Rita
Voltmer
Abläufe, Ursachen und Hintergründe der großen
Hexenverfolgungen in den Territorien zwischen Reich und Frankreich
im späten 16. und im 17. Jahrhundert
Die großen Hexenverfolgungen
im Rhein-Maas-Mosel-Raum gegen Ende des 16. und im Verlauf des 17.
Jahrhunderts, von denen besonders die weltlichen Herzogtümer
Lothringen und Luxemburg, das geistliche Kurfürstentum Trier,
das Gebiet der Reichsabtei St. Maximin, der territorial zersplitterte
Saarraum sowie die vielen kleinen Eifelherrschaften betroffen waren,
erregten schon bei den Zeitgenossen staunende, von Angst und Abscheu
geprägte Aufmerksamkeit, ließ sich doch in den massenhaften
öffentlichen Hinrichtungen angeblicher Hexen und Hexenmeister
scheinbar überdeutlich das Wirken des Teufels und seiner Diener
in dieser Welt erkennen. So finden sich nicht nur in Tagebüchern,
Briefen und in geheimer politischer Korrespondenz (zum Beispiel
in den Berichten der päpstlichen Nuntiaturen und der Jesuitenprovinzen),
sondern auch in Einblattdrucken und Flugschriften (so genannte Unholden-Zeitungen)
ausführliche Nachrichten über den Kampf der geistlichen
wie weltlichen Obrigkeiten gegen die verderbliche Hexensekte',
ein Kampf, der für die bösen Leuten', wie die angeblichen
Teufelsanhänger an vielen Orten genannt wurden, in der Regel
mit dem Tod auf dem Scheiterhaufen endete.
In der seriösen Forschung wird
mittlerweile von europaweit 60.000 Hinrichtungen gesprochen. Eine
Kernzone der Verfolgung lag im eingangs skizzierten Raum zwischen
Eifel, Ardennen, Mosel und Rhein. Doch lassen sich viele der stattgefundenen
Hexereiverfahren nur mehr durch Rechnungseinträge oder summarische
chronikalische Angaben nachweisen, da die eigentlichen Prozessakten
im Laufe der Zeit verschwunden oder auch absichtlich vernichtet
worden sind. Darüber hinaus sind einige Akten nur als Fragmente
überliefert. Deshalb können für die meisten Gebiete
nur grobe Schätzungen über das tatsächliche Ausmaß
der Verfolgungen gemacht werden; so fanden im Herzogtum Lothringen
wohl mehr als 2.000 Menschen den Verbrennungstod. Ähnlich hohe
Hinrichtungszahlen müssen für das Herzogtum Luxemburg
angenommen werden, wenn auch die Vermutung, hier seien 20.000 bis
30.000 Prozesse geführt worden, nicht bestätigt werden
konnte. Da in Kurtrier wahrscheinlich alle Hexenprozessakten nach
1652 auf geheimen Befehl des Trierer Kurfürsten systematisch
vernichtet worden sind, lassen sich für die Jahre zwischen
1487 und 1660 nur mehr etwa 800 Prozesse sicher nachweisen, doch
auch hier muss die Opferzahl deutlich höher gelegen haben.
Die ausgezeichnet dokumentierte Hexenverfolgung im Gebiet der Reichsabtei
St. Maximin dagegen erlaubt wenigstens für die Jahre zwischen
1586 und 1596 eine recht präzise Angabe: In dieser relativ
kleinen Herrschaft wurden innerhalb von zehn Jahren nahezu 400 Menschen
verbrannt, immerhin fast ebenso viele Opfer, wie die Hexenjagden
während des 16. und 17. Jahrhunderts im gesamten Saar-Raum
und in der lothringischen bailliage d'Allemagne forderten (circa
470 Hinrichtungen). Nicht weniger verheerend wütete die Hexenverfolgung
in den Eifelherrschaften; allein in den Manderscheider Grafschaften
Gerolstein, Blankenheim und Kail wurden zwischen 1528 und 1641 mindestens
260 Menschen hingerichtet.
In keinem der genannten Gebiete verliefen
die Hexenjagden über die Jahrzehnte hinweg gleichmäßig
und kontinuierlich. Charakteristisch ist dagegen ein Wechsel von
Hoch- und Ruhephasen, von massenhaft auftretenden Hinrichtungen
und von trügerischen Atempausen. Generell kann man ein Ansteigen
der Verfolgungstätigkeit nach 1450, ein Nachlassen bis 1550,
konzentrierte Hexenjagden mit außergewöhnlich hohen Opferzahlen
zwischen 1580 und 1600, ein kurzes Aufflackern zwischen 1610 und
1615, wieder stärkere Verfolgungen zwischen 1630 und 1650 sowie
danach ein langsames Abebben der Hinrichtungen bis 1700 feststellen.
Dabei wurden nicht alle Territorien in gleichem Umfang und zur gleichen
Zeit von den Hochphasen der Verfolgungen betroffen, wenn auch die
erste Periode massenhafter Hexenjagden zwischen 1580 und 1600 gleichzeitig
in den beiden Herzogtümern Lothringen und Luxemburg sowie in
Kurtrier, in St. Maximin, im Saar- und im Eifelraum nachzuweisen
ist.
