7. Phantasien

Vom Ende des 15. bis weit ins 18. Jahrhundert
war die Hexenverfolgung in Europa legal.
Hexerei war ein offizielles Strafdelikt.
»Schwarze Magie« gewann in Kunst und Literatur großen Einfluss,
der bis weit ins 20. Jahrhundert andauerte.
Besonders die Bildende Kunst nahm sich des Stoffes an,
der mit der Ausgestaltung von Hexensabbat, Hexenflug
und Dämonen der Einbildungskraft reichlich Nahrung bot.

Sowohl Darstellungen in der Malerei
als auch Illustrationen von Traktaten und Flugblättern
des 16. und 17. Jahrhunderts haben die Vorstellung
vom Hexenwesen und Teufelskult wesentlich geprägt.
Beide Darstellungstypen beeinflussten sich gegenseitig
und sind Teil des Hexerei-Diskurses ihrer Zeit.
Sie geben Aufschluss über Ängste und Phantasien
und einen Zugang zu Vorstellungen von damals.
Den Darstellungen selbst ist oft nicht zu entnehmen,
ob sie dem Hexenglauben folgen oder ihn kritisieren.

Die bildlichen Darstellungen veranschaulichen,
dass seit dem 15. Jahrhundert und in der Neuzeit
vor allem Frauen der Hexerei verdächtigt wurden.
Insbesondere die Lüsternheit der Hexe regte die Künstler
zu erotischen Phantasien und Schilderungen an.
Im 19. und 20. Jahrhundert lösten sich die Darstellungen
vom überkommenen Hexereibegriff der Hexenliteratur.
Hexerei galt nun als positiv besetzter Gegenentwurf
zur bürgerlichen Welt und meint das Triebhafte und Wilde,
das nicht selten mit der Natur gleichgesetzt wird.

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Sabbatszene
Der flämische Künstler David Teniers d. J. hat mehrfach Hexenszenen dargestellt. Sie zählen zu seinen bekannteren Werken und wurden im 18. Jahrhundert vielfach kopiert und nachgestochen. Vor einem hohen Kamin sitzen links an einem Tisch ein Mann und eine Frau.
Ihre kostbare Kleidung weist sie als Mitglieder der höheren Gesellschaft aus. Um sie herum treiben auf dem Boden und in der Luft unheimliche Dämonen ihr Unwesen. Ganz rechts gibt eine Tür den Blick auf einen nächtlichen Hexensabbat frei. Vor dem Kamin haben sich mehrere Hexen versammelt. Eine Hexe mit magisch gesträubtem Haar rührt in einem Kessel. Eine kniende Frau reibt einer nackten, junge Hexe den Rücken mit Flugsalbe ein, während eine weitere auf ihrem Besen durch den Kamin entschwindet. Die Szene vor dem Kamin hat Teniers in Abwandlungen mehrfach in seinen Bildern verwendet.
Literatur: Klinge 1991; Davidson 1988
(Zum bibliographischen Nachweis des Kataloges)

 

 

 

Besonders stellten wir den noch nicht getauften Kindern
nach, aber auch den getauften, besonders wenn sie nicht
mit dem Zeichen des Kreuzes oder durch Gebete
geschützt werden. Diese töten wir, wenn sie in der Wiege
oder an der Seite der Eltern liegen, durch unsere
Zeremonien; und während man glaubt, daß sie erdrückt
oder sonst aus einem Grund gestorben sind, stehlen wir
sie heimlich aus der Gruft und kochen sie in einem Kessel,
bis nach Ausscheidung der Knochen das ganze Fleisch
fast trinkbar flüssig wird. Aus der festen Masse machen
wir Salben, um unsere Wünsche, Künste und Fahrten
bequem ausführen zu können, die flüssige Masse aber
füllen wir in eine bauchige Flasche; wer hiervon unter
Hinzufügen etlicher Zeremonien trinkt, wird sofort
Mitwisser und Meister unserer Sekte.

