Boris
Fuge
Das Ende der Hexenverfolgungen in Lothringen, Kurtrier
und Luxemburg im 17. Jahrhundert
Wie in anderen Gebieten Mitteleuropas,
in denen seit dem 15. und vor allem seit dem Ende des 16. Jahrhunderts
Personen aufgrund des Hexereidelikts verfolgt worden waren, kam
es auch im Herzogtum Luxemburg, im Herzogtum Lothringen und im Kurfürstentum
Trier, allesamt Kerngebiete der Zauberei- und Hexereiverfolgung,
vor oder um die Mitte des 17. Jahrhunderts zu einer Abnahme und
schließlich zu einer völligen Einstellung der Führung
von Hexenprozessen.
Wie die Entstehung der Hexenverfolgungen, so hat auch
deren Ende vielschichtige Gründe; der juristische Aspekt ist
dabei einer der wichtigsten. Dies ist leicht einzusehen, war die
Verfolgung der vermeintlichen Hexen und Hexenmeister über Jahrhunderte
hinweg doch mehr und mehr von Verwaltungsstrukturen vereinnahmt
worden, die mit Hilfe eines zunehmend formalisierten Rechtssystems
die sich herausbildenden Territorialstaaten durchdrangen. So ging
die Bestrafung angeblicher gotteslästerlicher und schadenbringender
Teufelspaktiererei mit der Zeit aus den Händen der Kirche ganz
in die der weltlichen Justiz über, welche in der ersten Hälfte
des 16. Jahrhunderts den von der Dämonologie entwickelten elaborierten
Hexereibegriff als Straftatbestand übernommen hatte. Durch
neue Ansichten über den Einsatz der Folter sowie durch die
Auffassung der Hexerei als crimen exceptum, als Ausnahmeverbrechen,
das exzeptionelle Verfahren legitimierte, verfügte die Justiz
über das Instrumentarium zu deren gerichtlicher Verfolgung.
Die uns heute so unfassbar erscheinende Annahme, dass
Hexerei und Teufelsbund existierten, dass diese oder zumindest deren
Auswirkungen feststellbar und daher als Straftat zu ahnden seien,
ist auch den Zeitgenossen der Hexenverfolgung nicht durchweg einleuchtend
gewesen. Nicht nur gelehrte Theoretiker wie Johann Weyer (
1588), Cornelius Loos ( 1596), Adam Tanner ( 1632) und
Friedrich Spee ( 1635) sowie andere erkannten die Inkonsequenzen
des dämonologisch-abergläubischen Denksystems - auch die
meist ungebildeten Opfer der Prozesse argumentierten, sofern das
Verfahren ihnen dafür Raum gab, bisweilen mit gesundem Menschenverstand
und brachten dadurch die Justiz in die schwierige Lage, schlüssige
Beweise für das Hexereidelikt vorzubringen. Die schon früh
einsetzenden Erkenntnisse der Obrigkeit über die offenkundig
exzessive und rechtsbrüchige Führung von Hexenprozessen
sowie die Schwierigkeit einer Wahrheitsfindung' ohne Folter
und eine wachsende Verrechtlichung, die sich in der Kontrolle durch
Obergerichte, in der Aktenversendung und in einer regen Gutachtertätigkeit
äußerte, höhlte die nie seriös konstruierte
Logik des Hexenglaubens allmählich aus. Auf den berüchtigten
Hexenhammer, den seit 1487 in zahlreichen Auflagen erschienenen
Malleus maleficarum, folgte eine Vielzahl dämonologischer Traktate,
die immer auch eine Legitimierung der gerichtlichen Verfolgung des
Hexereidelikts beabsichtigten. Am deutlichsten wird diese Verbindung
in der Person Jean Bodins ( 1596), des französischen
Juristen, Staatstheoretikers und Autors der Démonomanie (Von
der Teufelsmanie). Trotz der Aufnahme des Zaubereidelikts in frühneuzeitliche
Strafrechtsordnungen, wie zum Beispiel in die Carolina von 1532,
gelang es nicht, die Hexerei mit dem zunehmend maßgeblichen
Instrumentarium des römischen Rechts juristisch fassbar zu
machen, und so blieben die Autoren dämonologisch-juristischer
Schriften immer nur Vertreter eines Randgebietes, deren persönlicher
Eifer in der Sache dem ansonsten nüchternen Denken der Rechtsgelehrten
zuwiderlief. Waren die bereits in der mittelalterlichen Rechtsrezeption
