Rita Voltmer
Herbert Eiden

Rechtsnormen, Gerichts- und Herrschaftspraxis bei Hexereiverfahren in Lothringen, Luxemburg, Kurtrier
und St. Maximin während des 16. und 17. Jahrhunderts


Bereits in den Halsgerichtsordnungen des 15. und 16. Jahrhunderts finden sich Bestimmungen zum Straftatbestand der Zauberei. In mehreren Artikeln behandelt die 1532 erlassene Peinliche Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. († 1556) (Constitutio Criminalis Carolina) dieses Phänomen. Generell sah die Carolina vor, einen Strafprozess entweder aufgrund einer obrigkeitlichen Klage durch den Amtsverwalter beziehungsweise Richter oder aber durch einen privaten Kläger einleiten zu lassen. Missverständlich wird deshalb in der Forschung oft zwischen einem so genannten weltlichen Inquisitionsprozess und einem Akkusationsprozess unterschieden, obwohl die Bezeichnung ‚Inquisitionsprozess' nicht in der Carolina verwandt wird. Der Begriff ‚Inquisition' bezieht sich in diesem Kontext lediglich auf die Verfahrenstechnik, nach welcher der vorsitzende Richter beziehungsweise Amtsverwalter den Prozess einleitet (Offizialmaxime), die Untersuchung führt, die Tatumstände klärt, mögliche Indizien feststellt (Instruktionsmaxime) und die Zeugen beziehungsweise den Angeklagten verhört (inquisitio). Der Begriff ‚Akkusationsprozess' bezieht sich dagegen auf das auch schon im älteren Parteienverfahren übliche Procedere, nach dem die geschädigte Person oder deren Verwandtschaft die Klage einreicht und damit erst die Strafverfolgung in Gang kommt. Im Gegensatz dazu musste nach der Carolina ein Privatkläger nicht mehr zwingend identisch sein mit dem Opfer einer Straftat oder dessen Vertreter. Zwar konnte auch hier ein Strafprozess durch die Einreichung einer Klage beim zuständigen Richter eingeleitet werden, dieser führte jedoch als Herr des Verfahrens den Prozess ex officio (von Amts wegen) weiter, das heißt die eigentliche inquisitio lag auch hier in seinen Händen. Ausdrücklich bestimmte die Carolina, dass sowohl der Privatkläger als auch die Obrigkeit selbst in der Anklageschrift als Klageführer zu nennen seien (Artikel 88). Daher sollte man, um die in der Carolina angesprochenen Prozessformen präzise von dem kirchlichen Inquisitionsprozess trennen zu können, besser von einem Offizials- beziehungsweise einem Akkusationsprozess sprechen, wobei zu beachten bleibt, dass beide nach der inquisitorischen Verfahrensmethode geführt wurden.
Beide Formen der Klageeinreichung und Anklageerhebung sollten aufgrund von ausreichenden Verdachtsmomenten erfolgen. Als gnugsame anzeygung galten redlich warzeichen, argkwon, verdacht, und vermutung (Artikel 19). Ausdrücklich verbot die Carolina die Klage durch berufsmäßige Wahrsager und Zauberer (Artikel 21). Die Verdachtsmomente, die zu einer Verhaftung führen konnten, sollten durch zwei ehrbare Tatzeugen bewiesen werden (Artikel 23). Da dem Gericht aber solche Personen nicht immer zur Verfügung standen, gestattete die Carolina auch die Zulassung anderer Verdachtsmomente oder Indizien. An erster Stelle stand hier der durch ehrbare Leumundszeugen nachgewiesene schlechte Ruf des Verdächtigen. Neben anderen Indizienbeweisen (Aufenthalt am oder in der Nähe des Tatorts) spielten auch die Bekanntschaft mit anderen Straftätern, mögliche Tatmotive, die Denunziation des Angeklagten durch den Geschädigten auf dem Totenbett oder unter Eid sowie die Flucht des Verdächtigen eine belastende Rolle (Artikel 25).

War die angeklagte Person im mittelalterlichen Parteienverfahren dem Kläger noch als freier Mensch gegenübergetreten, wurde der Verdächtige nach der Carolina sofort in Haft genommen und unterstand damit der Untersuchungsgewalt des Gerichts. Auch der private Kläger war für die Dauer der Voruntersuchung im Prinzip von der Haft betroffen; er konnte sich jedoch durch das Stellen von Bürgen und einer Kaution davon befreien. Nach der Carolina behielt der Kläger nur mehr einen Teil der Beweislast; er musste Indizien und Zeugen beibringen, die dann von dem Richter und dem Schöffenkollegium geprüft und inquiriert wurden. Die Ermittlung des Geständnisses, das als ‚Königin der Beweise' galt und mit dem der materiellen Wahrheitsfindung Genüge getan war, lag allein in den Händen des Gerichts. Dieses Geständnis sollte zuerst durch die gütliche, dann durch die peinliche Frage, das heißt die Folter erreicht werden. Die Carolina enthält keine Bestimmung, die Dauer und Art der peinlichen Befragung regelt, sondern stellt sie allein in das Ermessen des Richters (Artikel 58). Allerdings durften während des Verhörs keine Suggestivfragen gestellt werden, und das Geständnis sollte vom Angeklagten nach einer mehrtägigen Ruhepause ohne Folter wiederholt werden (Artikel 56). Widerrief die angeklagte Person ein solches Geständnis, sollte man sie erneut der peinlichen Frage unterwerfen (Artikel 57). Ungeregelt blieb, wie oft die Folter wiederholt werden durfte.