Früher als in den benachbarten
Territorien fanden die Verfolgungen im Herzogtum Lothringen nach
1630 langsam ein Ende, gefolgt von Kurtrier, wo nach 1652 die letzten
Prozesse geführt wurden. In den kurtrierischen Kondominien
dagegen jagte man noch bis in die 1680er Jahre hinein nach angeblichen
Hexen und Zauberern, ebenso wie im Herzogtum Luxemburg. Im Saarraum
beendeten die bedrückenden Auswirkungen des Dreißigjährigen
Krieges die Verfolgungstätigkeit. In den manderscheidischen
Herrschaften Gerolstein und Blankenheim dagegen resultierte das
relativ frühe Ende der Hexenverfolgungen gegen 1640 wahrscheinlich
aus der physischen wie psychischen Erschöpfung der Dörfer
und Gemeinden, hatte doch zwischen 1627 und 1633 eine lange Reihe
von Hexenprozessen mit 97 Hinrichtungen allein in Blankenheim ihren
schrecklichen Höhepunkt gefunden.
Die einzelnen Herrschaften und Territorien
wurden nicht nur in unterschiedlichem Umfang von der Hexenverfolgung
betroffen, sondern es bestand auch ein evidenter Unterschied zwischen
den Prozessserien auf dem Land und jenen in städtischem Umfeld.
Ohne Zweifel wurden die meisten Hexenjagden in dörflichen Gemeinden
angezettelt und durchgeführt, während größere
Städte in der Regel nur ansatzweise in die Verfolgungen hineingerieten.
Allerdings blieben Kleinstädte wie Bitburg, Echternach oder
Neuerburg mit ihrer vorwiegend im agrarischen Bereich tätigen
Bevölkerung nicht weniger anfällig für die Prozessepidemien
als die ländlichen Gemeinden der Gegend.
Während für die Stadt Luxemburg
bislang nur marginale Nachrichten über Hexenprozesse, die sich
gegen ihre Bürger richteten, vorliegen, wurden die Verfolgungen
in der Stadt Trier und im Trierer Land wegen ihres außergewöhnlichen
Charakters schon von den Zeitgenossen zum reichsweiten Paradigma
erhoben. Zwischen 1589 und 1594 fanden in Trier vor dem weltlichen
Hochgericht des Kurfürsten Johann VII. von Schönenberg
zahlreiche Prozesse gegen wohlhabende, einflussreiche Männer
und Frauen aus der städtischen Oberschicht statt, in deren
Verlauf auch der ehemalige Stadtschultheiß Dr. Dietrich Flade
( 1589), die gewesenen Bürgermeister Peter Beer (
1590), Niclas Fiedler ( 1591) und Hans Reuland ( 1594)
sowie der Rentmeister und Almosenpfleger Hans Rausch ( 1594)
unter dem Vorwurf der Hexerei angeklagt wurden. Während man
Flade, Fiedler, Reuland und Rausch nach spektakulären Prozessen
öffentlich hinrichtete, nahm sich Beer im Gefängnis das
Leben. Der ebenfalls unter starkem Hexereiverdacht stehende ehemalige
Bürgermeister Hans Kesten rettete sich vermutlich schon 1589
durch ein rechtzeitiges freiwilliges Geständnis vor einem drohenden
Prozess. Begnadigt und zu einem bußfertigen Leben verurteilt,
scheint Kesten 1591 an den Folgen einer schweren Krankheit verstorben
zu sein.
Bemerkenswert an diesen Verfahren
ist, dass die Hexereibezichtigungen gegen reiche Trierer Bürger
aus dem direkten Umland der Stadt stammten. Offensichtlich hatten
sich die Männer durch die Vergabe von Krediten und die Erhöhung
von Pachtzinsen in den Dörfern des Trierer Landes höchst
unbeliebt gemacht. Deshalb wurden sie von ehemaligen Schuldnern
oder Pächtern, die selbst in einem Hexenprozess angeklagt worden
waren und unter der Folter ihre Komplizen angeben mussten, als Mitverschworene
besagt und der Teufelsdienerschaft bezichtigt. Überdies fanden
die Trierer Verfahren gegen führende städtische Amtsinhaber
vor dem Hintergrund des 1580 verlorenen Reichsunmittelbarkeitsprozess
statt, der die Stadt Trier in ein finanzielles Desaster und in politisches
Chaos gestürzt hatte. Aus der demütigenden Kapitulation
vor dem landesherrlichen Stadtherren war die Trierer Obrigkeit geschwächt
hervorgegangen. Ihre Mitglieder galten bei den meisten Bürgern,
bei Handwerkern, Zünften und Einwohnern als korrupte Verräter,
als Opportunisten oder Krisengewinnler, die wenig Gemeinsinn, dafür
um so mehr Eigennutz kannten. Diese zugeschriebene, unterstellte
Verhaltensweise wurde als Indiz für Hexerei gewertet, da gemäß
dem Hexereikonstrukt eine Verführung durch den Teufel doch
erst durch sündhaftes Verhalten wie Geiz und Habgier ermöglicht
wurde. Kein Wunder also, dass gerade diejenigen in Verdacht und
in einen Hexenprozess gerieten, die 1580 sowohl auf Seiten der Stadt
(Hans Reuland, Peter Beer, Hans Rausch) als auch auf Seiten des
Kurfürsten (Dietrich Flade, Hans Kesten, Niclas Fiedler) an
der Kapitulation beteiligt gewesen waren.
