DHM

GODE KRÄMER

Die vier Augsburger Monatsbilder.
Stilfragen, Datierungs- und Zuschreibungsprobleme

Anmerkung

Die vier mächtigen Bilder, ursprünglich zweifellos nahezu übereinstimmend in den Maßen, wirken nicht nur auf den ersten Blick einheitlich. Selbst nach längerer Beschäftigung mit ihnen, und nachdem man sich die unbestreitbaren Unterschiede in Perspektive, Räumlichkeit und Landschaftsauffassung zwischen den beiden "Sommer"-Bildern (April-Juni und Juli-September) und den beiden "Winter"-Bildern (Oktober-Dezember und Januar-März) immer wieder klar gemacht hat, überwiegt der Eindruck der Geschlossenheit, der Reihe, der Einheitlichkeit von Landschaft, Geschehen und Aussage. Das ist einerseits verständlich, da alle vier Jahreszeiten-Bilder dem gleichen Rhythmus von jeweils drei Monatsdarstellungen in ihren vertikalen Kompositionslinien unterworfen sind - wenn auch in unterschiedlicher Deutlichkeit - und darüber hinaus einen ähnlichen Bildausschnitt zeigen: eine wimmelnde Menschenmenge in Vorder- und Mittelgrund, einen sehr hoch liegenden Horizont mit einem nur schmalen Streifen Himmel darüber. Andererseits erstaunt der Eindruck von Einheitlichkeit des Gesamtzyklus, wenn man die einzelnen Bilder in ihrer Komposition, ihrer Räumlichkeit und Perspektive, ihrer malerischen Wirkung analysiert und miteinander vergleicht. Ehe die Unterschiedlichkeit beschrieben wird, sei der Grund für die in der Abbildung nicht so leicht erkennbare einheitliche Wirkung des Zyklus genannt: Die Bilder sind sehr groß, sie überragen den Betrachter bei weitem und ziehen sich in die Breite, so daß er sein Auge über die vorderen Figuren und in die Tiefe der Landschaft schweifen lassen kann und muß. Er wird durch die Größe und Weite der vor ihm ausgebreiteten Darstellung, gleich welches der Bilder er auch ansieht, in das Geschehen mit hineingezogen. Die Größe der vorderen Figuren entspräche, bedenkt man den Abstand, der nötig ist, die Bilder im Ganzen zu übersehen, der des Betrachters, wenn er ins Bild träte; und in der Darstellung verkleinern sich die Figuren nach hinten in perspektivisch nachvollziehbarer Weise, so daß sich ein Schritt ins Bild anbietet. Alle vier Gemälde sind weniger durch die hohe Qualität der Malerei, als durch ihre Inszenierung und ihre Dimensionen von großer suggestiver Kraft des Realismus. Der Betrachter nimmt direkt Teil am Geschehen: Er steht - schaut er die Bilder der Abfolge der Monate entsprechend an - vom Bankett auf und wird Teilnehmer an einem Turnier, begibt sich aufs Land und folgt den Damen und Herren beim Frühlingstreiben, besichtigt das Maienbad des Volkes, die Heuernte, die Vogeljagd, schließlich die Weinlese und das Weinkeltern, ehe er zurückkehrt in die Stadt, nach Augsburg, wo sich am Perlachplatz direkt beim Rathaus, aus dem gerade in ernster Reihe und von Stadtknechten geführt die Ratsherren strömen, auch die Metzg befand, die Fleischer Schweine schlachteten und verkauften und Händler zu Sankt Martin Gänse und andere Vögel feilboten.

Wenn selbst der heutige Betrachter, dem die Mode, die Architektur, die gesellschaftlichen Ereignisse und sogar Natur und Landwirtschaft fremd sind, von der Unmittelbarkeit der Wiedergabe fasziniert ist, wie sehr muß den damaligen Betrachter bzw. den Auftraggeber das Ergebnis befriedigt haben! Er hatte sich sozusagen seine Welt im Ablauf des Jahres in sein Schloß oder Haus geholt. Es mag sein, daß die damaligen Betrachter wie auch der Auftraggeber die uns so sehr auffallenden Unterschiede in Räumlichkeit und Perspektive gar nicht als solche registrierten, und wenn, dann nur als positives Ergebnis, als zusätzliche Vielfalt.