Das Verhör der Zeugen und der Angeklagten, die inquisitio, geschah, ebenfalls im Unterschied zu dem alten Parteienverfahren, nicht in der Öffentlichkeit. Während dieser Vorverhandlung gestand die Carolina der verdächtigen Person keinen Verteidiger im heutigen Sinne zu. Die dort genannten fürsprecher durften erst am Endlichen Rechtstag ein Gnadengesuch einreichen. Nach einem Geständnis befanden Richter und Schöffen gemeinsam über das Urteil.

In die Öffentlichkeit trat der Prozess lediglich am Endlichen Rechtstag. Vor versammeltem Gericht und in Anwesenheit von Kläger, Beklagtem und einem eventuellen Fürsprecher wurden die Anklageschrift sowie das Geständnis und das bereits zuvor gefasste Urteil verlesen. Nachdem der Gerichtsstab über den Angeklagten gebrochen worden war, schritt man zur Vollstreckung der peinlichen Strafe oder der Hinrichtung. Widerrief der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt sein Geständnis, konnte dieser Widerruf durch das Zeugnis von zwei Schöffen, die Verhör und früherem Geständnis beigewohnt hatten, außer Kraft gesetzt werden (Artikel 91). Grundsätzlich war in Strafprozessen das Einlegen von Rechtsmitteln, zum Beispiel eine Appellation an eine höhere Instanz, nach ergangenem Urteil unmöglich. Sprach man den Verdächtigen aber frei, musste der Kläger die Prozesskosten tragen und an den zu Unrecht Angeklagten eine Entschädigung zahlen (Artikel 12).

In besonders schwierigen Fällen war das Gericht überdies angehalten, bei Oberhöfen und Juristenfakultäten vor jedem neuen Verfahrensschritt (zum Beispiel vor dem Beginn des Verhörs unter der Folter) Rechtsgutachten (Advise) einzuholen (Artikel 219). Damit versuchte die Carolina, die noch zumeist mit ungelehrten Schöffen besetzten Gerichte an eine übergeordnete Instanz und an die Urteilsfindung ausgebildeter Juristen zu binden. Langfristig konnte auf diesem Wege das Reichsgesetz seinen Weg auch in die Gerichtshoheiten der Partikularherrschaften und in kleinere Hochgerichtsbezirke, die über das jus gladii (die Blutgerichtsbarkeit) verfügten, nehmen und damit deren eigenständige, unkontrollierte Ausübung der Kriminalgerichtsbarkeit zurückdrängen. Das geschah aber nicht überall und meist erst mit Verzögerung. Dennoch wurde die Carolina damit zum Ausdruck einer sich konstituierenden Staatsgewalt, in der die Blutgerichtsbarkeit als oberstes und alleiniges landeshoheitliches Privileg verankert werden sollte.

Die in der Carolina festgeschriebene Verfahrensnorm galt grundsätzlich auch bei der Führung von Hexenprozessen. Konkret befasste sich Artikel 44 mit dem Phänomen der Zauberei, wobei nur der Schadenzauber, nicht aber der Teufelspakt, die Teufelsbuhlschaft, der Hexenflug oder der Hexentanz thematisiert und kriminalisiert wurde. Eine Anklage wegen Zauberei konnte erhoben und die peinliche Frage, also die Folter, zugelassen werden, wenn einer der in Artikel 44 formulierten fünf Verdachtsmomente vorlag: Demnach galt als verdächtig, wer andere das Zaubern lehrte, wer selbst Zauber gebrauchte, wer Umgang mit verdächtigen oder überführten Zauberern hatte, wer Gegenstände, Worte oder Taten, die angeblich Zauberei verursachten, benutzte und wer im bösen Gerücht stand, eines der oben genannten Vergehen begangen zu haben. Da bei einem so heimlichen Delikt wie dem Schadenzauber kaum zwei Tatzeugen zu finden waren, griffen hier automatisch die anderen Verdachtsmomente. So war es schon gemäß der Carolina gefährlich, im Gerücht der Zauberei zu stehen oder mit verdächtigen Personen Umgang gehabt zu haben. Besonders verhängnisvoll konnte sich nahe Bekanntschaft oder Verwandtschaft mit bereits ‚überführten' Hexen auswirken. Der Schwur eines angeblich durch Hexerei Geschädigten auf dem Totenbett, vor allem nach Empfang der Sterbesakramente, galt schon nach der Carolina als stark belastendes Indiz. In den konkreten Anklageschriften der Hexenprozesse werden immer wieder diese angeblichen Schuldbeweise (schlechter Leumund, Gerücht, beeidigte Bezichtigung eines Sterbenden, Verwandtschaft mit Hingerichteten) angeführt, neben dem auch von der Carolina als belastend bewerteten Indiz der Flucht.

Eine verdächtigte Person, die aufgrund dieser ‚Indizien' verhaftet worden war, durfte zur Erlangung eines Geständnisses, nachdem die gütliche Befragung ohne Ergebnis geblieben war, gefoltert werden. Hatte die inquirierte Person den Schadenzauber zugegeben, sollte sie nach Artikel 52 der Carolina detailliert die Umstände der Tat angeben, mit welchen Hilfsmitteln, wie und wann sie den Schadenzauber ausgeführt hatte. Außerdem war das Gericht gehalten, nach den angegebenen Zauberwerkzeugen, zum Beispiel dem Topf mit der Hexensalbe zu suchen. Darüber hinaus sollten die inquirierenden Beamten ermitteln, von wem die oder der Geständige das Zaubern gelernt und welche Umstände sie beziehungsweise ihn dazu gebracht hätten. Gefragt wurde auch nach weiteren Zaubertaten und den daraus entstandenen Schäden. Da die Carolina die Teilnahme am Hexensabbat nicht als Straftatbestand nannte, gab es auch keine Anweisung, in den gütlichen und peinlichen Verhören nach Komplizen zu fragen, welche die beschuldigte Person dort gesehen haben sollte. Allerdings musste der Delinquent gemäß der Carolina seine vermeintlichen Zauberlehrer offenbaren. Mit dieser erpressten Bezichtigung konnte auch nach der Carolina eine Verfolgungsausweitung initiiert werden. Der Verbrennungstod war nur für diejenigen vorgesehen, die mit Zauberei ‚tatsächlich' einen Schaden verursacht hatten. Bei lediglich versuchter Schädigung lag das Strafmaß im Ermessen des Richters (Artikel 109).

