1. Bedrohte Ordnung


Eine göttliche Ordnung, in der alles verbunden war,
umfasste nach Meinung der Menschen die ganze Schöpfung.
Diese Ordnung schien zwischen 1400 und 1700 gefährdet.
Reformation und Gegenreformation
erschütterten das überlieferte Weltbild
und verstärkten die Furcht vor dem nahen Ende der Welt.
Menschen aus allen Gesellschaftsschichten betrachteten
Kriegszüge und Seuchen, Missernten und Hunger
als das Werk teuflischer Mächte.
Diese waren für die Menschen ebenso real
wie das hereinbrechende Unglück selbst.
Als Schuldige wurden Hexen von den Gerichten bestraft.

Erst im 18. Jahrhundert, dem »Zeitalter der Vernunft«,
setzte sich bei den Richtern zunehmend die Erkenntnis durch,
dass man Hexerei nicht beweisen konnte
und Hexen daher nicht gerichtlich verfolgt werden durften.

Allerdings war der Glaube an das Wirken verborgener
und dämonischer Mächte damit nicht verschwunden.
Er gehört bis heute zur alltagsmagischen Vorstellungswelt.
Vielen Menschen dient er in Krisen und Konflikten
als Erklärung und Handlungsanleitung.

Zum Einführungstext im Katalog

 


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Weil man allgemein glaubte, daß der durch viele
Jahre anhaltende Mißwachs durch Hexen und
Unholde aus teuflischem Haß verursacht werde, erhob sich das ganze Land zur Ausrottung der Hexen …

Johann Linden über die Hexenverfolgung im Trierer Land, kurz nach 1600

 

 

 

 

 

Maria lactans auf der Mondsichel
Im Mittelalter erfuhr die Muttergottes als Fürbitterin der Menschen vor Christus und als Mittlerin der göttlichen Gnade besondere Verehrung. Mehr als andere Heilige wurde sie angerufen bei Not, Unglücksfällen und Schicksalsschlägen. Die spätmittelalterliche Marienverehrung zeigt sich in verschiedenen Arten der künstlerischen Darstellung. Die stehende Marienfigur hält das Jesuskind im Arm und ist im Begriff, ihm die Brust zu geben. Dieser Typ der Maria lactans, der nährenden Mutter, verleiht der innigen Beziehung von Maria und Jesus Ausdruck. Die Mondsichel, auf der Maria steht, ist
Zeichen des apokalyptischen Weibes. Es erschien in der Offenbarung des Johannes, den Mond unter den Füßen, am Himmel und gebar den Kämpfer gegen das Böse. Das apokalyptische Weib wurde im Spätmittelalter häufig auf Maria bezogen.
Literatur: Ausst. Kat. Berlin 1999, Schreiner 1994, Warner 1982
(Zum bibliographischen Nachweis des Kataloges)

 

Will Angst uns überwinden,
O Maria hilf!
Will uns der Muth entschwinden,
O Maria hilf!
O Maria hilf uns all
Hier in diesem Jammerthal!
O heilige Himmelkönigin Maria beschütze unnd beschirme mich vor der höllischen Schlangen dern Kopff du zerknirscht hast durch deinen Sohn Jesum Christum daß der böse Feind kein Theill an mir find
Amen

Mariengebet, beim morgendlichen Anlegen der Kleider als Schutzgebet gegen teuflische Verführung zu sprechen, 17. Jahrhundert

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Votivtafel: Bewahrung vor dem Ertrinken
Die Votivtafel ist der Gottesmutter Maria gewidmet, die besonders häufig in Augenblicken großer Gefahr angerufen wurde. Motiv und erläuternder Text geben über die Notlage Auskunft. Der Status der Votivtafel, gewissermaßen als bildliche Urkunde den Gnadenerweis zu bezeugen, wird hier besonders deutlich. Der liebevoll-detaillierten Ausgestaltung vieler Votivtafeln
lassen sich wertvolle Hinweise über das ländliche Leben vergangener Jahrhunderte entnehmen.
Literatur: Warner 1982; Theopold 1978; Kriss-Rettenbeck 1972
(Zum bibliographischen Nachweis des Kataloges)

 

Auf dem Höhepunkt des Hexenwahns,
im späteren 16. und 17. Jahrhundert, spielte
die kirchliche Gerichtsbarkeit im Vergleich
zur weltlichen kaum noch eine Rolle.

Franz Irsigler: Methoden und Konzepte der
historischen Hexenforschung, 1998

 

 

 

 

 

 

Richtschwert
Richtschwerter wurden bei den öffentlichen Hinrichtungen eingesetzt und galten als Symbol der hohen Gerichtsbarkeit. Das Richtschwert trägt zur Legitimation die Buchstaben-folge IHS, das Monogramm Jesu. Es ist vermutlich zunächst aus dem griechisch geschriebenen Namen Jesu
entstanden. Seit dem 4. Jahrhundert existiert die Form ICH, die zu JHS latinisiert wurde. Volksetymologisch führt man das Monogramm auf J(esus) H(ominum) S(alvator), J(esus) H(omo) S(anctus), J(n) H(oc) S(igno) oder im Deutschen auf J(esus) H(eiland) S(eligmacher) zurück.
Literatur: Evans 2001; Schild 1997; Hansmann/ Kriss-Rettenbeck 1977
(Zum bibliographischen Nachweis des Kataloges)

 

Orthopädische Schuhe und Krücken
Im Prinzip konnte jeder nur erdenkliche Gegenstand zum Votiv werden: stark verkleinerte, realistische, plastische Nachahmungen, aber auch symbolische Stilisierungen von Menschen, einzelnen Organen und Körperteilen, oder - wie hier - tatsächlich getragene Prothesen.
Literatur: Ausst. Kat. Berlin 1999; Gockerell 1995; Harvolk 1979; Theopold 1978; Kriss-Rettenbeck 1972
(Zum bibliographischen Nachweis des Kataloges)