Aufgenommen wurden diese Verdächtigungen
durch die Trierer Jesuiten, deren Predigten, Unterweisungen und
Publikationen entscheidend dazu beitrugen, Teufelsangst und Hexenfurcht
zu verbreiten. Der Trierer Weihbischof Peter Binsfeld unterstützte
und förderte maßgeblich die jesuitische Anti-Hexen-Propaganda,
die bei einer seit 1580 zunehmend unruhigen, enttäuschten,
durch politische und religiöse Krisen sowie Missernten und
Teuerungen zutiefst bedrückten und verunsicherten städtischen
Bevölkerung auf fruchtbaren Boden fiel. Man griff die denunziatorischen
Gerüchte, Verdächtigungen und Besagungen durch bereits
hingerichtete vermeintliche Hexen respektive Hexenmeister aus dem
Umland nur zu bereitwillig auf und konstituierte sogar einen Hexenausschuss,
der nachdrücklich Hexenprozesse forderte, um die an der allgemeinen
Misere angeblich Schuldigen auszurotten.
Doch verbrannte man in der Stadt
Trier nicht nur weibliche und männliche Mitglieder der Oberschicht
als angebliche Hexen, auch viele Geistliche, darunter sogar Stiftskanoniker,
gerieten in Hexereiverdacht und in der Folge nicht selten auf den
Scheiterhaufen. Wie außergewöhnlich dieses Vorgehen war,
zeigt ein Vergleich mit der Bischofsstadt Toul. Hier waren es zumeist
alleinstehende Frauen aus der Unterschicht, die als angebliche Hexen
hingerichtet wurden. Kein einziger Kleriker wurde in Toul Opfer
eines Hexenprozesses.
Unterschieden sich die Hexenjagden
in Stadt und Land auch durch die soziale Herkunft und die Anzahl
der Opfer, so war der überwiegende Teil aller hingerichteten
Personen zweifellos weiblichen Geschlechts. Es wäre allerdings
zu sehr vereinfacht, würde man Hexenverfolgung generell mit
Frauenverfolgung gleichsetzen. Im Gebiet der Reichsabtei St. Maximin
war beispielsweise ein Drittel aller Hingerichteten Männer,
die vor allem aus der dörflichen Führungsschicht stammten,
darunter Gerichts- und Sendschöffen, Meier oder Dorfvorsteher
(Zender). Eine Erklärung für den vergleichsweise hohen
Männeranteil mag darin liegen, dass hier - ähnlich wie
in sponheimischen Ämtern und Herrschaftsgebieten - versucht
wurde, führende alte Familien zu verdrängen. Andererseits
brachte die spezifische Organisation der Verfolgung mit Hilfe von
Hexenausschüssen und ihren Zuträgern zwangsläufig
mehr Männer in Kontakt mit dem Prozessgeschehen, eine Affinität,
die sich angesichts der leichten Verdachtsübertragung als verhängnisvoll
für jeden Beteiligten auswirken konnte. Ähnliche Vorgänge
wie in der Stadt Trier oder in St. Maximin lassen sich auch im Herzogtum
Luxemburg feststellen. So war der Bitburger Schöffe Johann
Schweistal ( nach 1609), der 1590 in einen bis 1609 dauernden
Prozess hineingezogen wurde, von einigen seiner Schuldner mit Hexereiverdacht
belegt worden. Dabei steuerten Schweistals persönliche Feinde,
die kurtrierischen Amtmänner Philipp Jakob Hausmann von Namedy
( 1611) und Caspar Cratz von Scharfenstein ( 1625),
der Bitburger Oberpropst und Herr zu Hamm, Gerhard von der Horst
( circa 1614), sowie Graf Dietrich II. von Manderscheid-Kail
( 1613) den Prozessverlauf und wahrscheinlich auch einen Teil
der Bezichtigungen gegen Schweistal. Nicht zuletzt gerieten auch
in Luxemburg die an Hexenprozessen beteiligten Männer (Monopolmitglieder,
Formalkläger, Schöffen, Richter) schnell in Verdacht und
unter Anklage. Auch im Herzogtum Lothringen waren immerhin 20 bis
30 Prozent aller Angeklagten männlichen Geschlechts.
Wenngleich in manchen Gebieten, zum
Beispiel im Saar-Raum, vornehmlich alte Frauen aus der Unterschicht
in die Verfolgung gerieten und hingerichtet wurden, machte der Hexereiverdacht
prinzipiell nicht vor privilegierten sozialen Gruppen halt. Schon
die Geschlechterdifferenzierung hat gezeigt, dass in Gebieten, in
denen relativ viele Männer zu den Opfern zählten, auch
Mitglieder der Ober- und Führungsschicht verdächtigt,
angeklagt und hingerichtet wurden. Allerdings scheinen auch dort
zu Beginn einer Hexenjagd eher Angehörige der dörflichen
wie städtischen Unterschichten in Verdacht geraten zu sein.
Die dem Hexenprozess eigene Dynamik weitete den Kreis der potentiellen
Verdächtigen allerdings schnell auf Menschen jeden Standes
und Berufes aus, so dass sich niemand mehr vor einem Prozess sicher
glauben konnte. Der Hexereiverdacht traf auch Angehörige des
Welt- oder Ordensklerus, so zum Beispiel Johann von Malmédy,
1577 bis 1604 Abt von St. Martin bei Trier, Hugo Cratz von Scharfenstein
( 1625), Trierer Dompropst, sowie die beiden Trierer Domkanoniker
Graf Arnold von Manderscheid ( 1614) und Philipp Jakob Hausmann
von Namedy, Archidiakon von Longuyon. Nicht weniger zahlreich waren
die Anschuldigungen gegen die Pfarrer ländlicher Gemeinden
im Trierer und Eifeler Land, von denen viele hingerichtet wurden.
So starben 1589 die beiden Pfarrer zu Fell und zu Mehring auf dem
Scheiterhaufen. 1592 verbrannte man in Trier den Pfarrer Lamprecht
aus Schillingen. 1630 fand Michael Campensis, der Pfarrer zu Auw
in der Eifel, nach einem spektakulären Prozess den Feuertod,
ebenso wie seine Amtskollegen Petrus Hildebrandt und Matthias Hennes.