In der Gesamtschau enthält die Carolina eher moderate Bestimmungen zum Straftatbestand der Zauberei, die für eine Ausweitung der Hexenprozesse kaum verantwortlich gemacht werden können. Im Unterschied zur Carolina beurteilte die gemeinrechtliche Lehre, wie sie in vielen reichsdeutschen Landeshoheiten, Territorien, Herrschaften und Hochgerichten praktiziert wurde, die Zauberei aber nicht als ein gewöhnliches Verbrechen, sondern als crimen exceptum. Diese Bewertung des Hexereideliktes als ein Ausnahmeverbrechen erlaubte es, die mildernden Normen der Carolina außer Acht zu lassen und jeder Form von exzessiver Hexenverfolgung Vorschub zu leisten; Schnellverfahren, uneingeschränkte und wiederholte Folter waren an der Tagesordnung. Darüber hinaus verlagerte sich der Anklageschwerpunkt weg vom Vorwurf des Schadenzaubers hin zum Vorwurf des Teufelspakts. Nicht mehr die Schädigung stand im Mittelpunkt des Hexereivorwurfs, sondern der Abfall von Gott und die Teufelsdienerschaft. Die Hexerei wurde als kumulatives Delikt gewertet; damit bewies das Geständnis einer ‚Tat', zum Beispiel eines versuchten Schadenzaubers, auch alle anderen damit verbundenen Vorwürfe, wie etwa den Teufelspakt und die Teufelsbuhlschaft.

Außerdem war die Peinliche Halsgerichtsordnung Karls V. von den Reichsständen nur unter Vorbehalt angenommen worden: Nach dieser salvatorischen Klausel in der Vorrede der Carolina sollten die bis dahin gepflegten verbürgten Rechtstraditionen nicht geschmälert werden. In unterschiedlichem Maße wurde die Carolina daher in den Territorien befolgt und antizipiert. Während sie für Kurtrier und das Gebiet der Reichsabtei St. Maximin Rechtsgültigkeit erheben konnte, wurde sie in dem von den Spanischen Niederlanden beherrschten, aber noch dem burgundischen Reichskreis angehörenden Herzogtum Luxemburg nicht befolgt. Ihre Rezeption im Herzogtum Lothringen gilt als umstritten.

Herzogtum Lothringen
Der lothringische Raum mit den drei Bistümern Metz, Toul und Verdun sowie dem Herzogtum Lothringen war vor allem geprägt von seiner Lage zwischen Deutschem Reich und Frankreich. Sowohl in diesen drei seit 1552 dauerhaft von französischen Truppen besetzten Bistümern als auch in den anderen unter französischem Protektorat stehenden Gebieten dominierte der französische Einfluss in Sprache, Verwaltungs- und Rechtspraxis. Formal gehörte zwar das gesamte Herzogtum Lothringen bis zum Westfälischen Frieden (1648) zum Reich, der Vertrag von Nürnberg (1542) hatte dem Territorium aber einen Sonderstatus eingeräumt. Auch die Haltung der lothringischen Herzöge blieb ambivalent. So hatte sich der am französischen Hof erzogene lothringische Herzog Charles III. († 1608) anfangs eher an Frankreich orientiert, suchte aber nach dem Beitritt zur Katholischen Liga 1580 die Unterstützung des Deutschen Reichs.
In die Rechtspraxis flossen daher sowohl französische als auch deutsche Elemente ein, wobei das eigentliche Verfahren mit dem procureur (ein obrigkeitlicher Prozessbevollmächtigter), der partie formelle (Formal- oder Privatkläger), der Voruntersuchung und der Konfrontation mit den Zeugen eher dem französischen Vorbild folgte. Entwickelt hatten sich diese Verfahrensschritte seit dem Beginn des 16. Jahrhunderts. Mit Ausnahme des bereits 1488 angeschlossenen Herzogtums Bar waren im Herzogtum Lothringen nach den 1560er Jahren die lokalen Gerichte gehalten, bei allen Strafverfahren Rechtsgutachten (advis) über die weitere Vorgehensweise in den verschiedenen Prozessstadien einzuholen. Dafür standen die herzoglichen Juristen, die Mitglieder des Tribunals der échevins (Schöffen) von Nancy (change de Nancy) oder der procureur général zur Verfügung. Dieses Vorgehen entsprach der von der Carolina geforderten Konsultation juristischer Universitätsfakultäten und Oberhöfe mithilfe der Aktenversendung. Insgesamt war die herzogliche Regierung aber um Abgrenzung zum deutschen Rechtsbereich bemüht. So untersagte der Vertrag von Nürnberg ausdrücklich die Appellation an das Reichskammergericht in Speyer. Es ist allerdings strittig, inwieweit ein solches Verbot auch den deutschsprachigen Teil des Herzogtums (baillage d'Allemagne) betraf. In Lothringen diente die Verpflichtung zur Aktenversendung an den herzoglichen Oberhof dem Zweck, die unter lothringischer Hoheit stehenden Partikular- und Adelsherrschaften sowie lokalen Gerichte fester an die landesfürstliche Jurisdiktion zu binden. Nicht zuletzt spielte deshalb die Organisation des Gerichtswesens im Herzogtum Lothringen wie auch im Herzogtum Luxemburg eine zentrale Rolle bei der Territorialisierung und der Ausbildung eines frühmodernen Staates.