herausgearbeiteten Verbrechen der Häresie und Gotteslästerung,
worunter auch die Zauberei fiel, noch eher an Ausübungsformen
und Worten festzumachen, so konnte der frühneuzeitliche Hexenbegriff
noch nicht einmal durch inquisitorische Gewissenserforschung sichtbar
oder hörbar gemacht werden, da die bloße Denunziation
durch angeblich Geschädigte oder Besagung durch vermeintliche
Hexen zur Anklageerhebung genügte und es sich, weit stärker
als bei der Ketzerei, um einen der jeweiligen Person zugeschriebenen,
völlig fiktiven Irrglauben' handelte, dem eine ebenso
fiktive Schädigungsabsicht unterstellt wurde. Erst die Folter,
meist verbunden mit suggestiver Verhörtechnik, konnte hier
die zur Verurteilung nötigen Geständnisse erpressen. Diese
einseitige Abhängigkeit der Hexenprozesse von durch die Folter
erzwungenen Geständnissen musste über kurz oder lang auffallen
und von kritischen Juristen in Frage gestellt werden. Der durch
die Verfolgungen entstehende gesellschaftliche Schaden lenkte allmählich
das Augenmerk der Obrigkeit auf das Hexenprozesswesen.
1. Lothringen
Die Spätphase der lothringischen Hexenverfolgungen
zwischen 1580 und 1630 erscheint - ähnlich wie in den benachbarten
Territorien Luxemburg und Kurtrier - als eine Zeit intensivster
Verfolgungen. Innerhalb dieses Zeitraumes bildet das Jahr 1606 eine
Zäsur, da hier die Amtszeit des seit 1591 als procureur général
und kraft seines Amtes als Hexenjäger' aktiven Nicolas
Remy ( 1612) endete, was sich mit gewisser Verzögerung
noch vor 1610 in einer deutlichen Abnahme der Hinrichtungen wegen
Hexerei bemerkbar machte. Ferner verstarb 1608 der Förderer
Remys, Herzog Charles III. Als die Kriegszüge des Dreißigjährigen
Krieges dann 1630 das Herzogtum erreichten, gingen die Prozesse
in den davon besonders betroffenen Verwaltungsbezirken deutlich
zurück. In anderen Gegenden begann, bedingt durch die wirtschaftliche
Krisenzeit, 1628 eine neue Verfolgungswelle, die 1632 mit dem Durchzug
französischer und kaiserlicher Truppen durch das Herzogtum
beendet wurde. Verwüstungen und ein enormer Bevölkerungsverlust
erreichten 1635 ihren Höhepunkt. Sie ließen den Menschen
offenbar keine Zeit mehr, sich gegenseitig der Hexerei zu bezichtigen;
vielerorts waren außerdem die obrigkeitlichen Strukturen zerstört.
Völlig beseitigt wurden Hexenangst und Verfolgungsbereitschaft
aber nicht. Wenngleich es seit den frühen 1630er Jahren zu
keinen größeren Prozessserien mehr kam, sind spätere
Hexereiverfahren beispielsweise für die Umgebung von Saint-Dié
(bailliage de Bruyères) noch bis 1663, für das Metzer
Land bis 1670 und für die bailliage d'Allemagne bis 1679 nachweisbar,
die in eine Zeit der allmählichen wirtschaftlichen Erholung
und der Bevölkerungszunahme fielen.
Das Rechtssystem Lothringens besaß mit den échevins
oder dem change de Nancy seit dem frühen 16. Jahrhundert eine
Oberinstanz auch in Strafsachen, bei der spätestens seit 1596
(Redigierung der coutumes générales) bei allen strafrechtlichen
Verfahren um Avise angefragt werden musste. Neben dem change bestand
die Institution des procureur général de Lorraine,
dem noch vor dem Schöffengericht die Strafsachen zur Begutachtung
vorgelegt werden mussten. In diesen Institutionen zeigt sich die
Bestrebung, die Rechtsprechung der Untergerichte zu kontrollieren;
im Fall der Hexenprozesse wirkten sie zunächst jedoch kaum
mildernd auf die Urteile ein, da in der verfolgungsintensivsten
Phase mit dem Generalprokurator Nicolas Remy ein dämonologisch
motivierter Jurist federführend war. Trotz der herausgehobenen
Stellung des procureur waren aber wohl schon gegen Ende des 16.
