> Werner Mork: Ausbildung in der Wehrmacht 1940

Werner Mork: Ausbildung in der Wehrmacht 1940

Dieser Eintrag stammt von Werner Mork (*1921 ) aus Kronach , Juli 2004 :

Am 18. 6. 1940 war ich Soldat geworden, kurz vor dem Sieg über Frankreich. Nach Verkündigung des Waffenstilstandes am 22. 6. 1940 erlebten wir, dass die Glocken der Kirchen läuteten, die damit das so großartige Ereignis feierten und bejubelten. Das waren Kirchenglocken, keine Naziglocken und die Dankgebete und Fürbitten in den Kirchen wurden abgehalten von den jeweils zuständigen Pastoren und Priestern. Die waren nicht von den bösen Nazis dazu gezwungen worden, sie feierten den Sieg aus ihrer eigenen nationalen Überzeugung heraus. Wie ja auch in der "Nazi-Wehrmacht" evangelische und katholische Seelsorger tätig waren, schön in Uniform und dem Offizierkorps zugehörig.

Auch in den Kasernen wurde angetreten, und mit markigen Reden der Vorgesetzen, wurde der große Sieg, das deutsche Heldentum und der einmalige Führer gefeiert. Wobei nicht vergessen wurde, darauf hinzuweisen, dass es auf unserer Seite nur geringe Verluste gegeben habe, die überhaupt nicht vergleichbar waren mit den grauenhaften Verlusten im 1. Weltkrieg.

Die vom OKW genannten Zahlen bewiesen das auch. Die Gesamtzahl der Gefallenen betrug auf deutscher Seite 27.074, die Anzahl der Verwundeten 111.034 und die Zahl der Vermissten 18.384. Das waren doch wirklich nur "geringe Opfer", die zwar schmerzlich waren, aber im Vergleich zu dem Erreichten, als doch erträglich angesehen wurden. Ein Opfergang kostete nun mal Opfer, die aber gebracht worden waren für die Größe des Vaterlandes und den nun kommenden Frieden! Es gab schon eine ziemliche Selbstgefälligkeit bei uns, und in der kaum an das Elend eines Krieges gedacht wurde. Warum auch? Er war doch so gut für uns verlaufen, so gut, dass alle Pfaffen dem Herrgott nur dafür danken konnten, dass er seine Hände schützend über uns, die Deutschen gehalten hatte, dass es sich bewahrheitete, was auf unseren Koppelschlössern stand: "Gott mit uns!" Was die Toten der Gegner anging, so waren das doch nur tote Feinde, die ja noch hätten leben können, wenn ihre Staaten nicht den Krieg begonnen hätten. Damals war es noch so, dass die Deutschen noch restlos von sich selber überzeugt waren und damit auch sehr willige Helfer des Führers waren.

In der Kaserne in Hannover erlebte ich nun auch Bombenangriffe der Engländer, die nachts erfolgten und vor allem gegen die Öllager in Miesburg geflogen wurden. Dann gab es Alarm, und wir Rekruten mussten rein in die Luftschutzbunker. Das wurde aber (noch) mit einer ziemlichen Gelassenheit ertragen, auch mit einem Humor, der eigentlich ja nicht am Platze gewesen wäre, aber die Soldaten hatten so eine eigene Art von "Humor."

Ich gehörte in der NEA zur Fernsprech-Kompanie, das war die 4. Kompanie und war nun der Funker Mork, auch wenn ich kein Funker, sondern ein Fernsprecher werden sollte. Aber die Bezeichnung Funker war üblich für alle "einfachen Soldaten" in der Nachrichtentruppe. Die echten Funker befanden sich in der "Funker-Kaserne" am Welfenplatz in Hannover, alle anderen waren in der Hindenburg-Kaserne, Vahrenwalder-Straße untergebracht.

Auch als "Fernsprecher" wollte ich ein guter Soldat werden, bestens ausgebildet im Nachrichtenwesen der Fernsprecherei. Nun war ich im Volksheer, von dem ich so gute Vorstellungen hatte hinsichtlich Volksgemeinschaft, Kameradschaftsgeist und einem guten soldatischen Geist. Meine schlechten Erfahrungen aus dem RAD-Lager in Worpswede wollte ich vergessen, weil ich überzeugt war, beim Militär würde das alles ganz anders sein, alles viel besser und vor allem mit anständigen Vorgesetzten, die sich ehrlich bemühen würden, aus uns gute und anständige Soldaten zu machen, die uns nicht wie den letzten Dreck behandeln würden. Meine Naivität hatte mich noch immer nicht verlassen.

Aber es sollte sich dann alsbald zeigen, was es damit wirklich auf sich hatte. Mein erster Eindruck war zwar der, es sei wirklich beim Militär nicht nur alles anders, sondern auch viel besser und sogar direkt human. Zugeteilt war ich der 1. Korporalschaft des 1. Zuges der 4. Kompanie, so wie es auch in Worpswede gewesen war. Schon wegen meiner körperlichen Größe, der Länge von jetzt festgestellten 187 cm, kam ich in die 1. Korporalschaft und wurde sogar der Flügelmann der ganzen Kompanie. Wir waren nun Soldaten der Nation, die in diesem Krieg bis jetzt gesiegt hatte, und wir waren stolz auf unser Soldatenleben in unserem deutschen Vaterland. Mit Begeisterung hatten wir auch immer lautstark die "schönen Soldatenlieder" gesungen, wenn wir auf Hannovers Straßen z. B. in die Vahrenwalder Heide marschierten zu unseren Feldübungen, und danach zurück durch Hannover auf der Podbielsky-Straße. "Es ist so schön Soldat zu sein", das sangen wir besonders laut und deutlich aus voller Überzeugung und Begeisterung. Was wussten wir denn schon vom Krieg, dem damit verbundenen Schrecken und Elend, seinem so maßlosen Grauen? Das war uns allen (noch) nicht bekannt. Und von denen, die schon "draußen" gewesen waren, hörten wir nichts über Schrecken und Elend, wir vernahmen nur ihre begeisterten Erzählungen von den großartigen Erlebnissen in den bisherigen Feldzügen.