Um den von der Gemeinde nur schwer gelittenen Querulanten und im
Konkubinat lebenden Anton Birton, Pfarrer von Wincheringen, in einen
Hexenprozess zu zwingen, schmiedeten 1624 sogar der zuständige
Amtmann und die Sendschöffen ein Komplott. Manchmal konnte
ein Geistlicher aber auch wegen seiner kritischen Haltung gegenüber
der Hexenverfolgung in Verdacht geraten, wie es 1616 dem Pfarrer
Heinrich Gaderius aus Sterpenich erging, der sich offen gegen die
vom habgierigen und korrupten Amtmann Peter Britt angezettelte Hexenjagd
gestellt hatte. Auch Mitglieder des niederen Adels und ihre Frauen
wurden diffamiert. So rettete vermutlich nur der natürliche
Tod im Jahr 1590 Eligia, die Frau des Junkers von Bentzerath zu
Longuich, vor einem schmachvollen Hexenprozess; denn sie war bis
zu diesem Zeitpunkt bereits 16 Mal von geständigen Hexen'
als Mittäterin bezichtigt worden.
Für die Hexenverfolgungen des
16. und 17. Jahrhunderts, die in einem vielschichtigen sozialen,
wirtschaftlichen, rechtlichen und politischen Kontext standen, kann
es keine monokausale Erklärung geben. Die Verantwortung trug
keineswegs allein die katholische Kirche oder gar die Inquisition,
denn die fraglichen Hexenprozesse fanden nahezu ausnahmslos vor
weltlichen Gerichten statt. Allerdings traten viele Ordensmänner
und Kleriker als geistige Brandstifter auf, indem sie dämonologische
Traktate verfassten, welche die teuflische Gefahr mit schauerlichen
Geschichten ausmalten, die Existenz der schaden- und todbringenden
Hexensekte vermeintlich bewiesen' und darüber hinaus
die weltlichen Obrigkeiten zur unnachsichtigen Verfolgung aufriefen.
Ihr Fanatismus und ihr pathologisch anmutender Frauenhass machten
aus der Hexenverfolgung tatsächlich eine Frauenverfolgung.
Ihre Bücher wurden in hohen Auflagen gedruckt, in andere Sprachen
übersetzt und gelesen. Die darin enthaltenen Vorstellungen
von einer im Verborgenen agierenden Hexenverschwörung fanden
eine größere Verbreitung weniger über ihre Leserschaft,
die zwangsläufig auf die alphabetisierten Kreise der Bevölkerung
beschränkt bleiben musste, als vielmehr über die Vermittlung
durch andere Geistliche. Prediger, Pfarrer und Beichtväter,
die ihre Gemeindekinder bei passender Gelegenheit über das
üble Treiben der Hexensekte aufklärten' und in deren
Gewissen nach solch sündhaftem Vergehen forschten, vermittelten
auf diese Weise die elaborierten Hexerei-Imaginationen der Gelehrten
an die Vorstellungswelt der einfachen Menschen. Bestes Beispiel
dafür ist Wilhelm von Bernkastel ( 1536), Kanoniker am
Kloster Eberhardsklausen, der über Jahrzehnte hinweg dortige
Mirakelberichte sammelte und aufzeichnete. Nach der Lektüre
des Formicarius von Johannes Nider und des Malleus Maleficarum von
Heinrich Kramer genannt Institoris glaubte der fromme Mann nun endlich
in den Hexen die wahren Verursacher verdächtiger Krankheiten
und körperlicher Schädigungen gefunden zu haben. Fortan
teilte er sein neues Wissen den Hunderten von heilungssuchenden
Pilgern mit, die jährlich nach Eberhardsklausen wallfahrten.
Und tatsächlich verzeichnen in den folgenden Jahren die Mirakelberichte
immer häufiger die wundertätige Genesung von angeblich
angehexten Gebrechen. Nicht selten lösten diese vermeintlichen
Schadenzauber auch Hexereianklagen aus, wenn auch - wie Wilhelm
zornig vermerkte - die weltliche Obrigkeit oft noch zu nachlässig
gegen die verderbenbringende neue Hexensekte vorging.
Daneben waren Kleriker - darunter
besonders die Jesuiten - auch als Beichtväter der verdächtigten
Personen an den Hexereiverfahren beteiligt. Nicht selten scheinen
sie es gewesen zu sein, die den durch Folter und Verhör schon
geschwächten Willen der Inhaftierten schließlich doch
brachen, in dem sie ihnen die schrecklichen Höllenstrafen ausmalten,
mit denen ein unbußfertiger, verstockter Sünder auf ewig
gepeinigt werden würde, und erzwangen auf diese Weise Geständnisse.
So diente der Trierer Domprediger und Jesuit Lukas Ellentz nicht
nur dem unglücklichen Flade als Beichtvater und Gewissenserleichterer,
er soll auch in der Stadt selbst und in den umliegenden Ortschaften
zwischen 1580 und 1607 über 200 Hexen auf ihrem letzten Gang
zum Scheiterhaufen begleitet haben. Dieser eifrige Jesuit, der 1607
während einer Predigt vom Schlag getroffen wurde, hatte von
der Domkanzel aus mehrmals selbst zur Verfolgung der Hexen aufgerufen.
Der Jesuit Macherentius unterstützte gar von der Kanzel aus
das Anliegen des Trierer Hexenausschusses.
