> Werner Mork: Afrika – oder nicht?

Werner Mork: Afrika – oder nicht?

Dieser Eintrag stammt von Werner Mork (*1921) aus Kronach, Juni 2006:

Nach einem Lazarettaufenthalt in Deutschland meldete ich mich im Frühjahr 1943 erneut freiwillig für Afrika, wo ich schon zuvor im Einsatz gewesen war. Die Wehrmachtsberichte vermittelten keine guten Eindrücke mehr über das Geschehen in Afrika. Aber es gab auch Gerüchte, dass es in Afrika wieder zu einer Stabilisierung kommen würde und dass jetzt Freiwillige gesucht würden, vor allem aber solche Soldaten, die Afrika schon erlebt hatten, die über Afrika-Erfahrung verfügten. An sich war es schon verwunderlich, dass in Anbetracht der Lage in Afrika noch Freiwillige gesucht wurden, und das auch für eine Nachschub Einheit. Verwunderlich war auch, dass sogar die Rede war von einem Aufbau völlig neuer Einheiten, die angeblich dann geschlossen nach "drüben" transportiert würden. Wie das noch geschehen könne, das war uns zwar nicht klar, aber irgendwelche Möglichkeiten müsste es ja doch wohl noch geben, wenn man schon neue Einheiten aufbauen wollte.

Inzwischen war es Anfang April 1943 geworden und die zusammengestellten Afrika-Freiwilligen wurden in Marsch gesetzt. Es ging in die ehemalige französische Festung Bitsch in Lothringen, wo ein Marsch-Bataillon aufgestellt wurde mit den Freiwilligen, die sich auch aus die auch aus anderen Truppengattungen gemeldet hatten. Dieses Bataillon trug die Bezeichnung: Marschbataillon 300. In den Kasernen dieser alten Festung wurde es für den Transport nach Afrika gebildet. Zu unserem Erstaunen gab es noch immer Tropenuniformen mit allem Zubehör, und wir wurden wieder so eingekleidet, wie schon einmal gehabt. Dabei war es uns doch bekannt, dass die in Afrika noch kämpfenden Einheiten in den alten feldgrauen Uniformen eingesetzt waren. Aber die Heimat hatte noch genügend Tropen-Uniformen und so wurden die nun auch verwendet. Es ging jetzt alles sehr schnell, und per Reichsbahn ab nach Italien, wieder nach Neapel. Nach der Ausladung kam dieser zusammengestoppelte Haufen nach Capua, ein Ort bei Caserta im Raum von Neapel. In der Umgebung des dort befindlichen Flugplatzes wurden wir dann in Großraumzelten untergebracht. Der Flugplatz wurde genutzt von der italienischen Luftwaffe wie auch von deutschen JU 52-Verbänden.

/lemo/bestand/objekt/zeltlagercapua Auf diesem Gelände lagen wir nun auf Abruf, wobei die sich förmlich überschlagenden Meldungen vom afrikanischen Kriegsschauplatz aber gar nicht gut klangen. Es wurde jetzt doch sehr zweifelhaft, ob es überhaupt noch zu einem Abtransport kommen würde, könne, ganz abgesehen davon, dass an eine Aufstellung neuer Verbände für Afrika wohl nicht mehr zu denken war bei dieser katastrophalen Lage. Wenn überhaupt noch Afrika, dann könnten wir im günstigsten Fall wohl nur noch "erfolgreich" in Gefangenschaft marschieren.

Doch dann gab es plötzlich Alarm, und mit LKWs ging es hin zum Hafen von Neapel, wo wir verladen wurden auf italienische Zerstörer, die noch am Abend auslaufen sollten nach Biserta. Nur aus dem Vorhaben wurde nichts mehr. Der noch letzte freie Hafen, der von Biserta, geriet in die Hände der Alliierten, und damit war es aus mit dem Traum von Afrika. Trotz der am Abend sehr unklaren Lage hatten uns die italienischen Zerstörer aber noch an Bord genommen und liefen sogar aus. Aber diese "Schiffsreise" war nur von sehr kurzer Dauer. Ganz plötzlich wurde es still an Bord, die Maschinen liefen nicht mehr, und es breitete sich eine direkt unheimliche Ruhe aus. Angeblich, so hieß es dann, waren britische U - Boote gemeldet. Es dauerte einige Stunden, die uns schon ziemlich bange machten, doch dann liefen die Maschinen wieder an. Ehe wir das alles richtig verstanden und begriffen hatten, waren wir wieder im Hafen von Napoli. Da hieß es dann: "Alle Mann an Deck" und der Trip gen Afrika war zu Ende. Das war in der Nacht, als Hafen und Stadt Biserta von den Alliierten erobert worden waren, am 7. Mai 1943. Der Seeweg war nun gänzlich versperrt, es blieb nur noch der Luftweg, und der war unsicherer als je zuvor. Das bedeutete, der Krieg in Afrika geht unweigerlich seinem Ende entgegen, die Achsenmächte haben ihn verloren. Aus war es mit dem angeblich so ritterlichen Krieg in Afrika. Die Alliierten hatten gesiegt, die übriggebliebenen Männer des Deutschen Afrika-Korps und die der Panzerarmee Afrika, würden nun den bitteren Weg in die Gefangenschaft gehen müssen.

