Verbindung mit der
Heimat:
Die deutsche Post im Kiautschou Gebiet
von Joachim Kundler
Zusammen mit den deutschen
Truppen zur Besetzung des Kiautschou-Gebiets reisten auf dem Truppentransporter
»Darmstadt« zwei Postbeamte nach »Tsintanfort« (Tsingtau). Die Entscheidung
darüber hatte die Reichspostverwaltung herbeigeführt. Sie wollte
gleich zu Beginn der Inbesitznahme des neuen Schutzgebietes, wie
es im damaligen Sprachgebrauch hieß, präsent sein. Die Beamten waren
als Telegraphist und Leitungsaufseher vorgesehen. Ergänzt wurden
sie durch einen Postassistenten von der deutschen Postagentur in
Shanghai, der die neu eingerichtete Marine-Feldpoststation leiten
sollte.
Die Bedeutung der Einrichtung einer solchen Postanstalt der Reichspost
kann auch darin gesehen werden, daß die entsprechenden Absichten
dem Geheimen Zivilkabinett des Kaisers am 14. Dezember 1897 mitgeteilt
wurden. Dieses wurde auch über die Lieferung von Telegraphen- und
Leitungsmaterial für 45 km und Material für zwei zusätzliche Postanstalten
unterrichtet. Die Feldpostanstalt wurde in einer entsprechenden
Verfügung des Reichspostamtes vom 9. Dezember 1897 der Oberpostdirektion
Bremen - ebenso wie die anderen in China bestehenden deutschen Postanstalten
- unterstellt.
Am 26. Januar 1898 erreichte ein Telegramm aus »Tsintanfort« die
Reichspostdirektion, in dem die Eröffnung der Marine-Feldpoststation
am selben Tage mitgeteilt wurde. Diese Nachricht erschien dem Staatssekretär
des Reichspostamtes so wichtig, daß er eine sofortige Meldung an
den Kaiser verfügte. Darüber hinaus wurde die Öffentlichkeit durch
entsprechende Mitteilungen in der Presse und im Amtsblatt informiert.
Zu Beginn der Tätigkeit der Postanstalt gab es einige Irritationen
über die richtige Schreibweise des Ortes. Durch einen Druckfehler
in den amtlichen Verzeichnissen der Telegraphenanstalten wurde er
»Tsintan« genannt, seit dem 30. März 1898 hieß er »Tsintau« und
ab Juni 1900 »Tsingtau«.
Von Beginn an war die Postanstalt nicht der deutschen Kolonialverwaltung
unterstellt, sondern - wie bei allen anderen deutschen Posteinrichtungen
in den Kolonien - der Reichspostverwaltung direkt. Am 22. April
1898 wurde diese Postanstalt der deutschen Postagentur in Shanghai
unterstellt. Ab August 1898 erfolgte die Abrechnung der Agentur
in Tsingtau auf Grund der Überlastung der Shanghaier Agentur mit
der Oberpostdirektion Bremen. Die Shanghaier Postagentur behielt
während dieser Zeit die Vermittlungs- und Aufsichtsfunktion gegenüber
der Agentur in Tsingtau. 1901 wurde in Shanghai eine deutsche Postdirektion
neu eingerichtet, die die Aufsichtshoheit im Kiautschou-Gebiet ausübte.
Dieses Unterstellungsverhältnis blieb bis zur Besetzung Kiautschous
durch die Japaner im November 1914 bestehen. Daß diese unabhängige
Stellung nicht frei von Auseinandersetzungen mit der Kolonialverwaltung
war, wurde in der Frage der Unterstellung der Telegraphen- und Fernsprecheinrichtungen
in der Kolonie deutlich. Im Sommer 1898 stellte sich der Gouverneur,
Kapitän zur See Jaeschke, auf den Standpunkt, daß auf diesem Gebiet
private Anbieter preiswerter wären und er kein Monopol der Reichspost
wolle. In einer hierzu geführten Verhandlung mit dem Reichsmarineamt
konnte die Reichspostverwaltung ihre Ansichten und Monopolinteressen
durchsetzen. Die Aufgaben der Postanstalt in Tsingtau entwickelten
sich vom Beginn ihres Bestehens bis zur Einstellung ihrer Arbeit
mit Schwankungen sehr rasant. Schon wenige Tage nach der Aufnahme
der Tätigkeit konnte der örtliche Postassistent dem Reichspostamt
melden, daß Briefmarken im Wert von 600 Mark verkauft worden seien.