Jahrhunderts die Schöffen von Nancy bemüht, mäßigenden
Einfluss auf die Durchführung einzelner Hexereiverfahren zu
nehmen. Claude Bourgeois, selbst Mitglied des change, publizierte
1614 einen Recueil du style, der genaue Vorschriften zur Durchführung
von Verhör und Folter in Strafsachen und insbesondere in Hexereiprozessen
enthielt. Diese Anweisungen machten die Verfahren insofern moderater,
als Folterexzesse untersagt wurden und ein genauer Prozessablauf
festgelegt war.
Der Aufstieg zu einer allgemeinen zentralen Rechtsinstanz
gelang den échevins de Nancy im Verlauf des 17. Jahrhunderts
jedoch nicht, da die ständige Auseinandersetzung Lothringens
mit Frankreich die Entwicklung des Landes spürbar hemmte. Das
1633/37 im französischen Metz geschaffene parlement de Metz
übernahm die Kompetenzen der échevins und etablierte
sich in der gesamten Zeit der französisch protegierten Interimsherrschaft
bis 1661, als im Frieden von Vincennes Charles IV. wieder als Herzog
eingesetzt wurde, als oberste Appellationsinstanz. Vom parlement
wurden in Hexensachen keine Todesurteile mehr ausgesprochen, und
auch die Entscheidungen der échevins mildernd revidiert,
beispielsweise durch Ablehnung der Folter oder Verhängung einer
Verbannungsstrafe anstelle einer Hinrichtung. 1670 geriet das Herzogtum
endgültig unter französische Besatzung, die 1685 die échevins
abschaffte. Die französische Herrschaft beendete mit dem königlichen
Edikt Louis XIV. vom Juli 1682 auch formal die Hexenverfolgung,
indem sie die Kompetenzen der lokalen Gerichte und der Parlamente
in dieser Frage stark einschränkte.
Man kann davon ausgehen, dass in Lothringen die Einwirkung
der Obrigkeit auf die Beendigung der Hexenprozesse nicht ausschlaggebend
war - sicher überwogen die äußeren Einflüsse.
Dennoch hat die hohe Justiz, mit Ausnahme des procureur Remy, die
Hexenverfolgung auch nie besonders gefördert, eine Tendenz,
die von dem oktroyierten und am verfolgungskritischen Frankreich
orientierten parlement de Metz im 17. Jahrhundert noch verstärkt
wurde. Robin Briggs und Eva Labouvie haben darüber hinaus für
Lothringen gezeigt, dass auch auf der untersten, nämlich der
dörflichen Ebene die Menschen Verteidigungsstrategien oder
sogar Widerstand gegen den Hexereivorwurf entwickelten. Die Sichtweise
des Volkes veränderte sich im Laufe des 17. Jahrhunderts. Hexereibeschuldigungen
wurden weniger stark kriminalisiert und erfüllten schließlich
nur noch den Tatbestand der Beleidigung. Dass hier Wechselwirkungen
mit einem moderaten oder zeitweilig schwachen Justizapparat eine
besondere Rolle spielten, erscheint plausibel.
2. Kurtrier
Das Einsetzen der großen Hexenverfolgung im
Erzstift Trier fällt in die Regierungszeit des Kurfürsten
und Erzbischofs Johanns VII. von Schönenberg ( 1599);
die meisten Prozesse fanden zwischen 1587 und 1594 statt, ab 1596
wurden sie seltener. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts begann, wohl
auch infolge einer gewissen Ermüdung, eine längere Phase
relativer Ruhe mit nur gelegentlichen Prozessen, bis 1629/30 eine
neue Verfolgungswelle einsetzte, die 1631 durch die Einwirkungen
des Dreißigjährigen Krieges abbrach. Bis zur administrativen
Beendigung der Hexenprozesse 1652 folgten dann ab 1639 wieder kleinere
Verfahrenswellen, allerdings ohne die gegen Ende des 16. Jahrhunderts
fassbare Flächendeckung der Verfolgung zu erreichen.