In direkter Verbindung mit dieser Entwicklung standen die 1594 im Auftrag Herzog Charles III. erlassenen, zuvor von der Ständeversammlung erarbeiteten Rechtssatzungen, in denen auch formal das Verfahren in Hexenprozessen festgeschrieben wurde. An ihrer Zusammenstellung war unter anderem der procureur général Nicolas Remy beteiligt. Die so genannten Coutumes générales de Lorraine (Druck 1596; in deutscher Sprache 1599 unter dem Titel Die gemeinsamen Landsbräuche der dreien nanzäischen, vogischen und teutschen Bellistumben) sollten die Rechtsprechung des Herzogtums vereinheitlichen und zentralisieren. Das Gesetzeswerk bestand aber im wesentlichen aus einer Zusammenfassung der einzelnen Rechtsbräuche. Im Jahr 1614 erschien eine Neuauflage der coutumes, die um eine zivil- und strafrechtliche Prozessordnung erweitert wurde. Ihre Abfassung lag in den Händen von Claude Bourgeois, der als Schöffenmeister des change de Nancy ausreichend praktische Erfahrungen mit Strafprozessen gesammelt hatte.
Auch im Herzogtum Lothringen waren es die kleinen örtlichen Gerichte, welche die Hexenprozesse führten. Ihre genauen Pflichten und Rechte blieben trotz der coutumes eher unklar. Die lokalen Tribunale widersetzten sich nicht selten dem herzoglichen Zentralisierungsvorhaben und waren nur zögerlich bereit, mit den Juristen in der Residenzstadt zusammenzuarbeiten, die geforderten Rechtsgutachten einzuholen und die Anweisungen der Schöffen von Nancy zu befolgen.
Grundsätzlich war es möglich, einen Straf- und damit auch einen Hexenprozess entweder durch einen obrigkeitlichen Amtsträger oder aber durch einen Privatkläger einleiten zu lassen. Jedoch hatte Herzog Anton 1520 einschränkend vorgeschrieben, in Hexenprozessen die Klageeinreichung allein einem privaten Kläger zu überlassen. Die Bildung gemeindlicher Klagekonsortien, von Hexenausschüssen oder Monopolen wurde offenbar streng unterbunden; sie sind tatsächlich kaum nachweisbar. Dennoch gibt es auch im Herzogtum Lothringen Hinweise darauf, dass sich Gemeinden heimlich zu so genannten Monopolen verschworen, einen Privatkläger bestellten und ihm finanzielle Unterstützung zusagten, denn ähnlich wie in der Carolina festgelegt, musste auch im Herzogtum Lothringen der Privatkläger bei Klageabweisung die Prozesskosten tragen. Außerdem oblag ihm die Sammlung von ‚Indizien' und die Bereitstellung von möglichen Zeugen. Ging die Anklage von den lokalen Amtsträgern aus, dann ließen diese das belastende Material sammeln. Wenn in beiden Fällen die Indizien vom Gericht als ausreichend anerkannt worden waren, konnte die verdächtigte Person verhaftet werden. Die eigentliche inquisitio lag dann allein in den Händen des Gerichts. Das Verhör der Angeklagten erfolgte nach einem festgelegten Fragenkatalog zu ihrem Personenstand und den ihnen vorgeworfenen Hexereiverbrechen, meist gefolgt von der Konfrontation mit den wichtigeren Zeugen. In diesem Stadium des Prozesses wurden die Akten, denen fast immer eine formelle Befürwortung des procureur oder eines anderen zuständigen Beamten zur Anwendung der Folter beilag, an den obersten Schöffenhof (change) nach Nancy gesandt. In den meisten Fällen bestätigten die herzoglichen Juristen das Vorgehen der lokalen Gerichtsinstanzen und stimmten dem Verhör unter der Folter zu. Mitunter empfahlen sie lediglich eine Befragung unter Vorzeigung der Folterwerkzeuge. Sehr selten ordneten sie auch die Freilassung des Angeklagten an. Nur die wenigsten der formell der Hexerei angeklagten Personen entgingen dem peinlichen Verhör. Fast alle Gefolterten brachen unter der Tortur zusammen und bekannten die ihnen zur Last gelegten Taten. Die Schöffen in Nancy rügten zwar manchmal die unrechtmäßige Durchführung der Folter, verzichteten aber auf Sanktionen; auch die gelegentlichen Versuche zur Strafmilderung waren selten erfolgreich. Lag schließlich ein Geständnis vor, erging das Todesurteil. Die Prozesskosten waren erstaunlich gering und wurden aus dem konfiszierten Gut der Hingerichteten beglichen, dessen Hauptteil in die herzogliche Kasse floss.