In der Tat sind die vier Bilder trotz der einheitlichen Grundstruktur, die eine im wesentlichen ähnliche Komposition verlangte, von großer Unterschiedlichkeit. Es genügt nicht, die beiden "Winter"-Bilder, die die Stadt, deren gesellschaftliches und politisches Leben schildern mit Hinweisen auf Augsburg, auf die herrschenden Familien und ihre Wappen, von den beiden "Sommer"-Bildern abzusetzen, die dagegen ein geschichtsloses, in der Landschaft angesiedeltes Ambiente zeigen. Sicher wirken diese beiden Gruppen besonders unterschiedlich, vor allem, da die "Winter"-Bilder ein topographisches und durch die Wappen historisches Element in die traditionellen Monatsdarstellungen bringen. Das hat in der Literatur dazu geführt, diese zwei Bilder nicht gleichzeitig mit den anderen beiden, sondern später zu datieren. Dagegen macht ein stilistischer Vergleich zwischen den zwei "Winter"-Darstellungen klar, daß sie gegenüber den anderen beiden Bildern zwar eine gewisse Fortschrittlichkeit im Thema gemeinsam haben, doch in der Raumerschließung und in der Landschaftsauffassung weniger zueinander passen als zu jeweils einem anderen Bild der "Sommer"-Gruppe. Vergleicht man z.B. das Juli-September-Bild mit dem Oktober-Dezember-Bild, so zeigt sich die gleiche perspektivische Raumerschließung, die gleiche Verkleinerung der Figuren nach hinten. Zwar erstreckt sich im Juli-September-Bild die Landschaft durchgehend bis zum Horizont der fernen Berge, die im übrigen nichts von der Phantastik der beiden anderen Landschaften zeigen, während im Oktober-Dezember-Bild der Perlachturm mit den anschließenden Gebäuden den Platz nach hinten, ganz der Realität entsprechend, abriegelt, doch ist der dahinter angegebene Ausblick in die Landschaft auf dem Juli-September-Bild in seiner Realitätsbezogenheit durchaus vergleichbar.

Die Hintergrundslandschaften dieser beiden Bilder (Juli-September und Oktober-Dezember) sind wesentlich ruhiger, natürlicher, wesentlich weniger expressiv und phantastisch als die Landschaften der beiden anderen. Entsprechend sind im anderen Bilderpaar die Bergformationen durchaus verwandt, auch wenn die fernen, zackigen Gipfel im Januar-März-Bild realistisch, fast impressionistisch gemalt sind, im April-Juni-Bild dagegen eher märchenhaft, derb, naiv. Diese beiden Darstellungen, also Januar-März und April-Juni, haben zudem eine merkwürdige Versperrung des Bildes im Räumlichen nach hinten gemeinsam. Zwar geschieht das in völlig verschiedener Weise, insofern als im Januar-März-Bild im Vordergrund, eben bis zur Raumteilung im Mittelgrund, der Versuch einer perspektivischen Raumgewinnung deutlich wird, im anderen Bild dagegen überhaupt nicht. Doch findet sich dieses stilistische Charakteristikum bei den anderen beiden Bildern in dieser Form nicht. (Über den Raumabschluß durch den Perlachturm im Oktober-Dezember-Bild wurde schon gesprochen; er hat eine grundsätzlich andere Funktion.)

