Elisabeth
Biesel
Dann da die Weiber in Betrübnussen / Widerwertigkeit
vnnd
Kümmernussen einfallen"
Gelehrte und volksnahe Vorstellungen von Teufelspakt und Hexensabbat
Dann da die Weiber in Betrübnussen
/ Widerwertigkeit vnnd Kümmernussen einfallen / werffen sie
allen Trost hinwegk / fürnemblich / wann sie niemandt haben
/ der jhn die Händ beut / oder mit Rath helffe / Dann so der
Teuffel diese Gelegenheit erforscht / so verheist er jhnen vnder
der gestalt ertichter Person / Hülff / Rath vnnd Beystandt
mit höchstem Betrug. Der Trierer Weihbischof Peter Binsfeld
( 1598) führt in seinem auf dem Höhepunkt der ersten
großen Verfolgungswelle im Trierer Land verfassten Tractat
von Bekanntnuß der Zauberer und Hexen (Druck 1590 nach der
lateinischen Ausgabe des Jahres 1589) die Schwermut als achte von
insgesamt neun Ursachen' an, die in erster Linie Frauen zu
Teufelsanbeterinnen und zu Mitgliedern der Hexensekte machen würden.
Einer der seltenen Belege für die Rezeption dämonologischer
Literatur in der nichtgelehrten Bevölkerung findet sich wenige
Jahrzehnte später in einem Hexereiverfahren aus der Eifel.
Der Zeuge Hupricht Hack aus dem unter luxemburgischer Herrschaft
stehenden Oberweis bestätigte in seiner Zeugenaussage vom 21.
Januar 1631, dass der Angeklagte Ludtwichs Peter seit mehreren Jahren
im Gerücht der Hexerei stehe. Vor sieben Jahren habe Hack ein
lateinisches Exemplar des Traktats von Binsfeld in den Händen
gehabt und dem neugierigen Angeklagten erklärt, es sei ein
Buch, das darüber Auskunft gebe, wie die der Zauberei verfallenen
Personen des lasters erlediget werden, also aus den Fängen
des Teufels befreit werden könnten.
Tatsächlich gaben vor allem die weiblichen Angeklagten,
die - wie man seit dem Hexenhammer zu wissen meinte - als weitaus
anfälliger als Männer für die Verführungskünste
des Teufels galten, in ihren unter der Folter erpressten Geständnissen
stereotyp an, sie seien in einer depressiven Stimmung gewesen, als
ein Teufel in Mannsgestalt sie angesprochen habe. Die Gründe
für diese Depression konnten vielfältiger Natur sein;
sie reichten von Armut über Demütigung durch prügelnde
und trinkende Ehemänner bis zu Übergriffen plündernder
Soldaten. Trein Juncker aus Wißmansdorf in der Eifel, die
1592 hingerichtet wurde, gestand, sie habe vor sechs Jahren Streit
wegen des Zehnten mit ihrem Herrn gehabt. Zudem habe ihr Mann ein
fremdes Pferd verkauft und behauptet, die Spanier hätten das
Pferd mit Gewalt genommen. Der Betrug des Ehemannes wurde aber in
Trier entdeckt und ihr Mann verhaftet. Darüber sei sie in grosse
betrübniss geraten. Meist war die den Frauen erscheinende Mannsperson
- wie der Teufel, den Trein Juncker im Hammer Busch traf - schwarz
gekleidet; in Lothringen trug der Mann häufig Federn am Hut.
Seltener trat der böse Feind in der Gestalt eines Bekannten
auf. Adams Maria aus Oberweis etwa begegnete im Jahre 1630 angeblich
der Teufel in Gestalt des Pfarrers von Bettenfeld, bei dem sie in
Diensten stand und der ihr Geliebter war. Daran, dass sein Geschlecht
kalt wie ein Eiszapfen war, erkannte sie, dass es sich um eine Täuschung
des Teufels handelte.
Den männlichen Angeklagten erschien im Trierer
Land und in der Eifel meist eine junge und hübsche Teufelin,
die bei dieser ersten Begegnung bereits die Teufelsbuhlschaft mit
dem neuen Adepten vollzog. Die weiblichen wie auch die männlichen
Angeklagten beschrieben den Geschlechtsakt als kalt und unnatürlich.