Herzogtum Luxemburg
Auch das Herzogtum Luxemburg war kein herrschaftlich und gerichtsrechtlich homogenes Territorium, außerdem bestand es aus einem französisch- und einem deutschsprachigen Teil. Seit 1443 stand das Herzogtum erst unter burgundischer, dann unter spanischer Herrschaft. Die landesherrliche Provinzialregierung hatte ihren Sitz in der Stadt Luxemburg und war damit auch die höchste, wenn auch nicht souveräne Gerichtsinstanz innerhalb des Landes. Luxemburger Untertanen konnten ihre Appellationen über Brüssel bis an den Großen Rat von Mecheln (Grand Conseil de Malines) richten. Im Herzogtum Luxemburg gab es neben den landesherrlichen Verwaltungs- und Gerichtseinheiten der Propsteien (ähnlich den lothringischen prêvoté oder den kurtrierischen Ämtern) eine Vielzahl von kleinen und kleinsten Adels- und auch Klosterherrschaften, die oftmals nur lehnsrechtlich an das Herzogtum gebunden waren und die - ausgestattet mit eigener Hochgerichtsbarkeit und dem jus gladii - Kriminalprozesse nach ihren eigenen Gewohnheitsrechten (coutumes) führen konnten. Auch hier waren die Kollegien in der Regel mit lese- und schreibunkundigen Schöffen besetzt. Willkürliche und exzessiv geführte Verfolgungen mit offenen Rechtsbrüchen standen einer Vielzahl von Ordonnanzen gegenüber, die der Luxemburger Provinzialrat sowie der Souverän im 16. und 17. Jahrhundert erließ, um Missbräuche abzustellen und die selbständigen Hochgerichte mehr und mehr zu entmachten. Neben diesem allgemeinen Problem, das in den Zusammenhang der Durchsetzung des modernen Flächenstaates gehört, können auch die Einflüsse des französischen und des deutschen Rechts eine Rolle gespielt haben. Allerdings ist eine direkte Rezeption der Carolina selbst in den deutschsprachigen Propsteien und Herrschaften nicht nachweisbar.

Grundsätzlich konnte im Herzogtum Luxemburg die Klage durch einen privaten Kläger eingereicht werden, der damit auch die Beibringung der Indizien und Zeugen zu leisten sowie bei Klageablehnung die Prozesskosten zu tragen hatte. Auch hier wurde der Formalkläger wie die angeklagte Person in Haft genommen. Der Kläger verblieb dort, bis er Bürgschaft und Kaution für die Dauer des Prozesses gestellt hatte. Daneben gab es die Offizialklage durch einen obrigkeitlichen Richter oder Amtsverwalter. Während im deutschsprachigen Teil des Landes die von Formalklägern angestrengten Hexenprozesse in der Mehrzahl gewesen zu sein scheinen, war in den französischsprachigen Propsteien und Herrschaften eher die Offizialklage üblich. In beiden Fällen beteiligte sich aber die Bevölkerung maßgeblich an der Ausweitung der Hexenverfolgung; denn in den wallonischen Distrikten wurden die Prozesse durch obrigkeitlich angeordnete enquêtes generales, so genannte Generalinquisitionen, eingeleitet, bei denen die Untertanen aufgefordert wurden, der Hexerei verdächtige Personen bei den lokalen Gerichten zu denunzieren. Auf der Grundlage dieser Denunziationen setzte der jeweilige Amtsverwalter dann die Verfahren in Gang. War die verdächtige Person verhaftet, wurde sie einem ersten, noch ‚gütlichen' Verhör unterzogen und den Zeugen gegenübergestellt. Manchmal erlaubte man ihr auch, einen Verteidiger zu benennen. Doch von dieser Möglichkeit machten nur ganz wenige Gebrauch, sei es, weil sie fest an ihre Unschuld glaubten, sei es, weil die Hinzuziehung eines Anwalts die Prozesskosten nur noch mehr in die Höhe trieben. Letztlich war es auch hier die Folter, die das gewünschte Geständnis brachte.

Besonders die Akten des Luxemburger Provinzialrates und die königlich-spanischen Ordonnanzen geben detailliert Auskunft über Rechtsbrüche, die bei der Führung von Hexenprozessen begangen wurden. Schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts versuchte die landesherrliche Provinzialregierung, das eigenmächtige Vorgehen der lokalen Gerichte in den Partikularherrschaften und in den Propsteien zu unterbinden, indem sie bei Hexenprozessen die Einholung von Rechtsgutachten verbindlich vorschrieb und die Inhaftierung oder Folterung von Personen ohne vorherige Aktenversendung bestrafte. Außerdem wurde das Stellen von bezahlten oder bestochenen Formalklägern, welche die Bestimmungen des akkusatorischen Verfahrens umgehen wollten, geahndet. So schrieb die Ordonnanz vom 13. August 1563 vor, dass niemand nur aufgrund einer Besagung und ohne vorausgehendes Advis inhaftiert und gefoltert werden dürfe.

Die massenhaft einsetzenden Verfolgungen in den 1580er und 1590er Jahren führten zu einem derartigen Ansteigen von skandalösen Rechtsbrüchen, dass die Provinzialregierung am 6. April 1591 eine mehrseitige Verfügung publizierte, die Korruption und Missbräuche bei den Offizial- und Privatklägern in strenger Form rügte. Ausdrücklich verbot man nun jede Art von Klagekonsortien, Hexenausschüssen, Monopolen und Strohmännern. Finanzielle Absprachen zur Absicherung des Privatklägers wurden unter Strafe gestellt. Neben der Offizialklage blieb nur mehr die Privatklage auf eigenes Risiko zugelassen. Erneut wurde festgeschrieben, dass während der Voruntersuchung bei jedem neuen Verfahrensschritt ein Advis beim Luxemburger Provinzialrat einzuholen sei. Außerdem sollte keinesfalls der Henker, womöglich noch in Abwesenheit der Schöffen und des Gerichtsschreibers, das Verhör leiten. Suggestivfragen und besonders das Vorsagen vermeintlicher Komplizen wurden ebenso verboten wie das öffentliche Verlesen der Komplizenliste bei der Hinrichtung. Außerdem sollten die Prozesskosten so niedrig wie möglich gehalten werden.