Regulierungsmaßnahmen mit dem Ziel der Eindämmung
der Verfahren gab es, ähnlich wie in Luxemburg, bereits zu
Zeiten intensivster Verfolgungen. Zu nennen ist hier die am 18.
Dezember 1591 erlassene Hexenprozessordnung Kurfürst Johanns
VII., die insbesondere gegen die seit Beginn der Verfolgungen überhand
nehmenden Verbündnusse - gemeint sind die Hexenausschüsse
- vorgehen wollte. Die Ordnung beschreibt Hauptgefahren dieser Verschwörungen
auf dörflicher Ebene: allgemeine Unordnung (das heißt
Entzug der herrschaftlichen Kontrolle), große finanzielle
Belastung der Untertanen und Rechtsbrüche. Als Maßgabe
für das rechtliche Vorgehen in Zaubereisachen wird zunächst
die Carolina genannt. Das Ausschusswesen wird eingeschränkt
und reglementiert. Die Einleitung des Verfahrens von Amts wegen
(ex officio) ist bei bestehendem Gerücht ohne vorhandenen Kläger
vorgesehen, wird aber in der Ordnung nur knapp ausgeführt.
Insgesamt mahnt der Text mehrfach zu vorsichtigem Vorgehen und betont
die Wichtigkeit der Indiziensammlung vor der Einleitung eines Prozesses.
An vielen Stellen wird außerdem die strikte Geheimhaltungspflicht
bezüglich der Besagungen angemahnt - die Ordnung erkannte in
der Veröffentlichung der Namen von der Hexerei bezichtigten
Personen einen wichtigen Auslöser der wellenartigen Verfolgungen.
Zudem regelte sie das Verbot der Wasserprobe, die Verpflichtung
zur Aktenversendung an das Obergericht zu Koblenz zwecks Erstellung
von Gutachten sowie die genaue Festlegung von Unkostenerstattungen
für das Gerichtspersonal. Die Verordnung von 1591 reagierte
damit formal sehr scharf auf die Verfolgungen. Aus diesem fortschrittlichen
und wahrscheinlich an der Luxemburger Ordnung des gleichen Jahres
orientierten Rechtstext spricht neben dem offensichtlichen Bestreben,
eine stärkere Kontrolle über die Untertanen zu gewinnen
und deren eigene Rechtssatzungen zu brechen, auch die Wahrnehmung
einer staatlichen Fürsorgepflicht, die letztlich der Stabilität
des gesamten Landes dienen sollte.
Eine entsprechende Wirkung zeigte der kurfürstliche
Erlass jedoch keineswegs. Die starke gemeindliche Verfassung setzte
sich allerorts gegen die schwache Landesherrschaft durch, und Offizialprozesse
blieben in Hexensachen die Ausnahme; fast immer verlief der Prozess
von der Anklage bis zur Hinrichtung auf der Ebene von lokaler Gerichtsbarkeit
(Amtmann, Schultheiß, Schöffen) und dörflicher Gemeinde.
Am 2. Februar 1630 wurde unter Philipp Christoph von Sötern
( 1652) die Prozessordnung von 1591 erneuert, wobei die Liste
der zu berechnenden Gerichtshonorare und Unkosten noch ausführlicher
war - offensichtlich hatte man in den Kostenexzessen, die sich aus
der Verschwendung und Bereicherung der Ausschussmitglieder ergaben,
einen zentralen Beweggrund für die Führung von Hexenprozessen
erkannt. Seit 1591 war der obrigkeitliche Regulierungswille in dieser
Sache jedoch immer wieder umgangen worden, nicht zuletzt durch die
Erfindung neuer Posten auf den Rechnungen.
