> Werner Mork: Der lange Weg nach Afrika

Werner Mork: Der lange Weg nach Afrika

Dieser Eintrag stammt von Werner Mork (*1921) aus Kronach, Januar 2005 :

Nach meiner Soldatenzeit in Frankreich meldete ich mich 1941 als Freiwilliger für den Einsatz nach Nord-Afrika. Ich wollte nicht nach Russland, auch wenn von dem Kriegsschauplatz nur Siegesmeldungen kamen und die Sondermeldungen den Eindruck erweckten, als ob ganz Russland in Kürze besiegt am Boden liegen würde. Afrika - da war es wieder, das große Abenteuer Krieg, das von vielen Soldaten trotz Russland noch immer so gesehen wurde. Afrika, das war doch wirklich ein gewaltiges Abenteuer, das lockte unwiderstehlich. Der Krieg im fernen Afrika mit Wüste, Oasen, Kamelen, Beduinen und verschleierten Schönheiten war ein Abenteuer, das uns faszinierte. Nun wollte ich zu der nur aus Freiwilligen bestehenden Truppe des Generals Rommel, dessen Name in der Zeit noch nicht so berühmt war, wie er es alsbald werden sollte. Dieser legendär werdende General wurde berühmt bei Freund und Feind, nur seine Rücksichtslosigkeit ist bis heute kein Thema.

Der Dienst im Afrika-Korps wirkte wie eine Auszeichnung, die nur wenigen Soldaten zu Teil werden konnte, weil die Soldaten für Afrika tropendiensttauglich sein mussten. Das war eine nicht unerhebliche Hürde, über die man erst einmal zu springen hatte, um überhaupt dorthin zu kommen. Eine Auszeichnung war es auch, dass dort nur Freiwillige zum Einsatz kamen, jedenfalls in der ersten Zeit des Korps. Der eigentliche Sinn des Einsatzes deutscher Soldaten in Nord-Afrika war zwar nicht ganz plausibel, aber darüber wurden keine besonderen Gedanken verschwendet, weil es für die deutsche Führung doch wohl einen triftigen Grund geben musste. Was zählte, nicht nur für mich, war der Hauch vom großen Abenteuer im fernen Afrika, aber auch der Glanz, dort in einer ausgesuchten Elite "dienen zu dürfen". Und so meldete ich mich als Freiwilliger nach Afrika.

Nun sollte für mich ein langer Weg beginnen, bis ich dann für "endlich" nach Afrika "durfte." Es begann ein neues Kapitel in meinem Leben als Soldat der Wehrmacht, die ich zwar nicht mehr liebte, aber auch noch nicht abgrundtief hasste. Trotz allem bisher Erlebten war ich noch immer stolz darauf, ein deutscher Soldat zu sein, ein Patriot, der sein Vaterland liebte und seiner Führung voll vertraute. Ich war zwar kein Parteimitglied, aber ich fühlte mich (noch) gut aufgehoben im Nationalsozialismus.

Zunächst musste ich nach Potsdam, um mich dort bei der N. E. A. l zu melden, der Stammabteilung für die Nachrichteneinheiten des Heeres in Afrika. Dort sollte der Aufbau einer, in ihrer Art völlig neuen Feldeinheit erfolgen, die den Namen "Panzer-Armee-Nachrichten-Regiment" tragen sollte. Das war insofern neu, als es bisher immer nur Nachrichten-Abteilungen gab, die den Divisionen zugeordnet wurden. Diese neue Einheit war vorgesehen für eine ebenfalls neue Armee, für die Panzer-Armee Afrika. Wie wir später erfuhren, war diese neue Panzer-Armee vorgesehen für den Vorstoß des Deutschen Afrika-Korps über Ägypten in den vorderen Orient, und dann weiter bis nach Indien!! Solche Ideen waren vorhanden, die waren auch im Sinn von Rommel. Diese Pläne sickerten im Laufe der Monate, trotz aller Geheimhaltung, von oben nach unten runter bis zu uns, den kleinen Soldaten. Das dafür neu strukturierte Nachrichten-Regiment hatte alles, was zu einer solchen Einheit gehörte: Fernsprech-Kompanie, Funker-Kompanie und sogar eine Lausch-Kompanie.

Schon kurz nach der Ankunft in Potsdam ging es zur Kleiderkammer, in der wir die neuen Tropen-Uniformen im Empfang nahmen. Das war für uns nun ein ganz besonders erhebender Augenblick. Es gab Uniformen, die in dieser Art für die Wehrmacht wirklich neu waren und die wir mit großem Staunen betrachteten und anprobierten. Nur ausgehen durften wir in dieser Kluft nicht, was wir doch so gerne getan hätten, wir die neue Elite, die Soldaten des Deutschen Afrika-Korps unter dem General Rommel.