Viele erkannten vor allem an der kalten Natur ihres Buhlen oder
amoureux, dass es sich um eine teuflische Erscheinung handelte.
Die gespaltenen Füße oder Kuh- beziehungsweise Ziegenfüße
fielen ihnen erst später auf. Die meisten Hexen und Zauberer
begegneten dem teuflischen Verführer, wenn sie allein waren:
im Wald, auf dem Feld, in beziehungsweise vor ihrem eigenen Haus
oder gar in ihrem Bett. Selten führten andere Hexen und Zauberer
die neuen Mitglieder in die teuflische Gesellschaft ein. So bekannte
Schossel Suin in ihrem nach der Folter abgelegten Geständnis
von 1587: Als vor 16 Jahren ihre Mutter als Hexe verbrannt wurde,
war sie selbst schwanger. Sie sei dann schwermütig geworden.
Als sie drei Wochen im Kindbett gelegen habe, sei der Teufel in
der Gestalt eines schwarzen Mannes mit schwarzen Kleidern an ihr
Bett gekommen. Er befand sich in Begleitung einer Hexe aus Longuich.
Dieser Mann tröstete sie und versprach ihr Hilfe aus der Not
sowie genügend Geld, sofern sie ihm folgen wolle. Sie willigte
ein und verleugnete auf sein, deß teuffels, scheen schwetzenn
Gott, den Allmächtigen, und schwor ihm sowie allen Heiligen
und der Mutter Gottes ab. Danach ergab sie sich dem Teufel und versprach,
ihm zu folgen. Daraufhin kratzte der Teufel mit seinen Klauen den
Chrisam, das geweihte Öl, aus ihrer Stirn, was sie schmerzte.
Auf ihrem eigenen Bett hatte er seinen willen mit ihr, es war aber
nicht natürlich. Das Geld, das sie danach von ihm erhalten
habe, wurde am folgenden Morgen zu Pferdekot.
Die Beschreibung Suin Schossels ist typisch für
die Darstellung der ersten Begegnung der Angeklagten mit dem Teufel
in Lothringen, Luxemburg, der Eifel und im Trierer Land: Ausgangspunkt
ist gewöhnlich eine Notsituation, die dem Bösen einen
Angriffspunkt bietet. Dann erscheint ein schwarz gekleideter Mann,
der Hilfe verspricht, sofern die Angeklagten ihm folgen und Gott
verleugnen. Sobald die Betroffenen eingewilligt haben, entfernt
der Teufel als Zeichen der Aufnahme in die Hexensekte den Chrisam
mit seinen Klauen aus der Stirn des neuen Mitgliedes. Jetzt gibt
der Teufel sich zu erkennen. Er nennt sich in Luxemburg vornehmlich
Belzebub und Luzifer, in Lothringen Federwisch, torche de plume,
Federhanns oder Persin; aber auch Phantasienamen sind verbreitet
wie Nischt, Nultgen, Chierling, Bellzebock oder Joly. Eine Besonderheit
der Trierer Beschreibungen, die sich zum Teil auch in der Eifel
und in Luxemburg wiederfindet, besteht darin, dass hier auch die
neu aufgenommenen Hexen und Zauberer als Zeichen ihrer Zugehörigkeit
zur Hexensekte einen neuen Namen erhalten. Im Trierer Land überwiegt
Rösgen als Hexenname; der Teufel, der Suin Schossel aus Kirsch
bei Trier erschien, nannte sich selbst Heuptgen und sie Schuepgen.
Die Teufelsbuhlschaft findet in fast allen Fällen bereits bei
dieser ersten Begegnung statt. Der Vollzug wird allerdings als unnatürlich
und kalt empfunden. Das Geld, das der Buhle den neuen Hexen in den
Schoß wirft, entpuppt sich zu Hause als Pferdekot, in Lothringen
manchmal auch als Eichenlaub.