Angesichts der weiterhin auffälligen Missstände
bei den Hexenprozessen regte sich im Verlauf des 17. Jahrhunderts
vermehrt Widerstand seitens der Betroffenen, die sich mit Klagen
über die Willkür der Ausschüsse an den Koblenzer
Oberhof wandten oder gewaltsam gegen die Akteure rechtswidriger
Ermittlungen vorgingen. Die höhere Justiz war zudem durch verschiedene
Skandale in den eigenen Reihen auf gravierende Missstände im
Hexenprozesswesen aufmerksam geworden. Wahrscheinlich kurz nach
1652 erging durch Kurfürst Carl Caspar von der Leyen (1652-1676)
eine geheime Anweisung an alle Beamten, keine Prozesse in Zaubereisachen
mehr zuzulassen. Dies wurde, da es öffentlich nicht ausgesprochen
werden konnte, in der Praxis so umgesetzt, dass die formalrechtlichen
Anforderungen, die mit einer Klageerhebung verbunden waren, schrittweise
immer höher geschraubt wurden. Aus dem Jahr 1659 ist dann ein
Schreiben überliefert, in dem sich der Kurfürst zu seiner
Maßnahme äußerte: Er bezeichnete die Hexerei als
ein verborgen ... laster; aus dieser Tatsache hätten sich vielfältige
Missbräuche und Ungerechtigkeiten ergeben, die ein Verbot der
Hexenprozesse nahe legten. Unter Carl Caspar sind dann wohl auch
systematisch Prozessakten von der Obrigkeit eingezogen und vernichtet
worden, um zu verhindern, dass durch Besagungslisten aus geführten
Prozessen mit zeitlicher Verzögerung wieder neue Prozesswellen
entstehen konnten.
Wie in Kurmainz und Schweden, so ist auch in Kurtrier
ein Einfluss von Friedrich Spees 1631 anonym publizierter Cautio
Criminalis, seu De processibus contra sagas liber (Mahnung zur Vorsicht
im Strafprozess, oder über die Prozesse gegen die Hexen) auf
das Ende der Hexenverfolgungen nicht eindeutig nachweisbar. Erst
ab 1652 sind Prozesse am kurfürstlichen Oberhof in Koblenz
überliefert, in denen die Verteidigung mit Hilfe der Cautio
criminalis argumentierte - hier wird allenfalls eine Veränderung
des geistigen Klimas greifbar, zu der Spees Argumente natürlich
indirekt beigetragen haben können.
Ein anderer Grund für den Rückgang der Hexenprozesse,
zumindest nach einer intensiven Verfolgungsphase, wurde um 1620,
im Rückblick auf die 1580er/90er Jahre, von Johann Linden (
nach 1627) in den Gesta Treverorum (Taten der Trierer) genannt:
die Einsicht nämlich, dass systematische Verbrennungen von
Hexen und Hexenmeistern, denen vor allem landwirtschaftliche Schäden
zugeschrieben wurden, an der wirtschaftlichen Misere nichts zu ändern
vermochten, sondern im Gegenteil durch zusätzliche Kosten und
Belastungen die Lage noch verschlimmerten. Ins kollektive
Gedächtnis' scheinen derartige Argumente jedoch nicht mit dauerhafter
Wirkung eingegangen zu sein.
3. Luxemburg
In Luxemburg, wo erste Hexenprozesse seit der Mitte
des 15. Jahrhunderts nachweisbar sind, setzte die opferreichste
Phase der Verfolgungen circa 1586 ein. Von da an sind bis 1636 in
verschiedenen Gegenden kontinuierliche Prozesswellen festzustellen;
in der Folgezeit bewirkten der Dreißigjährige Krieg und
eine Pestepidemie einen starken Rückgang der Verfahren.
Eine Besonderheit stellen die Aktivitäten des
Provinzialrates (conseil provincial) in Bezug auf die Führung
von Hexenprozessen dar. Schon früh, nämlich am 13. August
1563, verordnete der Provinzialrat in Form einer ordonnance, die
offensichtlich auf eine erste Verfolgungswelle reagierte, dass ohne
ein Rechtsgutachten (Avis, Advis) gelehrter und beim Rat zugelassener
Juristen kein weiterer Schritt (Einkerkerung, Folter) in Hexereiverfahren
eingeleitet werden dürfe. Am 22. August 1573 wurde diese Verordnung
unter Verweis auf die vorangehende erneuert, die der niederen Gerichtsbarkeit
wieder einschärfte, ohne gründliche Voruntersuchung und
Advise von Rechtsgelehrten keine Hexenprozesse zu führen.