Auch andere Beobachtungen zeigen die stilistische Einheitlichkeit der vier Bilder. So ist z. B. die Architektur der herrschaftlichen, städtischen und ländlichen Häuser in ihrer Derbheit und Undifferenziertheit mit den teilweise rundbogigen, teilweise einfach in die Wand geschnittenen, viereckigen, plump wirkenden Fenstern und den wenigen schmückenden Details und Gesimsen auf allen vier Bildern gleich; ebenso ihre nicht ganz stimmige perspektivische Staffelung und das in allen Bildern überdeutliche Bemühen, den Stand der Häuser auf dem Boden zu verdecken. Der oder die Maler bzw. der Entwerfer der Serie war sich augenscheinlich zu unsicher in der Konstruktion des Raumes, als daß er die Schwächen offenlegen wollte. Eine erstaunliche Ausnahme in diesem Zusammenhang ist die im Turnier-Bild (Januar-März) im Mittelgrund unorganisch an die schwere Burg rechts anschließende, leichte, spätgotische Arkadenarchitektur. Ebenfalls völlig einheitlich in allen Bildern sind die im Vordergrund am unteren Rand aufgereihten und nach hinten sich verkleinernden Figuren. Nicht nur die Mode ist in der ganzen Folge übereinstimmend - und gehört der Zeit um und nach 1530 an -, auch die untersetzte Körperlichkeit der dargestellten Personen, ihre Bewegungen, die Farben ihrer Kleidung, ihre Gesichtstypen entsprechen sich auf allen vier Bildern, wobei aber ausdrücklich auf die von den Restauratoren erkannten Unterschiede in der malerischen Realisation hingewiesen sei. Auch die Art, wie die Figuren im Raum agieren, ist die gleiche. Wie bei den bereits erwähnten Schwierigkeiten mit der Perspektive, vermeidet der Maler, soweit es geht, alle Verkürzungen: Die Figuren stehen oder sitzen frontal oder im Profil, und ihre Bewegungen werden möglichst in der Bildparallelität gezeigt. (Die Zeichnungen Jörg Breus d.Ä. beweisen dagegen ein weit größeres Können.) Besonders auffällig ist dies bei den in voller Breite im Profil dargestellten Pferden, die auf allen vier Bildern auftauchen. Nur zweimal - im Januar-März-Bild ganz rechts und im Juli-September-Bild ganz links - sind Pferde von hinten, d.h. in Verkürzung, dargestellt, und die Art, wie das geschieht, stimmt völlig überein. Das ist besonders aufschlußreich, da die beiden Bilder in räumlicher und ikonographischer Hinsicht sehr unterschiedlich wirken und im Gegensatz zu allen übrigen Darstellungen die Monate Februar und März nicht einem motivischen Vorbild der Scheibenrisse folgen. Hinzu kommt, daß der Kopf des Pferdes im Juli-September-Bild ausgesprochen ähnlich auch im Januar-März-Bild (links neben dem von hinten gezeigten Pferd) auftaucht. Auf die Landschaften und ihre stilistischen Übereinstimmungen wurde schon hingewiesen.

Bei genauer Betrachtung kann also die scheinbar einleuchtende Zweiteilung der Serie in die sich an die ikonographische Tradition anschließenden, in der Gestaltung eher volkstümlich erscheinenden und auf die Darstellung der Landschaft beschränkten "Sommer"-Bilder einerseits und die moderner wirkenden, auf die Stadt und ihre Politik und Geschichte bezogenen "Winter"-Bilder andererseits, nicht als Argument für eine unterschiedliche Entstehungszeit gebraucht werden, wie es in der Literatur, auch durch den Verfasser, geschah. Dies wird untermauert durch den Untersuchungsbefund der Restauratoren, die zwar unterschiedliche Handschriften von Malern feststellten, jedoch auch eine derartige Übereinstimmung im technischen Bildaufbau und in den verwendeten Materialien, daß nur eine gleichzeitige Entstehung in einer Werkstatt angenommen werden kann.