Dabei ging es weder dem Provinzialrat noch der spanisch-habsburgischen Regierung um eine grundsätzliche Eindämmung der Hexenverfolgungen, wie die 1592 und 1606 erlassenen Mandate zeigen, die zur unnachsichtigen Verfolgung von Wahrsagern, Schwarzkünstlern, Ketzern, Hexen und Zauberern aufriefen. Vielmehr gewann auch hier eine Neuorganisation der Strafrechtspflege an Bedeutung, die letztendlich in einer Entmachtung der adligen und geistlichen Hochgerichtsherren im Bereich der Kriminalgerichtsbarkeit und einer Anbindung der Partikularherrschaften an eine übergeordnete Landesregierung enden sollte. Doch die vielen Nichtigkeitsklagen und Supplikationen vor dem Luxemburger Provinzialrat zeigen, dass die zentralistischen Bemühungen nicht von raschem Erfolg gekrönt waren. Die lokalen Hochgerichtsherren und ihre Schöffenkollegien widersetzten sich ebenso wie die gemeindlichen Monopole und Hexenausschüsse den landeshoheitlichen Anordnungen. Immer wieder (zum Beispiel 1598, 1605 und 1606) sah sich deshalb der Provinzialrat genötigt, neue Verfügungen zu erlassen, welche die Klagekartelle ebenso wie bezahlte Formalkläger strikt verboten, den örtlichen Gerichtsherren und ihren Beamten die Verpflichtung zur Aktenversendung erneut einschärften und für die Erstellung und Begutachtung der Prozessakten nur eigens bestallte und vereidigte Schreiber und Notare zuließen. Diese Bemühungen mündeten schließlich 1623 im Erlass einer allgemeinen Gerichtsordnung für Kriminalprozesse, in der besonderes Gewicht auf die Formalien im Hexenprozess gelegt wurde. Neben den bekannten Punkten versuchte man nun, die Klageerhebung durch einen Formalkläger zurückzudrängen und der Offizialklage den unbedingten Vorzug zu geben. Die Hinweise auf erhebliche Missstände in den Hexenprozessen reißen allerdings bis zu ihrem Ende nicht ab. Dessen ungeachtet hat auch in Luxemburg die massenhafte Führung von Hexenprozessen einen ungeheuren Modernisierungs- und Bürokratisierungsschub ausgelöst, der schließlich in einer Neuorganisation der Strafgerichtspraxis mündete und langfristig die Privilegien der Partikularherrschaften einschränkte.

Kurtrier
Ähnlich wie in den östlichen Teilen Luxemburgs, die zum Gebiet des Trierer Erzbistums gehörten, wurden die Hexenverfolgungen in Kurtrier zunehmend von den Machenschaften der Hexenausschüsse und korrupter Beamter geprägt. Private Klagekonsortien, in deren Händen die Beschaffung des ‚Beweismaterials' und die Mobilisierung der Zeugen lag, sorgten in Zusammenarbeit mit lokalen Amtsträgern und nicht selten profitgierigen Notaren hier wohl für ähnliche Skandale, wie sie im Herzogtum Luxemburg aktenkundig geworden sind. Ohne Zweifel beeinflusst von der am 6. April 1591 erlassenen Verfügung des Luxemburger Provinzialrates, die ja immerhin schon für die Luxemburger Teile des Trierer Erzbistums galten, erließ auch der Trierer Kurfürst und Erzbischof Johann VII. von Schönenberg († 1599) am 12. Dezember des gleichen Jahres eine Verordnung gegen die Übergriffe in Hexenprozessen. Als Landesherr und Inhaber der obersten weltlichen Gerichtsbarkeit im Kurfürstentum (Erzstift) Trier, das nur etwa die Hälfte des Erzbistums ausmachte, ging es Johann VII. von Schönenberg nicht um eine generelle Beendigung der Verfolgung, sondern lediglich um die ordnungsgemäße Regelung der Gerichtspraxis. An dieser Normsetzung wird ebenso wie in Luxemburg Anspruch und Wirklichkeit der Rechtsprechung in Hexereiverfahren deutlich.

Um in Zukunft alle Rechtsbrüche zu unterbinden, erklärte der Kurfürst die Carolina zur maßgebenden Richtschnur bei der Führung von Hexenprozessen. Zwar verbot er die in seinen Augen aufrührerische Praxis, in einer tumultartigen Aktion Hexenausschüsse aus mehreren, nicht immer vertrauenswürdigen Mitgliedern zu bilden, gestattete aber gleichwohl den Gemeinden auch weiterhin ein oder zwei ehrbare Männer zu benennen, die in ihrem Namen die Klagepunkte, Indizien und angeblichen Beweise gegen der Hexerei verdächtigte Personen zusammentragen durften. Für diese Arbeit erhielten die Ausschussmitglieder eine festgelegte Entlohnung zugewiesen. Mithin wurden spätestens jetzt die Ausschüsse zu landesherrlich geduldeten Verfolgungsagenten. Die Klageschrift sollte an den maßgeblichen kurfürstlichen Amtmann übergeben werden, der dann selbst, oder vertreten durch einen Notar, die Umstände zu prüfen hatte. Gleichzeitig mussten die privaten Kläger Bürgen oder eine Kaution gemäß dem akkusatorischen Verfahren stellen. Fand sich allerdings keiner, der als Privatkläger auftreten wollte, dann konnte die Obrigkeit selbst gegen verdächtige Personen Beweise zusammenstellen. In beiden Fällen lag die Anklageerhebung aber in der Zuständigkeit der Amtsverwalter. Sie waren angewiesen, Rechtsgutachten bei einem der Oberhöfe in Trier oder Koblenz einzuholen. Die eigentliche inquisitio sollte auch hier von den Richtern und Schöffen geführt werden, Exzesse der Henker bei der peinlichen Befragung seien nicht zu dulden. Absolute Verschwiegenheit über die Prozessinhalte wurde allen Beteiligten verordnet, ebenso durften die Komplizenlisten nicht mehr wie bisher bei der Hinrichtung verlesen werden. Ähnlich wie in der Luxemburger Verordnung, erließ auch der Trierer Kurfürst in den anschließenden Bestimmungen eine Gebührenordnung für die beteiligten Beamten. Die schlechte Quellenlage in Kurtrier macht es jedoch schwierig, die Umsetzung der Hexenprozessordnung in der Praxis genau zu überprüfen. Ihre Erneuerung 1630 legt den Schluss nahe, dass mit ihrer gerichtspraktischen Umsetzung nicht alle Rechtsbrüche und Skandale abgestellt worden waren. Jedoch lassen sich in manchen Hexenprozessen des 17. Jahrhunderts im Gegensatz zu den vorangegangenen Verfahren Verteidiger nachweisen, die schon während des Prozesses in Aktion traten. Manchem Beschuldigten gelang es auch, an die kurfürstlichen Oberhöfe oder in einem Injurien- oder Mandatsprozess an das Reichskammergericht zu appellieren und einer Verurteilung zu entgehen.

