GODE
KRÄMER
Die
vier Augsburger
Monatsbilder.
Stilfragen, Datierungs-
und Zuschreibungsprobleme
Anmerkung
Die
vier mächtigen
Bilder, ursprünglich
zweifellos nahezu
übereinstimmend
in den Maßen,
wirken nicht nur
auf den ersten Blick
einheitlich. Selbst
nach längerer
Beschäftigung
mit ihnen, und nachdem
man sich die unbestreitbaren
Unterschiede in
Perspektive, Räumlichkeit
und Landschaftsauffassung
zwischen den beiden
"Sommer"-Bildern
(April-Juni
und Juli-September)
und den beiden "Winter"-Bildern
(Oktober-Dezember
und Januar-März)
immer wieder klar
gemacht hat, überwiegt
der Eindruck der
Geschlossenheit,
der Reihe, der Einheitlichkeit
von Landschaft,
Geschehen und Aussage.
Das ist einerseits
verständlich,
da alle vier Jahreszeiten-Bilder
dem gleichen Rhythmus
von jeweils drei
Monatsdarstellungen
in ihren vertikalen
Kompositionslinien
unterworfen sind
- wenn auch in unterschiedlicher
Deutlichkeit - und
darüber hinaus
einen ähnlichen
Bildausschnitt zeigen:
eine wimmelnde Menschenmenge
in Vorder- und Mittelgrund,
einen sehr hoch
liegenden Horizont
mit einem nur schmalen
Streifen Himmel
darüber. Andererseits
erstaunt der Eindruck
von Einheitlichkeit
des Gesamtzyklus,
wenn man die einzelnen
Bilder in ihrer
Komposition, ihrer
Räumlichkeit
und Perspektive,
ihrer malerischen
Wirkung analysiert
und miteinander
vergleicht. Ehe
die Unterschiedlichkeit
beschrieben wird,
sei der Grund für
die in der Abbildung
nicht so leicht
erkennbare einheitliche
Wirkung des Zyklus
genannt: Die Bilder
sind sehr groß,
sie überragen
den Betrachter bei
weitem und ziehen
sich in die Breite,
so daß er
sein Auge über
die vorderen Figuren
und in die Tiefe
der Landschaft schweifen
lassen kann und
muß. Er wird
durch die Größe
und Weite der vor
ihm ausgebreiteten
Darstellung, gleich
welches der Bilder
er auch ansieht,
in das Geschehen
mit hineingezogen.
Die Größe
der vorderen Figuren
entspräche,
bedenkt man den
Abstand, der nötig
ist, die Bilder
im Ganzen zu übersehen,
der des Betrachters,
wenn er ins Bild
träte; und
in der Darstellung
verkleinern sich
die Figuren nach
hinten in perspektivisch
nachvollziehbarer
Weise, so daß
sich ein Schritt
ins Bild anbietet.
Alle vier Gemälde
sind weniger durch
die hohe Qualität
der Malerei, als
durch ihre Inszenierung
und ihre Dimensionen
von großer
suggestiver Kraft
des Realismus. Der
Betrachter nimmt
direkt Teil am Geschehen:
Er steht - schaut
er die Bilder der
Abfolge der Monate
entsprechend an
- vom Bankett
auf und wird Teilnehmer
an einem Turnier,
begibt sich aufs
Land und folgt den
Damen und Herren
beim Frühlingstreiben,
besichtigt das Maienbad
des Volkes, die
Heuernte,
die Vogeljagd, schließlich
die Weinlese
und das Weinkeltern,
ehe er zurückkehrt
in die Stadt, nach
Augsburg, wo sich
am Perlachplatz
direkt beim Rathaus,
aus dem gerade in
ernster Reihe und
von Stadtknechten
geführt die
Ratsherren
strömen, auch
die Metzg befand,
die Fleischer Schweine
schlachteten und
verkauften und Händler
zu Sankt Martin
Gänse
und andere Vögel
feilboten.
Wenn
selbst der heutige
Betrachter, dem
die Mode, die Architektur,
die gesellschaftlichen
Ereignisse und sogar
Natur und Landwirtschaft
fremd sind, von
der Unmittelbarkeit
der Wiedergabe fasziniert
ist, wie sehr muß
den damaligen Betrachter
bzw. den Auftraggeber
das Ergebnis befriedigt
haben! Er hatte
sich sozusagen seine
Welt im Ablauf des
Jahres in sein
Schloß oder
Haus geholt. Es
mag sein, daß
die damaligen Betrachter
wie auch der Auftraggeber
die uns so sehr
auffallenden Unterschiede
in Räumlichkeit
und Perspektive
gar nicht als solche
registrierten, und
wenn, dann nur als
positives Ergebnis,
als zusätzliche
Vielfalt.
