> Werner Mork: Musterung zum Wehrdienst im Herbst 1939

Werner Mork: Musterung zum Wehrdienst im Herbst 1939

Dieser Eintrag stammt von Werner Mork (*1921 ) aus Kronach , Juli 2004 :

Im Herbst 1939 war ich 18 Jahre alt und gehörte nun nicht mehr zur HJ. Ich lebte noch als gutbehüteter Sohn in der elterlichen Wohnung ohne besondere Sorgen, ohne Kummer und ohne Probleme. Und ich fühlte mich auch wieder wohl in dem familiären Milieu, wie auch in meinem beruflichen Umfeld. Dass sich das alles sehr schnell und sehr gründlich ändern würde, es dann nie wieder so sein würde, wie es jetzt noch war, und ich niemals wieder Rat und Hilfe von meinen Eltern in Anspruch nehmen könne, das alles kam mir (noch) nicht zu Bewusstsein. Trotz Krieg und dem bevorstehenden Wehrdienst, machte ich mir keine Sorgen und Gedanken über meine Zukunft. Ich schaute noch reichlich optimistisch in die nächste Zeit. Auch meine berufliche Tätigkeit war nicht mit irgendwelchen Problemen belastet. Wenn ich mir beruflich überhaupt Gedanken machte, dann gingen die nur in die Richtung, aus meinem erlernten Beruf das Beste für mich zu machen, auch außerhalb von Bremen.

Es geschah dann im Herbst 1939, dass ich einen Bescheid vom Wehrbezirkskommando Bremen erhielt und aufgefordert wurde, mich zur Musterung im WBK einzufinden, in Bremen am Neustadtswall. Ich war darüber verwundert, denn ich hatte mich doch zur SS gemeldet und nicht zur Wehrmacht. Dies hatte ich wenige Wochen zuvor gemacht, unmittelbar nach Kriegsbeginn. Natürlich hatte auch ich mich begeistert an dem was unsere Soldaten so großartig vollbrachten, wie tapfer sie kämpften, wie heldenhaft sie sich an der Front bewährten und wie toll die Stukas mit ihren laut heulenden Sturzflügen sich auf den Feind stürzten. In den Wochenschauen war das alles zu sehen gewesen, auch die besiegten Polen die nun in die Gefangenschaft marschieren mussten, anstatt nach Berlin.

Ich fuhr zum "3.Bataillon der SS- Standarte Germania" in Hamburg- Langenhorn. In der Schreibstube wurde ich als der neue Freiwillige registriert und damit hatte ich erreicht, was ich wollte. So dachte ich und fühlte mich sehr wohl dabei - ich armer Narr! Das geschah in der Zeit, als es schon danach aussah, dass der Polenfeldzug bald zu Ende sein würde. Es war dann am 27. September 1939, dass die polnische Kapitulation gemeldet wurde, und damit war es dann auch aus mit dem Feldzug, an dem ich doch noch hatte teilnehmen wollen. Ich war doch voller Ungeduld nach Hamburg gefahren, um ganz schnell noch mit dabei zu sein. So, wie auch die anderen Freiwilligen, mit denen ich nun erst einmal auf der, von der Schreibstube uns zugewiesenen "Stube" in trauter Gemeinschaft warten sollte auf das, was nun mit uns geschehen würde. Wir waren bereit für Führer, Volk und Vaterland zu kämpfen, jetzt und zu allen Zeiten. Wir wollten mit dabei sein, um nun unser Vaterland, unser Deutschland so zu festigen, dass es einen Ewigkeitswert bekomme sollte. Dafür zu kämpfen waren wir voll und ganz bereit, das mögliche Sterben wurde einfach ignoriert, auch weil das doch nicht jeden treffen könne. Die Jugend musste nicht in den Krieg hinein gezwungen werden, diese Jugend war bereit in diesem Krieg tapfer zu kämpfen. Das war die Wirklichkeit, auch wenn die heute angezweifelt oder als völlig unverständlich angesehen wird. Dass die so genannten Grenzzwischenfälle an der polnischen Grenze, von Deutschland inszenierte Zwischenfälle waren, das war uns nicht bekannt, wir wussten nur von polnischen Provokationen an der deutschen Grenze!

Doch die Untersuchung Tauglichkeit für den Dienst in der Waffen-SS fiel für mich ungünstig aus. Zudem kam der plötzliche Bescheid, dass alle Freiwilligen, die noch nicht erfasst bzw. Neuankömmlinge waren, wie auch ich, wieder nach Hause geschickt würden. Derzeit könne die Waffen-SS keine Freiwilligen mehr aufnehmen, zumindest nicht in Hamburg, weil es keine Möglichkeiten gäbe, sie alle aufzunehmen, unterzubringen und auszubilden. Das war eine Folge des siegreichen Feldzuges in Polen. Die dort eingesetzten Einheiten der Waffen-SS hatten, die in Polen lebenden jungen Volksdeutschen, ganz einfach und ganz schnell für sich als "Freiwillige" vereinnahmt, sie unter "sanftem Druck" zu Männern der Waffen-SS gemacht. Diese zwangsweise rekrutierten "Freiwilligen", die aber dennoch alle sehr stolz darauf waren, dass die SS sich ihrer annahm, wurden umgehend in die jeweiligen Heimatgarnisonen verfrachtet, um sie dort zu langdienenden Soldaten der Waffen-SS zu machen. Möglichst mit einer Dienstzeitverpflichtung von 12 Jahren.

