2. Angst und Schutz


Leid, Katastrophen und unerklärliche Vorgänge
ängstigten die Menschen seit alters her.
Sie suchten eine Instanz,
die für Glück und Leid verantwortlich war.
Der Glaube an den christlichen Gott,
in dessen Hand die ganze Schöpfung liegt,
war ein Weg, der Angst zu begegnen.
Den Glauben an teuflische Mächte, Zauber und Dämonen
schloss die christliche Frömmigkeit nicht aus.

Mit Amuletten, Bann- und Abwehrzauber glaubte man,
sich gegen das unheilvolle Wirken
von Teufeln und Hexen schützen zu können.
Christlicher Glaube und magischer Volksglaube
waren Bestandteile eines Erklärungsmusters,
das den Lauf der Welt sinnvoll erscheinen ließ.
Noch heute lebt der Hexenglaube immer dann auf,
wenn Religion und Wissenschaft
an Erklärungskraft und Überzeugung verlieren.

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Bald darauf ist er gestorben, und als wir ihn auf
eine Totenbahre gelegt haben, ist schwarzes Zeug aus ihm herausgelaufen, fast zwei Kannen voll …

Aussage Peter Ludtwichs aus Detzem im Hexenprozess gegen Appolonia Werners, hingerichtet 1588

 

 

 

 

 

Pesttafel mit dem Triumph des Todes

Die Darstellung eines Totenschädels mit Lorbeerkranz und gekreuzten Oberschenkelknochen auf schwarzem Grund stammt vermutlich aus Augsburg. Dort wurden Tafeln wie diese mit dem Tod als Triumphator während der Pestjahre 1607 bis 1635 als Warnung vor der Seuche an den Häuserwänden angebracht. Hinweise auf die Herkunft aus Augsburg sind der Lorbeerkranz und die hohe Malqualität, durch die sich die Augsburger Tafeln auszeichnen.
Literatur: Ausst. Kat. Münster 1998
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Plünderung eines Bauernhofes
Callots 18 Blätter umfassende ‚Große Kriegsfolge' entstand vor dem Hintergrund des Dreißigjährigen Krieges. Er setzt sich in der Serie mit den Untaten marodierender und mordender Soldatenbanden auseinander. Die Darstellung der Plünderung eines Bauernhofes führt auf eindringliche Weise die Grausamkeiten vor Augen, die von Soldatenbanden an der Zivilbevölkerung verübt wurden. Wenngleich es Callot nicht darum ging, den Krieg generell als Verbrechen zu verurteilen, gibt er ein warnendes Beispiel, im Krieg die Disziplin zu bewahren und den Ehrenkodex nicht zu verletzen.

Der Galgenbaum
Callots Serien zum Krieg - insbesondere seine Darstellung der Grausamkeiten - übten großen Einfluss auf die nachfolgenden Künstlergenerationen bis hin zu Goya aus.
Literatur: Ausst. Kat. Berlin 1997; Ausst. Kat. Karlsruhe 1995
(Zum bibliographischen Nachweis des Kataloges)

 

Anhänger für Reliquien oder einen Schutzbriefsegen
An einer Kette getragen, sollte der Anhänger seinen Träger vor Unglück und Schadenzauber schützen. Solche Anhänger wurden vor allem Kindern um den Hals gehängt.
Literatur: Brief Isabelle Bardiès, Musée de la Cour d'Or, Metz, Dezember 2001
(Zum bibliographischen Nachweis des Kataloges)

 

 

Aber an den Halß ein Papier zu hencken, es sey nun darinn geschriben oder mit Characteren gekratzet, was man wöll, da halt ichs mit den beiden Heiligen Vättern, Johanne Chrysostomo und Augustino, daß solches bey den Unverständigen unnd Alberen eine eitele Abgötterey seye und bey denen, so es verbotten wissen, unnd gleichwol vertrawen und glauben darauff setzen, eine warhaffte Zauberey …

Jean Bodin: Vom außgelasnen wütigen Teuffelsheer, allerhand Zauberern, Hexen unnd Hexenmeistern ..., 1591

 

Sechs Schutzbriefe des Hl. Donatus vor Blitz und Unwetter
Als Wetterheiliger erfreute sich der Hl. Donatus besonders im
18. Jahrhundert großer Beliebtheit. Er sollte vor Blitz und Unwetter schützen. In der Abteikirche Neumünster in Luxemburg, aus der diese Schutzbriefe stammen, wurde eine Donatusreliquie aufbewahrt. In den Schutzbriefen, die stückweise oder als Block an die Pilger verkauft wurden, ist ausdrücklich vermerkt,

dass die Briefe die Reliquie berührt haben. Solche Schutzbriefe galten als besonders wirksam. Dem lag die Vorstellung zugrunde, dass die Kraft der Reliquie durch Berührung über den Schutzbrief auf den Träger überging.
Literatur: Franz/Hennen 1996; Mousset 1983
(Zum bibliographischen Nachweis des Kataloges)

