Marie-Paule Jungblut
Guy Thewes
Volker Geissler
Zur Luxemburger Ausstellung
Incubi Succubi. Hexen und ihre Henker bis heute
Luxemburg, 5.5.29.10.2000*
Musée dHistoire de la Ville de Luxembourg
Der Auftrag des Musée dHistoire de la
Ville de Luxembourg besteht sowohl in der Darstellung von lokalen
und nationalen Themen wie auch in der Sichtbarmachung der politischen,
kulturellen und gesellschaftlichen Verflechtungen der Stadt mit
ihrem näheren und weiteren, grenzüberschreitenden Umfeld,
zu dem das heutige Lothringen, die Province de Luxembourg (Belgien),
die Eifel sowie das Trierer Land gehören.
Zur Jahrtausendwende hat sich das Musée dHistoire
de la Ville de Luxembourg einem Thema gewidmet, das von der beginnenden
Neuzeit bis heute immer wieder die Menschen bewegt hat: die Hexenverfolgung
als Beispiel für den gewaltsamen Umgang mit Außenseitern.
Das Gebiet des früheren Herzogtums Luxemburg, Lothringens,
Kurtriers und der Eifel gehörte im 16. und 17. Jahrhundert
zu einem Kerngebiet der Hexenjagd.
Es kam uns entgegen, dass unter der Leitung von Professor
Dr. Franz Irsigler und Professor Dr. Gunther Franz an der Universität
Trier seit 1997 ein Forschungsprojekt Zauberei- und Hexenprozesse
im Maas-Rhein-Mosel-Raum durchgeführt wird und der Forschungskreis
bereit war, mit uns zusammenzuarbeiten.
Erfolgsfilme wie The Blair Witch Project, zahlreiche
Homepages, die man im Internet unter dem Stichwort witch
findet und eine fast ausufernde Esoterik-Bewegung außerdem
waren ein Zeichen, dass das Thema im Moment ein breites Interesse
in der Öffentlichkeit findet.
Während die meisten früheren Ausstellungen
die detaillierte Dokumentation historischer Ereignisse in den Vordergrund
stellten, will unsere Ausstellung am Beispiel regionaler historischer
Hexenverfolgungen den Besucher an das Unfassbare eines Phänomens
heranführen, bei dem es um das Ausrotten des Bösen geht.
Der Betrachter soll das Klima von Angst, von Bedrohung und starrer
Welt reflektieren. Er soll auf ausgeklügelte Foltermethoden,
auf gesellschaftliche Überschreitungsrituale, auf Ausmerzen
durch Brennen aufmerksam gemacht werden, aber auch die Auswegmöglichkeiten,
die Aufklärung und Fortschritt aus dem Teufelskreis von Angst,
Fanatismus und Gewalt bieten, sollen ihm gezeigt werden. Er soll
über die noch immer existierende Form der radikalen Ausrottung
nachdenken, in der das Ausmerzen des Bösen das
Böse ist. Damit er diesen, für manche Menschen schwer
zu begreifenden Vorgang von Hexenjagd nicht als Kuriosum der Geschichte
abtut, erinnern wir mit Bezügen zu vergleichbaren Strukturen
aus jüngster Vergangenheit, dass das Thema immer noch akut
ist.
Aber auch andere Hexen werden ihm begegnen, wie Hollywood-Filmhexen
oder weise und kräuterkundige Frauen, Emanzen, Esoteriker und
Märchenhexen. Incubi Succubi. Hexen und ihre Henker bis heute
ist keine Ausstellung, die die historische Hexenverfolgung umfassend
darlegen will. Das kann man mit einer Ausstellung auch gar nicht.
Aber man kann hinweisen auf Strukturen historischer Vorgänge
und kollektiver Phantasien, und man kann damit den Besucher anregen,
sein Verhältnis zum Phänomen der Außenseiterverfolgung
und des Umgangs mit der Gewalt zu reflektieren. Im Schillerschen
Sinne erzeugt eine solche Auseinandersetzung Vergnügen.
Die Aussage eines Angeklagten von 1590, die Macht
der Hexen könne nur durch Beten, Glockenläuten und Brennen
gebrochen werden, führte zu einer thematischen Dreiteilung,
die räumlich auf die drei Stockwerke, die uns zur Verfügung
standen, übertragen werden konnte.
Auf der Etage des Betens steht die starre, geregelte
Welt, die scheinbare Idylle, hinter der das Böse wartend lauert,
im Mittelpunkt.
