> Wilma Blum: Die Wohnungsmiete war zu hoch — 1938-1943

Wilma Blum: Die Wohnungsmiete war zu hoch — 1938-1943

Dieser Eintrag stammt von Wilma Blum (*1931) aus Hamburg, April 2001:

Unsere Dreizimmerwohnung in der Hammerbrookstraße war meinen Eltern zu teuer, obwohl wir ein Ehepaar zur Untermiete hatten, konnten mein Vater und meine Mutter die Miete nicht aufbringen. So zogen meine Eltern 1938 zur Spaldingstraße Nr. 27. Später wurde diese Straße umbenannt in Amsinkstraße Nr. 27. Als wir zu unserer neuen Wohnung gingen, sah ich, daß die ganze Straße voller Kinder war. Auf der ganzen Fahrbahn tummelten sich die kleinen Racker. Sehr wohl fühlte ich mich nicht bei so vielen Mädchen und Jungen mit soviel Geschrei. Einige Zeit später schrie ich genau so laut und war mit vielen befreundet.

Unsere Wohnung war im Hinterhof, dort, wo arme Leute wohnten. Die vorderen großen Häuser, mit großen Wohnungen, konnten sich nur die reichen Familien leisten. In diesem Hinterhof wohnten Familien mit bis zu zwölf Kindern, mit den Eltern zusammen waren es vierzehn Personen. Unsere Wohnungen waren 43 qm groß: eine Stube 12 qm, 2 Zimmer je 10 qm, ein kleiner Korridor, worin ein kleiner Eckhandstein eingebaut war. In der Küche stand ein kleiner Ofen mit Ringen, worauf gekocht wurde. In den meisten Küchen waren die Wände mit drei starken Borden ausgestattet. Eins diente zum Sitzen, zwei Borde über den Köpfen waren mit einer Häkelzierde geschmückt, darauf stand das ganze Geschirr. Ein kleiner Tisch, welcher vorm Fenster stand, gehörte auch dazu. Gegessen wurde in zwei oder drei Schichten, je nach Kinderzahl.

Die Toilette war im Treppenhaus, und aus Holz gebaut. Jede Familie hatte ihr eigenes kleines Herzhäuschen. Wir waren vier Kinder, und so hatten meine Eltern sich eine Wohnküche in einem der Zimmer eingerichtet. Es waren darin ein Sofa, Tisch, Stühle, ein kleiner Schrank. Über dem Sofa standen, auf einem hübschen Brett an der Wand, viele Krüge. Das Zimmer war sehr gemütlich. Geschlafen haben wir zu zweit in einem Bett. Meine Eltern schliefen zusammen auf einem Klappsofa in der Stube. Die Stube war mit einem weißen Kachelofen ausgestattet. Dieser füllte eine ganze Ecke aus.

In der Küche mit dem Ofen hatte mein Vater sich eine kleine Schusterwerkstatt eingerichtet. Als wir einzogen, war es sehr still. Wir konnten die Kirchenglocken der Petri- und der Jacobikirche, die Sonntag morgens zum Gebet riefen, von weitem hören.

Durch die Fliegerangriffe auf Hamburg 1943 veränderte sich die gemütliche Atmosphäre. Es saßen am Abend keine Erwachsenen mehr auf mitgebrachten Stühlen im Hof und plauderten über den schönen sonnendurchfluteten Tag. Unser Spiel war vorbei. Wir Kinder wurden in alle Richtungen verschickt. Meine neue Wohnstätte war das KLV Lager (Kinderlandverschickung) in Muggendorf in der fränkischen Schweiz. Die Hinterhaus-Idylle war für immer vorbei.

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