt v. Schmuck, u. täglich kommen Körbe v. Wein u. Eßwaren an. Dabei bezieht die Frau Kriegsunterstützung u. Zusatzunterstütz. v. d. Stadt. Ja, das ist der Abschaum. Aber verallgemeinern darf man dsn. Fall nicht uferlos, wenngleich diese Frau nicht die einzige ihrer Art ist. –

Lektüre. Helene von Mühlen: "Der Kriegsfreiwillige." (ihrem Freund Sudermann gewidmet). Ein Muttersöhnchen Ernst von Hiller, macht Abiturium u. tritt als Freiwilliger ins Heer. Seine Ausbildung wird bis in die kleinste Einzelheit geschildert, sehr lebendig. Aber der patriot. Begeisterung im Buch spürt man die spätere Reflexion an. Auch ist mir alles zu weinerlich. Die Mutter stets in Trauer aufgelöst. Zieht in se. Garnisonstadt, wohnt gegenüber der Kaserne u. hadert mit Gott u. d. Welt. Sympathisch ist die Gestalt der resoluten Großmutter, die – als Schlußwort des Buches spricht: "Nicht weinen! Der Junge steht in Gottes Hand." –
Abends lasen wir die Vermählungsanzeige v. Kurt Schreiber mit Helene Wernsdorf in Ortand (Sachsen)


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