In der Tat sind
die vier Bilder
trotz der einheitlichen
Grundstruktur, die
eine im wesentlichen
ähnliche Komposition
verlangte, von großer
Unterschiedlichkeit.
Es genügt nicht,
die beiden "Winter"-Bilder,
die die Stadt, deren
gesellschaftliches
und politisches
Leben schildern
mit Hinweisen auf
Augsburg, auf die
herrschenden Familien
und ihre Wappen,
von den beiden "Sommer"-Bildern
abzusetzen, die
dagegen ein geschichtsloses,
in der Landschaft
angesiedeltes Ambiente
zeigen. Sicher wirken
diese beiden Gruppen
besonders unterschiedlich,
vor allem, da die
"Winter"-Bilder
ein topographisches
und durch die Wappen
historisches Element
in die traditionellen
Monatsdarstellungen
bringen. Das hat
in der Literatur
dazu geführt,
diese zwei Bilder
nicht gleichzeitig
mit den anderen
beiden, sondern
später zu datieren.
Dagegen macht ein
stilistischer Vergleich
zwischen den zwei
"Winter"-Darstellungen
klar, daß
sie gegenüber
den anderen beiden
Bildern zwar eine
gewisse Fortschrittlichkeit
im Thema gemeinsam
haben, doch in der
Raumerschließung
und in der Landschaftsauffassung
weniger zueinander
passen als zu jeweils
einem anderen Bild
der "Sommer"-Gruppe.
Vergleicht man z.B.
das Juli-September-Bild
mit dem Oktober-Dezember-Bild,
so zeigt sich die
gleiche perspektivische
Raumerschließung,
die gleiche Verkleinerung
der Figuren nach
hinten. Zwar erstreckt
sich im Juli-September-Bild
die Landschaft durchgehend
bis zum Horizont
der fernen Berge,
die im übrigen
nichts von der Phantastik
der beiden anderen
Landschaften zeigen,
während im
Oktober-Dezember-Bild
der Perlachturm
mit den anschließenden
Gebäuden den
Platz nach hinten,
ganz der Realität
entsprechend, abriegelt,
doch ist der dahinter
angegebene Ausblick
in die Landschaft
auf dem Juli-September-Bild
in seiner Realitätsbezogenheit
durchaus vergleichbar.
Die
Hintergrundslandschaften
dieser beiden Bilder
(Juli-September
und Oktober-Dezember)
sind wesentlich
ruhiger, natürlicher,
wesentlich weniger
expressiv und phantastisch
als die Landschaften
der beiden anderen.
Entsprechend sind
im anderen Bilderpaar
die Bergformationen
durchaus verwandt,
auch wenn die fernen,
zackigen Gipfel
im Januar-März-Bild
realistisch, fast
impressionistisch
gemalt sind, im
April-Juni-Bild
dagegen eher märchenhaft,
derb, naiv. Diese
beiden Darstellungen,
also Januar-März
und April-Juni,
haben zudem eine
merkwürdige
Versperrung des
Bildes im Räumlichen
nach hinten gemeinsam.
Zwar geschieht das
in völlig verschiedener
Weise, insofern
als im Januar-März-Bild
im Vordergrund,
eben bis zur Raumteilung
im Mittelgrund,
der Versuch einer
perspektivischen
Raumgewinnung deutlich
wird, im anderen
Bild dagegen überhaupt
nicht. Doch findet
sich dieses stilistische
Charakteristikum
bei den anderen
beiden Bildern in
dieser Form nicht.
(Über den Raumabschluß
durch den Perlachturm
im Oktober-Dezember-Bild
wurde schon gesprochen;
er hat eine grundsätzlich
andere Funktion.)
Auch
andere Beobachtungen
zeigen die stilistische
Einheitlichkeit
der vier Bilder.
So ist z. B. die
Architektur der
herrschaftlichen,
städtischen
und ländlichen
Häuser in ihrer
Derbheit und Undifferenziertheit
mit den teilweise
rundbogigen, teilweise
einfach in die Wand
geschnittenen, viereckigen,
plump wirkenden
Fenstern und den
wenigen schmückenden
Details und Gesimsen
auf allen vier Bildern
gleich; ebenso ihre
nicht ganz stimmige
perspektivische
Staffelung und das
in allen Bildern
überdeutliche
Bemühen, den
Stand der Häuser
auf dem Boden zu
verdecken. Der oder
die Maler bzw. der
Entwerfer der Serie
war sich augenscheinlich
zu unsicher in der
Konstruktion des
Raumes, als daß
er die Schwächen
offenlegen wollte.