An Tod und Elend dachte keiner von uns neuen "Afrikanern". Überrascht waren wir davon, dass die neuen Ausrüstungsgegenstände in dieser Art und in dem Umfang vorhanden waren. Das alles neu zu schaffen, erschien uns als eine bewundernswerte Leistung der militärischen Führung. In einer nur kurzen Zeit war alles geplant und zustande gekommen, was für den Dienst in den Tropen erforderlich war, den Soldaten in Afrika würde es somit an nichts fehlen, meinten wir. Wir empfanden das als eine beachtenswerte Sorgfaltspflicht der zuständigen Dienststellen der Wehrmacht! So wurde das von uns gesehen, ohne Arg und ohne ein schlechtes Denken. Von schweren Kämpfen, vom miesen Dasein in der Wüste und vom Sterben im fernen Afrika war in unseren Köpfen kaum etwas vorhanden. Solche trüben Gedanken kamen in uns nicht auf, wir waren nur erfüllt vom großen Abenteuer, das uns bevorstehen würde. Das Denken der Soldaten war nicht negativ belastet, wir schauten noch froh und heiter in diese Welt.

Wir, die Freiwilligen für Afrika, wollten damals unter General Rommel in Afrika dem Vaterland dienen! Wieso eigentlich in Afrika? Sollten wir da nicht vielleicht nur für die Itaker die Kastanien aus dem Feuer holen? Sollten wir etwa das gut machen, was die völlig verkorkst hatten? Von den anderen Gedankengängen unserer Führung wussten wir ja noch nichts. Der General Rommel war wegen der großartigen Erfolge nicht nur bei seinen Soldaten als der Papa Rommel beliebt, er wurde im ganzen Volk als Held und einmaliger Feldherr verehrt. Ein General, der nicht in seinem Hauptquartier saß, sondern sich vorne, bei seinen "Jungens" aufhielt. In vorderster Front mit seinen Soldaten, die nun den Engländern in Afrika das große Fürchten beibrachten. Ein Soldat, so ganz nach dem Herzen der Deutschen, die solche Helden liebten, wie schon immer in der deutschen Vergangenheit. Und dieser General war ein getreuer Paladin seines Führers, der sich auch schon bewährt hatte in der Reichsjugendführung als Berater für die Wehrertüchtigung. Damals hatte er noch keine Anti-Meinung dem Führer gegenüber, damals nahm er gerne Auszeichnungen und Ernennungen aus der Hand seines Führers entgegen!

Die nächste Station auf dem Weg nach Afrika hieß Baumholder in der Rheinpfalz. Ein Name, der uns nichts sagte, von dem es uns dann aber gesagt wurde, dass das einer der größten Truppenübungsplätze im Reich sei. Hier würde nun das neue Regiment seine endgültige Form bekommen und fit werden für Afrika. Hier wurde auch bekannt, dass der Führer, unser Oberster Befehlshaber, die schon in Afrika befindlichen Einheiten zur Panzerarmee Afrika ernannt habe, in die das "Afrika-Korps" integriert worden war. Da war sie nun, die dem Namen nach schon geschaffene Panzerarmee in der wir das neue Nachrichten-Regiment werden sollten.

Unsere Einheit, komplett fertig für den Einsatz in heißen Zonen, versehen mit der leichten Uniform für die Tropen, sollte in Baumholder auf eine ganz besondere Art zusätzlich beglückt werden. Ein Widersinn sondergleichen kam im Dezember 1941 auf uns zu. Auf dem Bahnhof Baumholder war eine ganze Waggonladung von in der Heimat gesammelten Skiern angekommen, die wir, die künftigen Afrikaner, übernehmen sollten. Nicht zu glauben, aber es war so, die Spende der Heimat für unsere Kameraden in Russland war in Baumholder gelandet, anstatt da, wo sie hingehört hätte. Die Bretter wurden nicht nur abgenommen, sie wurden auch sehr gewissenhaft auf die Kompanien verteilt. Eine Tropeneinheit wurde mit Skiern ausgerüstet. Dieser Wahnsinn war angeblich nicht zu ändern, weil es keine Möglichkeiten gab. Die Bürokratie ließ nichts anderes zu, keiner konnte das ändern. Order war Order, und irgendeine verrückte Dienststelle hatte mit ihrer Order, uns die Spende der Heimat zugewiesen. Das war typisch für Widersinn und Irrsinn. Die im Osten so dringend benötigten Bretter kamen dort nicht an, stattdessen konnten wir uns damit im nun auch schneereichen Gelände von Baumholder amüsieren.

