> Werner Mork: Die Stimmungslage im Frühjahr 1941

Werner Mork: Die Stimmungslage im Frühjahr 1941

Dieser Eintrag stammt von Werner Mork (*1921 ) aus Kronach , Juli 2004 :

Wir, die Soldaten an der Westfront, die ja eigentlich keine mehr war, die erst wieder eine sein könne, wenn die Invasion durchgeführt wird, dachten nicht an die anderen Länder, die von deutschen Soldaten besetzt waren und auch nicht an unsere Kameraden, die sich dort im Einsatz befanden. Wir wussten auch kaum etwas von dem Geschehen in den anderen Ländern, wie z. B. in Polen, in Norwegen und Dänemark, und nur wenig vom Krieg auf dem Balkan. Unser Wissen beruhte auf dem, was der Wehrmachtsbericht täglich meldete und auf dem, was in den sogenannten Soldatenzeitungen berichtet wurde.

Wenn auch die Informationen nur über die Wehrmachtsberichte, Sondermeldungen und über die von Goebbels gesteuerte Propaganda zu uns kamen, so hatten viele von uns doch eine eigene Meinung über den Krieg, so auch über den Balkanfeldzug, der, so meinten wir, nicht hätte sein müssen. Den Schlamassel verdankten wir doch nur der Unfähigkeit und der Großmäuligkeit unseres Verbündeten, den Italienern. Wobei natürlich in unseren Köpfen auch die Erinnerung an das miese Verhalten der Italiener im 1. Weltkrieg aufkam, wo sie das Bündnis mit Deutschland und Österreich verraten hatten und sich unseren Feinden angeschlossen hatten. Was sollte man von dem Volk schon groß erwarten, auch wenn Mussolini gewillt war, dieses Volk endlich zu verändern durch die Erziehung Faschismus! Tja, wir waren schon gute Nationalsozialisten geworden - leider.

Als dann aber von dem neuen Kriegsschauplatz "Balkan" großartige Wehrmachtsberichte und Sondermeldungen kamen, waren wir doch wieder stolz auf unsere Wehrmacht, vor allem über die Leistungen unserer Fallschirmjäger, bei denen sogar die Box-Legende Max Schmeling als Freiwilliger diente. Er war über Kreta mit abgesprungen! Da schlugen unsere deutschen Herzen wieder ganz hoch und der Stolz war noch stärker in uns als je zuvor. Vom 20.5. bis zum 1.6.1941 wurde um Kreta gekämpft, der dann erzielte deutsche Sieg war für uns überwältigend. Den verdankten wir ganz besonders unseren tapfern Fallschirmjägern, sie hatten den Hauptanteil an dem Sieg über die Engländer, die sich auf Kreta festgesetzt hatten, und nun mit ihren kläglichen Resten wieder einmal vor den Deutschen fliehen mussten, jetzt in Richtung Ägypten zu der Armee, die in Nord-Afrika gegen die Itaker kämpfte, aber dort mit Erfolg.

Die deutschen Fallschirmjäger waren eine Truppe, auf die wir, die Deutschen sehr stolz sein konnten. Das war eine wirkliche Elite, die in der neuen Wehrmacht neu entstanden war. In ihre diente beste deutscher Jugend, alles nur Freiwillige. Und das große deutsche Boxer-Idol hatte sich als Freiwilliger dieser Truppe zur Verfügung gestellt, das war doch eine echte deutsche Tat, die aus tiefster nationaler Überzeugung entstanden war. Dass das u.U. ein Propagandatrick sein könnte, daran dachte keiner. Schließlich war er, der Maxe, unter dem starken englischen Beschuss abgesprungen, gemeinsam mit seinen Kameraden, wobei er sogar verwundet worden war! Wie hätte das denn Propaganda sein können?