Da sich Luxemburg im Verbund der Spanischen Niederlande
von 1556 bis 1598 unter der Herrschaft König Philipps II. befand,
erging auch dort 1570 die allgemeine königliche Kriminalordnung,
welche diverse vermutete Zaubereidelikte (sortilèges) berücksichtigte
und diese unter andere schwere sittliche Verbrechen wie Ehebruch,
Inzest oder Kindstötung einordnete. Die ordonnance des Provinzialrates
von 1573 reagierte daher wohl auch auf Hexerei- und Zaubereiverfahren,
die infolge der königlichen Kriminalordnung zugenommen hatten,
wobei Luxemburg innerhalb der Spanischen Niederlande die verfolgungsintensivste
Provinz darstellte. Die dritte Verordnung des Provinzialrates zu
Hexenprozessen fiel dann am 6. April 1591 in die Jahre der schwersten
Verfolgungen: Der in französischer und deutscher Sprache überlieferte
Rechtstext dringt sehr tief in die Mechanismen von Anklage und Verfahrensweise
ein. So werden zunächst die schweren Missstände und Exzesse
in Hexensachen angeprangert, um dann in einem ersten Artikel die
Praxis der Bildung von Anklageverschwörungen, so genannten
Monopolen, zu untersagen. In einem weiteren Artikel wird die Folteranwendung
eingeschränkt und unter juristische Kontrolle gestellt, um
Exzesse zu vermeiden. Als dritter Punkt wird die Geheimhaltungspflicht
der Namen der Beklagten vorgeschrieben. Die vierte und letzte Regelung
betrifft die Entlohnung und die Unkosten des Gerichtspersonals;
durch genaue Vorgaben sollten hier Bereicherungen und Verschwendungen
unterbunden werden. Die ordonnance von 1591 zeugt von einer großen
Scharfsichtigkeit der Luxemburger Obrigkeit in einer Zeit, in der
Hexenprozesse alltäglich waren.
Dass sie die um sich greifende Verfolgung kaum zu
bremsen vermochte, hatte zumindest zweierlei Gründe: Zum einen
übte die Bevölkerung durch die Forderung nach der Vernichtung
der vermeintlichen Hexen großen Druck aus, zum anderen erging
im September 1592 eine Verordnung Philipps II., die in keiner Weise
einen juristischen Vorbehalt äußerte, sondern vom Eifer
beseelt war, das Zaubereilaster an breiter Front zu bekämpfen.
Darin wurden sowohl die kirchliche als auch die weltliche Obrigkeit
aufgefordert, vor allen Arten von Magie, Wahrsagerei, magischer
Heilkunst und Zauberei zu warnen und diese rigoros zu verfolgen.
Im November 1595 folgte ein Schreiben des Staatsrats (conseil d'état)
in Brüssel an alle Provinzialbehörden, welches wiederum
kritisch zu den Hexenprozessen Stellung nahm und zur Vorsicht mahnte.
Im Juli 1598 präzisierte der Provinzialrat zu Luxemburg in
einem Urteil, welches auf Freispruch in einem Hexenprozess lautete,
dass alle derartigen Prozesse zur Begutachtung an den Rat zu übergeben
seien, außerdem sollte kein Advokat ohne Genehmigung des Rates
Avise zu Kriminalverfahren ausstellen. Das Urteil verwies dabei
auf die Verordnungen von 1563, 1573 und 1591. Im Oktober 1605 wurde
diese Anordnung wiederholt.
Für das Jahr 1606 ist ein Briefwechsel zwischen
dem Luxemburger Provinzialrat und der erzherzoglichen Regierung
in Brüssel überliefert: In einem Schreiben der Zentralregierung
vom 10. April 1606 wurde die Aufforderung von 1592, die Hexen unnachgiebig
zu verfolgen, wiederholt, jedoch mit der Einschränkung, dabei
die Berichtspflicht an die Obergerichte zu beachten. Der Provinzialrat
antwortete, dass es ihm in erster Linie um die Eindämmung der
Missbräuche von Hexenprozessen gehe und die Avispflicht mittlerweile
beachtet werde. Im Oktober 1606 erging dann eine Verordnung des
conseil provincial, die festlegte, dass die Wahl der Notare/Gerichtsschreiber
bei Hexenprozessen nicht den Klägern zu überlassen sei,
sondern von den Gerichten vorgenommen werden müsse. Am 13.
