2. Angst und Schutz
Die Ängste des Menschen und sein Wunsch,
Einfluss auf das Schicksal nehmen zu können, haben seit alters
her magische Praktiken und Vorstellungen sowie den Glauben an teuflische
Mächte, Zauber und Dämonen begünstigt. Das zu allen
Zeiten, in allen Kulturen verbreitete Bestreben, für individuelles
und kollektives Unglück bestimmte Schuldige zu finden, sie
zu dämonisieren und zu bestrafen, fand Eingang in den Hexenglauben.
Die angeblich durch Hexen verursachten' Wetter- und Schadenzauber
boten plausible Erklärungen für real existierende Bedrohungen.
Indem die Krisen als Werke des Teufels und seiner Handlanger, der
Hexen, interpretiert wurden, verloren sie den Status von Schicksalsschlägen,
denen sich der Mensch hilflos ausgesetzt fand. Der Glaube an die
Effektivität von Hexerei und Zauberei schloss zugleich die
Illusion ein, sich vor dem Bösen schützen und schließlich
sogar von ihm befreien zu können. Mit Amuletten, volksmagischen
und religiösen Bann- und Abwehrzaubern suchte man, das boshafte
Wirken von Hexen und Dämonen unter Kontrolle zu halten. Manche
Historiker betonen in diesem Zusammenhang, dass die Zahl der Hexenverfolgungen
womöglich noch höher gewesen wäre, wenn nicht die
Volksmagie mit ihrem Gegenzauber den vermuteten Schadenzauber der
Hexen hätte begrenzen oder sogar rückgängig machen
können.
Es wäre indes verfehlt, den magischen Volksglauben
als eigene Weltauffassung zu betrachten. Vielmehr stellte er neben
und mit der christlichen Weltsicht Erklärungsmuster bereit,
um der als stets bedroht empfundenen menschlichen Existenz und den
unlösbaren, immer aktuellen Fragen nach den Ursachen von Leid
und Unglück in der Welt zu begegnen, das alltägliche Leben
zu deuten, aber auch es zu beeinflussen. Damit berührt der
Glaube an zauberische Kräfte, Hexen und Dämonen elementare
Funktionsbereiche von Religion und Wissenschaft. Es ist daher kein
Zufall, dass der Hexenglaube bis heute immer dann auflebt, wenn
Religion und Wissenschaft an Orientierungskraft verlieren. SH
Literatur: In
diesem Band: Voltmer (Abläufe), Dies./Irsigler; Lanzinner 2001;
Schormann 2001; Behringer 2000; Briggs 1998; Chmielewski-Hagius
1994; Labouvie 1991; Daxelmüller 1993
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