In der Bischofsstadt Toul, in der während einer
Verfolgungswelle von 1618 bis 1623 verstärkt die Nadelprobe
durchgeführt wurde, bekannten die Angeklagten, vom Teufel bei
der ersten Begegnung an der rechten oder linken Schulter markiert
worden zu sein. Bei diesen Personen hatte der Henker zuvor - unmittelbar
vor der Tortur, nachdem die gesamte Körperbehaarung abrasiert
worden war - das angeblich schmerzunempfindliche Hexenmal gefunden
und mit einer großen Nadel durchstochen. Der lothringische
Generalprokurator Nicolas Remy widmete in seiner 1591 verfassten
Daemonolatria (Über den Teufelskult) dem Hexenmal ein eigenes
Kapitel, in dem er ausführt, dass die bösen Geister die
Menschen mit ihren Klauen als Zeugnis der ewigen Dienstbarkeit zeichnen.
Das Stigma sei an den geheimsten Stellen des Körpers verborgen
und vom Teufel unempfindlich gemacht worden.
In Luxemburg gaben viele Angeklagte an, der böse
Feind habe sich unmittelbar nach der ersten Buhlschaft in Luft aufgelöst.
Erst nach einigen Tagen oder Wochen wiederholte sich am Abend die
teuflische Erscheinung. Nach dem erneuten Vollzug der Buhlschaft
führte der Teufel die neuen Hexen und Zauberer zum Tanz, wie
die nächtlichen Zusammenkünfte in Lothringen, Luxemburg,
dem Trierer Land und der Eifel genannt wurden. Während die
Angeklagten im Trierer Land in der Regel links herum im Namen des
Teufels auf einen schwarzen oder grauen Bock aufstiegen und auf
diesem zum Hexensabbat flogen, wurde der Hexenflug in vielen lothringischen
Geständnissen gar nicht thematisiert. Zwar war in Einzelfällen
davon die Rede, dass die Hexen auf Stöcken, Besen oder Tieren
flogen, oder dass der Teufel sie auf seinem Rücken zum Hexentanz
trug, doch in der Regel gestanden die Angeklagten nur, sie hätten
sich zum Tanzplatz begeben (transporté); die Frage des Transportmittels
blieb unerwähnt. Auch die luxemburgischen Angeklagten tätigten,
nachdem sie sich zuvor eingesalbt hatten, auf einem schwarzen Bock
oder einer Ziege den Hexenflug und verließen das Haus durch
den Schornstein. Häufiger als in anderen Regionen fragten die
luxemburgischen Gerichte genauer nach, warum etwa dem schlafenden
Ehemann nicht aufgefallen sei, dass seine Frau abwesend war, oder
wie der Teufel es anstelle, dass die Hexe gleichzeitig im Ehebett
und auf dem Tanz sein könne. Die Antworten der Angeklagten
waren unterschiedlich. Trein Juncker aus Wißmannsdorf etwa
antwortete, sie wisse es nicht, ihr Buhle könne so etwas tun
und habe bis zu ihrer Rückkehr ihren Schein, also ein Trugbild
ihrer selbst, neben ihren Mann gelegt. Dagegen nannte Suin Schossel
aus Kirsch ein Mittel, ihren Ehemann am Aufwachen zu hindern: Sie
lege ihr Hemd auf ihren Mann und segne dies im Namen des Teufels,
dann müsse er schlafen.
Die geständigen Zauberer und Hexen aus Lothringen,
Luxemburg, der Eifel und dem Trierer Land entwarfen ein volkstümliches
Bild der nächtlichen Versammlungen der Hexen, das sich doch
recht stark von den Beschreibungen in der dämonologischen Literatur
abhebt. Allerdings fanden Elemente der Bekenntnisse der verurteilten
Hexen und Zauberer der Region wiederum Eingang in die dämonologische
Literatur, wie etwa in den Traktat des Trierer Weihbischofs Peter
Binsfeld. Die von Nicolas Remy verfasste Daemonolatria enthält
zahlreiche regionale Beispiele tatsächlich geführter Hexereiverfahren.
Der Autor hatte bereits vor Erscheinen des Werkes mehr als 15 Jahre
lang die lothringischen Hexenprozessakten - zuerst als Mitglied
des change, des obersten herzoglichen Gerichts, in Nancy und dann
als lothringischer Generalprokurator - begutachtet.