Aufgrund dieses Befundes der Restauratoren, den die stilistische Analyse bestätigt, ist zwar die Gleichzeitigkeit der vier Bilder sicher, doch stellt sich neben der später zu erörternden Frage nach der Entstehungszeit auch die nach dem Plan der ganzen Folge. Unzweifelhafter Ausgangspunkt waren die Scheibenrisse der Monatsdarstellungen von Jörg Breu d.Ä., nach denen Glasscheiben ausgeführt wurden. Zwar haben sich von diesen Scheiben selbst nur noch zwei Exemplare erhalten, doch beweist die Vielzahl von Kopien nach den Scheibenrissen die außerordentliche Beliebtheit der Serie. Da Heinrich Dormeier und Andrew Morrall in ihren Aufsätzen in diesem Band ausführlich die Scheibenrisse, ihre Verwendung und Vorbereitung allgemein und in Hinblick auf die vorliegenden Bilder behandelt haben und vor allem Julius Baum und Wolfgang Wegner die Zeichnungen Breus und die gezeichneten Kopien danach in aller Genauigkeit diskutieren, soll hier nur kurz und in bezug auf die angeschnittene Frage nach dem Plan für die Bilderserie darauf eingegangen werden. Der Auftraggeber bzw. der Entwerfer der Serie hielt sich in unterschiedlicher Treue an die Vorlagen. J. Baum hat die Ubernahmen und Abweichungen so kurz und präzise beschrieben, daß er hier zitiert sei: "Die Darstellungen der Monate April, Mai, Juni, Juli sind in allen Einzelheiten übernommen. Das August-Bild ist in dem Leutstetter Gemälde teilweise für den September verwendet. Oktober, November, Dezember folgen den Rissen Breus wieder genauer. Doch wird in dem Dezember-Bilde der Ratsherrenzug stärker betont." Zusätzlich zu dieser statistischen Konkordanz ist festzustellen, daß der Entwerfer der Gemälde ganz souverän mit den Vorlagen, den Scheibenrissen, umging und sich durch Hinzufügungen, Umkehrungen, Akzentverschiebungen und räumliche Veränderungen von dem kompositorischen Zwang, der in deren Rundform begründet liegt, befreite. Das wird ebenso deutlich an der Januar-Darstellung, die er seitenverkehrt übernahm, um den Ofen als eine den linken Rahmen begleitende Vertikalbetonung zu gewinnen, wie in der Verkehrung von August und September, um die Architektur als rechten Bildabschluß zu nutzen. Um eine in den Scheibenrissen natürlich nicht vorgesehene Überleitung vom Juli zum August zu schaffen, fügte er das köstliche junge Patrizierpaar - fast in der Mitte des Bildes - hinzu. Es macht Vergnügen und lohnt sich, intensiv den Unterschieden zwischen den Bildern und ihren Vorlagen nachzuspüren, lernt man auf diese Weise doch nicht nur die Bilder besser kennen, sondern auch die Intention des Malers bzw. Entwerfers. Selbst im April-Juni-Bild, das den Vorlagen am treuesten folgt, fügt er links ikonographisch interessante Figuren hinzu und verstärkt die Bedeutung des Maienbades. Im August schiebt er das im Scheibenriß etwas unlogisch vorne neben den Küfern tanzende Paar in den Hintergrund; im Oktober-Dezember-Bild nimmt er, um dem Ratsherrenzug eine größere Bedeutung zu geben, die Fleischerszenen aus der Dezember-Scheibe in die November-Darstellungen und so fort.


Diese sich in der Souveränität gegenüber den Vorlagen dokumentierende Eigenständigkeit und der Einfallsreichtum des Entwerfers beweisen sich nicht minder in der großartigen Erweiterung, die die vorgegebenen Szenen hinterfängt. Zwar liegen Landschaften und Stadtansichten bereits in den Scheibenrissen hinter den Monatsdarstellungen; doch sind sie, da diese groß im Vordergrund ausgebreitet sind, meist nur angedeutet. In den Bildern dagegen sind Landschaft und Stadtansicht in ihrer Ausbreitung und Attraktivität überwältigend. Dies zeigt sich besonders in der Augsburg-Darstellung (Oktober-Dezember-Bild). Zwar folgt das Gemälde den drei Scheibenrissen in den wichtigen Szenen, doch mit welcher Fülle an Realismus! Das in der Vorlage angedeutete alte Rathaus wird im Bildbereich des Dezember klar und groß mit dem traditionellen Erker und dem Wappen der Stadt über dem Portal gezeigt; statt des alten Perlachturmes des November-Scheibenrisses ist der neue, 1526-1529 veränderte und erhöhte, dargestellt, und als Pendant zum Rathaus und ikonographisch zur Szene passend steht links die alte Metzg, das Schlachterhaus, das der Maler im Gegensatz zu den sonst undekorierten Architekturen mit dem zweifellos damals bestehenden ornamentalen Freskenschmuck malte. Den Gipfel dieses erstaunlichen Realismus bietet der vom Rathausplatz gar nicht mögliche Ausblick auf die Anhöhen im Osten Augsburgs mit Friedberg ganz rechts, Stätzling, Wulfertshausen bis zu einer Burg ganz links, mit der vielleicht Scherneck gemeint ist.