So ging das Jahr 1941 langsam zu Ende. Wir waren noch immer in Baumholder und warteten auf Afrika! Nur hatten wir jetzt das ungute Gefühl, dass wir darauf wohl noch länger warten müssten oder dass wir gar nicht mehr nach Afrika kommen werden, weil sich die Lage dort anders entwickelt hatte, als auch wir bisher angenommen hatten. Der Grund war der, dass am 23. Dezember 1941 die Nachricht kam, dass die Stadt Benghasi vom Deutschen Afrika-Korps geräumt worden war. Diese Nachricht erschütterte uns vor allem deswegen, weil damit der Nimbus des Afrika-Korps doch stark angekratzt wurde, aber auch, weil uns damit bewusst wurde, dass wir noch warten mussten, oder anderweitig verwendet würden. Anstatt Winter und Weihnachten unter glühender Sonne, saßen wir in gut geheizten Kasernen des Übungsplatzes und warten auf das, was auf uns nun zukommen würde. Viel Gutes erwarteten wir nicht mehr, bis es endlich im März 1942 Richtung Süden ging.

Das erste Reiseziel hieß Neapel im sonnigen Italien. Neapel sehen und dann sterben, aber das wollten wir nun doch nicht; sehen und erleben ja, aber nicht sterben! Mit diesem Ziel war es nun endgültig klar, dass wir nicht - wie vielfach befürchtet - nach Russland rollten, sondern nach Afrika kommen würden. Die große Anzahl deutscher Soldaten in Neapel waren nicht mehr nur Freiwillige, die auf den Transport nach Afrika warteten. Jetzt waren viele Soldaten nach Neapel gekommen, die in der Logistik eingesetzt wurden, um das große Problem des Nachschubs für Afrika in den Griff zu bekommen. Im Raum von Neapel wurden Nachschublager eingerichtet, aus denen aber nicht alles, was verladen wurde, nach Afrika gelangte, weil immer mehr Schiffe auf dem Grund des Mittelmeeres landeten - und nicht in einem Hafen von Afrika. Es kamen aber auch komplette Einheiten nach Neapel, die keine Freiwilligen mehr waren, sondern "normale" Einheiten, die nach Afrika verlegt werden sollten. Sogar aus Russland wurden Einheiten nach Italien verlegt. Rommel brauchte jede Menge Soldaten und da waren komplette Einheiten sehr gefragt, die schon Kampferfahrung mitbrachten.

Es waren nun auch Soldaten zu sehen, die eine neue "Auszeichnung" auf der Uniform trugen. Das war die Erinnerungsmedaille an den vergangenen Winter in Russland, respektlos als "Gefrierfleischorden" bezeichnet. Diese Medaille wurde mit Stolz von denen getragen, die den Winter überlebt hatten. So waren sie, die deutschen Soldaten, stolz auf das durchgemachte Elend und auf die vom Führer gestiftete Medaille. Mit dieser Auszeichnung fühlten sie sich allen anderen überlegen, sie waren noch immer überzeugte "Kämpfer".

Es tauchten auch Soldaten auf, die eigentlich nicht wehrwürdig waren. Das waren ehemalige deutsche Fremdenlegionäre, die in der französischen Fremdenlegion Dienst getan hatten. Diese Ex-Legionäre konnten nun wieder "wehrwürdig" für Deutschland werden, wenn sie sich dem Afrika-Korps zur Verfügung stellten, in dem sie nach einem halben Jahr auch Vorgesetzte werden konnten, sogar ihrem Rang in der Legion entsprechend. Diese Typen waren regelrechte Rabauken, die sehr unangenehm auffielen bei der Bevölkerung und bei uns "normalen" Soldaten. Wobei wir überhaupt nicht verstehen konnten, dass diese Typen in dem doch so stolzen Afrika-Korps Dienst tun konnten und sollten. Wo blieb denn da das Elitebewusstsein? Aber es sollte sich dann herausstellen, dass diese Männer in Afrika ganz besonders hart gekämpft haben, wobei die Mehrheit von ihnen gefallen ist.

Unser Transport nach Afrika verzögerte sich aufgrund von Gründen, die uns im Detail nicht bekannt wurden, die aber wohl ihre wesentliche Ursache in den Transportproblemen über das Mittelmeer hatten, die immer größer wurden, es fehlte auch an Schiffsraum, der für den Transport einer kompletten Einheit benötigt wurde. Und somit lagen wir Soldaten des Panzer-Armee-Nachrichten-Regiments 10 mal wieder in Ruhestellung und warteten in Bagnoli bei Neapel darauf, doch noch nach Afrika zu kommen. Anfang September 1942 aber war er da, der große Augenblick für mich, weil ich als Kraftfahrer nach Afrika abgestellt und von Tarento aus auf dem Luftweg nach Afrika eingeflogen wurde. Kraftfahrer wurden dringend benötigt für die Nachschubkolonnen in Afrika. Aus war es mit der Nachrichtentruppe, Kraftfahrer waren wichtiger.

lo