Heinrich Kramer (Institoris): Der Hexenhammer, 1486

 

 

Aufbruch zum Sabbat
Die Hexenszenen Teniers' sind beeinflusst von Frans Franckens Hexenversammlung und halten sich ikonographisch eng an die Literatur seiner Zeit, die er vermutlich kannte. In Aufbruch zum Sabbat sind, wie fast immer in den Hexenbildern Teniers', mehrere Szenen zusammengefasst. Im Vordergrund sitzt eine alte Hexe mit Dämonen an einem Tisch und rührt in einem Gefäß vermutlich die Flugsalbe zusammen. Rechts von ihr am Boden ist ein magischer Zirkel aufgebaut, der u. a. aus einem Schädel, einem Messer, mehreren Spielkarten, darunter einem
Ass, und einem Stundenglas besteht. Im Hintergrund reibt eine von Dämonen umgebene Hexe einer nackten jungen Frau, deren kunstvolle Frisur sie als Dame der höheren Gesellschaft ausweist, den Rücken mit Flugsalbe ein, während eine weitere bockfüßige Hexe auf ihrem Besen durch den Schornstein entschwindet.
David Teniers d. J. ist einer der wenigen flämischen Künstler, von dem mehrere Hexenszenen bekannt sind. Zahlreiche Kopien und Nachfolgearbeiten, die im 18. Jahrhundert den französischen Markt überschwemmten, zeugen von seiner Beliebtheit. Diese und die folgende Hexenszene galten im Paris des 18. Jahrhunderts als Teniers' einfallsreichste Kompositionen überhaupt. Das Original zu Aufbruch zum Sabbat befand sich zusammen mit einer weiteren Hexenszene, die Teniers zugeschrieben wurde, in einer der schönsten Pariser Sammlungen niederländischer Malerei. Claude Alexandre de Villeneuve Comte de Vence hatte sie in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zusammengetragen. Der Comte verfolgte das ehrgeizige Projekt, seine Sammlung einem breiteren Publikum bekannt zu machen, und ließ die Gemälde von den bekanntesten Graphikern seiner Zeit systematisch reproduzieren. Unter den nicht ganz zutreffenden Titeln Abflug zum Sabbat und Ankunft beim Sabbat, die den eigentlich nicht zusammengehörenden Gemälden Pendantcharakter verleihen sollten, wurden sie von Jacques Aliamet (1726-1788) seitenverkehrt - wie es üblich war - in Kupfer gestochen. Die beiden vorliegenden, ebenfalls seitenverkehrten Kopien in Öl entstanden daher nach den Stichen Aliamets und nicht nach dem Original.
Literatur: Klinge 1999; McAllister Johnson 1991; Atwater 1988; Davidson 1988; Slgs. Kat. Karlsruhe 1966
(Zum bibliographischen Nachweis des Kataloges)

 

Hexenszene
Das Gemälde geht auf eine David Teniers d. J. zugeschriebene Hexenszene zurück, die sich unter dem Titel Ankunft beim Sabbat in der Pariser Sammlung des Comte de Vence befand. Thema dieses Gemäldes ist jedoch keine Ankunft beim Hexensabbat. Dargestellt ist vielmehr die nächtliche Suche nach Zauberkräutern, Wurzeln und Leichenteilen, die man für die Herstellung von Zaubertränken und Flugsalben benötigte. Hexen graben, umgeben von Dämonen, unter einem Galgen nach den angeblich menschenähnlich geformten Alraunwurzeln oder Mandragoren, denen man große Zauberwirkung zuschrieb.
Man glaubte, sie entstünden aus dem Harn oder Sperma, das ein Gehängter im Augenblick des Todes ausschied. Ein kleines, bereits ausgegrabenes Wurzelmännchen steht neben der Laterne am Fuße des Galgens, während die Hexe mit der Fackel in der Hand Kräuter in ihrer Schürze sammelt.
Wie bei Aufbruch zum Sabbat (s.o.) geht die vorliegende seitenverkehrte Kopie auf den seitenverkehrten Kupferstich Jacques Aliamets zurück. Auf Aliamets Stich und dem ihm nachfolgenden Gemälde ist im Unterschied zum Ausgangsbild in der Sammlung des Comte Ankunft beim Sabbat, das Beine und Füße eines Erhängten zeigt, nur noch das Fragment eines Galgens dargestellt; der Erhängte fehlt ganz. Der Galgen ist nicht mehr eindeutig als solcher zu erkennen. Möglicherweise wollte Aliamet durch die Veränderungen dem Publikum den grausigen Anblick des baumelnden Erhängten ersparen. Vielleicht wollte er aber auch die Szene inhaltlich offener gestalten, um dem vermutlich vom Comte selbst verliehenen Titel Ankunft beim Sabbat eher zu entsprechen.
Literatur: Klinge 1999; McAllister Johnson 1991; Atwater 1988; Davidson 1988; Slgs. Kat. Karlsruhe 1966
(Zum bibliographischen Nachweis des Kataloges)