Eine derartige topographische Treue ist außerordentlich in der Zeit, in der man die Serie ansetzen muß - "1531", wie das Februar-Bild als Datum angibt; sie ist aber nicht weniger erstaunlich innerhalb der Folge der vier Gemälde. Ist es allein die bekannte, in vielen Darstellungen überlieferte Ansicht, die den Eindruck topagraphischer Genauigkeit hinterläßt? Anders gefragt: Könnte es sein, daß das Juli-September-Bild mit seinen drei hintereinander gestaffelten Häusern, dem lieblich sich schlängelnden Flußlauf und der Bergformation im Hintergrund ebenfalls eine topographisch genau dargestellte Gegend wiedergibt? Im Gegensatz zum Oktober-Dezember-Bild, das die Motive der Scheibenrisse realistisch wiederholt, stellen die Zeichnungen für die Monate Juli-September keine dem Bild verwandten Architekturen dar. Im Gegenteil: Die in der August-Zeichnung erkennbaren Zinnenbekrönungen tauchen in dem zugehörigen Bild nicht, aber in dem des April und ähnlich in dem des November auf. Das heißt wohl, daß Jörg Breu als Erfinder der Scheibenrisse außer der Topographie Augsburgs, die er ja auch noch in der Januar-Darstellung mit dem Siegelhaus und der Ulrichskirche wiedergegeben hat, keine weitere Gegend genau beschreibt.

Das April-Juni-Bild ist am weitesten von einer realistischen Landschafts- bzw. Ortswiedergabe entfernt, während das zweite "Winter"-Bild geradezu dazu aufzufordern scheint, die Architektur des Mittelteiles und die Burg auf dem Berg im Hintergrund, die entfernt der in Kufstein ähnelt, zu identifizieren. Gelungen ist eine solche Identifikation nicht. Andererseits ist es unübersehbar, daß hier der Auftraggeber ganz entschieden in die Planung und Gestaltung eingegriffen hat. Denn erstens folgt dieses Bild mit Ausnahme des Januar, d. h. für die Monate Februar und März, auch nicht im entferntesten den Vorlagen, die im Februar die Bestellung der Felder, im März das Beschneiden der Bäume zeigen, und bricht damit aus der Serie der Monatsdarstellungen ebenso aus wie aus der thematischen Dreiteilung der Bilder - Februar und März sind durch ein Motiv, das Turnier, interpretiert. Zweitens ist darin im Mittelteil als Pendant zur Monatstafel "November" auf dem anderen "Winter"-Bild das Datum "1531" angebracht, und drittens ist dieses Bild wie keines der anderen drei auffallend uneinheitlich in der Komposition. Die Darstellungen links und rechts außen - das Gastmahl Augsburger Patrizier und die Zuschauer des Turniers -, auch die beiden mächtigen Architekturen am Rand rechts, entsprechen stilistisch völlig den übrigen drei Bildern. Der Mittelteil jedoch, d.h. die italienisch-spätgotische Arkadenarchitektur und die gegenüber den Figuren des Gastmahls merkwürdig verkleinerten Mittelgrundfiguren im Arkadenhof, fallen hier im Bild und auch gegenüber den anderen Bildern völlig heraus. Das wird besonders deutlich in dem Verhältnis des vorderen Geschehens zur Landschaft darüber, nicht dahinter. In keinem anderen der drei Bilder steht die Natur so bedrohlich, so unvereinbar, so übergangslos dem menschlichen Vergnügen in Vorder- und Mittelgrund gegenüber wie hier.