Die Tat von Max Schmeling war für uns eine Bestätigung dafür, dass unser neues Reich ein wirkliches neues Deutschland war, welches von Hitler zu Ehre und Ruhm geführt wurde, in dem die Besten des Volkes zu seinen Gefolgsmännern gehörten! Wir lebten in einer wirklich großartigen Welt, in der uns der Krieg, trotz der Opfer an der Front und in der Heimat, nicht als Verbrechen erschien, sondern als eine Kette von ruhmreichen Taten für unser Vaterland, die uns mit Stolz erfüllten. Und weil das nun auch auf dem Balkan so war, waren die anfänglich entstandenen Bedenken restlos verflogen, wir hatten es wieder einmal der Welt und vor allem den Itakern gezeigt, wie man Krieg führt, und wie in diesem Krieg deutsche Soldaten Leistungen erbringen, die einmalig sind. Traurig stimmten uns aber die hohen Verluste, die besonders die Fallschirmjäger erlitten hatten, aber auch die dort ebenfalls eingesetzten deutschen Gebirgsjäger. Wenn aber mit dem Erfolg dieses Einsatzes, die Front, die dem Mister Churchill vorgeschwebt hatte, von den Engländern nicht errichtet werden konnte, und das Mittelmeer kein Meer der Engländer mehr war, dann waren diese schweren Opfer nicht umsonst gewesen!

Im Frühjahr des Jahres 1941 entstanden erste Gerüchte über angeblich deutsche Soldaten nun auch in Nord-Afrika. Es wurde darüber gemunkelt, aber nähere Einzelheiten wurden nicht bekannt. Eigentlich war nur die Rede von einem deutschen Kommando in Nord-Afrika, das den dort geschlagenen Italienern helfen sollte, einen Neuaufbau ihre Armee durchzuführen. Diese Gerüchte trugen mit dazu bei, unsere nicht sehr freundliche Meinung über den Verbündeten zu verstärken. Dieser "Verbündete", so schien es, wollte wohl auf unsere Kosten seinen sehr eigenen, wenn nicht eigenwilligen Krieg führen, ohne dafür aber die erforderlichen Fähigkeiten zu besitzen.

Es wurde auch darüber gesprochen, dass schon "damals" in Abessinien die Italiener große Probleme und Schwierigkeiten gehabt hätten. Und das in einem Krieg gegen ein doch völlig armes Land, das kaum gerüstet war. So ergaben sich bei uns immer wieder, und nun vermehrt, erhebliche Zweifel an diesem Verbündeten und auch an den Fähigkeiten des Duce. Es gab aber in der Zeit noch keine negativen und destruktiven Ansichten zu dem Krieg und seinem bisherigen Verlauf. Das lag nicht zuletzt daran, dass wir noch der Überzeugung waren, dass Kriege unvermeidbar seien, wie doch auch die Geschichte dafür jede Menge an "Beispielen" lieferte.

Dahin zu kam jetzt aber unsere Meinung, dass dieser Krieg doch ganz anders war als der 1. Weltkrieg, mit seinen erbarmungslosen Materialschlachten und dem grauenhaften Stellungskrieg in den Schützengräben der Westfront, wie auch der damaligen Ostfront. Dieser neue Krieg, der noch nicht als der 2. Weltkrieg galt, war völlig anders. Dieser Krieg war ein moderner, bisher so noch nicht gekannter Bewegungskrieg, der die deutschen Soldaten bisher an allen Fronten von Sieg zu Sieg geführt hatte. Wir alle waren von diesen Siegen nicht nur begeistert, wir alle waren von einer fast permanenten Siegesorgie so angesteckt, dass wir uns in einer Art von Rauschzustand befanden. Uns erschien alles möglich, wir würden und könnten nur noch siegen und dabei erschien es uns, wie ein kaum fassbares Wunder, dass diese großartige Wehrmacht in nur wenigen Jahren so stark und kräftig geworden war. Bewundernswert war auch die Logistik und das ganze Führungssystem mit dem es möglich war, die Wehrmacht so zu stationieren, dass sie reibungslos ihren "Aufgaben" nachkommen konnte in den vielen Ländern, die von der Wehrmacht besiegt und besetzt waren. Es funktionierte einfach alles, auch die Versorgung und Betreuung der Soldaten in all diesen Ländern.

Bei dieser Bewunderung war es kein Wunder, dass wir, die Soldaten vom deutschen Sieg so fest überzeugt waren. Und wir waren auch davon überzeugt, dass wir, die Deutschen nach dem Krieg eine Neue Welt aufbauen würden. Eine Welt voller Frieden und in einem allgemeinen Wohlbefinden. Die Opfer dieses Krieges sollten wirklich nicht umsonst erbracht werden, die würden als echte Helden in die neue deutsche Geschichte eingehen. Dass in der Heimat Frauen um ihre gefallenen Männer, Söhne, Freunde und Verlobten weinten, war zwar traurig, aber unvermeidbar im Krieg. Wobei es aber in diesem Krieg doch (noch) so war, dass die Opfer doch gering waren im Gegensatz zu den Opfern des 1. Weltkriegs.

