EICHSTETTEN: ARCHÄOLOGISCHE DENKMALPFLEGE IM WETTLAUF MIT DEM BAGGER
 
Handwerk und Handel
Dank der weiten Verbreitung ähnlicher Friedhöfe von England über die heutigen Niederlande, das Rheingebiet, Frankreich, Spanien, Norditalien, die Tschechoslowakei und Ungarn liegt ein riesiges Fundmaterial vor, das die Verbreitung bestimmter handwerklicher Techniken und Formen und damit den Handel zu untersuchen erlaubt. Obwohl im fränkischen Merowingerreich Münzen nicht nur bekannt waren, sondern schon in großer Zahl geprägt wurden, hat man im Ostteil des fränkischen Reiches das Metall zur Sicherheit gewogen und vermutlich auch noch Tauschhandel betrieben. Münzstätten gab es hier im Gegensatz zum Westen noch nicht.
 
 
 
 
 

Viele Fundstücke sind uns nur aus einem begrenzten Gebiet bekannt. Wir können deshalb schließen, dass sie in diesem Gebiet hergestellt und verkauft wurden. Eine Auswahl von Fundstücken lässt sich auf den südbadischen Raum zurückführen, besonders das Kaiserstuhlgebiet, zu dem der Friedhof von Eichstetten gehört.

Regionalhandel
 
 
 

Während des 6. Jahrhunderts machen sich fränkische, also nördliche und nordwestliche Einflüsse in Süddeutschland bemerkbar. Sie wirken - im Gegensatz zu den seltenen Fernhandelsqütern - nicht punktuell, sondern fast überall und betreffen auch weniger wertvolle Güter, ja auch Bestattungssitten und mit ihnen sicher auch die Welt der Lebenden.

Die Verbreitung einer Kultur durch Handel und Migration - das Vordringen der Franken nach Süden
 
 
  Viele wertvolle und technisch aufwendig hergestellte Formen sind in weiten Teilen Europas verbreitet. Auf welche Weise sie vertrieben wurden, wissen wir nicht genau, jedoch fällt vielfach die Verbreitung im Verlauf von alten römischen Straßen und Flüssen auf.

Zwei Fünfknopfbügelfibeln (1. Drittel 6. Jahrhundert)


Die großen Gewandspangen mit rhombischem Fuß, der durch Almandinenrundeln am Rand betont wird mit Tirekopfende und halbrunder Spiralplatte besitzen eine ganze Reihe von Parallelen aus derselben Gussform und waren im damals ostgotischen Raetien (Bayern) verbreitet; die Fibeln aus Eichstetten zeigen neben anderen ostgotischen Formen die Verbindung des Oberrheintals mit dem Ostgotenreich des Königs Theoderich. Ihre Verbreitung erfaolgte wahrscheinlich über den Donauweg.

Münze des Königs Theoderich (512 bis 522 n.Chr.)

Die Münze ist in Rom geprägt und kaum angegriffen, sie kam also relativ bald nach Eichstetten, wo sie in der Tasche des Mannes ins Grab gelangte. Sie deutet auf einen direkten Kontakt zum Ostgotenreich hin.

Becher (1. Hälfte 6. Jahrhundert)

Der Becher aus einem Kindergrab besteht aus farblosem Glas und ist sehr gleichmäßig und gut gearbeitet und am Rand mit gleichfarbigen Glasfäden verziert. Becher dieser Art stammen vermutlich aus fränkischen Werkstätten des Rheinlandes, die noch in alter, römischer Tradition arbeiteten.
Fernhandel
 

Fünfknopfbügelfibel


Münze des Theoderich


Becher
 

Eine Reihe von Gegenständen verrät ein hohes, spezialisiertes Können der Hersteller. Welch hohes Ansehen die Goldschmiedekunst hatte, zeigt, dass auch Könige sich ihrer rühmten, wie der Frankenkönig Childerich im 6. Jahrhundert.
Die Feinschmiede benutzten seit der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts vor allem zur Verzierung der eisernen Schnallen eine besondere Technik, die Taschierung und Plattierung des Eisens. So konnten bei der Tauschierung Silber- oder Messingbänder auf dem Eisen befestigt werden, bei der Plattierung sogar der Eindruck einer silbernen oder golden glänzenden Oberfläche hervorgerufen werden. Bei der Tauschierung wurden Linien ins Eisen geritzt, auf deren Vertiefung dann das weiche Metall aufgehämmert wurde; bei der Plattierung rauhte man die Eisenoberfläche gitterartig auf und hämmerte das flächige Silberblech in die Vertiefungen ein. Die gegossenen Bronzestücke wurden vielfach im Kerbschnitt nachgeschnitten, um tiefe, kantige Muster zu erhalten, eine Technik, die schon in spätrömischer Zeit sehr beliebt war. Gern arbeitete man auch mit Punzen, kleinen rechteckigen oder runden Stempeln, die der Silber- oder Bronzefläche eingeschlagen wurden, oder man brachte feine Gravuren auf.
Die Muster änderten sich im Laufe der Zeit. Am Anfang der Zeit, da der Friedhof genutzt wurde, liebte man Spiralranken und Kreisaugen oder ganz geometrische Muster wie parallele Riefen oder Fächer. Daneben waren Tierformen beliebt, wie die Vogelfibeln sowie Tiere an den Rändern der Gegenstände zeigen. Noch vor der Mitte des 6. Jahrhunderts hatte sich in Skandinavien ein Stil entwickelt, bei dem die Stückeflächig mit Tieren und ihren Elementen bedeckt wurden. Dieser Stil (Tierstil I) verbreitete sich schnell auf dem Kontinent, die Motive wurden aber - vielleicht unverstanden - wahllos kopiert. Hieraus entstand einerseits Ende des 6. Jahrhunderts die sogenannte Schlaufenornamentik und andererseits durch Verbindung mit mediterranen Flechtbandmotiven gleichzeitig der Tierstil II.
Die Anregung zur Entwicklung des Tierstils gaben wahrscheinlich Tierdetails auf römischen Gegenständen. Während des 5. Jahrhunderts griffen germanische Künstler aus dem römischen Formvorrat einige Tiermotive heraus: den Vogel, das Pferd, den Eber, die Schlange sowie Phantasietiere und Tiermenschen. Der Sinngehalt ist heute nicht mehr klar zu deuten, noch weniger die schwer entzifferbaren Abstraktionen im Laufe ihrer Entwicklung vor allem im Tierstil II. Sicher gehörten diese von den Germanen aufgegriffenen Motive ursprünglich in den Bereich der germanischen Mythologie, sie ließen sich - wie zum Beispiel die schlangenartigen Ungeheuer, die in der romanischen Kunst des Mittelalters als Symbole für das Böse auch weiterhin geläufig sind, oder auch der Vogel - im Bereich der christlichen germanischen Welt des westlichen und südlichen Kontinents auch christlich umdeuten.