Reichsabtei St. Maximin
Für das Gebiet der Reichsabtei St. Maximin sind zwar keine Verordnungen oder Mandate erhalten, gleichwohl kann die Gerichtspraxis minutiös anhand der vielen überlieferten Hexenprozessakten nachgezeichnet werden. An der Führung von Hexenprozessen hatte der hexengläubige St. Maximiner Abt Reiner Biewer († nach 1613) ein vitales Interesse, befand er sich im Laufe des 16. und 17. Jahrhunderts doch in einem ständigen Kampf mit dem Trierer Kurfürsten um die Reichsunmittelbarkeit seines Territoriums. Stets musste er bemüht bleiben, die kurfürstlichen Versuche abzuwehren, auch sein Hoheitsgebiet ebenso wie zuvor andere geistliche Herrschaften in den Kurstaat einzugliedern. Autonom und in eigener Regie durchgeführte Kriminalgerichtsbarkeit - und hier besonders die Führung von Hexenprozessen - als Nachweis landeshoheitlicher, reichsunmittelbarer Herrschaftsausübung gewann für die Maximiner Äbte in der Auseinandersetzung mit Kurtrier deshalb eine besondere Bedeutung.
Offenbar war dem Abt und seinen Beamten durchaus bekannt, dass mit Hilfe der Aktenversendung eigenständige Hochgerichte jurisdiktionell an einen landesherrlichen Oberhof gebunden und damit deren Autonomie durchbrochen werden konnte, während die Existenz und Konsultation einer eigenen übergeordneten Gerichtsinstanz die politische, rechtliche und verwaltungstechnische Unabhängigkeit eines Territoriums beweisen konnte. In der verwaltungs- und gerichtsrechtlichen Organisation des St. Maximiner Territoriums spiegelt sich deshalb der Anspruch auf landeshoheitliche, formal nur der Reichsspitze untergeordnete Souveränität wider. So umfasste das Gebiet der alten Benediktinerabtei St. Maximin vor Trier im 16. Jahrhundert das Amt St. Maximin mit den vier Hochgerichten St. Maximin, Detzem, Fell und Oberemmel sowie ab 1589 das Amt Freudenburg. In diesem Territorium war der Abt von St. Maximin mit wenigen Ausnahmen alleiniger Grundgerichtsherr und besaß die unumschränkte Hochgerichtsbarkeit. Außerdem beanspruchte die Reichsabtei aufgrund alter Rechtsgarantien die Reichsunmittelbarkeit. Jedes der maximinischen Hochgerichte besaß ein Schöffenkollegium, das über Hexereianklagen zu Gericht saß, und einen Galgenplatz, wo die Hinrichtungen vollzogen wurden. Gemäß der Carolina suchten die jeweiligen Hochgerichtstribunale um Rechtsgutachten beim St. Maximiner Oberhof an. Damit verblieben die Hexereiverfahren von der Anklage über die Aktenversendung bis zur Urteilssprechung im Hoheitsgebiet der Reichsabtei St. Maximin; der kurfürstliche Oberhof in Trier wurde nicht herangezogen. Auf diese Weise konnte sich im Gebiet der Reichsabtei St. Maximin ein hermetisch abgeschlossenes und von Kurtrier formalrechtlich unabhängiges Verfolgungsmilieu entwickeln.