November 1623 wurde diese Verordnung dahingehend verschärft,
dass die in Hexenprozessen tätigen Notare nun auch dem Provinzialrat
selbst einen Eid leisten mussten. Durch diese enge Bindung an den
Rat sollten die noch immer auftretenden Missbräuche und Komplotte
verhindert werden.
Das Ende' der Verfolgungen in Luxemburg war
also auf der Ebene von Rechtssatzungen und Verordnungen bereits
zu einer Zeit vorgezeichnet, als dies in der Praxis noch keineswegs
absehbar war. Der schwierige Prozess der Durchsetzung obrigkeitlicher
Rechtsnormen in einem herrschaftlich uneinheitlichen, mit vielen
kleinadeligen Gerichtsherrschaften durchsetzten Raum verhinderte
die Realisierung einer schon früh erkennbaren Tendenz zur besseren
Verfahrenskontrolle, die letztlich eine Mäßigung in der
Hexenfrage bewirkt hätte. Hinzu kam die Diskrepanz zwischen
Provinzial- und Zentralregierung, deren Verordnungen nicht aufeinander
abgestimmt waren. Die räumliche Distanz der königlichen
beziehungsweise erzherzoglichen Verwaltung zu den Vorgängen
vor Ort verschleierte die Perspektive derart, dass nur die dem Zeitgeist
entsprechende Hexenfurcht wahrgenommen, die daraus erwachsenden
skandalösen Rechtsbrüche jedoch ignoriert wurden. Alle
diese Faktoren behinderten den fortschrittlichen Ansatz der hohen
Justiz des Landes Luxemburg. Die Tatsache, dass noch zu Beginn der
1680er Jahre Hexenprozesse nach klassischem Muster und ohne maßgeblichen
Einfluss des Provinzialrates geführt werden konnten, beweist,
dass die 1623 abreißenden Verordnungen im Laufe des 17. Jahrhunderts
wieder in Vergessenheit gerieten. Das Bestreben des Rates war jedoch
keineswegs wirkungslos geblieben: Eine Vielzahl von Appellationen
in Hexensachen beim Provinzialrat sowie einige wenige luxemburgische
Anrufungen des Großen Rates in Mecheln, des höchsten
Gerichts der Niederlande, belegen, dass zumindest eine bestimmte
Schicht von Opfern die juristischen Möglichkeiten auszuschöpfen
wusste. Waren Verfahrensfehler nachweisbar, so konnten auch Hexereiverfahren
abgebrochen, beziehungsweise Schadenersatzansprüche geltend
gemacht werden.
Wie für Lothringen so scheint auch für Luxemburg
- wenn auch mit einer zeitlichen Verzögerung von sechs Jahren
- zu gelten, dass der Dreißigjährige Krieg den Verfolgungseifer
erstickte, ohne Hexereiverfahren völlig zu unterbinden. Nach
1650 wird deutlich, dass die Hexerei fast ausschließlich als
Tatbestand der schweren Beleidigung verhandelt wurde. Dennoch wurde
noch 1675 in Arlon eine Frau als Hexe verbrannt; um 1680 entstand
in Echternach eine letzte Hexen-Hysterie, die bis 1683 auch einige
Todesopfer forderte. Seit der französischen Besetzung Luxemburgs
(1684) galt das Edikt Ludwigs XIV. von 1682, welches die Zauberei
nur noch dann mit dem Tode ahnden ließ, wenn sie nachweislich
zusammen mit einem Sakrileg verübt wurde; dieses Edikt hebelte
den alten Hexereibegriff aus und beendete die auf ihm basierenden
Hexenprozesse.
Aufgrund der Gleichzeitigkeit der Phasen intensiver
Hexenverfolgung in den drei betrachteten Großterritorien kann
man Lothringen, Kurtrier und Luxemburg trotz unterschiedlicher Herrschafts-
und Rechtssysteme doch als einen zusammenhängenden Verfolgungsraum
ansehen. Was das Ende der Hexenprozesse betrifft, zeigen sich jedoch
deutliche Unterschiede. Weit stärker als die nicht an Territorialgrenzen
Halt machenden Verfolgungswellen waren die Regelungen und Prozesse,
die zur Beendigung der Hexereiverfolgung führten, von den inneren
Strukturen der jeweiligen Länder abhängig. Hierbei kamen
der Jurisdiktion zentrale Funktionen zu, doch war sie nicht allein
bestimmend.