Von den Toten war dabei nur am Rande die Rede, so nach dem Motto, Opfer müssen gebracht werden in einem Krieg, Opfer für das Vaterland. Die seien nun mal nicht zu vermeiden. Nur, jede Kugel trifft auch nicht jeden, schließlich gibt es doch mehr Überlebende als Tote. Sicher gab es auch manche verwundeten Soldaten, zum Teil sogar schwer verwundet, aber in unserem neuen deutschen Staat würden diese Opfer doch gut und angemessen versorgt werden, da gäbe es doch überhaupt keine Zweifel. Verluste seien nicht zu vermeiden, wenn wir den uns aufgezwungenen Krieg siegreich für uns beenden wollten.

Weil es so war, weil nur so geredet wurde, taten wir unseren Dienst, auch wenn uns der Kasernenhofdrill schon zum Halse raushing. Wir waren erfüllt von dem jetzt herrschenden Geist, nicht nur wir Soldaten, sondern das ganze deutsche Volk, besonders jetzt im Jahre 1940, dem Jahr der überwältigenden Siege an allen Fronten. Weil dem so war, sangen wir beim Marschieren durch die Stadt mit Schwung und hörbarer Begeisterung unser Lied: "Es ist so schön Soldat zu sein". Und die braven Bürgersleut, unsere Volksgenossen erfreuten sich an diesen jungen, so zackigen Soldaten, teilten deren Begeisterung und waren davon überzeugt, dass mit diesen prächtigen Jungen der unvermeidlich gewesene Krieg ganz gewiss zu gewinnen sei. Sie vertrauten der Jugend, dem Militär, wie dem Führer dem sie gerne folgten, auch noch die nächsten schweren Jahre.

Sie trauerten zwar um die vielen "Gefallenen", denen mit einem feierlichen Heldengedenken immer wieder die Ehre erwiesen wurde, damals sowieso und heute noch immer. Der unheilvolle "Führer" wird dabei nicht erwähnt, der doch diese Helden auf dem Gewissen hatte, das dann aufhörte eines zu sein, als er, reichlich gewissenlos mit seinem Dasein Schluss machte. Aber immer wieder erklingt das widerliche Gerede von den tapferen Helden, dem unvergleichbaren Heldentum der deutschen Soldaten, die ihr Leben für ihr Vaterland "hingaben." Vor allem im Kampf gegen den unheilvollen Bolschewismus, der doch uns vernichten wollte.

Wenn wir durch die Stadt marschierten, sangen wir auch mit Begeisterung ein anderes Lied, dessen normaler Text verwandelt worden war. Nach der Melodie des Liedes "die Wolken ziehen dahin, daher" wurde dann gesungen: " Die Juden ziehen dahin, daher, sie ziehen durchs Rote Meer, die Wellen schlagen zu, die Welt hat Ruh." Dieses "Lied" zu singen war keine dumme Gedankenlosigkeit, das sangen wir aus unserem damaligen Empfinden, indem wir der Überzeugung waren, dass zumindest in Deutschland für Juden kein Platz mehr ist. Und ich sang das auch laut mit, und dachte nicht mehr an meine Abscheu in Oldenburg 1938! Und auch bei diesem "Lied" mit seinem schäbigen Text, lauthals in aller Öffentlichkeit von uns gesungen, waren die braven Bürger wohlgesonnen. Es gab keine Einwände, weder bei den Bürgern noch bei uns. Solch ein "Lied" wurde jetzt als besonders gut empfunden, nachdem die Juden, durch ihr Sprachrohr in den USA, uns, den Deutschen regelrecht den Krieg erklärt hatten. Nun befanden sich die Juden in aller Welt mit uns im Krieg, nun waren sie richtige Feinde, die von uns bekämpft werden mussten, überall da, wo uns das möglich war.

Das zu tun, wurde als eine Selbstverständlichkeit vom deutschen Volk angesehen, und das erklärt auch, dass es so gut wie keinen Widerstand gab gegen das, was mit den Juden geschah, nicht nur im Reich. Wir befanden uns doch nun im Krieg, und die Juden waren unsere Feinde, also hatten wir das Recht, sie zu bekämpfen, gleich wie und wo. Die Führung konnte ihre Maßnahmen ergreifen und durchsetzen, auf das Volk war dabei Verlass!

Für uns, und für mich mit meinen 19 Jahren im Jahre 1940, war die Welt, unsere deutsche Welt in bester Ordnung. Die noch bestehenden Schwierigkeiten würden sicher positiv für uns gelöst werden und dann würde eine gute Zukunft uns allen offen stehen. Zwar hatte sich in mir ein stärker gewordenes kritisches Denken eingenistet, weil es mir sehr schwer war, die bestehenden Realitäten des täglichen Daseins mit meinen, doch wohl sehr utopischen Vorstellungen und Gedanken in eine Konvergenz zu bringen, die für mich erträglich sein würde. Das dabei entstandene kritische Denken war aber doch noch sehr unausgegoren. Es sollte noch lange dauern, bis sich auch mein Verhalten sehr grundlegend änderte. Ein Verhalten, das mir dann sehr viele Schwierigkeiten und ungute Probleme verschaffen sollte, das mir sogar beinahe mein Leben gekostet hätte, und das kurt vor Schluss des Wahnsinns.

     

lo