Die Konfession des jeweiligen Landesherren
spielte kaum eine Rolle bei der Ausbreitung der Hexenjagden, findet
sich doch bis 1600 kein prinzipieller Unterschied zwischen katholischer
und reformierter Verfolgungsbereitschaft. Daneben dienten die Hinrichtungen
sicher nicht der Ausmerzung eines geheimen Hebammenwissens um Verhütung
und Abtreibung. Im Gegensatz zu diesen im Forschungsdiskurs immer
noch anzutreffenden monokausalen Erklärungsansätzen ist
für die Hexenverfolgungen im Raum zwischen Maas, Mosel und
Rhein das Zusammenspiel von mehreren Faktoren verantwortlich: 1.
eine allgemeine Krisensituation, 2. die Verbreitung der kumulativen
Hexentheorie in allen Bevölkerungsschichten, 3. ein starkes
Verfolgungsbegehren von unten', das aus den dörflichen
und städtischen Gemeinden selbst kam, 4. eine Verfolgungsbereitschaft
von oben', welche die Prozesse aus eigenem obrigkeitlichem
Interesse entweder explizit förderte oder zumindest duldete,
sowie 5. ein ausgeprägter Karriere-, Profilierungs- und Bereicherungswille
der beteiligten Zwischeninstanzen', der Amtleute, Richter,
Schöffen, Juristen und Notare.
1. Unter den wirtschaftlichen, politischen
und religiösen Krisenszenarien des langen 16. Jahrhunderts'
sei nur auf die so genannte Kleine Eiszeit' verwiesen, in
deren Folge es nach 1560 zu verheerenden Unwettern, schlechten Ernten,
Teuerung, Hunger, Unterernährung, Seuchen und damit erhöhter
Mortalität kam. Das Land zwischen Reich und Frankreich wurde
außerdem von immer wiederkehrenden Kriegszügen heimgesucht,
die mit marodierender Soldateska, Plünderungen, aber auch mit
Aushebungen, Requirierungen und Einquartierungen die Bauern und
Winzer bedrückten. Zur tiefgreifenden psychischen Verunsicherung
trugen außerdem Reformation und Gegenreformation durch die
Intensivierung kirchlicher Kontrolle Entscheidendes bei. Die Ressourcenverknappung
führte in den Dörfern und Nachbarschaften zu einer Verschärfung
der ohnehin nur oberflächlich im Gleichgewicht gehaltenen gemeinschaftlichen
Solidarität. Wirtschaftlicher und sozialer Zugewinn wurden
mit neidischen Augen beobachtet, glaubte man doch, dass der Gewinn
des einen nur aufgrund von Verlusten eines anderen zustande kommen
konnte. In diesem Klima voller Spannungen konnten Wunderglaube,
Unwissenheit, Existenzangst und Furcht um das Seelenheil, konnten
Neid, Missgunst, Streitsucht und Gewalttätigkeit gedeihen.
Für die vielfältigen großen und kleinen Katastrophen
ließen sich die vermeintlichen Verursacher leicht ausmachen:
die Hexen und Hexenmeister. Auch wenn der Hexenglaube oberflächlich
gesehen eine Art von Lösung, weil Erklärung für alle
Missgeschicke, Krankheiten, Todesfälle und Ernteschäden
bot, mündete er letztendlich doch in einer Verstärkung
der als krisenhaft empfundenen Situation. Die gegenseitigen Verdächtigungen
erhöhten das soziale Konfliktpotential und zusammen mit den
massenhaften Hinrichtungen, denen in manchen Dörfern weit über
die Hälfte aller erwachsenen Personen zum Opfer fielen, ließen
sie jede Solidarität innerhalb der Familien, Nachbarschaften
und Gemeinden zusammenbrechen.
2. Die zu Beginn des 15. Jahrhunderts
in klerikalen Gelehrtenkreisen aufkommende und im Laufe des 16.
Jahrhunderts fortschreitend elaborierte Hexentheorie mit Teufelspakt,
Teufelsbuhlschaft, Hexenflug, Hexentanz und Schadenzauber fand allmählich
auch Eingang in die Vorstellungswelt weniger gebildeter Menschen.
Nicht unwesentlichen Anteil an der Verbreitung hatte der 1487 mit
päpstlicher Unterstützung erschienene berühmt-berüchtigte
Hexenhammer sowie andere dämonologische Schriften, zum Beispiel
1580 Jean Bodins De la Daemonomanie des sorciers (Von der Teufelsmanie
der Hexen und Hexenmeister), 1589 Peter Binsfelds Tractatus de confessionibus
maleficorum et sagarum (Traktat über die Bekenntnisse der Zauberer
und Hexen), 1591 Nicolas Remys Daemonolatria (Über den Teufelskult)
oder 1599 Martin Del Rios Disquisitionum Magicarum libri sex (Untersuchungen
über die Zauberei in sechs Büchern).
Während das Erscheinen des Hexenhammer
noch Ende des 15. Jahrhunderts eine erste zusammenhängende
Hexenverfolgung im Rhein-Mosel-Raum auslöste, die sogar bis
nach Metz reichte, lassen sich ähnlich konkrete Auswirkungen
der Schrift Bodins nicht feststellen. Der Trierer Weihbischof Peter
Binsfeld ( 1598) dagegen setzte sich erfolgreich für
intensivere Hexenjagden ein, die keinen Stand verschonen sollten.