 

Die Stadt Marche
Anders als die Genredarstellungen, die das Idealbild einer wohlgeordneten, intakten Welt entwerfen, zeigt dieses Gemälde die alltägliche Gefährdung des Lebens. Es ist eine der wenigen Darstellungen der luxemburgischen Stadt Marche aus dem 17. Jahrhundert. Es zeigt die inmitten einer lieblichen Landschaft gelegene kleine Stadt, die vollständig von einer Stadtmauer umgeben ist. Im Vordergrund sieht man, wie ein Wanderer auf dem Weg in die Stadt unter hohen Bäumen überfallen wird.
Der Angreifer mit dem hoch erhobenen Schwert trägt ein leuchtend rotes Gewand. Durch den Rotakzent hebt sich die kleine Figurengruppe deutlich von der in gedeckten Farben gehaltenen Landschaft ab. Die Gewaltszene verleiht der sonst eher friedlichen Stimmung des Gemäldes einen bedrohlichen Ton.

 

… daher solcher Aberglaube noch bey etlichen Weibern, daß sie solch
Heydnisches Zeichen des Druyden-Fußes [Pentagramm] oben und
unten an die Wiegen mit eingelegtem Holz oder Farben machen, wider
die Hexerey, die aber für alle Christen wollen geachtet seyn, die
machen zum Häupten I.H.S., unten aber einen Stern mit fünff Zacken,
wollen also Christentum mit Belial [Teufel] vergleichen.

Johannes Prätorius: Der Drudenfuß im Volksglauben, 1666

 

 

 

 

 

 

 

 

Kaminplatte
Der Kamin gehörte zu den strategisch wichtigen Punkten eines Hauses, die man glaubte gegen das Eindringen böser Geister schützen zu müssen. Kaminplatten waren daher - wie Türen und Fensterläden - häufig mit apotropäischen (Schaden abwehrenden) Schutzsymbolen versehen.
Das auf dieser Kaminplatte dargestellte Motiv mit dem Kessel in der Bildmitte hat zur Vermutung Anlass gegeben, dass es sich um eine Hexenszene handle. Tatsächlich ist aber die Erzählung vom Satyr beim Bauern dargestellt. Am oberen Rand der Kaminplatte befinden sich Teile einer Datierung.
Literatur: Mousset 1983; Fillipetti/Trotereau 1979
(Zum bibliographischen Nachweis des Kataloges)

 

Die Kirmes von Saint-Georges
Kirchweihfeste und damit verbundene Märkte fanden ursprünglich einmal im Jahr am Patroziniumstag zu Ehren des Kirchpatrons oder der -patronin statt. In vielen Gemeinden war man jedoch dazu übergegangen, drei- oder viermal im Jahr Kirmes zu feiern. Als Margarete von Parma 1559 Statthalterin der Niederlande wurde,
schränkte sie den Brauch ein und gestattete nur noch einmal im Jahr eine Kirmes. Bruegels Zeichnung, nach welcher der hier gezeigte Kupferstich entstand, könnte mit dieser Einschränkung zusammenhängen, sympathisierte Bruegel doch möglicherweise mit den Flamen, die über die Einmischung der Regierung in ihre ländlichen Traditionen verärgert waren.
Ebenso wie Wallfahrten oder Marktbesuche trugen Kirchweihfeste dazu bei, die Angst vor den Hexen, aber auch das Wissen, mit welchen Mitteln man sie bekämpfen und vernichten konnte, in alle Dörfer und Weiler zu verbreiten. Zugleich orientierte sich die Vorstellung vom Hexensabbat in Lothringen, Luxemburg, der Eifel und dem Trierer Land an den Vergnügungen und Ausschweifungen, welche die populären ländlichen Dorffeste wie die Kirchweih prägten.
Literatur: In diesem Band: Voltmer (Abläufe), Biesel; Ausst. Kat. St. Louis 1995; Freedberg 1989
(Zum bibliographischen Nachweis des Kataloges)

 

Glückselig Hauss Creutz
Glückselig Hauss Creutze zählen zu den Schutzbriefsegen. Auf den vor allem in Süddeutschland, Böhmen und Österreich populären Briefsegen ist in der Mitte ein großes Kreuz mit Doppelbalken dargestellt, um das sich Segens- und Beschwörungsformeln und Heiligenbilder gruppieren. In die Mitte der Papierbogen wurden geweihte Gegenstände, wie Medaillen, Madonnenfigürchen, Pflanzen- und Stoffteile u. ä., eingefaltet oder auf kleinen Pechtäfelchen befestigt.
Die Schutzbriefe sollten je nach angerufenem Schutzheiligen gegen alle möglichen Arten von Unheil, vor allem aber gegen Hexerei, Pest,
Feuer und Unwetter wirken. In kleine, oft reich verzierte Stoff- oder Metallhüllen geschoben, konnte man die Briefsegen als Amulett um den Hals tragen oder in die Kleidung einnähen. Im Haus wurden die Segen u. a. an Rosenkränze gebunden, an Ehebetten gehängt oder zum Schutz für Haus und Stall eingemauert. Aus diesem Hauskreuz ist das Bildnis des Hl. Franz Xaver herausgeschnitten (gerissen) worden. Möglicherweise wurde es einem Kranken als Medizin verabreicht. Vermittelt über das Abbild sollte die Kraft des Heiligen vom Körper des Kranken aufgenommen werden.
Literatur: Franz/Hennen 1996; Mousset 1983
(Zum bibliographischen Nachweis des Kataloges)

 

Panoramaaufnahmen des Ausstellungsraums