3. ,Verhexungen'
Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein (und in Rudimenten
bis in unsere Gegenwart) hat man in Europa volkstümliche magische
Praktiken - Zauber und Gegenzauber - ausgeübt. Sowohl die auf
Heilung, Schutz und Abwehr ausgerichtete, akzeptierte Magie (gute,
weiße Magie) als auch schadenstiftendes Handeln (böse,
schwarze Magie) bildeten feste Bestandteile des täglichen Lebens.
Alltagsmagischen Praktiken kam innerhalb eines fest definierten,
geregelten Systems die wichtige Funktion zu, kollektive und individuelle
Extremsituationen bewältigen zu helfen.
Sie umfassten ein Spektrum mündlich oder
schriftlich überlieferter Vorstellungen, Handlungen und Rituale.
Kraft bestimmter Praktiken glaubte man, an der Dimension des Irrationalen,
die in Beziehung zum Irdischen gesetzt wurde, teilhaben zu können.
Strukturelle und optische Ähnlichkeiten, die Lehre von Sympathie
und Antipathie sowie die Analogielehre bildeten den Ursprung dieser
Denkschemata. Es ist vor allem die Ambivalenz der Magie, ihre unheilvollen,
unkalkulierbaren und unkontrollierbaren Kräfte zum Guten, wie
zum Schaden nutzen zu können, die bis heute ihre Faszination
ausmacht. Besonders die schwarze Magie mit ihrer Affinität
zum Geheimnisvollen, zur Nacht, zum Unheimlichen und Schadenbringenden
beflügelt bis heute die Phantasie der Menschen und erzeugt
irrationale Ängste.
Historisch lassen sich die volkstümliche
Anwendung und die wissenschaftliche Erforschung der Magie voneinander
unterscheiden. Auf der einen Seite gab es die magischen Praktiken,
welche die überlieferten Heilungs-, Liebes-, Schädigungs-
und Abwehrzauber umfassten, um verändernde, heilende, helfende,
abwehrende und schützende Wirkungen zu erzielen. Zu diesem
Bereich zählt der komplexe Bann- und Abwehrzauber zur Bekämpfung
der Hexenmagie. Er bediente sich ganz ähnlicher Symbole, Praktiken
und Rituale wie die bekämpften Magieformen und ist Teil des
volksmagischen Handlungsspektrums. Auf der anderen Seite begannen
ab dem 15. und 16. Jahrhundert die gehobenen Stände und Gelehrten
in Übereinstimmung mit dem damaligen Weltbild, sich - wissenschaftlich
auf der Höhe ihrer Zeit - mit Astrologie, Alchimie und Magie
zu beschäftigen. Bis weit ins 17. und 18. Jahrhundert war es
nicht allein das ungebildete Volk, das dem irrationalen Glauben
an Hexen anhing. Ganz im Gegenteil: Die im Kampf gegen die Hexen
führenden Dämonologen, Theologen und Juristen zählten
zur geistigen Elite ihrer Zeit. Ihre Traktate systematisierten und
befestigten den Hexenglauben und trugen wesentlich zu seiner allgemeinen
Verbreitung bei. SH
Literatur: In
diesem Band: Voltmer/Irsigler, Scholer; Behringer 2000; Chmielewski-Hagius
1994; Daxelmüller 1993; Labouvie 1991, 1992
(Zum
bibliographischen Nachweis des Kataloges)
Zum
Ausstellungsraum ,Verhexungen'
Zum Inhaltsverzeichnis
vom Katalog
|