Außerdem sorgte sein wiederholt und auch in deutscher Sprache
aufgelegtes Buch nicht nur für die Verbreitung von Hexereivorstellungen;
es gelang dem fanatischen und karrierebewussten Binsfeld außerdem,
seinen persönlichen Feind und Gegner der Hexenverfolgung, den
Theologen Cornelius Loos ( 1596), zu einem spektakulären,
öffentlichen Widerruf seiner Thesen zu zwingen. In der ebenfalls
mehrfach aufgelegten Schrift über die Hexenprozesse im Herzogtum
Lothringen rühmte sich der Generalprokurator Nicolas Remy (
1612), in seiner Eigenschaft als Richter selbst 900 Hexen auf den
Scheiterhaufen gebracht zu haben. Sein direkter Einfluss auf die
lothringischen Verfolgungen ist evident. Die Hinrichtungen, bei
denen die Geständnisse der vermeintlichen Hexen vor einem großen
Publikum mit ausführlicher Schilderung aller angeblich begangenen
Verbrechen verlesen wurden, trugen ein übriges zur Verbreitung
der Hexentheorie bei. Auch auf dieser Ebene schuf die Praxis der
Hexenverfolgungen sich - quasi wie von selbst - immer neuen Nährboden
und neue Opfer.
3. Der Anstoß zu den lokalen
Hexenverfolgungen kam nicht selten von der Bevölkerung selbst.
In einigen Gebieten schrieben die Gemeinden oder deren abgeordnete
Vertreter Petitionen an die Obrigkeit und drängten darauf,
Hexenverfolgungen durchzuführen. Dabei fügten sie ihren
Bitten nicht selten die mehr oder weniger verklausulierte Drohung
hinzu, die Nichtbeachtung ihres Anliegens mit der Verweigerung von
Steuern, Abgaben und Frondiensten zu quittieren. In anderen Gegenden
äußerte sich der gemeindliche Wille zur Hexenverfolgung
entschieden handfester. Dörfliche wie städtische Gemeinden
wählten Spezialausschüsse, welche die vermeintlichen Hexen
aufspüren und belastende Indizien gegen sie sammeln sollten,
um sie vor die Richter bringen zu können. Um ihre Hexenjagden
finanzieren zu können und um sich von den - einen Privatkläger
stark belastenden - Auflagen zu befreien, nach denen dieser allein
die Kosten der Beweis- und Zeugenbeibringung sowie - bei Freilassung
des Angeklagten - des Verfahrens zu tragen hatte, traf man die Absprache,
dass jeder aus ihrer Mitte, der unter Hexereiverdacht verhaftete
wurde, die Kosten seines Prozesses zu tragen hatte, gleichgültig,
ob er als schuldig hingerichtet oder freigelassen wurde. Außerdem
entrichteten viele Gemeinden an ihre Hexenausschüsse und Monopole,
wie sie in Luxemburg genannt wurden, eine Hexensteuer', damit
diese das Sammeln von Indizien, Bezichtigungen und Zeugenaussagen
vorfinanzieren konnten. Solche Klagekartelle lassen sich im Herzogtum
Luxemburg, in Kurtrier und seinen Kondominien, im Gebiet der Reichsabtei
St. Maximin und im Saarraum nachweisen. Im Herzogtum Lothringen
erlaubte eine straffere zentrale Gerichtsorganisation das Aufkommen
dieser gemeindlichen Hexenjäger nicht, doch auch dort brachten
sich die Menschen gegenseitig in Hexereiverdacht und forderten Prozesse
von der Obrigkeit. Jedoch lassen sich auch in Lothringen Hinweise
auf gemeindliche Verbündnisse finden; ähnlich wie im Herzogtum
Luxemburg dienten hier die heimlichen Verschwörungen ebenfalls
dazu, einen gedungenen Privatkläger finanziell abzusichern.
Im Eifelraum läßt sich
bislang das Ausschusswesen nur im Gebiet des Herzogtums Luxemburg
nachweisen. Ein von der Bevölkerung ausgehender Verfolgungsdruck
ist Ende des 16. Jahrhunderts auch in den Manderscheider Grafschaften
Blankenheim und Gerolstein festzustellen. Wahrscheinlich hat hier
aber die maßgeblich durch den obrigkeitlich eingesetzten Hexenkommissar
Dr. Johannes Möden durchgeführte exzessive Hexenjagd Anfang
des 17. Jahrhunderts die aufgekeimten Verfolgungswünsche der
Untertanen überlagert.
Im Herzogtum Luxemburg wurden die Monopole und Anklagekonsortien
zuerst 1591 und danach noch mehrere Male verboten. Der Provinzialrat
mit Sitz in der Stadt Luxemburg versuchte damit nicht, generell
die Hexenverfolgung zu verbieten, sondern strebte nach einer umfassenden
Kontrolle des Gerichtswesens innerhalb der Luxemburger Propsteien
und Herrschaften. Dieses Vorhaben hatte aber während der gesamten
Verfolgungszeit nur vordergründig Erfolg; zu groß war
das Verfolgungsbegehren aus den Gemeinden selbst, die anstelle der
verbotenen Monopole nun heimliche Absprachen trafen und einen Strohmann
als Privatkläger vorschoben. Auch der Trierer Kurfürst
versuchte aus ähnlichen Gründen mit seiner Hexenprozessordnung
von 1591, Zusammensetzung, Kompetenz und Vorgehen der Ausschüsse
einzuschränken und unter seine Kontrolle zu bringen. Im Gebiet
der Reichsabtei St. Maximin dagegen ist zumindest während der
ersten Verfolgungswelle (1586-1596) eine enge, fatal effiziente
Zusammenarbeit zwischen dörflichen Hexenausschüssen, Amtleuten
und Abt festzustellen.