Eine erstaunliche
Ausnahme in diesem
Zusammenhang ist
die im Turnier-Bild
(Januar-März)
im Mittelgrund unorganisch
an die schwere Burg
rechts anschließende,
leichte, spätgotische
Arkadenarchitektur.
Ebenfalls völlig
einheitlich in allen
Bildern sind die
im Vordergrund am
unteren Rand aufgereihten
und nach hinten
sich verkleinernden
Figuren. Nicht nur
die Mode ist in
der ganzen Folge
übereinstimmend
- und gehört
der Zeit um und
nach 1530 an -,
auch die untersetzte
Körperlichkeit
der dargestellten
Personen, ihre Bewegungen,
die Farben ihrer
Kleidung, ihre Gesichtstypen
entsprechen sich
auf allen vier Bildern,
wobei aber ausdrücklich
auf die von den
Restauratoren erkannten
Unterschiede in
der malerischen
Realisation hingewiesen
sei. Auch die Art,
wie die Figuren
im Raum agieren,
ist die gleiche.
Wie bei den bereits
erwähnten Schwierigkeiten
mit der Perspektive,
vermeidet der Maler,
soweit es geht,
alle Verkürzungen:
Die Figuren stehen
oder sitzen frontal
oder im Profil,
und ihre Bewegungen
werden möglichst
in der Bildparallelität
gezeigt. (Die Zeichnungen
Jörg Breus
d.Ä. beweisen
dagegen ein weit
größeres
Können.) Besonders
auffällig ist
dies bei den in
voller Breite im
Profil dargestellten
Pferden, die auf
allen vier Bildern
auftauchen. Nur
zweimal - im Januar-März-Bild
ganz rechts und
im Juli-September-Bild
ganz links - sind
Pferde
von hinten,
d.h. in Verkürzung,
dargestellt, und
die Art, wie das
geschieht, stimmt
völlig überein.
Das ist besonders
aufschlußreich,
da die beiden Bilder
in räumlicher
und ikonographischer
Hinsicht sehr unterschiedlich
wirken und im Gegensatz
zu allen übrigen
Darstellungen die
Monate Februar und
März nicht
einem motivischen
Vorbild der Scheibenrisse
folgen. Hinzu kommt,
daß der Kopf
des Pferdes im Juli-September-Bild
ausgesprochen ähnlich
auch im Januar-März-Bild
(links neben dem
von hinten gezeigten
Pferd) auftaucht.
Auf die Landschaften
und ihre stilistischen
Übereinstimmungen
wurde schon hingewiesen.
Bei genauer Betrachtung
kann also die scheinbar
einleuchtende Zweiteilung
der Serie in die
sich an die ikonographische
Tradition anschließenden,
in der Gestaltung
eher volkstümlich
erscheinenden und
auf die Darstellung
der Landschaft beschränkten
"Sommer"-Bilder
einerseits und die
moderner wirkenden,
auf die Stadt und
ihre Politik und
Geschichte bezogenen
"Winter"-Bilder
andererseits, nicht
als Argument für
eine unterschiedliche
Entstehungszeit
gebraucht werden,
wie es in der Literatur,
auch durch den Verfasser,
geschah. Dies wird
untermauert durch
den Untersuchungsbefund
der Restauratoren,
die zwar unterschiedliche
Handschriften von
Malern feststellten,
jedoch auch eine
derartige Übereinstimmung
im technischen Bildaufbau
und in den verwendeten
Materialien, daß
nur eine gleichzeitige
Entstehung in einer
Werkstatt angenommen
werden kann.