Auch im Gebiet der Reichsabtei St. Maximin lag die Einreichung der Klageschrift in den Händen von privaten Klagekartellen. Doch waren hier die Hexenausschüsse keineswegs strikt verboten wie in Lothringen und Luxemburg. Ihre Anerkennung durch den Abt überschritt bei weitem die Duldung, die sie in Kurtrier erfuhren. In seinem Herrschaftsgebiet erhielten sie schon während der ersten schweren Hexenverfolgungen vor 1600 den Charakter von geradezu obrigkeitlich eingesetzten Gremien. Ihre Zusammenarbeit mit den maximinischen Amtleuten, Schultheißen und Schöffen grenzte nahezu an Kumpanei und ihre Rolle in den Dörfern an Tyrannei. Nur wenige Offizialprozesse sind hier nachgewiesen. In der Regel reichten die deputierten Ausschüsse im Namen von Zender (Dorfvorsteher) und Gemeinde bei den zuständigen Amtleuten die Klagepunkte, die Abschriften von belastenden Aussagen aus den Geständnissen von Hingerichteten sowie eine Liste mit Zeugen ein. Dabei lag schon fest, zu welchen Vorwürfen die jeweiligen Zeugen ihre Aussagen machen würden. Abgehört wurden die Zeugenaussagen von einem maximinischen Beamten oder Schöffen im Beisein eines Notars, der das Protokoll führte. Manchmal übernahm der Schreiber diese Aufgabe aber auch allein. Diese Akten wurden dann dem St. Maximiner Oberhof übersandt, der über Verhaftung, gütliches und peinliches Verhör ein Rechtsgutachten erstellte. Anklageerhebung, Inhaftierung und weitere Verfahrensführung lagen nun in den Händen der inquirierenden maximinischen Beamten und Schöffen. Nach ihrer Inhaftierung wurde die verdächtigte Person mit bereits geständigen, kurz vor der Hinrichtung stehenden, angeblichen Hexen konfrontiert, von denen sie als Komplize oder Komplizin angegeben worden war. Danach unterzog man sie den verschiedenen Verhören, die, ähnlich wie in anderen Territorien, einem festen Frageschema folgten. Die Wasserprobe, bei der eine verdächtige Person mit gebundenen Gliedmaßen in ein Gewässer geworfen wurde, um durch Aufschwimmen oder Untertauchen ihre Unschuld zu beweisen, wurde in St. Maximin nicht im Vorfeld eines Prozesses zur Reinigung von einem Hexereiverdacht oder zu seiner Bestätigung eingesetzt, sondern erst, wenn die übliche Tortur kein Resultat erzielt hatte und der Wille der angeklagten Person endgültig gebrochen werden sollte. Dabei drückte man die gefesselten und von der bereits durchgeführten Folter geschwächten Angeklagten mehrmals mit einem Stock unter Wasser. Die formalisierten Prozessakten vermerken jedoch nur selten andere Folterpraktiken als das Aufziehen mit nach hinten gebundenen Armen über eine Seilwinde. Die extrem kurze Verfahrensdauer lässt aber vermuten, dass die Bekenntnisse mit exzessiver Folter abgepresst worden sind. Nach einem solcherart abgelegten Geständnis befanden auch in St. Maximin die Schöffen über das Urteil.

Hier verfuhr man am Endlichen Rechtstag gemäß der Carolina, die in den Prozessakten stets als maßgebliches Gesetz angeben wurde. Bei Widerruf des Geständnisses wurde die verurteilte Person wieder der Folter unterworfen, bis sie die vermeintlichen Verbrechen erneut bekannte. Die Prozesse in St. Maximin kann man nur als Schnellverfahren bezeichnen, die Gerichtsmaschinerie funktionierte hier so effektiv wie in kaum einem anderen Territorium, denn zwischen Verhaftung und Hinrichtung lagen oftmals nur wenige Tage. In keiner Hexenprozessakte lassen sich Hinweise auf einen Verteidiger finden. Sehr selten sind Gnadengesuche an den Abt nachgewiesen, Appellationen an das Reichskammergericht gab es offenbar nicht. Bei der Kürze der Verfahren war an ein solches Vorgehen auch nicht zu denken. Nahezu alle Prozesse endeten mit der Hinrichtung; erkannten die begutachtenden Schöffen des maximinischen Oberhofs doch stets auf Inhaftierung und auf Folter, die dann das todbringende Geständnis erwirkte.
Nach dem Tod des Maximiner Amtmanns Claudius Musiel 1609 und der Absetzung des verfolgungswilligen Abtes Reiner Biewer 1613 erlahmte der Eifer der Hexenjäger in St. Maximin merklich. Zwar beharrten auch die nachfolgenden Äbte und Amtmänner auf der Reichsunmittelbarkeit des Territoriums, doch erschien ihnen die Führung von Hexenprozessen wohl nicht mehr als ein probates Mittel zur Demonstration landeshoheitlicher Souveränität, zumal die politische Situation der Herrschaft zusätzlich immense Kosten aufbürdete und die Kriegszeiten es oft unmöglich machten, die Prozesse zu führen.

Der Verfolgungswille der Bevölkerung schien aber ungebrochen, reichten die Ausschüsse doch unvermindert Klageschriften bei den Hochgerichten ein. Die nun abwartende und dämpfende Haltung der lokalen Beamten ließ jedoch nur noch wenige Prozesse bis zur Anklageerhebung kommen, worüber sich die Ausschüsse bitter beschwerten.

In den Herzogtümern Lothringen und Luxemburg hatte die massenhafte Hexenverfolgung die Schwächen der Strafrechtspraxis aufgedeckt und die landesherrlichen Regierungen zur Neuorganisation des Gerichtswesens mehr oder weniger gezwungen. Dabei gab ihnen die Aktenversendung ein Instrumentarium an die Hand, die innerhalb ihres Territoriums noch eigenständigen, lediglich lehnsrechtlich gebundenen Adelsherrschaften und Hochgerichte jurisdiktionell an ihre Oberhöfe zu verpflichten und langfristig deren Sonderrechte einzuschränken. Die zunehmende Bürokratisierung, Rationalisierung und Zentralisierung der Strafrechtspraxis ist damit ein direktes Ergebnis der Hexenprozesse und ein Schritt hin zum frühmodernen Staat. Auch die Trierer Kurfürsten handelten in diesem Sinne.

Im Gebiet der Reichsabtei St. Maximin konnte die Hexenverfolgung vor 1600 mit nahezu 400 Hingerichteten in zehn Jahren nur deshalb so enorme Opferzahlen schreiben, weil hier die an der Gerichtsorganisation beteiligten Interessengruppen, angefangen von den gemeindlichen Klägern bis hin zu den gutachtenden Juristen am St. Maximiner Oberhof und dem Abt als höchster ‚Appellationsinstanz', Hand in Hand arbeiteten und fremde Herrschaftsansprüche abwehren konnten.