Der Hexereiverdacht gegen jene Personen,
die letztendlich von ihren Dorfgenossen und Mitbürgern vor
die Richter gebracht wurden und gegen die Verwandte und Nachbarn,
sogar Familienmitglieder als Zeugen der Anklage auftraten, bestand
oft schon seit langer Zeit. Das kollektive Gedächtnis memorierte
böse Worte, Drohungen, abweichendes Verhalten und damit scheinbar
in Zusammenhang stehende Unglücksfälle über viele
Jahre hinweg; der heimliche Verdacht kumulierte, fand Konsens und
steigerte sich vom allgemeinen Gerücht zur öffentlichen
Beleidigung ins Gesicht. Die von Aggressivität und handgreiflicher
Streitlust geprägte Kommunikationsstruktur innerhalb dieser
Gemeinschaften, in denen nicht so sehr der materielle Besitz, sondern
der unversehrte Leumund und die persönliche wie familiäre
Ehre das oberste Gut darstellten, schaffte eigene öffentliche
Rituale der Beschuldigung und der Verteidigung. Es versteht sich
von selbst, dass einmal in Gang gekommene Hexenverfolgungen automatisch
die Zahl der berüchtigten Personen erhöhten, musste doch
jeder Angeklagte unter der Folter weitere Komplizen nennen (besagen).
Es gab nur wenige Strategien, die verletzte Ehre zu
verteidigen. Viele stellten sich taub und reagierten nicht gegen
die Angriffe, wie es der strenge Ehrenkodex gefordert hätte.
Solches Schweigen galt jedoch als Schuldeingeständnis; so findet
sich unter den ersten Anklagepunkten stets der Vorwurf, die verdächtige
Person habe seit langer Zeit im Gerücht der Zauberei gestanden
und nichts gegen die öffentlichen Schmähungen unternommen.
Andere versuchten, den verletzten Frieden durch schiedliche Einigung,
zum Beispiel über so genannte Beschickmänner wiederherzustellen;
im Herzogtum Luxemburg bestand die Möglichkeit, beim Provinzialrat
um lettres de purge, Reinigungsbriefe, anzusuchen. Aber dieser Weg
wie auch die Möglichkeit, eine Injurienklage zu führen,
standen nur wirtschaftlich gut gestellten Verdächtigen offen.
4. Für jede Obrigkeit, geistliche oder weltliche,
musste es oberste Pflicht sein, das Laster der Zauberei zur Ehre
Gottes und zum Nutzen der Allgemeinheit zu verfolgen, beschwor doch
nach Ansicht der Dämonologen wie des einfachen Volkes schon
die bloße Existenz und Duldung von Hexen und Hexenmeistern
den Zorn Gottes auf diejenigen herab, denen ihre gründliche
Ausmerzung nicht gelingen wollte. Weder die großen Landesfürsten
in Lothringen und Kurtrier oder die luxemburgische Provinzialregierung
noch der Reichsabt von St. Maximin oder andere Herren, die lediglich
in einer kleinen Herrschaft, manchmal nur in ein oder zwei Dörfern
Hochgerichtsrechte besaßen, standen der Hexenverfolgung abwartend
oder mäßigend gegenüber. Allerdings versuchten die
Landesobrigkeiten in Lothringen, Luxemburg und Kurtrier, Hexenprozesse
nur unter staatlicher Kontrolle und ohne die selten willkommene
Einmischung gemeindlicher Anklagekonsortien oder der Landeshoheit
untergeordneter Hochgerichtsherren zu führen.
Reiner Biewer ( nach 1613), Abt von St. Maximin
und ebenso hexengläubig wie der Trierer Kurfürst Johann
VII. von Schönenberg ( 1599), duldete nicht nur die Hexenverfolgung,
sondern nutzte sie überdies für die Durchsetzung herrschaftlicher
und wirtschaftlicher Zwecke. Wie an der Verfolgungspraxis im Gebiet
der Reichsabtei St. Maximin lässt sich auch an der kleinen
Eifelherrschaft Wildenburg zeigen, dass Hexenprozesse von dem Herrschaftsträger
bewusst durchgeführt worden sind, um die uneingeschränkte
Ausübung des obersten Herrenrechts, der Blutgerichtsbarkeit,
nachzuweisen. Immerhin besaß die Obrigkeit aber stets die
Möglichkeit, Hexenverfolgungen zu erschweren beziehungsweise
ganz zu unterbinden, wie das Ende der Prozesse in Kurtrier aufgrund
der geheimen Anordnungen des Kurfürsten Karl Kaspar von der
Leyen ( 1676) nach 1652 beweist.
5. Eine ganz besondere Rolle beim Aufkommen von massenhaften
Hexenverfolgungen spielten diejenigen Instanzen und Personengruppen,
die zwischen dem Verfolgungsdruck von unten' und der Verfolgungsbereitschaft
von oben' moderierten. Die Tätigkeit von Juristen, Notaren
und Schreibern war schon bei der Zusammenstellung der Anklage unverzichtbar;
denn sie setzten die nötige Klageschrift auf und brachten die
von den Hexenausschüssen und privaten Klägern zusammengestellten
Verdachtsmomente in eine rechtsrelevante Form. Außerdem musste
jeder Prozess von ihnen protokolliert und schriftlich fixiert werden.
Nicht selten berieten und unterstützten die Notare die lediglich
mit schreib- und leseunkundigen Laien besetzten Schöffengerichte.