Tabelle 1 verdeutlicht die Aufgabenvielfalt der Postanstalt in Tsingtau
schon 1898. Tabelle 2 zeigt die Dienstleistungssteigerungen im Jahre
1913.
Art
|
Posteingang |
Postausgang
|
|
Anzahl
|
Wert
|
Anzahl |
Wert |
Briefsendungen
|
59.700 |
138.700 |
|
|
Postanweisungen |
393
|
10.007 |
892
|
86.399 |
Wertbriefe
|
1 |
14 |
|
|
Pakete |
466 |
214 |
|
|
Zeitungsnummern |
|
6.666 |
|
|
Tabelle 1: Postdienstleistungen
in Tsingtau, 1898
Art
|
Posteingang |
Postausgang
|
|
Anzahl
|
Wert
|
Anzahl |
Wert |
Briefsendungen
|
1.278.540 |
1.171.720
|
|
|
Postanweisungen |
8.990
|
390.890 |
15.030
|
602.250
|
Wertbriefe
|
520 |
1.150 |
|
|
Pakete |
29.730 |
7.460 |
|
|
Telegramme
|
38.430 |
30.560 |
|
|
Zeitungsnummern |
|
310.800
|
|
|
Tabelle 2: Postdienstleistungen
in Tsingtau, 1913
Darüber hinaus wurden
1913 insgesamt 1190480 Ortsgespräche und 3600 Ferngespräche geführt.
Anders als zunächst angenommen, entwickelte sich Tsingtau zur zweitwichtigsten
deutschen Posteinrichtung in China.
Die Personalentwicklung verlief analog. Waren 1898 nur drei deutsche
Beamte und ein chinesischer Unterbeamter in der Postanstalt in Tsingtau
tätig, so waren es 1914 neun deutsche Beamte im höheren und gehobenen
und zwei im einfachen Dienst. Dazu kamen 15 Chinesen im mittleren
und 25 im einfachen Dienst. Die Bedeutung der Postanstalt in Tsingtau
zeigte sich auch dadurch, daß die seit 1898 bestehende Agentur am
1. Juni 1900 in ein Postamt umgewandelt wurde. Ihm unterstanden
alle in der Kolonie und die innerhalb der 50 km umfassenden deutschen
Interessenzone außerhalb der Kolonie gelegenen deutschen Postanstalten.
Die Bedeutung der deutschen Postanstalt für eine geregelte Verbindung
mit der Außenwelt wurde durch den Besuch von Prinz Heinrich von
Preußen im Mai 1898 in der Postanstalt von Tsingtau unterstrichen.
Er machte den deutschen Beamten deutlich, wie wichtig ihre Einrichtung
für die Entwicklung des Handels sei, und dokumentierte dies durch
die Forderung nach einem eigenen Postgebäude.
Die Feldpoststation und nachmalige Agentur war zunächst provisorisch
untergebracht. Später nutzte man ein chinesisches Gebäude, welches
ausschließlich Postzwecken und als Wohnhaus für die Beamten diente.
Auf Grund der Baufälligkeit dieses Hauses wurde mit der »Kiautschou-Gesellschaft«,
einer Vereinigung von Unternehmern vor Ort, der Bau eines eigenen
Postgebäudes vereinbart, das die Post dann für jährlich 20000 Mark
mietete. Dieses Posthaus wurde am 16. Mai 1901 bezogen. Am 22. November
1910 kaufte die Reichspostverwaltung das Gebäude zusammen mit dem
2563 qm großen Grundstück für 250000 Mark hypothekenfrei.
Ebenso schnell wie die Entwicklung der Postanstalt in Tsingtau vollzog
sich zwischen 1900 und 1911 der Aufbau weiterer deutscher Postanstalten
in der Kolonie und in deren Hinterland. Insbesondere die deutschen
Postanstalten entlang der Schantung-Eisenbahn riefen den Widerstand
der Chinesen hervor und bestanden deshalb auch nicht lange. Die
Reichspostverwaltung konnte ihr Ziel, sich in diesem Gebiet weiter
auszudehnen, nicht erreichen. Sie mußte auf Grund politischer Entscheidungen
des Auswärtigen Amtes des Deutschen Reichs ihre Pläne besonders
nach dem Abschluß des Deutsch-Chinesischen Postvertrages von 1905
zurückstecken, so daß bis 1906 die Postanstalten in der Stadt Kiautschou,
Kaumi, Tschingtschoufu und Tschoutsun geschlossen wurden.