Aufgrund
dieses Befundes
der Restauratoren,
den die stilistische
Analyse bestätigt,
ist zwar die Gleichzeitigkeit
der vier Bilder
sicher, doch stellt
sich neben der später
zu erörternden
Frage nach der Entstehungszeit
auch die nach dem
Plan der ganzen
Folge. Unzweifelhafter
Ausgangspunkt waren
die Scheibenrisse
der Monatsdarstellungen
von Jörg Breu
d.Ä., nach
denen Glasscheiben
ausgeführt
wurden. Zwar haben
sich von diesen
Scheiben selbst
nur noch zwei Exemplare
erhalten, doch beweist
die Vielzahl von
Kopien nach den
Scheibenrissen die
außerordentliche
Beliebtheit der
Serie. Da Heinrich
Dormeier und
Andrew
Morrall in ihren
Aufsätzen in
diesem Band ausführlich
die Scheibenrisse,
ihre Verwendung
und Vorbereitung
allgemein und in
Hinblick auf die
vorliegenden Bilder
behandelt haben
und vor allem Julius
Baum und Wolfgang
Wegner die Zeichnungen
Breus und die gezeichneten
Kopien danach in
aller Genauigkeit
diskutieren, soll
hier nur
kurz und in bezug
auf die angeschnittene
Frage nach dem Plan
für die Bilderserie
darauf eingegangen
werden. Der Auftraggeber
bzw. der Entwerfer
der Serie hielt
sich in unterschiedlicher
Treue an die Vorlagen.
J. Baum hat die
Ubernahmen und Abweichungen
so kurz und präzise
beschrieben, daß
er hier zitiert
sei: "Die Darstellungen
der Monate April,
Mai, Juni, Juli
sind in allen Einzelheiten
übernommen.
Das August-Bild
ist in dem Leutstetter
Gemälde teilweise
für den September
verwendet. Oktober,
November, Dezember
folgen den Rissen
Breus wieder genauer.
Doch wird in dem
Dezember-Bilde der
Ratsherrenzug stärker
betont." Zusätzlich
zu dieser statistischen
Konkordanz ist festzustellen,
daß der Entwerfer
der Gemälde
ganz souverän
mit den Vorlagen,
den Scheibenrissen,
umging und sich
durch Hinzufügungen,
Umkehrungen, Akzentverschiebungen
und räumliche
Veränderungen
von dem kompositorischen
Zwang, der in deren
Rundform begründet
liegt, befreite.
Das wird ebenso
deutlich an der
Januar-Darstellung,
die er seitenverkehrt
übernahm, um
den Ofen
als eine den linken
Rahmen begleitende
Vertikalbetonung
zu gewinnen, wie
in der Verkehrung
von August und September,
um die Architektur
als rechten Bildabschluß
zu nutzen. Um
eine in den Scheibenrissen
natürlich nicht
vorgesehene Überleitung
vom Juli zum August
zu schaffen, fügte
er das köstliche
junge
Patrizierpaar
- fast in der Mitte
des Bildes - hinzu.
Es macht Vergnügen
und lohnt sich,
intensiv den Unterschieden
zwischen den Bildern
und ihren Vorlagen
nachzuspüren,
lernt man auf diese
Weise doch nicht
nur die Bilder besser
kennen, sondern
auch die Intention
des Malers bzw.
Entwerfers. Selbst
im April-Juni-Bild,
das den Vorlagen
am treuesten folgt,
fügt er links
ikonographisch interessante
Figuren hinzu und
verstärkt die
Bedeutung des Maienbades.
Im August schiebt
er das im Scheibenriß
etwas unlogisch
vorne neben den
Küfern tanzende
Paar in den
Hintergrund; im
Oktober-Dezember-Bild
nimmt er, um dem
Ratsherrenzug eine
größere
Bedeutung zu geben,
die Fleischerszenen
aus der Dezember-Scheibe
in die November-Darstellungen
und so fort.
Diese sich in der
Souveränität
gegenüber den
Vorlagen dokumentierende
Eigenständigkeit
und der Einfallsreichtum
des Entwerfers beweisen
sich nicht minder
in der großartigen
Erweiterung, die
die vorgegebenen
Szenen hinterfängt.
Zwar liegen Landschaften
und Stadtansichten
bereits in den Scheibenrissen
hinter den Monatsdarstellungen;
doch sind sie, da
diese groß
im Vordergrund ausgebreitet
sind, meist nur
angedeutet. In den
Bildern dagegen
sind Landschaft
und Stadtansicht
in ihrer Ausbreitung
und Attraktivität
überwältigend.
Dies zeigt sich
besonders in der
Augsburg-Darstellung
(Oktober-Dezember-Bild).