Darüber hinaus erstellten sie Rechtsgutachten (zum Beispiel
über die Zulassung der Folter) und empfahlen damit die weitere
Vorgehensweise gegen die angeklagten Personen. Diesen ungemein nützlichen'
Spezialisten mangelte es in den massenhaft geführten Hexenprozessen
nicht an Arbeit und Einkommen. Der maßgebliche Notar der Abtei
St. Maximin, Peter Omsdorf ( vor 1615), gehörte ohne
Zweifel zur Trierer Oberschicht und verdiente ein kleines Vermögen
mit seiner Tätigkeit als Prozessschreiber. Der Luxemburger
Provinzialrat versuchte auch in diesem Bereich, die zahlreich überlieferten
Bestechungsfälle und geheimen Absprachen zwischen Notaren,
Amtleuten und Schöffen zu unterbinden, und ordnete an, dass
die in Hexenprozesse involvierten Schreiber, Notare und Juristen
speziell vereidigt und dem Provinzialrat verantwortlich sein mussten.
Eine besonders unrühmliche Rolle spielte zum Beispiel der als
Notar und Prozessgutachter tätige Dr. Johann Möden, der
die schweren Verfolgungen in den manderscheidischen Grafschaften
Anfang des 17. Jahrhunderts zu verantworten hat. Auch in anderen
Herrschaften trieb er sein Unwesen, ähnlich wie der Jurist
Dr. Franz Felix Hornung, der als Schöffe und Rechtsgutachter
am Maximiner Oberhof und als Schultheiß der unter kurtrierischer
Landeshoheit stehenden Propstei St. Paulin maßgeblich an den
dort geführten Hexenprozessen zwischen 1586 und 1596 beteiligt
gewesen war. Nach dem Abflauen dieser ersten Prozesswelle verdingte
sich Hornung als Prozessgutachter in der Grafschaft Manderscheid-Blankenheim
und führte als Schultheiß der Abtei Echternach Anfang
des 17. Jahrhunderts Hexenprozesse in der unter Luxemburger Landeshoheit
stehenden Herrschaft Dreis.
Neben den Notaren fiel sicher den Schöffen, aber
auch den Amtleuten und Richtern die wichtigste Funktion innerhalb
der einzelnen Hexenprozesse zu. In ihrer Entscheidung lag es, ob
eine eingereichte Klage wegen Hexerei weiterbearbeitet wurde, ob
die darin enthaltenen Indizien ihnen ausreichend erschienen, um
eine Anklage zu erheben. Blieb ein solcher Amtsverweser zögerlich
und abwartend, dann konnte auch der Verfolgungswut der dörflichen
Hexenjäger ein Riegel vorgeschoben werden. Für eine mildernde
Haltung gibt es jedoch nur wenige Beispiele. Im Gegenteil bewerkstelligten
viele Amtleute ihren sozialen Aufstieg, indem sie Hexenprozesse
führten und sich ihren Herren unentbehrlich machten. Die Karriere
des St. Maximiner Amtmannes Claudius Musiel ( circa 1609)
bietet dafür das beste Beispiel. Der Notar und spätere
Amtmann der Herrschaft Autel (Elter) im Herzogtum Luxemburg, Peter
Britt, diente sich seinem Herrn sogar mit dem Versprechen an, Schloss
und Gebiet von Autel aus dem Vermögen der als Hexen hingerichteten
Personen wieder aufzubauen, ohne dass es die herrschaftliche Schatulle
einen Pfennig kosten würde. In Toul erreichten die Hexenverfolgungen
erst ihren wahren Höhepunkt, als 1618 Jean Du Pasquier (
nach 1642) das Amt des städtischen Generalprokurators übernahm.
Für diese Männer war es ein leichtes, das große
Angebot an Bereicherungs- und Profilierungschancen zu nutzen, das
die massenhafte Führung von Hexenprozessen bereitstellte.
Mit den fünf genannten Begründungen eng
verknüpft ist ein weiterer Faktor, der geeignet erscheint,
die opferreichen Hexenverfolgungen in den Territorien zwischen Reich
und Frankreich zu erklären: Der Hexereiverdacht und der daraus
resultierende Hexenprozess erlaubten es, nahezu jeden beliebigen
Menschen auf den Scheiterhaufen zu bringen. Aus dieser Multifunktionalität
eröffnete sich eine Vielzahl von Möglichkeiten, eigene
soziale, wirtschaftliche oder politisch-herrschaftliche Interessen
mit einem Verfahren wegen Hexerei zu verbinden.
Nicht zuletzt beförderten die Kommunikationswege,
welche die Hochgerichts-, Amts-, Territorial-, Bistums- und Konfessionsgrenzen
überschritten, eine schnelle und weite Verbreitung der Verfolgungsbereitschaft.
Gerade die Ausschuss- und Monopolmitglieder legten auf ihrer Jagd
nach belastendem Material oft weite Wege zurück. Auch mussten
Schreiber, Notare, Juristen und Amtleute, Gerichtsboten, Scharfrichter
und Büttel von einem Hinrichtungsort zum nächsten reisen.
Darüber hinaus hatten geistliche Institutionen wie zum Beispiel
die Klöster Echternach, St. Maximin oder St. Matthias weitgestreuten
Grundbesitz sowohl in Kurtrier als auch im Herzogtum Luxemburg,
zwischen denen ständig Boten und grundherrliche Beamte unterwegs
waren. Unterhalb der herrschaftlichen und grundherrlichen Ebene
trugen Wallfahrten, Kirchweih- und Marktbesuche dazu bei, die Angst
vor den Hexen, aber auch das Wissen, mit welchen Mitteln man sie
entlarven, bekämpfen und vernichten konnte, in alle Dörfer
und Weiler zu verbreiten.
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