Trotz einiger regionaler Unterschiede und Spezifika
weisen die Sabbatbeschreibungen in den untersuchten Gebieten sehr
große Ähnlichkeiten auf; die Übereinstimmungen nehmen
innerhalb einer Region noch zu. Zwar werden die Geständnisse
der Angeklagten in Bezug auf den Hexentanz im Laufe der Verfolgungen
immer ausführlicher, detaillierter und phantasievoller, aber
insgesamt zeichnen die Bekenntnisse ein gleichartiges Szenario von
der Verführung durch den Teufel und dem Hexentanz. Dabei weisen
die Geständnisse der Angeklagten aus dem Trierer Land zum Teil
sogar wörtliche Übereinstimmungen auf. Dies ist nicht
nur darin begründet, dass das Gerichtspersonal den Betroffenen
während und nach der Folter immer wieder dieselben, mehr oder
weniger suggestiven Fragen stellte, sondern auch in der Tatsache,
dass es sich bei den hier überlieferten Prozessakten um nachträglich
verfasste, standardisierte Reinschriften der ursprünglichen
Protokolle handelt. In den Fällen, in denen die jeweils von
den Gerichten gestellten Fragen mitprotokolliert wurden, kann detailliert
untersucht werden, welche Vorstellungen vom Hexensabbat in den Köpfen
des Gerichtspersonals vorhanden waren und welche Elemente in den
Bekenntnissen vorkommen mussten, damit das Geständnis diesen
Vorstellungen entsprach und der Angeklagte aus der Folter entlassen
wurde.
In Lothringen, wo das Verhör unter der Folter
- wie die von Claude Bourgeois im Jahre 1614 aufgezeichnete Interrogatia
für Hexereiverfahren belegt - nicht so detailliert war und
bewusst weniger konkret gehalten wurde, blieb den Geständigen
weitaus mehr Spielraum für ihre Tanzplatzbeschreibungen. Dagegen
scheinen im Herzogtum Luxemburg schon früh feste Vorstellungen
vom Sabbatgeschehen und der Verführung durch den Teufel beim
Gerichtspersonal vorhanden gewesen zu sein, was sich in sehr detaillierten
Suggestivfragen unter der Folter niederschlug, wie etwa die in Echternach
und im luxemburgischen Teil der Eifel geführten Verfahren belegen.
So hatte Maria Scholer aus Echternach im Jahre 1589 auf die Frage,
ob der Teufel ihr Geld versprochen habe, nach der ersten Folterung
geantwortet, er habe ihr nichts versprochen, sie habe nie Geldmangel
gehabt. Das Gericht aber kam immer wieder auf diesen Punkt zurück,
ebenso auf die Frage der Schwermut, die dem Teufel den Angriffspunkt
für die Verführung geboten haben solle. Maria hatte beim
ersten Mal ausgeführt, sie sei depressiv gewesen, weil sie
abends vor der Begegnung mit dem bösen Feind zuviel getrunken
habe. Zudem hatte sie geleugnet, einen Hexennamen oder ein Zeichen
erhalten zu haben. Da ihre Antworten nicht genau den Erwartungen
des Gerichtspersonals entsprachen, insistierte das Gericht auch
nach einer zweiten Tortur noch: Ob ihr der Teufel denn damals keine
drei Dukaten gegeben habe, ob er ihr kein Zeichen sonst am Leib
angetan habe, ob er ihr, als er ihr erschienen sei, nicht einen
Namen gegeben habe, woher ihre Schwermut und böse Gedanken
gekommen seien. Adams Maria aus Oberweis hatte zuerst zwar die mehrmalige
Teufelsbuhlschaft gestanden, aber immer wieder abgestritten, sich
von Gott losgesagt zu haben. Erst als sie zugab, bereits bei der
ersten Begegnung in den Pakt eingewilligt zu haben, gab sich das
Gericht zufrieden.
Allerdings existierte nicht nur in den Köpfen
des Gerichtspersonals eine relativ konkrete Vorstellung von der
Initiation der neuen Hexen und dem Ablauf der nächtlichen Versammlungen,
sondern auch die Angeklagten hatten solche Bilder vor Augen, wie
die wenigen Geständnisse zeigen, die freiwillig, das heißt
ohne Folterandrohung, abgelegt wurden. Manchmal baten die Angeklagten
nach der Tortur auch um eine Bedenkzeit, um sich eine glaubwürdige
Geschichte auszudenken, die den Erwartungen des Gerichtspersonals
gerecht werden konnte. Über Predigten, Flugblätter, gelehrte
Schriften, abergläubische Geschichten und nicht zuletzt durch
das öffentliche Verlesen der Bekenntnisse vor der Hinrichtung,
die viel Publikum anzog, verbreitete sich ein regional relativ einheitliches
Konzept vom Treiben der Hexengesellschaft, das die Beschuldigten
in ihrer Not wiedergaben, um einer erneuten Folter zu entgehen.