Mit dieser Denkweise, die allgemein üblich war, wurde keineswegs der schlimme Krieg schöngeredet, sondern als der nun mal notwendige Krieg angesehen, der uns doch aufgezwungen worden war - so sahen wir noch immer das, was am 1.9.1939 seinen Anfang genommen hatte. Bei dieser Denkweise war es daher auch nicht verwunderlich, das es in der Heimat, auch nicht, wo die Bombenangriffe immer stärker wurden, keinen Hass auf unserer Führung gab, sondern nur auf den Feind, der die Terror-Angriffe auf die wehrlose Bevölkerung durchführte. Dieser Hass bezog sich zuerst auf die Engländer und später auch auf die Amerikaner. Der war manifestiert in der Wehrmacht und in der Zivilbevölkerung.

Es gab keinen Aufstand des Volkes gegen seine Führung, keine Massen gingen gegen den Wahn des Krieges an. Die Masse glaubte bis zur letzten Stunde an das Wunder eines Sieges, zumindest aber an einen Waffenstillstand mit dem Westen. Die Masse glaubte daran, dass das Großdeutsche Reich dann weiter leben und existieren würde, und das sogar weiterhin unter dem Nationalsozialismus. Als dann aber von den Alliierten die Forderung der bedingungslosen Kapitulation erhoben wurde, gab erst recht keinen Aufstand des Volkes, sondern nur ein noch größerer Hass und Widerstand gegen die Feinde, die doch nur den absoluten Untergang Deutschlands erreichen wollten.

Damals, im Frühjahr 1941 wurde von vielen deutschen Soldaten der Krieg noch nicht in seiner wirklichen Brutalität und in seiner grauenhaften Art und Weise gesehen, weil sie den so noch nicht erlebt hatten. Auch nicht das elende Krepieren von Menschen. Die meisten von den jungen Soldaten lebten noch in einer Wahnvorstellung, die ihnen in der Schule so beigebracht worden war. Die Mehrheit der Soldaten war der Überzeugung, dass Opfer erbracht werden müssen, wenn wir, die Deutschen das endgültige Groß-Deutschland festigen wollen für alle Zukunft. Und in dieser noch vorhandenen Überzeugung, wurden die "erforderlichen Opfer" als eine Notwendigkeit gesehen, bei der das Grauen des Krieges dieser Mehrheit noch nicht zu Bewusstsein gekommen war. Es sollte noch sehr lange dauern, bis sich andere Meinungen in den Köpfen einnisteten, und der Krieg als das gesehen wurde, was er in Wirklichkeit war, ein sinnloses Morden, das zu Millionen von Krepierten führte.

Aber noch glaubten wir an ein für alle Zeiten bestehendes Großdeutschland, in dem 80 Millionen Deutsche leben würden, und das in einem Raum, das diesem Reich auch zusteht. Dann würde das Reich nicht mehr ein Volk ohne Raum sein. Die schon stattgefundene Erweiterung "unseres Lebensraums" fanden wir gut und richtig. Im übrigen war das doch etwas, was schon immer so gewesen war, zu allen Zeiten und in allen Kriegen. Landeroberungen hatte es immer gegeben, berechtigte wie unberechtigte Inbesitznahmen.

Auch nach dem letzten Krieg war es so gewesen, dass die damaligen Sieger uns Deutschen deutsches Land raubten. Im Westen, im Süden, im Norden aber ganz besonders im Osten wurde deutsches Land mit deutschen Menschen vom Reich abgetrennt, und außerdem wurden uns auch unsere Kolonien geraubt. Das alles zum Vorteil und Nutzen der Sieger für sich selber, oder zur Errichtung neuer Nationalstaaten, die eindeutig gegen Deutschland errichtet wurden und das auf altem deutschen Grund und Boden. So sahen wir das, und so hatten wir das schon in der Schule gelernt, und das bereits vor 1933!

Wir waren doch wirklich ein Volk ohne Raum, ohne ausreichenden Raum und damit unterschieden wir uns doch von allen anderen Völkern in Europa. Diese Völker hatten nicht ein sie bedrängendes Raumproblem und die meisten von ihnen hatten dazu auch noch ihre riesigen Kolonialreiche, in denen so viele ihrer Menschen leben konnten. Wir, die Deutschen hatten nichts, wir waren die Hungerleider am europäischen Tisch, an dem sich die anderen es so gut gehen ließen.