Zwar folgt das Gemälde
den drei Scheibenrissen
in den wichtigen
Szenen, doch mit
welcher Fülle
an Realismus! Das
in der Vorlage angedeutete
alte Rathaus wird
im Bildbereich des
Dezember klar und
groß mit dem
traditionellen Erker
und dem Wappen
der Stadt über
dem Portal gezeigt;
statt des alten
Perlachturmes des
November-Scheibenrisses
ist der neue, 1526-1529
veränderte
und erhöhte,
dargestellt, und
als Pendant zum
Rathaus und ikonographisch
zur Szene passend
steht links die
alte Metzg, das
Schlachterhaus,
das der Maler im
Gegensatz zu den
sonst undekorierten
Architekturen mit
dem zweifellos damals
bestehenden ornamentalen
Freskenschmuck malte.
Den Gipfel dieses
erstaunlichen Realismus
bietet der vom Rathausplatz
gar nicht mögliche
Ausblick auf die
Anhöhen im
Osten Augsburgs
mit Friedberg ganz
rechts, Stätzling,
Wulfertshausen bis
zu einer Burg ganz
links, mit der vielleicht
Scherneck gemeint
ist.
Eine derartige topographische
Treue ist außerordentlich
in der Zeit, in
der man die Serie
ansetzen muß
- "1531",
wie das Februar-Bild
als Datum angibt;
sie ist aber nicht
weniger erstaunlich
innerhalb der Folge
der vier Gemälde.
Ist es allein die
bekannte, in vielen
Darstellungen überlieferte
Ansicht, die den
Eindruck topagraphischer
Genauigkeit hinterläßt?
Anders gefragt:
Könnte es sein,
daß das Juli-September-Bild
mit seinen drei
hintereinander gestaffelten
Häusern, dem
lieblich sich schlängelnden
Flußlauf und
der Bergformation
im Hintergrund ebenfalls
eine topographisch
genau dargestellte
Gegend wiedergibt?
Im Gegensatz zum
Oktober-Dezember-Bild,
das die Motive der
Scheibenrisse realistisch
wiederholt, stellen
die Zeichnungen
für die Monate
Juli-September keine
dem Bild verwandten
Architekturen dar.
Im Gegenteil: Die
in der August-Zeichnung
erkennbaren Zinnenbekrönungen
tauchen in dem zugehörigen
Bild nicht, aber
in dem des April
und ähnlich
in dem des November
auf. Das heißt
wohl, daß
Jörg Breu als
Erfinder der Scheibenrisse
außer der
Topographie Augsburgs,
die er ja auch noch
in der Januar-Darstellung
mit dem Siegelhaus
und der Ulrichskirche
wiedergegeben hat,
keine weitere Gegend
genau beschreibt.
Das
April-Juni-Bild
ist am weitesten
von einer realistischen
Landschafts- bzw.
Ortswiedergabe entfernt,
während das
zweite "Winter"-Bild
geradezu dazu aufzufordern
scheint, die Architektur
des Mittelteiles
und die Burg auf
dem Berg im Hintergrund,
die entfernt der
in Kufstein ähnelt,
zu identifizieren.
Gelungen ist eine
solche Identifikation
nicht. Andererseits
ist es unübersehbar,
daß hier der
Auftraggeber ganz
entschieden in die
Planung und Gestaltung
eingegriffen hat.
Denn erstens folgt
dieses Bild mit
Ausnahme des Januar,
d. h. für die
Monate Februar und
März, auch
nicht im entferntesten
den Vorlagen, die
im Februar die Bestellung
der Felder, im März
das Beschneiden
der Bäume zeigen,
und bricht damit
aus der Serie der
Monatsdarstellungen
ebenso aus wie aus
der thematischen
Dreiteilung der
Bilder - Februar
und März sind
durch ein
Motiv, das Turnier,
interpretiert. Zweitens
ist darin im Mittelteil
als Pendant zur
Monatstafel "November"
auf dem anderen
"Winter"-Bild
das Datum "1531"
angebracht, und
drittens ist dieses
Bild wie keines
der anderen drei
auffallend uneinheitlich
in der Komposition.
Die Darstellungen
links und rechts
außen - das
Gastmahl
Augsburger Patrizier
und die Zuschauer
des Turniers -,
auch die beiden
mächtigen Architekturen
am Rand rechts,
entsprechen stilistisch
völlig den
übrigen drei
Bildern. Der Mittelteil
jedoch, d.h. die
italienisch-spätgotische
Arkadenarchitektur
und die gegenüber
den Figuren des
Gastmahls merkwürdig
verkleinerten Mittelgrundfiguren
im Arkadenhof, fallen
hier im Bild und
auch gegenüber
den anderen Bildern
völlig heraus.
Das wird besonders
deutlich in dem
Verhältnis
des vorderen Geschehens
zur Landschaft darüber,
nicht dahinter.