Allen drei Territorien ist die Zäsur, die der
Einbruch des Dreißigjährigen Krieges markiert, mit leichten
zeitlichen Verschiebungen gemeinsam. Nach dessen Ende erschwerte
der Fortgang kriegerischer Handlungen in Lothringen und Luxemburg
ein erneutes Aufflammen größerer Hexenverfolgungen. Daraus
erklärt sich auch das fehlende Interesse und die mangelnde
Durchsetzungskraft der dortigen Obrigkeiten, die Verfolgungen in
einem einmaligen Akt zu unterbinden. Erst die französische
Besatzung etablierte die hierfür nötige starke Zentralgewalt.
In Kurtrier wurde das Bemühen um ein Ende der
Verfolgungen dadurch erleichtert, dass zeitgleich mit dem neuerlichen
Ausbrechen von Hexenprozessen zu Beginn einer Erholungsphase nach
dem Dreißigjährigen Krieg ein neuer Kurfürst die
Regierung antrat. Auf die in der Vergangenheit offenbar gewordene
unruhestiftende Gefahr, die von den gemeindlich geführten Prozessen
ausging, reagierte der neue Landesherr schnell mit einem, wenn auch
inoffiziellen, Verbot. Eine Parallele hierzu findet sich in der
weiteren Region im Kurfürstentum Mainz.
Nicht zuletzt ist die Beendigung der Hexenverfolgung
immer auch eine politische Entscheidung gewesen, die aus Gründen
der Opportunität oder administrativen Unvermögens wohl
in keinem der Territorien früher hätte fallen können.
In der Tat scheint sich erst um die Mitte des 17. Jahrhunderts eine
deutlich prozesskritische Haltung bei Obrigkeit und Herrschaft verbreitet
zu haben, die bereits Friedrich Spee 1631 in dezidierter Form ausformuliert
hatte.
Auf höherer Ebene neigte der juristische Apparat
schon lange vor der Politik zu einer Eindämmung der Hexereiverfahren.
Dies entsprang weniger moralischen Bedenken angesichts der grausamen
Verfahren, als vielmehr den dem konstruierten Delikt inhärenten
Widersprüchen. Mit fortschreitender Verfahrensgenauigkeit infolge
verbesserter juristischer Ausbildung wurde die rechtliche Behandlung
eines Hexereifalles immer klarer sichtbar, trotz der Akzeptanz der
Folter als Mittel zur Wahrheitsfindung. Die Universitäten als
Ausbildungsstätten der höheren Räte und Richter waren
sicher wichtige Multiplikatoren bei der Verbreitung verstärkter
Bedenken bezüglich der Führung von Hexenprozessen. Dort
wurde die Verbindung zur italienischen Geisteswelt hergestellt,
die sowohl auf theologischer als auch weltlich-juristischer Seite
lange vor dem mitteleuropäischen Raum zu einer kritischen Haltung
gegenüber dem Hexenprozess gelangt war.
Politik und Justiz zogen zwar dort, wo es um die Brechung
von Gewohnheitsrecht durch neues, das heißt römisches
Recht ging, an einem Strang, doch taten sie dies im Kontext der
Hexereiverfolgung nie mit der nötigen Konsequenz: Zum einen
gingen Herrschaft und Judikative mindestens bis in die zweite Hälfte
des 17. Jahrhunderts trotz eines wachsenden Erklärungsbedarfs
von der Existenz der Hexerei beziehungsweise Zauberei aus, zum anderen
scheiterten gerade in Kurtrier und Luxemburg obrigkeitliche Durchsetzungsversuche
häufig an gemeindlicher beziehungsweise herrschaftlicher Selbstbehauptung.
Langfristig stärkten die schwierigen Hexereiverfahren jedoch
die landeshoheitliche Obrigkeit, da sie in besonderem Maße
der Bürokratisierung Vorschub leisteten. Die sich daraus ergebenden
Kontrollmöglichkeiten und ein größerer Informationsfluss
nach oben' bedingte letztlich die Beendigung der Hexenverfolgung
durch die jeweilige Landesherrschaft.
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