Dieses Bild unterscheidet sich also im Mittelteil so deutlich von den übrigen weitgehend einheitlich gestalteten, daß ein bewußter Eingriff wohl des Auftraggebers angenommen werden muß. Daß der Anlaß dieses Eingriffs vielleicht das dargestellte Turnier mit einem tödlichen Ausgang, auf den die Mittelgrundszene hinweist, gewesen sein könnte, läßt sich jedenfalls anhand der Jahreszahl und der - nicht zu identifizierenden - Wappen nicht beweisen.

Diese Unterschiede in der Räumlichkeit von Architektur und von Landschaft - im Mittelteil ist eine grundsätzlich andere Perspektive versucht worden - haben jedoch zu der Diskussion geführt, ob die Serie einheitlich sei und ob die "Winter"-Bilder um 1530 entstanden sein können. In diesem Zusammenhang warf Wegner die Frage auf, ob das Monogramm "HSF" auf dem Januar-März-Bild rechts auf einer Rüstung nicht als das von Hans
Friedrich Schorer, einem Augsburger Künstler des frühen 17. Jahrhunderts, zu deuten sein könnte. Der Befund der Restauratoren und eine stilistische Analyse dürften die erste Frage geklärt haben, die Frage nach der Zeit der Entstehung der Serie bleibt offen. Neben dem Argument, daß alle Details der Mode, des Turniers, der sparsamen Ornamente am Perlachturm und auch im Juli-September-Bild zur Zeit um 1530 passen, ist im Hinblick auf die Datierung zu bedenken, daß der Perlachturm ohne die Sonnenuhrbemalung von Jörg Sorg II von 1561 dargestellt ist und daß Paul von Stetten eine Kopien-Serie erwähnt, die Heinrich Vogtherr gemalt habe: "Heinrich Vogtherr war ein ziemlich bekannter Maler, doch noch bekannterer Holzschneider. Um das Jahr 1541 findet man ihn in einem Gerechtigkeitsbuche. Mit Gewißheit wüßte ich kein Gemälde von ihm anzugeben, doch möchte er wohl diejenigen großen Stücke, die in dem izigen sogenannten großen Baugarten stunden, als er noch den Fuggern gehörte, und wovon nur noch eines daselbst zu sehen ist, gemalet haben. Die Figuren, einzeln betrachtet, sind gut, an der Zusammensetzung aber und an der Perspektive möchte manches zu erinnern sein. Man sieht sie in Stahl geäzet in dem von Wilhelm Peter Zimmermann herausgegebenen Geschlechterbuch, zu welchem Burgkmair und Vogtherr die ersten Figuren gezeichnet. Dieser mag sich hernach nach Strasburg gesetzet haben, wo er ein Tierbüchlein in Holz geschnitten herausgegeben hat." Baum hat von Stettens Hinweis auf Vogtherr im Hinblick auf das eine in Augsburg verbliebene Bild des Perlachplatzes so gedeutet, daß alle vier Bilder, von denen aber nur noch eines zu sehen sei, für die Fugger-Familie kopiert worden seien. Liest man den Text von Stettens jedoch genau, so spricht er keineswegs von Kopien, die Vogtherr gemalt hätte.

Sicher ist, daß die Figuren weder auf den Berliner Bildern noch auf der einzig überlieferten Kopie den Holzschnitten, den seltenen Bildern und Zeichnungen Heinrich Vogtherrs d.Ä. stilistisch so nahe stehen, daß man die Gemälde ihm als Autor zuweisen könnte. Sicher ist jedenfalls auch, daß er sich 1531 und überhaupt in den dreißiger Jahren nicht in Augsburg aufhielt. Deswegen nahm Baum als den von Stetten angesprochenen Heinrich Vogtherr nicht den Älteren sondern dessen gleichnamigen Sohn an, der 1541 die Augsburger Malergerechtigkeit empfing. Doch bezieht sich die Erwähnung von Stettens eindeutig auf den Vater. Man wird die Frage nach dem Vogtherr, der gemeint ist, ungelöst stehen lassen müssen, doch weist der Name allein schon auf eine Entstehung der Bilder in der ersten Jahrhunderthälfte hin.

