Dennoch machen bei weitem nicht nur die Anekdoten und kleinen Pannen die Faszination der Hofgeschenke aus. Wenn man sich mit Hofgeschenken beschäftigt, gelingt es, historische Zusammenhänge besser zu verstehen. Häufig sind Hofgeschenke ohne vorherige Kenntnis der politischen Lage nur unzureichend interpretierbar, umgekehrt sind sie jedoch oft Symbol für bestimmte diplomatische Konstellationen. Gerade das Verhältnis von Preußen zu England, zwischen den Häusern Hohenzollern und Windsor (und nach der Reichsgründung damit verknüpft die Beziehung zwischen dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Irland mit dem Deutschen Reich) war wie kaum eine andere Beziehung im Bündnisgeflecht der letzten Jahrhundertwende geprägt durch eine wechselvolle Mischung aus Staatsraison und Diplomatie einerseits sowie persönlichen, verwandtschaftsbedingten Zu- und Abneigungen zwischen den Herrscherhäusern andererseits. Dieses Wechselspiel von Diplomatie und Verwandtschaftsbeziehung kann an den zwischen England und Preußen ausgetauschten Hofgeschenken deutlich gemacht werden. Geschenke auf höfischem Niveau bieten darüber hinaus die Chance, ein Kunstwerk in seinem ganzen Kontext zu erfassen - von der ersten Idee über den Entwurf zur Ausführung, vom Anlaß über die damalige Verwendung bis hin zum heutigen Verbleib. Und fast immer sind sie geeignet, die offizielle Auffassung des Schenkerlandes von Kunst und Kunstgewerbe darzustellen.Das Schenkprocedere am Kaiserhof
Wie hat man sich den praktischen Ablauf vorzustellen, wenn am Berliner Kaiserhof zu Zeiten Kaiser Wilhelms II. eine Schenkung an einen ausländischen Monarchen anstand? Bei seinen täglichen Vorträgen machte der Oberhofmarschall Graf August von Eulenburg den Kaiser auf die jeweiligen Schenkanlässe aufmerksam. Die vielen Geburtstage und Jubiläen von Herrschern und Hochadeligen des In- und Auslandes wurden dazu in einem Vormerkbuch festgehalten. Oft entwarf Wilhelm II. die fälligen Geschenke selbst. Schon während seiner Prinzenjahre hatte er sich als Künstler betätigt, als Kaiser jedoch sah er sich in diesem Wirken eingeschränkt. Künstlerisches Schaffen in aller Stille entsprach nicht seinem Naturell, um aber als Künstler an die Öffentlichkeit zu treten, reichten die kaiserlichen Talente nicht aus.
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