Auf der Etage des Läutens dringt das Böse
durch die Angst vor Schicksalsschlägen, durch verhexte Gegenstände,
durch unter der Folter herausgepresste Geständnisse, über
Phantasien gewaltsam in die Idylle hinein.
Die obere Etage beschäftigt sich mit dem Brennen, mit dem Ausmerzen
des Bösen.
Zur Erinnerung an historische Vorgänge stellen
wir Relikte aus der Zeit aus: Originale wie Folterstuhl, Daumenschraube,
Scheiterhaufen, aber auch dämonologische Bücher, Amulette
zur Abwehr von Schadenzauber, verhexte Gegenstände, Heilige
zum Schutz gegen den von den Hexen angerichteten Schaden und ein
Hexenkleid. Es ist eine bittere Ironie des Schicksals, dass dieses
Kleid uns bis heute erhalten blieb. Denn seine Trägerin wurde
ausnahmsweise einmal nicht verbrannt, sie kam zu Tode, indem ihr
der Kopf abgeschlagen wurde.
Zur Veranschaulichung historischer Phantasien zeigen
wir Kunst: Gemälde aus der Zeit Hexen, Unheimlichkeiten,
das Finstere, das Enge, die Überschreitung. Seit dem 16. Jahrhundert
ist das Motiv der Hexe und des Hexensabbats in der europäischen
Kunst weit verbreitet. In der Ausstellung verkörpert die Kunstebene,
die in Skulpturen, Ölgemälden, Zeichnungen und Graphiken
aus international renommierten Sammlungen, aber auch in anderen
Kunstwerken ihren Ausdruck findet, unter anderem Projektionen männlicher
Phantasien von weiblichen Hexen.
Mit weiblichen Phantasien heutiger Hexenschicksale
beschäftigt sich die Luxemburger Künstlerin Nathalie Zlatnik.
Eine kleine Ausstellung innerhalb der Ausstellung zeigt, wie die
Kunstfotografie seit dem 19. Jahrhundert Hexen und das Feuer auf
Fotos bannte.
Man kann Ausschnitte aus modernen Spielfilmen anschauen, man sieht
Diaprojektionen historischer Abbildungen.
Texte: Die Ausstellung verzichtet weitgehend auf beschreibende
und erklärende Texte. Abgesehen von den Objektbeschriftungen
haben die Texte den Stellenwert von Exponaten. Es sind Zitate aus
der Literatur, aus Prozessakten, aus Erzählungen, aus Veröffentlichungen
von Historikern; es sind Märchen, Gebete und Zaubersprüche.
Die Texte kommen in vielfältiger Form vor, mal
kann man sie auf Papierfahnen lesen, mal kann man sie hören,
laut wie eine Anklage, oder aber leise wie ein Gerücht. Sie
werden gesungen. Sie sind subjektiv. Sie spiegeln Meinungen, Gedanken,
Empfindungen und Erkenntnisse unterschiedlicher Standpunkte wider.
Der Medienkünstler Peter Kiefer beseelt die Ausstellung mit
Raumklängen, die aus Musikzitaten, komponierten Elementen,
Geräuschen, Tönen und Texten bestehen und Zusammenhänge
wiedergeben, die im Bereich des Unterbewussten liegen. Über
Klangcollagen entsteht eine darstellerische Ebene, die der Besucher
über seine Emotionen rezipieren kann.
Öffentlich zugängige Außeninstallationen
auf der Corniche und in einem historischen Gefängnis, in dem
zahlreiche angeklagte Frauen ihren Verletzungen erlagen oder auf
den Tod auf dem Scheiterhaufen warteten, konfrontieren die Einheimischen
und die ausländischen Besucher mit geschichtlicher und heutiger
Hexenthematik.
Die Ausstellung ist also eine Reise in das Land der
Hexen, in dem grausame Richter und brutale Henker unmenschliche
Schauspiele aufführen. Es ist überliefert, dass die Zuschauer
beim Verbrennen einer Hexe dem Scheiterhaufen applaudierten.
* Die Einführung gibt Überlegungen
und Planungen der Luxemburger Kollegen für die Ausstellung
Incubi Succubi. Hexen und ihre Henker bis heute wieder. Um die Planungs-
und Entwicklungsgeschichte der Ausstellung für den Leser nachvollziehbarer
zu machen, wurde der Text hier in seiner Fassung vom April 2000
abgedruckt.
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