Nur in der Stadt Toul verzichtete man auf die öffentliche Verlesung
der confessions, um das bei der Exekution anwesende Volk nicht mit
den verabscheuungswürdigen Taten der Hexen und Zauberer zu
schockieren.
Die homogenen Vorstellungen von den Aktivitäten
der gefürchteten Hexen und Zauberer mussten nicht unbedingt
alle Elemente des kumulativen Hexereideliktes - nämlich Teufelspakt,
Teufelsbuhlschaft, Hexenflug, Hexensabbat und Schadenzauber - aufweisen.
In Lothringen etwa äußerten sich viele verurteilte Hexen
überhaupt nicht zum Hexenflug, im Amt Dieuze bekannten männliche
Angeklagte, denen ebenso wie den Frauen ein männlicher Teufel
begegnet war, nie, die Buhlschaft vollzogen zu haben. Dagegen leugneten
die geständigen Männer aus Toul, denen ein männlicher
Teufel erschienen war, nicht, geschlechtlichen Umgang mit ihm gehabt
zu haben. Die widernatürliche Buhlschaft ließ das Vergehen
der geständigen Zauberer noch verwerflicher erscheinen. Im
Trierer Land und der Eifel stellte sich dieses Problem nicht, denn
hier - so die Geständnisse - war den männlichen Angeklagten
eine Teufelin erschienen.
Ebenso fehlten in der volkstümlichen Vorstellung
vom Hexentanz, welche die Beschuldigten aus Lothringen, Luxemburg,
der Eifel und dem Trierer Land hegten, völlig die in der gelehrten
Dämonologie beschriebenen orgiastischen Ausschweifungen mit
den Teufeln beziehungsweise im Kreis der Anwesenden. Vielmehr wurde
hier ein - wenn auch teuflisch verkehrtes - Bild von einer Art Dorffest
entworfen. Im Mittelpunkt der nächtlichen Zusammenkünfte
standen ein Festmahl und der sich anschließende Tanz. Ein
Pfeifer oder mehrere, die wie beim Kirchweihfest in den Bäumen
saßen, spielten auf; sie erhielten am Ende sogar eine Entlohnung
für ihre Mühen. Das so genannte Homagium, der Kuss auf
den Hintern des Teufels - welcher der Versammlung auf einem Thron
sitzend vorstand, wie es gelehrte theologische Texte und Illustrationen
darstellten -, entfiel ganz oder wurde durch das Blasen in den Hintern
der Obersten, der weiblichen und männlichen Anführer der
Hexengesellschaft, beziehungsweise des Pfeifers ersetzt. In einigen
wenigen Fällen berichteten die Angeklagten sogar von einer
Teufelshochzeit, die beim Hexentanz stattgefunden habe. So bekannte
Thomas Hardier aus dem lothringischen Guinzeling im Jahre 1601,
beim Hexensabbat unter dem Hochgericht von Torcheville habe die
Tochter des GroMaire einen jungen Teufel geheiratet. Anwesend seien
etwa 30 Personen gewesen; sie hätten kein Brot, aber Fleisch
und Wein aus Insming gehabt.
Obwohl die Beschreibungen den Dorffestcharakter des
Hexensabbats betonten, wurde immer auch das Element der vom Teufel
geschaffenen verkehrten Welt hervorgehoben. Die Hexen und Zauberer
kamen zum Tanzplatz, indem sie links herum auf einen Bock stiegen.
Dort angekommen, nahmen sie an einem Bankett teil. Aber die Speisen
hatten keinen Geschmack und sättigten nicht. Nur der auf dem
Tanzplatz ausgeschenkte Wein wurde von den Angeklagten aus den weinanbauenden
Moseldörfern manchmal gerühmt. Vor allem fehlten Salz
und Brot, die bei einem Festmahl gewöhnlich als Zeichen der
Gastfreundschaft gereicht wurden. Die Pfeifer, die zum Tanz aufspielten,
bliesen auf seltsamen Musikinstrumenten, deren Klang schrill war.