Anlaß zu ständigen Auseinandersetzungen war das chinesische Postamt
in Tsingtau, welches die Reichspost mit allen Mitteln zu schließen
versuchte. Dieses Vorhaben konnte die Reichspost nicht realisieren,
da sowohl das Gouvernement als auch das Auswärtige Amt ein Weiterbestehen
aus politischen Gründen für notwendig erachteten, da sie ansonsten
weitere Verwicklungen mit der chinesischen Seite befürchteten.
Um die deutsche Postanstalt noch konkurrenzfähiger zu machen, wurde
1899 der deutsche Inlandstarif eingeführt. Der Beitritt des Kiautschou-Gebietes
zum Weltpostverein 1899 ermöglichte es, eigene Briefmarken in der
Kolonie herauszugeben. Zunächst waren die Marken der Deutschen Reichspost
mit und ohne Aufdruck »China« gültig. Mit der Einführung einheitlicher
spezieller deutscher Kolonialbriefmarken seit Dezember 1900 waren
die Marken mit der Darstellung der kaiserlichen Yacht »Hohenzollern«
und dem Aufdruck »Kiautschou« bis 1914 gültig. Die Nachfrage nach
diesen Briefmarken war unter deutschen Philatelisten groß; dies
zeigte sich eindrucksvoll in der Zahl der Anfragen bei der Reichspost-,
der Kolonialverwaltung und den entsprechenden Postämtern im Kolonialgebiet.
In Tsingtau wurden zwei provisorische Briefmarken herausgegeben,
die nicht von der Reichspost genehmigt waren. Dieser Sachverhalt
beschäftigte später die Gerichte, vor allem wegen der Fälschung
dieser Marken. Im Mai und Juli 1900 wurden 50000 Stück 10-Pfennig-Marken
der Deutschen Reichspost »China« mit dem Aufdruck »5 Pfg.« beziehungsweise
»5 Pf.« versehen. Als Grund hierfür wurde später ein Mangel an entsprechenden
5-Pfennig-Briefmarken angegeben.
Als Dienstleistungen boten die Postanstalten an: Annahme und Ausgabe
gewöhnlicher und eingeschriebener Briefsendungen und deren Zustellung;
Annahme von Zeitungsbestellungen, Annahme und Auszahlung von Postanweisungen,
Nachnahme auf Briefen, Wertbriefen und Kästchen, Wertdienst auf
Briefen und Kästchen und den Telegraphendienst. In Tsingtau entstand
auch ein umfangreiches Telefonnetz.
Die Postverbindung in die Kolonie erfolgte über die Reichspostdampferlinie
nach Shanghai und von dort weiter auf anderen Schiffen. Seit dem
1. Oktober 1903 erfolgte zusätzlich der Transport der Post auf dem
Landweg über Sibirien. Er war lediglich während des Russisch-Japanischen
Krieges unterbrochen.
Sehr schnell wurde die Kolonie durch den Bau von Telegraphenlinien
an das Welttelegraphennetz angeschlossen. Schon 1898 wurde ein deutsches
Kabel von Tsingtau nach Shanghai und Tientsin gelegt, ebenso nach
Tschifu. Die Kosten für die Legung der entsprechenden Kabel betrug
3122165 Mark.
Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges führte zum Ende der deutschen
Post im Kiautschou-Gebiet. Am 5. September 1914 landeten die Japaner
bei Lungkou in Nordschantung. Sie marschierten auf Tsingtau zu und
schlossen die Stadt ein. Die Postverwaltung hatte im Vorfeld alle
wichtigen technischen Gegenstände, Einrichtungen sowie Briefmarken
im Werte von 105880 mexikanischen Dollar nach Shanghai und Tsinanfu
befördert.
Am 5. November 1914 wurde die Tätigkeit der Post in Tsingtau eingestellt,
der Briefkasten wurde geschlossen. Die verbliebenen Briefmarken
und die Posthausflagge wurden verbrannt. Die Tagesstempel und zwei
Morsegeräte wurden unbrauchbar gemacht und im Meer versenkt. Bei
der Eroberung der Stadt durch die Japaner am 7. November 1914 konnte
eine Plünderung des Postamtes verhindert werden. Die Japaner fanden
bis auf die intakten Telefonverbindungen nichts Wertvolles im Postamt
vor. Am 16. November 1914 wurde das Postamt an die Japaner übergeben,
und nach Verhandlungen konnten die Postbeamten, die keinen Militärdienst
leisteten, am 10. Dezember 1914 ausreisen.
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