Als Prinz Albert 1840 nach England kam, um die Königin zu heiraten, führte er auf der bedrohlich stürmischen Überfahrt von Calais nach Dover ein kleines Gemälde von Cranach bei sich, das seinen berühmten Vorfahren Friedrich den Weisen, Kurfürst von Sachsen, zeigte; noch im selben Jahr schenkte die Königin ihm eine Kopie von Cranachs Portrait der Sybilla, Kurfürstin von Sachsen, mit ihrem Sohn. Bei den Erweiterungen der Royal Collection übte das deutsche Element zu Lebzeiten des Prinzen unvermeidlich einen starken Einfluß aus. Der Prinz blieb stets ein leidenschaftlicher Bewunderer Cranachs. Zu den bedeutendsten Neuerwerbungen von Cranach oder seines Umfelds zählen die Lucretia von 1530, die der Prinz 1844 für 500 Pfund von Nicholls kaufte, und das Gemälde Apollo und Daphne, das er 1846 unter Mithilfe des deutschen Professors Ludwig Gruner erwarb. Durch Freiherr von Stockmar bei der Königin und dem Prinzen eingeführt, diente Gruner ihnen über viele Jahre und in einer Vielzahl von künstlerischen Fragen als professioneller Berater und übte diese Funktion auch weiterhin aus, als er bereits Direktor des Kupferstichkabinetts in Dresden geworden war. Gruners Erfahrung im Verbund mit Prinz Alberts Interessen und Umsicht gaben den Erweiterungen der Royal Collection durch die Königin und den Prinzen im Lauf ihrer gemeinsamen Jahre eine ernste und überwiegend deutsche Note. Das in dieser Hinsicht aufschlußreichste Kunstwerk dürfte gewiß Overbecks, in den Worten der Königin, "schöner und orgineller Karton" zu seinem Gemälde Die Religion, von den Künsten verherrlicht im Städelschen Kunstinstitut zu Frankfurt am Main sein. Die Skizze wurde 1846 von Gruner in Rom gekauft und der Königin von Prinz Albert im folgenden Jahr zu Weihnachten überreicht. Overbeck hatte eine Ausbildung "nach guter deutscher Tradition" genossen, und seine Überzeugung, daß "große und nützliche Kunst nur in der christlichen Lehre begründet" sein könne, dürfte der Königin und dem Prinzen zutiefst entsprochen haben. Prinz Albert mag den leisen raffaelischen Einfluß in einem für das zeichnerische Können der deutschen Romantik so berühmten Beispiel bewundert haben.(1) Es war dieses deutsche Element in der zeichnerischen Qualität und Technik englischer Maler wie Frederic Leighton, Daniel Maclise oder William Dyce, das die Königin und der Prinz an den Arbeiten dieser von ihnen so großzügig unterstützten Künstler bewunderten.