So sagte etwa Maria Adam aus Oberweis, die Pfeife habe elend gelautet
und wie ein Hörnchen ausgesehen. Der anschließende Tanz
geschah in Lothringen links herum, wobei die Hexen und Zauberer
Rücken an Rücken hoch in die Luft sprangen; eine Vorstellung,
die auch in der Eifel und in Luxemburg verbreitet war. Trein Juncker
aus Wißmannsdorf erklärte, sie tanzten dort alle mit
dem arsch, und kierten eine dem andern nicht das angesicht. Suin
Schossel aus dem Trierer Land berichtete, jede Hexe tanze mit ihrem
Buhlen links herum in des Teufels Namen. Wenn der Tanz zu Ende sei,
müsse jede der Obersten Geld als Pfeiferlohn geben. Alle, die
kein Geld hätten, müssten der Obersten in den Hintern
blasen. Dies hätte sie selbst immer tun müssen, da sie
arm sei. Die Vorstellung, dass die Hexengesellschaft einen Anführer
oder eine Anführerin - einen capitaine, roi oder eine oberste
- haben müsse, war auch in Lothringen verbreitet. Allerdings
wurden hier die Pfeifer nicht entlohnt, sondern die Obersten kassierten
eine Art jährlicher Tributzahlung. Das Blasen in den Hintern
als Ersatzleistung entfiel hier. In der Eifel dagegen blieb man
dabei, nur manchmal wurde der Oberste stattdessen auf den Hintern
geküsst.
Je länger die Verfolgungen anhielten, umso detaillierter
wurden die Beschreibungen vom Geschehen auf dem Hexentanzplatz.
Während die ersten Aussagen zu Beginn der Verfolgungswellen
sich meist darauf beschränkten, pauschal vom Hexentanz mit
Essen und Trinken zu berichten, zeichneten einige spätere Geständnisse
ein komplexes Sabbatgeschehen, bei dem es nicht nur Oberste gab,
welche die Gesellschaft anführten, sondern eigens zur Zubereitung
der Speisen abgestellte Köche, einen Zeremonienmeister, der
den Tanz anführte, einen Weinzapfer und einen Hofmeister. So
bekannte Adams Maria im Jahre 1630: Das Fleisch war gut anzusehen,
schmeckte aber wie Moos. Ebenso war der Wein, der aus einem Eichenbaum
gezapft wurde, ohne Geschmack. Als Weinzapfer habe Conen Wilhelm
fungiert, und die Frau von Stein Henrich musste kochen. Ludtwichs
Peter gestand, er selbst habe als Hofmeister die Speisen an einem
der Tische der Hexengesellschaft gereicht. Den Trank hätten
sie aus Pötten getrunken; er sei aber schwarz gewesen und habe
elend geschmeckt. Die bösen Geister nähmen auch am Sabbat
teil. Man könne sie gut erkennen, da sie ein gräuliches
Gesicht und breite Füße mit Klauen hätten.
Besonders in den Fällen, in denen die Angeklagten
so lange gefoltert wurden, bis sie bestimmte angesehene und einflussreiche
Bürger als Komplizen besagt hatten, enthält das von ihnen
entworfene, detaillierte Bild des Hexentanzes auch Hinweise auf
latent schwelende soziale Konflikte zwischen Arm und Reich sowie
auf Gegensätze zwischen Stadt- und Landbevölkerung. So
gab Trein Juncker aus Wißmannsdorf, die 1592 mehrmals explizit
nach der Teilnahme Johann Schweistals aus Bitburg gefragt worden
war, zu Protokoll, Schweistal sei ihr Oberster, der auf einem goldenen
Sessel sitze und einen Stab in der Hand halte. Die Reichen hätten
einen eigenen Tisch. Die Armen aber müssten zurückstehen
und bekämen nichts zu essen. Ähnlich sahen die Beschreibungen
der Angeklagten aus dem Trierer Land aus, die den Stadtschultheißen
Dr. Dietrich Flade besagten. Flade sei mit einem goldenen beziehungsweise
silbernen Wagen zum Tanzplatz gekommen. Dort habe er auf einem goldenen
Sessel gesessen. Er sei ebenso wie andere Stadtbürger vornehm
und reich gekleidet gewesen. Die reichen Trierer hätten einen
eigenen Tisch mit kostbaren Trinkgefäßen. Jedes Mal seien
es die Trierer gewesen, die vorschlugen, den Wein und die Felder
zu verderben. Suin Schossel aus Kirsch bekannte, die reichen, köstlichen
Leute seien alle maskiert gewesen und tanzten getrennt von den Armen.