In keinem anderen
der drei Bilder
steht die Natur
so bedrohlich, so
unvereinbar, so
übergangslos
dem menschlichen
Vergnügen in
Vorder- und Mittelgrund
gegenüber wie
hier.
Dieses Bild unterscheidet
sich also im Mittelteil
so deutlich von
den übrigen
weitgehend einheitlich
gestalteten, daß
ein bewußter
Eingriff wohl des
Auftraggebers angenommen
werden muß.
Daß der Anlaß
dieses Eingriffs
vielleicht das dargestellte
Turnier mit einem
tödlichen Ausgang,
auf den die Mittelgrundszene
hinweist, gewesen
sein könnte,
läßt
sich jedenfalls
anhand der Jahreszahl
und der - nicht
zu identifizierenden
- Wappen
nicht beweisen.
Diese Unterschiede
in der Räumlichkeit
von Architektur
und von Landschaft
- im Mittelteil
ist eine grundsätzlich
andere Perspektive
versucht worden
- haben jedoch zu
der Diskussion geführt,
ob die Serie einheitlich
sei und ob die "Winter"-Bilder
um 1530 entstanden
sein können.
In diesem Zusammenhang
warf Wegner die
Frage auf, ob das
Monogramm
"HSF"
auf dem Januar-März-Bild
rechts auf einer
Rüstung nicht
als das von Hans
Friedrich Schorer,
einem Augsburger
Künstler des
frühen 17.
Jahrhunderts, zu
deuten sein könnte.
Der Befund der Restauratoren
und eine stilistische
Analyse dürften
die erste Frage
geklärt haben,
die Frage nach der
Zeit der Entstehung
der Serie bleibt
offen. Neben dem
Argument, daß
alle Details der
Mode, des Turniers,
der sparsamen Ornamente
am Perlachturm und
auch im Juli-September-Bild
zur Zeit um 1530
passen, ist im Hinblick
auf die Datierung
zu bedenken, daß
der Perlachturm
ohne die Sonnenuhrbemalung
von Jörg Sorg
II von 1561 dargestellt
ist und daß
Paul von Stetten
eine Kopien-Serie
erwähnt, die
Heinrich Vogtherr
gemalt habe: "Heinrich
Vogtherr war ein
ziemlich bekannter
Maler, doch noch
bekannterer Holzschneider.
Um das Jahr 1541
findet man ihn in
einem Gerechtigkeitsbuche.
Mit Gewißheit
wüßte
ich kein Gemälde
von ihm anzugeben,
doch möchte
er wohl diejenigen
großen Stücke,
die in dem izigen
sogenannten großen
Baugarten stunden,
als er noch den
Fuggern gehörte,
und wovon nur noch
eines daselbst zu
sehen ist, gemalet
haben. Die Figuren,
einzeln betrachtet,
sind gut, an der
Zusammensetzung
aber und an der
Perspektive möchte
manches zu erinnern
sein. Man sieht
sie in Stahl geäzet
in dem von Wilhelm
Peter Zimmermann
herausgegebenen
Geschlechterbuch,
zu welchem Burgkmair
und Vogtherr die
ersten Figuren gezeichnet.
Dieser mag sich
hernach nach Strasburg
gesetzet haben,
wo er ein Tierbüchlein
in Holz geschnitten
herausgegeben hat."
Baum hat von Stettens
Hinweis auf Vogtherr
im Hinblick auf
das eine in Augsburg
verbliebene Bild
des Perlachplatzes
so gedeutet, daß
alle vier Bilder,
von denen aber nur
noch eines zu sehen
sei, für die
Fugger-Familie kopiert
worden seien. Liest
man den Text von
Stettens jedoch
genau, so spricht
er keineswegs von
Kopien, die Vogtherr
gemalt hätte.
Sicher ist, daß
die Figuren weder
auf den Berliner
Bildern noch auf
der einzig überlieferten
Kopie den Holzschnitten,
den seltenen Bildern
und Zeichnungen
Heinrich Vogtherrs
d.Ä. stilistisch
so nahe stehen,
daß man die
Gemälde ihm
als Autor zuweisen
könnte. Sicher
ist jedenfalls auch,
daß er sich
1531 und überhaupt
in den dreißiger
Jahren nicht in
Augsburg aufhielt.