Weil dem so war, hatten wir auch kein Erbarmen oder Mitleid mit den Menschen in den, nun zu Deutschland gehörenden, neuen Gebieten im Osten, im ehemaligen Polen. Wir fanden es als gut und richtig, dass in diesem Gebiet nun die schon früher begonnene Kolonisation so weitergeführt werden konnte, dass in Zukunft hier weit und breit deutsches Bauernland sein würde. Ein dann deutsches Land, mit dem notwendigen Raum, der unsere Raumnot beenden und deutschen Menschen Lebensraum gewähren würde für ewige Zeiten!

Bei solchen Gedanken ergab sich auch die Überzeugung, die Grenzen im Westen zugunsten Deutschlands zu revidieren, nicht nur hinsichtlich der alten deutschen Reichslande Elsass und Lothringen, sondern auch um nun einen direkten Zugang zum Atlantik zu besitzen. Dabei dachten wir auch an die in Belgien lebenden Flamen, die doch als Germanen mehr deutsch als französisch waren, und deren Gebiet, doch dem Reich "zugeschlagen" werden könnte, was doch auch im Sinne der Flamen liegen würde, bei denen sich schon eine breite pro-deutsche Bewegung installiert hatte.

So war unser normales nationales Denken, wobei wir den Begriff Chauvinismus nicht kannten, jedenfalls nicht für uns Deutsche. Wir dachten nur in den Ideen und Gedanken der Wiederherstellung eines großgermanischen Raumes unter der Führung des Großdeutschen Reiches, wozu wir auch Holland zählten! Skrupel hatten wir dabei keine, warum auch? Das entsprach doch im wesentlichen dem, was wir auch schon in der Schule gelernt hatten im seinerzeitigen Geschichtsunterricht über die Germanen und über den ersten deutschen Kaiser, Karl dem Großen, auch wenn dem der üble Beigeschmack des Sachsenschlächters anhaftete, wegen der von ihm durchgeführten, sehr brutalen Christianisierung der heidnischen Gebiete des Herzogs Wittekind.

Und diese Denkweise hatte sich im 3. Reich fortgesetzt, in der Schule und in der HJ. Dabei wurden wir aber nicht durch eine etwa gewaltsame und brutale Erziehung zu gnadenlosen und fanatischen Nazis gedrillt, sondern als deutsche Jungens und Mädels zu einem Nationalstolz erzogen, der uns zu einem deutschen Denken führte, das einwandfrei zu dem passte, was dann im NS-Geist, und in der NS-Ideologie zu einem Allgemeingut der meisten Deutschen wurde. In dieses Denken wurden wir nicht hineingeprügelt, das lag vor unseren Augen durch den Geschichtsunterricht und auch durch die Erziehung im Elternhaus, die auch bei den Sozis national gefärbt war. Internationalismus im Elternhaus war nicht angesagt, und in der Kirche schon gar nicht.

Was sich jetzt entwickelt, das war für uns kein brutaler Nationalsozialismus von verbrecherischen Nazis unter einem Verbrecher der Hitler hieß, das war für uns die völlig richtige und logische Entwicklung einer Neuordnung in Europa, in dem Deutschland die ihm zustehende Führungsrolle übernahm, und dabei auch den Platz an der Sonne bekam, der ihm so lange verwehrt worden war. Und der gute germanische Geist wurde wieder zu einem Vorbild für die Nachfolger dieser alten Germanen! Um das auch zu verwirklichen, waren besonders die jungen deutschen Soldaten bereit, nicht nur die, die in der Waffen-SS waren, auch, wir, die Soldaten der Wehrmacht in allen drei Waffengattungen. So dachten wir, ohne deswegen nun hemmungslose und erbarmungslose Nazi-Fanatiker zu sein. Wir waren nur deutsche Menschen, das Produkt einer schon sehr alten Erziehung, die auch unsere Eltern und Großeltern genossen hatten. Und wir waren stolz, gute Deutsche zu sein, gute Patrioten, die an ihr Vaterland glaubten und dabei waren wir nun auch gute Nationalsozialisten geworden. Das ist nicht zu leugnen, das war die Wirklichkeit, das entspricht der Wahrheit, auch wenn die von einigen noch immer gerne anders gesehen wird, weil man es anders sehen möchte, aus welchen Gründen auch immer.

lo