 

Bitt für uns.
OH. Mart. Donatus
Damit wir von Blitz, Donner
und Ungewitter befreyet
werden.
Hat angerühret die Reliquien
des Heil. Donatus in der
Abbatial-Kirche Münster
zu Lutzemburg
 

 

 
Der Bürger und Bauersmann gibt die Ursach den Hexen, gerade als wenn Gott … wäre zu einem Götzen worden, in dem Himmel dichten und zu schaffen habe, oder über Feld reiset oder vielleicht schliefe und nicht auffwachen könnte. Daher entsteht das gesampte Geschrei über die Hexerei, welche ein jeder in seinen Gedanken machet. Dieser ist bald reich worden, drumb ist er ein Hexenmeister. Diese Jungfrau ist schön, darum ist sie eine Hexe. Dieser gibt viel Almosen, darum ist er ein Hexenmeister. Diese baut ihre Felder glücklicher, darum ist sie eine Hexe …

Johann Matthäus Meyfarth: Christliche Erinnerung an gewaltige Regenten und gewissenhafte Prädicankten, wie das abscheuliche Laster der Hexerey mit Ernst auszurotten, aber in Verfolgung desselbigen auf Cantzeln und in Gerichtsheusern sehr bescheidenlich zu handlen sey, 1635

 

Amulett Sanctus
Die Plakette mit der dreifachen Aufschrift Sanctus (Dreimalheilig) ist ein Beispiel für ein religiöses Amulett, das Unheil aller Art abwehren sollte. Die Zahl Drei ist im Christentum von großer Bedeutung (Dreifaltigkeit). Zugleich findet sie bei volksmagischen Praktiken vielfach Verwendung. So mussten viele Zauberformeln dreimal wiederholt werden, um ihre Schutzwirkung zu entfalten.
Literatur: Gockerell 1995; Ausst. Kat. Brüssel 1995
(Zum bibliographischen Nachweis des Kataloges)

 

 

Neidfeige
Die sogenannte Neidfeige symbolisiert mit dem zwischen Mittelfinger und Zeigefinger gesteckten Daumen den Geschlechtsakt oder die Vagina. Auf ein Gegenüber gerichtet, war sie Spott- oder Abwehrgestus. Als Amulett fand die Neidfeige im 17. Jahrhundert vor allem in Süddeutschland Anwendung gegen Verhexung und den ‚bösen Blick'. Schützende Wirkung schrieb man ihr auch gegen Unfruchtbarkeit zu, die häufig auf das Wirken von Hexen zurückgeführt wurde.
Literatur: Ausst. Kat. Brüssel 1995; Ausst. Kat. Karlsruhe 1994; Ausst. Kat. Linz 1987; Hansmann/Kriss-Rettenbeck 1977; Nemec 1976
(Zum bibliographischen Nachweis des Kataloges)

 

Almanach und Vorhersage für das Jahr 1529
Wandkalender bilden die Vorläufer der Almanachkalender. In ihnen verbindet sich der volkstümliche Natur- und Sternenglaube mit dem religiösen Volksglauben und volksmagischen Vorstellungen. Die Kalender gaben dem ländlichen, von Naturkatastrophen, Unheil und Dämonen bedrohten Alltag Ordnung
und Sicherheit und sollten damit
den bösen Mächten Einhalt gebieten. Während in den späteren Almanachen in Buchform jedem einzelnen Monat eine Seite gewidmet ist, erhält auf diesem Wandkalender jeder Monat eine Spalte. Jedem Monat ist ein Tierkreiszeichen und ein Monatsbild zugeordnet, das für die Jahreszeit typische häusliche oder ländliche Tätigkeiten zeigt. Die einzelnen Wochentage sind untereinander aufgeführt und durch die Namenstage der Heiligen sowie astrologische Informationen zum Lauf des Mondes durch das Tierkreiszeichen ergänzt. Dahinter finden sich Zeichenkürzel, die mit Hilfe einer Tabelle (oben rechts) entschlüsselt werden können. Diese Symbole zeigen an, für welche Verrichtungen der jeweilige Tag besonders geeignet war. Der ‚Aderlassmann' am rechten Kalenderrand gibt die Regeln für den Aderlass an, hingen doch der Zeitpunkt des Aderlasses und die Wahl des Körperteils vom Lauf des Mondes ab.
Literatur: Ausst. Kat. Kassel 2000; Ausst. Kat. Linz 1990
(Zum bibliographischen Nachweis des Kataloges)

 

Schwarze Madonna
Wie die Schluckbilder kann auch die Schabefigur in Madonnengestalt von einer Wallfahrt stammen. Beim Abschaben der Figur fiel feines Pulver an, das der Patient gegen eine Reihe von Krankheiten und Zuständen einnahm.

