Am 20. Januar 2002 jährt sich zum
sechzigsten Mal der Tag, an dem in einer Villa am Berliner Wannsee
die organisatorisch-technische Durchführung der "Endlösung
der Judenfrage" beraten wurde. Aus diesem Anlass zeigt das
Deutsche Historische Museum eine Ausstellung zum Holocaust, dem
nationalsozialistischen Völkermord an sechs Millionen Juden.
Neben der Darstellung dieses beispiellosen Verbrechens setzt sich
diese Ausstellung auch mit den Motiven der Erinnerung an den Holocaust
nach 1945 auseinander. Das Konzept wurde zusammen mit der Stiftung
Topographie des Terrors, der Gedenk-
und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz, dem Deutsch-Russischen
Museum Berlin-Karlshorst sowie mit der Stiftung
Brandenburgische Gedenkstätten erarbeitet.
Die Ausstellung mit
einer Gesamtfläche von rund 800 m² ist in zwei große
Bereiche untergliedert: Im ersten Teil wird die nationalsozialistische
Ausgrenzungs- und Vernichtungspolitik gegenüber Juden und anderen
Gruppen bis zum Kriegsende 1945 dargestellt, während es im
zweiten Teil vor allem um die Frage nach dem Umgang mit dem Holocaust
und den Motiven seiner Erinnerung in Deutschland nach 1945 geht.
Um die weit über Deutschland hinaus reichenden Auswirkungen
des Holocaust vor Augen zu führen, werden das Museum Auschwitz-Birkenau,
die Gedenkstätte Yad Vashem sowie das U. S. Holocaust Memorial
Museum in Washington mit ihrer Sicht auf den nationalsozialistischen
Völkermord vorgestellt. Eine einführende Multivision bietet
einen Überblick über die Thematik der gesamten Ausstellung.
Im Treppenaufgang
des Kronprinzenpalais vermittelt eine Collage von Fotografien aus
den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts einen Eindruck
von der kulturellen Vielfalt jüdischen Lebens im Europa jener
Zeit. Der erste Ausstellungsraum veranschaulicht die Emanzipation
und Assimilation der in Deutschland lebenden Juden am Beispiel ihrer
Beteiligung am Ersten Weltkrieg und betont ihre Bedeutung für
zentrale Bereiche des gesellschaftlichen Lebens trotz des sich radikalisierenden
Antisemitismus in der Weimarer Republik.
Im zweiten Raum werden
jene nationalsozialistischen Maßnahmen aufgezeigt, die im
"Dritten Reich" den Auftakt zur staatlich angeordneten
Diskriminierung, Ausgrenzung und Verfolgung von Juden und anderen
Menschen bildeten, die nicht den NS-Rassevorstellungen entsprachen.
Die Auswirkungen dieser Maßnahmen auf die jüdische Bevölkerung
und deren Ringen um Selbstbehauptung und Überleben stehen in
diesem Raum im Vordergrund.
Der dritte Raum beschäftigt
sich mit dem Angriff auf Polen, der "Euthanasie", dem
"Generalplan Ost" und den nationalsozialistischen Plänen
zur millionenfachen Vernichtung "slawischer Untermenschen"
in Osteuropa durch Hunger. Die existentielle Bedrohung jüdischer,
aber auch nichtjüdischer Menschen nach Beginn des Zweiten Weltkrieges
sowie die Einrichtung von Ghettos für die jüdische Bevölkerung
und ihre Versuche, unter diesen kaum vorstellbaren Extrembedingungen
zu überleben, sind hier die thematischen Schwerpunkte.
Die Umsetzung der
"Endlösung der Judenfrage" und ihre Konsequenzen
für die europäischen Juden stehen im Mittelpunkt des vierten
Raums. Das enthemmte Morden nach dem Überfall auf die Sowjetunion,
dem erste Vergasungen und die Massenerschießungen von Juden
durch die Einsatzgruppen folgten, zeugt von einer bis dahin für
kaum denkbar gehaltenen Bereitschaft zur Vernichtung. Unter Einbeziehung
zentraler Reichsbehörden wurde wenig später auf der Wannsee-Konferenz
die technisch-organisatorische Durchführung des geplanten Völkermords
an den europäischen Juden besprochen. Bedrückende
Bilder von Deportationen unzählbarer Menschen aus dem "Altreich"
und aus den von Deutschland besetzten Gebieten in die Vernichtungslager
führen das Leid derjenigen vor Augen, die als Juden oder als
Sinti und Roma dem nationalsozialistischen Rassenwahn und seiner
Mordmaschinerie zum Opfer fielen.
