Im Frühjahr und Sommer 2004 zeigt das Deutsche Historische Museum auf über 560 m2 im neuen, von I.M. Pei geschaffenen Gebäude für Wechselausstellungen eine umfangreiche Ausstellung zu den Strategien der Werbekunst von 1850 bis 1933.
Ausgehend vom Beitrag Deutschlands folgt die Ausstellung der Innovations-geschichte der Warenkultur und deren Vermarktungsstrukturen seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Leitlinie dieses kulturhistorischen Rückblicks bildet die Frage nach den unterschiedlichen Konzeptionen massenwirksamer Produktwerbung am Beispiel der repräsentativen Sammlungsbestände des Deutschen Historischen Museums. Ihr soll damit jene größere Bedeutung zugemessen werden, die die Protagonisten auf dem Gebiet der frühen, durchweg unter ästhetischen Gesichtspunkten gestalteten Werbekunst vom alltäglichen Reklamewesen der Zeit unterscheidet. Ergänzt wird diese Auswahl durch Leihgaben aus Archiven bedeutender Unternehmen der Konsumgüterindustrie, unterschiedlicher Museen sowie Privatsammlungen. Ausgehend von bedeutenden Vorbildern des europäischen Auslands spannt sich der stilgeschichtliche Bogen in chronologisch geordneten Kapiteln von Historismus über Orientalismus und Jugendstil bis zu Konstruktivismus, Neuer Sachlichkeit und Art déco der ausgehenden 1920er Jahre. Einflüsse des Bauhauses beschließen den Rundgang und eröffnen zugleich die Perspektive auf Analogien späterer Werbeformen. Neben stilgeschichtlichen Neuerungen sollen somit ebenfalls mediale Veränderungsprozesse auf unterschiedlichen Gebieten der Werbung zur Anschauung gelangen. Ein umfangreicher Katalog, der mit einleitenden Essays die Schwerpunkte der Entwicklungen vertieft, ergänzt die Ausstellung.
Während sich bislang vor allem die Volkskunde mit der Gestaltung und Sammlung unterschiedlicher Gebrauchsgüter, wie etwa historischen Waren-verpackungen, beschäftigt, erhob die (kunst)historische Forschung dieses Thema nur selten zum Gegenstand fachlicher Betrachtungen. Insbesondere das der populären Werbekunst häufig eingeschriebene künstlerisch-kreative Potential erscheint für den behandelten Zeitraum nur unzureichend erschlossen. Dies überrascht umso mehr, als daß die beworbenen Produkte einst in hoher Zahl hergestellt und selbst die eigentlichen Werbeträger eifrig gesammelt wurden. Teilweise von höchster künstlerischer Originalität und Qualität bleibt somit vielfach unbekannt, wer denn eigentlich die Gestalter und strategischen Köpfe hinter diesen Entwürfen waren. Auch wurde bis heute kaum der Versuch unternommen, die Exponate der in verschiedenen Museen vorhandenen Teilsammlungen oder Privatsammlungen auf ihre werbestrategische Bedeutung hin zu untersuchen. Hier möchte die geplante Ausstellung einen weiterführenden Impuls geben.
Die Forschung zu den Sphären Kunst und Werbung betont zumeist deren Divergenzen. Bewußt entgegen der dominierenden kunstwissenschaftlichen Auffassung soll hier ein neuer interdisziplinärer Ansatz vorgestellt werden, um durch übergreifende Fragestellungen die historischen Verläufe der Konvergenz beider Bereiche kenntlich zu machen. Dies geschieht mittels einer umfassenden Darstellung ihrer Verflechtungen sowohl auf künstlerischer als auch auf institutioneller Ebene. Exemplarische Analysen arbeiten die fachlichen Diskurse zum Thema Kunst und Werbung sowie die daran anknüpfenden medienpädagogischen Ansätze auf: von den sozioökonomischen Rahmenbedingungen über die Akteure der praktischen Gestaltung bis hin zu den jeweiligen zeitgenössischen Rezeptionen.
Jörg Meißner |