Auch in Lothringen war die Vorstellung, dass vornehme
Mitglieder der Hexensekte sich maskierten, um nicht erkannt zu werden,
weit verbreitet. Remy glaubte, dass sowohl das rückwärtige
Tanzen als auch das Tragen von Larven und Schleiern dazu diene,
spätere Besagungen durch inhaftierte Mitglieder zu vermeiden.
[
] Es sey diß die Ursach: Nemlich / damit sie sich auff
solche Weise nicht ansehen / noch leichtlich erkennen mögen.
Denn sie halten es für einen grossen Unfall, wenn diejenigen
/ so auff der Tortur für dem Richter schuldig befunden sind
/ auch noch weiter andere anzeigen müssen / welche in ihrer
Gesellschaft sind / und auch Schuld daran haben / umb welche Ursachen
willen sie offtmahls auch vermummet und mit Larven bedeckt / auff
ihrer Versammlung erscheinen [...].Eine weitere lothringische Besonderheit
liegt in dem lediglich im Amt Dieuze verbreiteten Glauben, dass
die Finger oder Rippenstücke von ungetauften, totgeborenen
Kindern - die die Hexen auf den Friedhöfen ausgruben und verbrannten,
um die Asche in ihre Salbe oder in die schadenbringenden Tränke
zu mischen - auf dem Hexentanzplatz mit blauer Flamme leuchteten
und so der Gesellschaft Licht spendeten.
Die Größe der nächtlichen Versammlungen
schwankte zwischen 15 und 100 Teilnehmern; der 1589 hingerichtete
Pfarrer von Fell, Johann Rauw, gab an, es seien sogar an die 400
Manns- und Weibspersonen auf der Hetzerather Heide zusammengekommen.
In den meisten Fällen wurden angeblich lokale Tanzplätze,
die unmittelbar in der Nähe lagen, von den Hexen und Zauberern
aufgesucht. Es konnte sich dabei ebenso gut um die üblichen
Versammlungsplätze der Gemeinde handeln wie um ohnehin schon
magisch besetzte Plätze - das Hochgericht, Wegekreuzungen,
alte Bäume, vorgeschichtliche Gräber, Reste der römischen
Besiedlung oder unheimliche Sümpfe. Viele der Angeklagten sagten
aus, der Tanz finde an den Donnerstagen statt; im Trierer Land und
in der Eifel hatten die Donnerstage in den Fronfasten eine übergeordnete
Bedeutung. Die Hexen, die der Hochgerichtsbarkeit der Abtei St.
Maximin unterstanden, gaben vielfach an, in den Fronfasten seien
sie verpflichtet, zur Hetzerather Heide zu kommen, an den übrigen
Donnerstagen würden sie ihre normalen Tanzplätze aufsuchen.
In einigen Geständnissen findet sich eine Vorstellung wieder,
die innerhalb der gelehrten Dämonologie heftig diskutiert wurde:
Nahmen die Hexen und Zauberer persönlich am Sabbat teil oder
wurden sie dort lediglich von den bösen Geistern vertreten?
Die Beantwortung dieser Frage warf auch juristische Probleme auf.