 

Der Teufel klopft wohl an, aber der Mensch ruft herein

Es ist gut wohnen, wo fromme Leute sind

Wenn der Gärtner schläft, pflanzt der Teufel Unkraut

Wat den Dag méi helleg, wat der Däiwel méi uereg as

Wat der Däiwel nët weess, dat weess eng al Fra

Jidder Hellegen séng Käerz

Mat Näid a Sträit sind d'Leit gehäit

Wie beim Wäiwaasser as, dee seent sech

 

 

Stoffpuppe mit Lederbeutel
Alltagsmagie ergibt sich aus gesellschaftlichen Lebensbedingungen, aus der Suche nach Schutz vor Krankheiten oder sozialen Problemen. Auch die österreichische ‚Wenderin' Aloisia Ötzel aus dem Gschnitztal in Tirol wird für Hilfesuchende aus der Region Ängste beschworen, für sie Segen und Gebete gesprochen haben. Die handelnde Magie, bei der sie Schicksale ‚gewendet' haben wird, entzieht sich unserem Blick. Zurück bleibt ihr Nachlass, der von einer unbekannten Person 1927 beim Schmied des Dorfes erworben und nachträglich mit
einem Inventarverzeichnis versehen wurde. Dieses überliefert und interpretiert uns die heute seltsam anmutenden Hilfsmittel als „magische Wundermittel und merkwürdige Arzneien welche Sie zum Wenden für magische Kuren und zum Schadenzauber benützt haben soll”. All diese Objekte fungierten als Mittler und bilden lediglich eine Facette im magischen Kommunikationssystem zwischen Wenderin, Hilfesuchenden und gesellschaftlicher Akzeptanz von Alltagsmagie im 19. Jahrhundert.
Inwieweit die ‚Wenderin' Aloisia Ötzel ihre Fähigkeiten auch zum Nachteil oder sogar zum Schaden von Personen eingesetzt hat, ist heute nicht mit Gewissheit festzustellen. Ob ihr dabei Stoffpuppe oder Wachsfigur, in der sich Nadeleinstiche bzw. eingetriebene Nägel befinden, behilflich waren, ist spekulativ.

Literatur: Asche/Schulze 1996; Daxelmüller 1993; Göksu 1990; Zedler 8/1734
(Zum bibliographischen Nachweis des Kataloges)

 

Schutzbrief gegen nächtliche Einflüsse
Dieser Schutzbrief ist ein Beleg dafür, dass das Amulettbrauchtum bis weit ins 20. Jahrhundert fortbesteht. Der Brief war ursprünglich in Dreiecksform gefaltet und konnte an einem Bändchen (nicht erhalten) um den Hals getragen werden. Das mondähnliche Zeichen sollte möglicherweise vor nächtlichen Geistern und Gefahren schützen.
Die übrigen Zeichen bleiben rätselhaft und sollten es vielleicht auch sein, um geheimnisvoll und magisch zu wirken.
Literatur: Ausst. Kat. Karlsruhe 1994; Hansmann/Kriss-Rettenbeck 1977; Brief G. Altenkirch, Gersheim, 28.06.2001
(Zum bibliographischen Nachweis des Kataloges)

 

 

 

Aber, die Leute glaubten an Geister, die abends noch durch die Türen kamen … Doch sie mußten ein Loch haben, um in die Wohnung zu kommen … Deshalb verschloß man am Abend die Türen nach außen. Viele Leute verschlossen auch Zimmertüren oder sie steckten geweihtes Wachs in die Türen …

Frau G. aus Merzig, 23.11.1976

 

Bei uns in Lothringen ist der Aberglaube noch groß in
Mode … Aber viele Leute, die heute schon ein Waschbecken mit Syphon haben, machen noch abends den Stöpsel drauf. Früher haben die Leute den Spüllappen genommen und um ein Stück rundes Stöpselholz gewickelt und in den Spülstein gesteckt. Da sollten dann keine Geister durch das Loch kommen.

Herr W., 23.02.1978

 

Panoramaaufnahmen des Ausstellungsraums