Während die preußische Regierung der Initiative gegenüber zunächst nur "eisiges Widerstreben" gehabt zu haben scheint16, zahlte Victoria als Mitglied des Museumsvereins jährlich das Zehnfache des Mitgliedsbeitrags von 100 Talern zu ihrer Unterstützung.17Als "Vertrauensmänner" hatte die Kronprinzessin unter anderen den Naturwissenschaftler und Volkskundler Fedor Jagor gewinnen können.
Dieser wiederum lernte auf der Pariser Weltausstellung 1867 den jungen Kunsthistoriker Julius Lessing kennen und animierte ihn zu Grundsatzartikeln über das Kunstgewerbe. Die Artikel erschienen in der Berliner National-Zeitung und veranlaßten wiederum Martin Gropius, seinerzeit eine treibende Kraft bei der Initiative zur Gründung eines Gewerbemuseums, mit Lessing Kontakt aufzunehmen. 1872 wurde er zunächst zum Organisator einer Ausstellung älteren Kunstgewerbes im Berliner Zeughaus ernannt und daraufhin zu deren erstem Sammlungsleiter.Julius Lessing muß dem Kronprinzenpaar auch persönlich nahegestanden haben: Er war wie sie ein Anhänger deutsch-nationaler Einigungsbestrebungen, ein Gegner Bismarcks, und er kannte London und die dortigen Sammlungen. Er gehörte zu einem Kreis von Intellektuellen, den das Kronprinzenpaar in diesen Jahren nicht zufällig um sich versammelt hatte.18 Er selbst bezeichnete später die Kronprinzessin als "Leuchtstern" seines Lebens19, und geradezu rührend sollte der Kronprinz später zugunsten der Anerkennung seiner Verdienste intervenieren20. Das Kunstgewerbe-Museum in Berlin, eines der interessantesten und vollständigsten seiner Art, instruktiv wie kaum ein zweites, wäre kaum entstanden, wenn nicht die Kronprinzessin Viktoria bei Plan und Gründung und Ausbau mitgeholfen, ja den ganzen Gedanken von seinem Ursprung an in die Bahn der Verwirklichung geleitet hätte. Sie kannte die Dinge und Menschen, die zur Ausführung der Pläne nach der gekennzeichneten Richtung am geeignetsten waren, sehr genau und durch ihre Verbindung mit England hat sie beispielsweise dem Kunstgewerbe-Museum in seiner ersten Zeit viel Vorteile bieten können."21 Und sie hatte Einfluß auf ihren Gemahl.Dies betraf zunächst einmal den Aufbau der Sammlung. Hier erwirkte der Kronprinz 1867 bei der preußischen Regierung die Bewilligung von 45.000 Mark für den Ankauf von Werken auf der Pariser Weltausstellung - 1851 hatte sein Schwiegervater Albert sich für den Erwerb von Werken aus der ersten Weltausstellung eingesetzt, die dann in das South Kensington Museum eingegangen sind. 182 Objekte wurden aus diesen Sondermitteln für die preußische Regierung erworben, die sie an den Gewerbeverein für seine Mustersammlung überwies. Diese kunsthandwerklichen Arbeiten - Textilien, Keramik, Metall- und Lederwaren - bildeten den Grundstock des neuen Museums.22Außerdem wurde im Verlauf der Pariser Weltausstellung eine Konvention zum Austausch von Reproduktionen von verschiedenen europäischen Potentaten, darunter dem preußischen Kronprinzen, unterzeichnet.23