Deswegen nahm Baum
als den von Stetten
angesprochenen Heinrich
Vogtherr nicht den
Älteren sondern
dessen gleichnamigen
Sohn an, der 1541
die Augsburger Malergerechtigkeit
empfing. Doch bezieht
sich die Erwähnung
von Stettens eindeutig
auf den Vater. Man
wird die Frage nach
dem Vogtherr, der
gemeint ist, ungelöst
stehen lassen müssen,
doch weist der Name
allein schon auf
eine Entstehung
der Bilder in der
ersten Jahrhunderthälfte
hin.
Das Bild, das von
Stetten noch sah,
hat sich in der
Darstellung des
Perlachplatzes,
d.h. der Monate
Oktober-Dezember,
der Städtischen
Kunstsammlungen
erhalten. Es ist,
wie Baum zu Recht
schreibt, "eine
kühle und dunkle
Nachbildung";
interessant, da
es ganz rechts noch
einen größeren
Teil des Giebels
des alten Rathauses
und einen Teil der
Uhr überliefert.
Auf der linken Seite
zeigt diese ansonsten
treue und harte
Kopie eine die Ästhetik
der Komposition
stark vermindernde
und schwer zu erklärende
Veränderung:
Die schöne
Giebelfront der
Metzg mit den diagonalen
Freskenbändern
ist in der Kopie
öde begradigt
und mit einer ebenso
langweiligen horizontalen
Dekoration geschmückt.
Der Grund für
diese Abweichung
liegt - soweit sich
nach überlieferten
Ansichten der Metzg
aus dem 16. Jahrhundert
sagen läßt
- nicht in einer
baulichen Veränderung.
Vielmehr könnte
die Ursache darin
liegen, daß
der Kopist einen
perspektivischen
Fehler berichtigen
wollte: Das originale
Berliner Gemälde
zeigt den Perlachplatz
in einer völligen
perspektivischen
Verzerrung - das
alte Rathaus stand
ebenso wie sein
Nachfolgebau etwa
auf gleicher Höhe
zum Perlachturm
und ist im Gemälde
ganz entschieden
nach vorne gerückt
dargestellt worden;
es bildet nun ein
Pendant zum Metzg-Gebäude,
dessen Giebel- und
Vorderfront aber
zum Platz und damit
zur Längsseite
des Rathauses gekehrt
war. Im Berliner
Bild ist der
Giebel gleichsam
zweiansichtig dargestellt:
bildparallel dem
Unterbau folgend
und zum Platz gewandt,
wie das Gebäude
tatsächlich
stand. Der Kopist
wollte an diesem
Punkt wohl Klarheit
schaffen und stellte
deshalb die Giebelfront
dem Rathaus gegenüber,
womit das Dach horizontal
abschließt.
Interessant ist,
da man in diesem
Fall eine Abfolge
von den zugrunde
liegenden Zeichnungen
(Scheibenrissen)
über das (Berliner)
Gemälde, über
die wiederum danach
gezeichnete zur
schließlich
gemalten (Augsburger)
Kopie nachvollziehen
kann, folgende Beobachtung:
Während Jörg
Breu d.Ä. in
den Zeichnungen
durch den laternetragenden
Knaben und durch
Lichterkränze
um die Fenster die
Abendzeit und Dunkelheit
deutlich macht,
zu der die Ratsherren
das Rathaus verlassen,
geht auf dem Berliner
Bild hinter dem
Metzg-Giebel die
Sonne
goldgelb-rosafarben
auf - die Ratsherren
verlassen in früher
Morgenstunde das
Rathaus. Die (gemalte)
Kopie folgt in etwa
dem Original, bringt
nur Schatten überall
so an, als käme
die Sonne von rechts,
d. h. von Süden;
andererseits färbt
auch auf der Kopie
die aufgehende Sonne
den Himmel, wenngleich
nicht so intensiv
wie auf dem Berliner
Bild.
Bis in unser Jahrhundert
hat sich eine heute
verschollene Zeichnung
erhalten, die wohl
als Nachzeichnung
des Berliner Bildes
und als Vorzeichnung
zur Augsburger Kopie
anzusetzen ist.
Mit letzterer hat
sie das horizontal
abschließende,
bildparallel dargestellte
Dach gemein; daß
es sich um eine
Kopie handelt, machen
die pauschalen aber
genauen Übernahmen
von Figuren, Architekturen
und Landschaften
deutlich. Kein Entwerfer
hätte so gezeichnet.