Das Bild, das von Stetten noch sah, hat sich in der Darstellung des Perlachplatzes, d.h. der Monate Oktober-Dezember, der Städtischen Kunstsammlungen erhalten. Es ist, wie Baum zu Recht schreibt, "eine kühle und dunkle Nachbildung"; interessant, da es ganz rechts noch einen größeren Teil des Giebels des alten Rathauses und einen Teil der Uhr überliefert. Auf der linken Seite zeigt diese ansonsten treue und harte Kopie eine die Ästhetik der Komposition stark vermindernde und schwer zu erklärende Veränderung: Die schöne Giebelfront der Metzg mit den diagonalen Freskenbändern ist in der Kopie öde begradigt und mit einer ebenso langweiligen horizontalen Dekoration geschmückt. Der Grund für diese Abweichung liegt - soweit sich nach überlieferten Ansichten der Metzg aus dem 16. Jahrhundert sagen läßt - nicht in einer baulichen Veränderung. Vielmehr könnte die Ursache darin liegen, daß der Kopist einen perspektivischen Fehler berichtigen wollte: Das originale Berliner Gemälde zeigt den Perlachplatz in einer völligen perspektivischen Verzerrung - das alte Rathaus stand ebenso wie sein Nachfolgebau etwa auf gleicher Höhe zum Perlachturm und ist im Gemälde ganz entschieden nach vorne gerückt dargestellt worden; es bildet nun ein Pendant zum Metzg-Gebäude, dessen Giebel- und Vorderfront aber zum Platz und damit zur Längsseite des Rathauses gekehrt war. Im Berliner Bild ist der Giebel gleichsam zweiansichtig dargestellt: bildparallel dem Unterbau folgend und zum Platz gewandt, wie das Gebäude tatsächlich stand. Der Kopist wollte an diesem Punkt wohl Klarheit schaffen und stellte deshalb die Giebelfront dem Rathaus gegenüber, womit das Dach horizontal abschließt.

Interessant ist, da man in diesem Fall eine Abfolge von den zugrunde liegenden Zeichnungen (Scheibenrissen) über das (Berliner) Gemälde, über die wiederum danach gezeichnete zur schließlich gemalten (Augsburger) Kopie nachvollziehen kann, folgende Beobachtung: Während Jörg Breu d.Ä. in den Zeichnungen durch den laternetragenden Knaben und durch Lichterkränze um die Fenster die Abendzeit und Dunkelheit deutlich macht, zu der die Ratsherren das Rathaus verlassen, geht auf dem Berliner Bild hinter dem Metzg-Giebel die Sonne goldgelb-rosafarben auf - die Ratsherren verlassen in früher Morgenstunde das Rathaus. Die (gemalte) Kopie folgt in etwa dem Original, bringt nur Schatten überall so an, als käme die Sonne von rechts, d. h. von Süden; andererseits färbt auch auf der Kopie die aufgehende Sonne den Himmel, wenngleich nicht so intensiv wie auf dem Berliner Bild.