Wir kamen zurück in unser Zeltlager, und es ergab sich die Frage, was mit dem Marschbataillon 300 nun geschehen wird. An einen Einsatz in tropischen Gegenden war wohl nicht mehr zu denken. Bei uns herrschte ein ziemliches Durcheinander, Gerüchte und Latrinenparolen überschlugen sich und wir wussten nicht, was mit uns passieren sollte. Doch dann ging es wieder los, es gab einen neuen Abmarschbefehl, wieder wurden wir verladen auf LKWs, mit denen wir dann auf direktem Wege zum Flugplatz Caserta gefahren wurden. Sollte es etwa nun auf dem Luftweg noch nach Afrika gehen? Das erschien uns unmöglich, war doch bekannt geworden, dass die Reste der italienisch-deutschen Truppen in Afrika kapituliert hatten. Offiziell wurde das am 13. Mai 1943 mit der Meldung bekannt, dass die Kampfhandlungen in Afrika eingestellt seien. Alles war umsonst gewesen, sinnlos der Krieg in der Wüste, der so viele Opfer gekostet hatte. Dieses Kapitel war abgeschlossen und im Wehrmachtsbericht wurde zum Abschluss dann der so tapferen deutschen Soldaten gedacht, und der Führer sprach seine letzten Worte an diese deutschen Helden. Die überlebenden Ritterkreuzträger konnten nun in der Gefangenschaft ihre Orden zur Schau tragen, soweit sie nicht als bewährte Generale noch rechtzeitig ausgeflogen worden waren. Vernichtet war das gesamte Deutsche Afrika - Korps und die 5. deutsche Panzerarmee, die Armee, für die das Panzer-Armee-Nachrichtenregiment 10 einmal als Nachrichteneinheit vorgesehen war für den siegreichen Vormarsch nach Ägypten und noch weit darüber hinaus. Aus und vorbei war es nun auch mit meinen sehr kindlichen Träumen, in Afrika auf den Wegen von Gerhard Rohlfs und Karl May zu marschieren bzw. zu fahren. Nur eine kurze Zeit war ich in Afrika gewesen, die mir aber dennoch gereicht hatte, um mich zu befreien von den spinnerten Gedanken eines "abenteuerlichen Lebens" auf afrikanischem Boden. In Gefangenschaft kamen in Afrika 130.000 deutsche Soldaten und 120.000 Italiener, für die war der Krieg nun wirklich zu Ende.

Es war am 14.Mai 1943, als das Marschbataillon 300 zum Flugplatz Caserta transportiert wurde, einen Tag nach der Kapitulation in Afrika. Die auf uns liegende Ungewissheit, was nun mit uns geschehen würde, sollte uns dann auf dem Flugplatz genommen werden. Allerdings hatte ich auf dem Transport einen kleinen Unfall, der fast dazu geführt hätte, dass ich nicht weiter mitgekommen wäre. Wir saßen auf einem offenen LKW, ich hockte direkt an einer Außenwand und hatte ganz lässig meinen rechten (!) Arm auf der Bracke des LKWs liegen. Es geschah dann, dass ein entgegenkommender LKW unseren LKW streifte, wobei mein Arm einen heftigen Stoß bekam und sich sehr schnell en starker Schmerz ergab. Nach der Ankunft auf dem Flugplatz musste ich sofort zu einem Sani, der einen Bluterguss feststellte und mich von dem weiteren Transport ausschließen wollte. Aber das passte mir nicht, ich wollte bei dem Haufen bleiben. Ich setzte meinen Willen durch, der Arm wurde verbunden und in einem umgelegten Dreieckstuch schön hochgelegt. Auf diese Weise gut versorgt, kam ich mit ins Flugzeug und durfte mitfliegen in das neue Einsatzgebiet. Die noch vorhandenen Fotos zeigen den "strahlenden Helden" mit seinem leicht demolierten Arm vor der JU 52 und in der JU 52.        

Warum drängte ich mich zum Mitfliegen? Ich hätte doch in Italien bleiben können, zumindest vorerst. Dafür gab zwei Gründe, der eine war der, dass ich schon in Bitsch einen neuen Job beim Kommiss bekommen hatte, ich war Gehilfe des Rechnungsführers geworden. Das wäre ich auch gerne geblieben. Der andere Grund war der, dass uns mitgeteilt wurde, wir kämen auf eine Insel im Mittelmeer, auf die Insel Sardinien. Dort sollte eine neue Division aufgestellt werden. Tja, wenn schon denn schon, dann wollte ich doch diese Insel kennen lernen, wenn die Möglichkeit dazu geboten wurde! Also drängte ich mich zum Mitfliegen und blieb bei dieser Truppe, die noch ein ziemlich wilder Haufen war.

Es wurde dann bekannt, dass aus unserem Marschbataillon eine neue Panzer-Grenadier-Division entstehen sollte, unter der Bezeichnung "90. Panzer-Grenadier-Division". Diese neue Division sollte damit die Nachfolgeeinheit der in Afrika berühmt gewordenen "90. Leichten Afrika-Division" werden, , die in Afrika völlig aufgerieben worden war.

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