In Paris gibt es
eine weitere Zeichnung
sehr ähnlicher
Art, die zuerst
Wegner bekannt machte
und als Zwischenglied
zwischen Breus Scheibenrissen
und den Monatsbildern
publizierte. Sie
ist ganz offenbar
von der gleichen
Hand wie die ehemals
in fürstlich
Waldherg-Wolfeggschem
Besitz befindliche
Zeichnung. Die häufig
doppelt gezogenen
Architekturlinien,
die dunklen Figurenkonturen,
die lang und flüssig
gezogenen Linien
sowie die merkwürdig
willkürliche
Lavierung verbinden
die Blätter
ebenso miteinander
wie ihre Tendenz,
sich nicht sklavisch
an das Vorbild zu
halten: Wie im "Winter"-Bild
die Metzg verändert
wird, wird im"Sommer"-Bild
das architektonische
Gedränge rechts
vermindert, indem
der Zeichner eines
der drei Gebäude
wegließ. Da
der gleiche Zeichner
zwei Bilder aus
der Monatsbilder-Serie
kopiert und nach
einer dieser gezeichneten
Kopien auch ein
Bild entstand, könnte
von Stetten mit
seiner Nachricht
von der Existenz
einer ganzen Kopien-Serie
recht haben. Auch
wenn man den Zeichner
dieser beiden Blätter
nicht bestimmen
kann, vor allem
eine Zuschreibung
an Heinrich Vogtherr
nicht möglich
ist, da vergleichbare
Skizzen seiner Hand
fehlen, so ist doch
eine Entstehung
der Blätter
in der ersten Hälfte
des 16. Jahrhunderts
sicher, was die
Datierung der vier
Berliner Gemälde
in das Jahr 1531
unterstützt.
Seit Wegners Aufsatz
herrscht darüber
Einmütigkeit,
daß die Gemälde
in naher Beziehung
zu Jörg Breu
d.Ä. und seiner
Werkstatt stehen.
Nicht nur die Zeichnungen
zu den Monatsscheiben
selbst weisen auf
diese Abhängigkeit
hin; darüber
hinaus gibt es stilistische
Beziehungen zum
Werk Jörg Breus
d. J., die Wegner
auch aufzählt.
Dabei ist eine Zuschreibung
der Gemälde
an Breu d. Ä.
oder d. J., der
1531 noch gar nicht
Meister war, nicht
nur aus stilistischen,
sondern auch aus
qualitativen Gründen
auszuschließen.
Es ist wegen der
Größe
der Bilder ohnedies
kaum denkbar, daß
ein Maler
allein sie ausführte.
Sie sind immerhin
jeweils fast doppelt
so groß wie
die schon gewaltigen
Formate des Historienbild-Zyklus
für Herzog
Wilhelm IV. von
Bayern in München.
Es ist wichtig festzustellen,
daß die Bilder
dieser Serie, die
von einer Reihe
namhafter Künstler
verschiedener Regionen
in Bayern ausgeführt
wurden - auch die
beiden Breu waren
daran beteiligt
-, nach der Tradition
auf Holz gemalt
sind, während
die Monatsbilder
ungewöhnlicherweise
auf Leinwand ausgeführt
sind. Da Jörg
Breu d.Ä. mit
den großen
Orgelflügeln
für die Fuggerkapelle
bei St. Anna bereits
früher Riesenformate
auf Leinwand gemalt
hat, ist eine weitere
Verbindung zu seiner
Werkstatt gegeben.
Es erscheint daher
im Falle der vier
Gemälde auch
gar nicht sinnvoll,
nach dem Maler und
seiner künstlerischen
Eigenart zu suchen.
Die Bilder sind
wie Teppiche nach
einem einheitlichen
Entwurf und in einer
Werkstatt, aber
von Malern mit unterschiedlichen
Temperamenten gemalt
worden. Das künstlerisch
Bedeutende an der
Serie ist der Entwurf.
Wegner schließt
seinen Aufsatz mit
einem schönen
Satz, der hier ebenfalls
am Schlusse stehen
soll, zumal sein
Wunsch durch dieses
Buch und die nunmehr
wieder öffentliche
Ausstellung der
Gemälde erfüllt
wurde:
"Nicht unberechtigt
erscheint es wohl,
wenn auf diese Bilder
und ihre Problematik
als auf ein bisher
noch nicht genügend
beachtetes Dokument
der an Denkmälern
so arm gewordenen
Zeit des mittleren
16. Jahrhunderts
in Augsburg hingewiesen
wurde, das übrigens
wohl auch verdienen
würde, der
Öffentlichkeit
zugänglich
gemacht zu werden".
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