Bis in unser Jahrhundert hat sich eine heute verschollene Zeichnung erhalten, die wohl als Nachzeichnung des Berliner Bildes und als Vorzeichnung zur Augsburger Kopie anzusetzen ist. Mit letzterer hat sie das horizontal abschließende, bildparallel dargestellte Dach gemein; daß es sich um eine Kopie handelt, machen die pauschalen aber genauen Übernahmen von Figuren, Architekturen und Landschaften deutlich. Kein Entwerfer hätte so gezeichnet. In Paris gibt es eine weitere Zeichnung sehr ähnlicher Art, die zuerst Wegner bekannt machte und als Zwischenglied zwischen Breus Scheibenrissen und den Monatsbildern publizierte. Sie ist ganz offenbar von der gleichen Hand wie die ehemals in fürstlich Waldherg-Wolfeggschem Besitz befindliche Zeichnung. Die häufig doppelt gezogenen Architekturlinien, die dunklen Figurenkonturen, die lang und flüssig gezogenen Linien sowie die merkwürdig willkürliche Lavierung verbinden die Blätter ebenso miteinander wie ihre Tendenz, sich nicht sklavisch an das Vorbild zu halten: Wie im "Winter"-Bild die Metzg verändert wird, wird im"Sommer"-Bild das architektonische Gedränge rechts vermindert, indem der Zeichner eines der drei Gebäude wegließ. Da der gleiche Zeichner zwei Bilder aus der Monatsbilder-Serie kopiert und nach einer dieser gezeichneten Kopien auch ein Bild entstand, könnte von Stetten mit seiner Nachricht von der Existenz einer ganzen Kopien-Serie recht haben. Auch wenn man den Zeichner dieser beiden Blätter nicht bestimmen kann, vor allem eine Zuschreibung an Heinrich Vogtherr nicht möglich ist, da vergleichbare Skizzen seiner Hand fehlen, so ist doch eine Entstehung der Blätter in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts sicher, was die Datierung der vier Berliner Gemälde in das Jahr 1531 unterstützt.

Seit Wegners Aufsatz herrscht darüber Einmütigkeit, daß die Gemälde in naher Beziehung zu Jörg Breu d.Ä. und seiner Werkstatt stehen. Nicht nur die Zeichnungen zu den Monatsscheiben selbst weisen auf diese Abhängigkeit hin; darüber hinaus gibt es stilistische Beziehungen zum Werk Jörg Breus d. J., die Wegner auch aufzählt. Dabei ist eine Zuschreibung der Gemälde an Breu d. Ä. oder d. J., der 1531 noch gar nicht Meister war, nicht nur aus stilistischen, sondern auch aus qualitativen Gründen auszuschließen. Es ist wegen der Größe der Bilder ohnedies kaum denkbar, daß ein Maler allein sie ausführte. Sie sind immerhin jeweils fast doppelt so groß wie die schon gewaltigen Formate des Historienbild-Zyklus für Herzog Wilhelm IV. von Bayern in München. Es ist wichtig festzustellen, daß die Bilder dieser Serie, die von einer Reihe namhafter Künstler verschiedener Regionen in Bayern ausgeführt wurden - auch die beiden Breu waren daran beteiligt -, nach der Tradition auf Holz gemalt sind, während die Monatsbilder ungewöhnlicherweise auf Leinwand ausgeführt sind. Da Jörg Breu d.Ä. mit den großen Orgelflügeln für die Fuggerkapelle bei St. Anna bereits früher Riesenformate auf Leinwand gemalt hat, ist eine weitere Verbindung zu seiner Werkstatt gegeben.

Es erscheint daher im Falle der vier Gemälde auch gar nicht sinnvoll, nach dem Maler und seiner künstlerischen Eigenart zu suchen. Die Bilder sind wie Teppiche nach einem einheitlichen Entwurf und in einer Werkstatt, aber von Malern mit unterschiedlichen Temperamenten gemalt worden. Das künstlerisch Bedeutende an der Serie ist der Entwurf. Wegner schließt seinen Aufsatz mit einem schönen Satz, der hier ebenfalls am Schlusse stehen soll, zumal sein Wunsch durch dieses Buch und die nunmehr wieder öffentliche Ausstellung der Gemälde erfüllt wurde:
"Nicht unberechtigt erscheint es wohl, wenn auf diese Bilder und ihre Problematik als auf ein bisher noch nicht genügend beachtetes Dokument der an Denkmälern so arm gewordenen Zeit des mittleren 16. Jahrhunderts in Augsburg hingewiesen wurde, das übrigens wohl auch verdienen würde, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu werden".

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