 

Daher glaub ich, sey entstanden, daß die Alten die
Zäuberin unnd Unholden Foetentes, Stinckböck unnd
Stanckhämmel … genant haben: Wegen jhres garstigen
und unflätigen gestancks: Welcher … herkompt von der
schandlichen geylen Vermischung und Rammelung mit
den Teuffelen …

Jean Bodin: Vom außgelasnen wütigen Teuffelsheer,
allerhand Zauberern, Hexen unnd Hexenmeistern ..., 1591

 

Hexen
Die Zeichnung Hexen des Schweizer Malers und Zeichners Hans Franck lehnt sich thematisch und technisch eng an Darstellungen von Hans Baldung Grien (1484/85-1545) an, einem Schüler Albrecht Dürers (1471-1528). Wie Dürer und Baldung Grien nutzt Franck das Hexenthema, um dem Betrachter weibliche Akte in erotischen Posen vorzuführen. Die verschiedenen Requisiten, wie Ziegenbock, Schädel, Hut, Puderquaste, Ofengabeln,
dampfendes irdenes Gefäß, wie auch die Darstellung der berauscht zu Boden gesunkenen jüngeren Hexen hat Franck aus verschiedenen Werken Baldung Griens übernommen.
Literatur: Ausst. Kat. Berlin 1967
(Zum bibliographischen Nachweis des Kataloges)

 

Hexe in Mallegem
Die Zaubergläubigkeit der Menschen wurde von Geschäftemachern und Betrügern auf den Jahrmärkten ausgenutzt. Sie verblüfften ihre Zuschauer durch allerlei Kunststücke, führten Operationen durch, sagten die Zukunft voraus, verkauften wunderwirksame Elixiere und zauberkräftige Gegenstände.
Dämonologen wie Martin Del Rio (1551-1608) vermuteten, dass hinter dem Schleier der Gaukelkunst die echte teuflische Magie verborgen sei. Rechts von der Mitte des Bildes ist eine als Hexe bezeichnete Frau zu sehen, die auf einem Jahrmarkt eine fingierte Operation durchführt. Dargestellt ist hier das ‚Steinschneiden', ein Motiv, das schon seit dem 15. Jahrhundert in der Malerei, z.B. bei Hieronymus Bosch (um 1450-1516), vorkommt. „Einen Stein im Kopf haben”, bedeutete soviel wie dumm oder nicht ganz bei Trost sein. Das Thema war beliebt, weil es die menschliche Dummheit vor Augen führte. So ist Bruegels Darstellung als Allegorie auf die Dummheit zu verstehen, wie der Name der Stadt „Mallegem” (Stadt der Dummköpfe) nahe legt.
Literatur: Freedberg 1989
(Zum bibliographischen Nachweis des Kataloges)

 

Nohubo remedio (Nichts zu machen)
Während der Hexenglaube sich in Spanien entgegen landläufigen Vorstellungen kaum hatte durchsetzen können, fielen – auch noch zur Zeit Goyas – zahlreiche Intellektuelle und vorgebliche Ketzer der Inquisition zum Opfer. Wenngleich die letzte Ketzerverbrennung 1781 in Sevilla erfolgte, gab es danach in vielen Städten Spaniens weiterhin das öffentliche Schauspiel des Auto-da-fé (Ketzergericht). Prozess und Strafe waren in hohem Maße entehrend. Die Verurteilten mussten im Schandkleid und mit einer Büßermütze ihren ‚Irrlehren' abschwören.
Der Kopf der verurteilten Frau
ist durch eine
Stange fixiert und so den Blicken der Schaulustigen preisgegeben. Ihre entblößten Schultern könnten ein Hinweis auf die anstehende öffentliche Auspeitschung sein. In einem zeitgenössischen, möglicherweise von Goya selbst verfassten Kommentar heißt es dazu: „Diese heilige Frau verfolgen sie bis in den Tod! [...] Niemand kann jemanden beschämen, der nichts hat, dessen er sich schämen muss.”
Literatur: Ausst. Kat. Luxemburg 1991; Davidson 1988; Ausst. Kat. Karlsruhe 1977
(Zum bibliographischen Nachweis des Kataloges)

 