Wenn der Teufel in der Lage war, auch in die Gestalt unschuldiger
Menschen zu schlüpfen, um am Hexensabbat teilzunehmen, dann
hätten Besagungen nicht mehr als Indizien in einem neuen Hexereiverfahren
herangezogen werden können. Da aber den Besagungen in Lothringen,
Luxemburg und Kurtrier ein hoher beweisrechtlicher Stellenwert beigemessen
wurde, erstaunt es nicht, dass die geständigen Hexen und Zauberer
angaben, der Teufel könne nur solche Personen repräsentieren,
die Mitglieder der Hexengesellschaft seien. Er könne ihre Gestalt
nur annehmen, wenn sie zuvor eingewilligt hätten. Suin Schossel
bemerkte, der Teufel sei in ihrer Gestalt auf dem Tanzplatz gewesen
und habe sie dort vertreten, aber ohne ihre Füße, denn
seine eigenen könne er nicht verändern. Außerdem
sei der böse Geist nur dann in der Lage, in ihre Gestalt zu
schlüpfen, wenn sie zuvor die Teufelsbuhlschaft vollzogen hätten.
Am Ende der nächtlichen Versammlung wurde auf
Anweisung des Teufels oder der Obersten ein Anschlag der Hexen und
Zauberer verabredet, in der Regel die Ausübung von Wetterzauber.
Auch an dieser Stelle werden häufig soziale Konflikte zwischen
der armen und der reichen Bevölkerung deutlich. Baten die armen
Tanzplatzbesucher darum, auf die Schädigung der Ernte zu verzichten,
um nicht Hunger leiden zu müssen, wurden sie von ihren Teufeln
- wie auch sonst, wenn sie den Gehorsam verweigerten - heftig geschlagen.
Suin Schossel fügte hinzu, wenn die Glocken läuteten,
einige nicht in den geplanten Anschlag einwilligen wollten oder
von Gott sprechen würden, dann sei ihr Spiel gebrochen. Der
Glaube an die apotropäische, das heißt Unheil abwehrende
Wirkung von Glockengeläut, Hähnekrähen, Bekreuzigungen
und Nennung der Dreifaltigkeit oder der Jungfrau Maria war sowohl
in Lothringen und Luxemburg als auch in der Eifel und im Trierer
Land allgemein verbreitet. Sobald eine der Hexen Jesus sage, löse
sich die Versammlung augenblicklich auf, beim Hexenflug überraschte
Hexen und Zauberer fielen einfach zu Boden. Peter Binsfeld führte
in seinem Traktat aus: [
] Ja bißweilen werden sie von
den Teuffeln eylendts zum Lauff gebracht / vnd dieweil sie etwo
den hailsamen Namen Jesu unversehener Sach nennen / oder sonst ein
ander Zaichen Christlicher Andacht brauchen / oder mit dem heiligen
Creutz sich bewaffnen / wann die andern alle verschwinden / kehren
sie widerumb zu Fuß heim / die zuvor vom Teuffel zur Versamblung
gebracht seyndt worden. Zu zeitten fallen sie ab den Bäumen
auffs Erdtreich / vnnd zerschmettern die Glieder.
Während überwiegend volkstümliche Vorstellungselemente
die Sabbatbeschreibungen der Angeklagten im Trierer Land, der Eifel,
Luxemburg und Lothringen beherrschten, entwarfen die Hexen und Zauberer
in der Stadt Toul ein völlig anderes, viel stärker von
der gelehrten Dämonologie geprägtes Bild. Hier entfernte
der Teufel als Zeichen des vollzogenen Pakts nicht den Chrisam von
der Stirn des Adepten, sondern markierte ihn mit dem Teufelsmal.
Auf dem Sabbat, der auch von allen geständigen Angeklagten
als solcher bezeichnet wurde, präsidierte ein Oberteufel die
Versammlung, dem die Anwesenden den Hintern küssten. Die Anbetung
des Teufels und das Homagium standen hier eindeutig im Vordergrund.
Noch einmal wurde auf dem Tanzplatz die Buhlschaft mit dem Teufel
vollzogen, begleitet von orgiastischen Ausschweifungen der Hexen
und Zauberer untereinander. Der Tanz und das Bankett - beide zum
ersten Mal erst 1621 erwähnt - spielten lediglich eine untergeordnete
Rolle. Vermutlich hatten in der Bischofsstadt, die zu einem Drittel
von Klerikern bewohnt wurde, die Vorstellungen der gelehrten Dämonologen
über Predigten und schriftliche Zeugnisse in einem weitaus
größeren Maße Verbreitung gefunden als in den eher
ländlich geprägten Regionen Lothringens, Luxemburgs, der
Eifel und des Trierer Landes.
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