Ein von dem polnischen
Bildhauer Mieczyslaw Stobierski bereits kurz nach Kriegsende entworfenes
Modell des Krematoriums II des Lagers Auschwitz-Birkenau verdeutlicht
den Charakter der "Todesfabrik Auschwitz", die zum Synonym
für den "industriell" durchgeführten Völkermord
geworden ist. Doch auch das Leben in den Lagern sowie jüdischer
Widerstand und jüdisches Leben im Untergrund werden mit aussagekräftigen
Objekten - wie etwa den Gemälden von Felix Nussbaum - veranschaulicht.
Ausschnitte von Filmen über die Befreiung der Konzentrationslager
beenden den ersten Teil des Rundgangs.
Mit den Bildern befreiter
KZ-Häftlinge endet jedoch noch nicht die Ausstellung, denn
die Geschichte des nationalsozialistischen Völkermords reicht
weit über den 8. Mai 1945 hinaus. Deshalb ist der zweite Ausstellungsteil
der Frage nach dem Umgang mit dem Holocaust und den unterschiedlichen
Motiven seiner Erinnerung nach 1945 gewidmet. Gezeigt wird die politische,
juristische und gesellschaftliche "Vergangenheitsbewältigung"
im Nachkriegsdeutschland unter alliierter Besatzung sowie in der
DDR und der Bundesrepublik.
Während zahllose Überlebende des Holocaust
als Displaced Persons auf der Suche nach einer neuen Heimat waren,
gab es zaghafte Versuche eines Neubeginns jüdischen Lebens
in Deutschland. Gleichzeitig prägten Entnazifizierungsverfahren
und Strafprozesse das Leben von Tätern in einem gesellschaftlichen
Umfeld, das vor allem vom Wunsch nach Verdrängung gekennzeichnet
war. Der schwierige Umgang mit der Erinnerung an den Völkermord
spiegelt sich bis in die Gegenwart in kontroversen Diskussionen
und politischen Auseinandersetzungen. Die Ausstellung zeichnet die
Reflexion des Holocaust in der Bildenden Kunst, der Literatur, dem
Theater und im Film anhand ausgewählter Beispiele nach.
Ebenfalls beleuchtet
wird die Diskussion um "Wiedergutmachung" bis hin zur
aktuellen Problematik der Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern.
Doch auch der nach 1945 immer wieder hervortretende Antisemitismus
bleibt nicht ausgespart.
Der letzte Raum der
Ausstellung lenkt den Blick auf den Umgang mit dem Holocaust in
drei Ländern, deren Geschichte auf ganz unterschiedliche Weise
mit dem nationalsozialistischen Völkermord verknüpft ist.
In enger Zusammenarbeit mit dem Museum
Auschwitz-Birkenau (Polen), der Gedenkstätte
Yad Vashem (Israel) sowie mit dem U.
S. Holocaust Memorial Museum (USA) werden Entstehung und Entwicklung
sowie die Bedeutung dieser drei Institutionen für die - nicht
nur jüdische - Bevölkerung in dem jeweiligen Land vor
Augen geführt.
Der Ausstellungsrundgang
endet mit Sequenzen aus Filmen, die sich mit dem Holocaust auseinandersetzen. An interaktiven PC-Stationen können Besucher einzelne
Aspekte der Geschichte des nationalsozialistischen Völkermords
vertiefen. Ergänzt durch ein umfangreiches Begleitprogramm,
soll die für ein breites Publikum konzipierte Ausstellung nicht
nur die grausamen Konsequenzen des nationalsozialistischen Antisemitismus
und Rassismus aufzeigen, sondern sie versucht damit zugleich, zum
Abbau von Vorurteilen gegenüber Menschen fremder Kultur und
Religion oder anderer Hautfarbe beizutragen.
Weitere Informationen:
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsches Historisches Museum
Unter den Linden 2
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Tel.: +49 (0) 30 / 20304-410,411,413
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