Es machten sich etliche der Kameraden ziemlich laute Gedanken darüber, warum diese doch nicht so "astrein nordischen Volksdeutschen", die doch bisher Polacken gewesen seien, nun ausgerechnet in der Waffen-SS "dienen" durften, des Führers eigene und so stolze Truppe. Das war von den meisten nicht zu verstehen, konnte nicht begriffen werden. Wir, die Freiwilligen aus dem Reich, wir hatten uns doch als echte Deutsche zu der Elite des Führers, zur Waffen-SS gemeldet und jetzt mussten wir wieder zurück und Platz machen für diese "neuen Volksgenossen", von denen die meisten wohl nicht einmal richtig deutsch sprechen, geschweige denn schreiben konnten. Das konnte kaum verstanden werden.

Auch ich gehörte nun zu denen, die ohne "Tätowierung" der Blutgruppe unter den Achseln, dem Erkennungszeichen der Männer der Waffen-SS, sich nun den Freifahrtschein für "nach Hause" von der Schreibstube abholen mussten. Und nun saß ich bei der Musterung im WBK und wurde darüber informiert, dass die SS mich gar nicht hätte einberufen dürfen. Sie hatte eigenmächtig gehandelt, sie hatte das WBK hintergangen! Zuerst hätte ich vom Wehrbezirkskommando erfasst werden müssen, wie es sich gehörte im Staate! Es war doch keine Wehrstammrolle angelegt worden. Ich war direkt illegal bei der Waffen-SS in Hamburg gelandet. Dass ich aber dann nicht angenommen wurde, das war, von der auch bei der SS funktionierenden Bürokratie ordnungsgemäß dem WBK in Bremen mitgeteilt worden. Nun war ich beim WBK registriert als Kriegsfreiwilliger, der jetzt, dem Gesetz entsprechend als solcher gemustert wurde. Jetzt verfügte die Wehrmacht über mich, sie vereinnahmte mich als "ihren" Kriegsfreiwilligen für den Dienst in der Wehrmacht. Meine Meldung als Kriegsfreiwilliger blieb bestehen, sie wurde nun nur umgemünzt auf den normalen Barras.

Die Waffen-SS war abgeschrieben, das WBK fühlte sich nicht befugt, für diese "andere" Truppe zuständig zu sein und ich wurde auch dieserhalb nicht befragt. So kam ich nun vor die Herren der Musterungskommission, wurde gründlich untersucht, und für tauglich erklärt, aber nicht für die Infanterie, weil man bei mir Krampfadern feststellte, mit denen ein Infanterist nicht gut marschieren konnte, so sagte der Herr Oberstabsarzt der Kommission. Weil ich aber doch ein Freiwilliger war, durfte ich mir die Waffengattung bzw. Truppenart selber aussuchen. Solche Wünsche konnte ein Freiwilliger äußern, die wurden auch akzeptiert. Damals war man noch sehr großzügig, was mir sogar imponierte. Da fand ich doch eine Anerkennung für meine Freiwilligkeit, und die tat mir gut. Die Kommission stellte mir von sich aus, die Frage ob ich nicht zur Nachrichtentruppe möchte, denn das entspräche doch eigentlich auch meiner beruflichen Ausbildung. Das fand ich auch und ich stimmte zu. Ich wurde nun amtlich ein Freiwilliger für die Nachrichtentruppe im Heer.

Bei der Musterung war mir dann verständlich geworden, was man in Hamburg bei der ersten Untersuchung mit angeblich fehlenden Papieren gemeint hatte. Das konnte sich nur darauf beziehen, dass ich nichts weiteres vorzuweisen hatte, als den Einberufungsbefehl. Jetzt aber war der militärische Bürokratismus in Ordnung. Ich war nun als Kriegsfreiwilliger gemustert und das war dann auch in meinem Soldbuch zu erkennen, das ich beim Militär erhielt. Mein Status als Freiwilliger war darin vermerkt mit dem Kürzel "Fr " vor der Wehrstammnummer.

Ich wurde noch darüber informiert, dass ich vor der Einberufung zur Wehrmacht noch zum Reichsarbeitsdienst müsse, um dort einer verkürzten Dienstzeit Folge zu leisten, wie das für Freiwillige vorgeschrieben sei. Solches hätte die SS auch wissen müssen! Bei dem Verein hatte man sich wirklich sehr stümperhaft verhalten, da hatte nur an das "Einkassieren" von Freiwilligen gedacht, so wie es dann mit den "Beutegermanen" geschah.

     

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