Allá vá eso (Dort fliegt's)
Im Kommentar zu dem Blatt ist von einer Hexe die Rede, die auf dem hinkenden Teufel reitet, über den alle spotten, der sich manchmal jedoch als ganz nützlich erweist. Hexe und Teufel fliegen mit Hilfe riesiger Fledermausflügel durch die Luft. Eine Schlange windet sich um das besenartige Fluggerät, während sich eine Katze mit gesträubtem Fell an ihr festkrallt. Goya macht sich hier über den Aberglauben des Hexenflugs und Teufelspakts lustig, während die Anspielungen ansonsten unklar bleiben.
Das Blatt hat möglicherweise den französischen Symbolisten Félicien Rops zu seiner erotischen Interpretation des Hexenflugs angeregt.
Literatur: Ausst. Kat. Luxemburg 1991; Davidson 1988; Ausst. Kat. Karlsruhe 1977
(Zum bibliographischen Nachweis des Kataloges)

 

Linda maestra! (Schöne Lehrerin!)
Thema des Blattes ist wiederum der Hexenflug (vgl. Allá vá eso (Dort fliegt's)). Eine junge und eine alte Hexe reiten nackt, in helles Mondlicht getaucht, auf einem Besen durch die Nacht. Unter ihnen glänzt silbrig eine ferne Landschaft. Auch der Uhu mit weit ausgebreiteten Schwingen unterstreicht die Assoziation der Nacht. Die stimmungsvolle Szene wird konterkariert durch den trocken-ironischen Kommentar: „Der Besen ist einer der notwendigsten Gegenstände für die Hexen, weil sie, abgesehen davon, dass sie große Straßenkehrerinnen sind, wie die
Geschichte zeigt, vielleicht den Besen in ein Maultier verwandeln und mit ihm losgehen, dass sie der Teufel hole!”
Literatur: Ausst. Kat. Luxemburg 1991; Davidson 1988; Ausst. Kat. Karlsruhe 1977
(Zum bibliographischen Nachweis des Kataloges)

 

 

Und wie er das gesagt hatte, kamen zwei große schwarze
Katzen in einem gewaltigen Sprunge herbei, setzten sich
ihm zu beiden Seiten und sahen ihn mit ihren feurigen
Augen ganz wild an. … Als er aber die zwei zur Ruhe
gebracht und sich wieder zu seinem Feuer setzen wollte,
da kamen aus allen Ecken und Enden schwarze Katzen
und schwarze Hunde an glühenden Ketten, immer mehr
und mehr, daß er sich nicht mehr bergen konnte …


Märchen von einem, der auszog das Fürchten zu
lernen, Die Märchen der Brüder Grimm, 1857

 

Man sagt, die Hexensalbe sei aus dem Fett von Kindern
hergestellt, die aus ihren Gräbern ausgegraben wurden.
Außerdem aus dem Saft von wildem Sellerie, Eisenhut und
Fünfblatt gemischt mit feinem Weizenschrot. Aber ich vermute,
daß wahrscheinlich die einschläfernden Arzneimittel dafür
verwendet werden, welche sind: Bilsenkraut, Schierling,
Alraune, Mondschatten, Tabak, Opium, Safran, Pappelblätter usw.

Francis Bacon: Sylva Sylvarum; or, a natural history, 1626

 

Alraunen

Die Alraune oder Mandragora zählt zu den Nachtschattengewächsen. Sie enthält giftige Alkaloide, die Angstzustände, Tobsucht und Schlaflosigkeit verursachen können. Obwohl die echte Mandragora nur in den Mittelmeerländern vorkommt, ist sie aufgrund ihrer pharmakologischen Eigenschaften und der ihr nachgesagten Menschenähnlichkeit ihrer rübenartigen Wurzeln eine der bekanntesten Zauberpflanzen. Im 16. und 17. Jahrhundert waren vor allem die Wurzeln begehrt, um die sich zahlreiche Legenden und Fabeln ranken. Sie gehörten zu den gesuchtesten pflanzlichen Talismanen und sollten als hochwirksame Amulette gegen bösen Zauber und bei Verwundungen aller Art helfen. In Deutschland waren neben wenigen, meist aus dem Orient importierten echten Wurzeln vorwiegend unechte Alraunwurzeln im Umlauf, mit deren Verkauf sich hohe Gewinne erzielen ließen. Meist handelte es sich um Wurzeln der Zaunrübe, der Blutwurz, des Enzians, des Wegerichs oder Knabenkrauts, denen man mit dem Schnitzmesser menschenähnliche Gestalt verliehen hatte.
Literatur: Heres 1997; Ausst. Kat. Karlsruhe 1994; Völger 1981; Marzell 1967, 1963
(Zum bibliographischen Nachweis des Kataloges)