Zwei Scheibenfibeln (2. Hälfte 6. Jahrhundert)

Die goldenen Gewandspangen mit in Cloisonné-Technik eingefassten Almandinen (Granaten) und Filigrandrahtspiralen sind vermutlich die wertvollsten Stücke des Friedhofs überhaupt, nicht nur wegen des Materials, sondern auch durch die Verarbeitung. Der in regelmäßigen Stegen geschnittene Golddraht ist in Spiralen präzise aufgelötet. Um die Mittelgruppe von Almandinen herum ist der Draht sogar geflochten. Diese aus dem byzantinischen Mittelmeerraum kommenden Techniken sind erst in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts auch nördlich der Alpen zu finden. Der Meister, der diese Stücke geschaffen hat, konnte im Kaiserstuhlbereich zumindest zwei ähnliche Exemplare absetzen.

Perle in Millefioritechnik (2. Hälfte 6. Jahrhundert)

Bei der Millefioritechnik (Mille fiori = ital. tausend Blumen) wird die Perle aus verschiedenfarbigen Glasstäben zusammengeschmolzen. Beliebt waren blumenartige Muster wie bei diesem Exemplar. Millefioriperlen gehörten zu den am weitesten verbreiteten Handelsgütern und wurden nur in ganz bestimmten Formen - wie hier prismatisch - hergestellt.

Schnalle mit Beschlag - Saxgürtelgarnitur (1. Hälfte 7. Jahrhundert)

Gegen Ende des 6. Jahrhunderts wurde es modern, silbertauschierte Gürtel zu tragen. Diese Gürtelgarnitur ist von ausgesuchter Qualität. Der Rückenbeschlag trägt in der Mitte ein Kreuz. Vielleicht sind auch die Kreuze, die zwischen den engzelligen, getreppten Rauten als Negativornament entstehen, beabsichtigt. Als Begleitornamente treten die zeitüblichen Waben-, Leiter-, Treppen- und Zickzackbänder auf.

Saxgürtelschnalle mit Beschlag (1. Hälfte 7. Jahrhundert)


Diese Schnalle eines Saxgürtels ist in vieler Hinsicht ein besonderes Stück; Gegenbeschlag und Rückenbeschlag fehlten ihr - vielleicht von vornherein. Die Schnalle selbst fällt durch ihren exakten, kantigen Guss auf. Der Beschlag entspricht dem fast, wirkt aber wie aus anderer, weniger kundiger Hand. Der Ersatzdorn gelang vollends nicht. Merkwürdig misslungen ist auch die eingravierte Verzierung auf dem Beschlag, die eine mediterrane Flechtbandverzierung - vielleicht vom Originalbeschlag - zu imitieren versucht. Es entstand eine kaum lesbare Schlaufenornamentik. Wie der Originaldorn so sind auch die drei Nietköpfe nicht mehr erhalten. Handelt es sich um die Imitation eines Importstückes aus romanisch besiedeltem Gebiet durch einen einheimischen Künstler - vielleicht unter Verwendung der Originalschnalle?

Saxgürtelbeschlag (2. Hälfte 7. Jahrhundert)

Ein Meisterwerk der Tauschier- und Plattierkunst stellt der Gegenbeschlag eines Saxgürtels aus einer vermutlich schon bald nach Anlage des Grabes beraubten Ausstattung dar. Das Motiv der gestreiften Flechtbänder, die als Leiber einer vielköpfigen Schlange in unendlichem Rapport angeordnet sind, ist vollendet komponiert und löst sich in zwei janusköpfige, schlangenartige Fabeltiere mit einem Zwischenkopf auf, die mit ihren verlängerten Schnäbeln an der Spitze des Beschlages zusammentreffen. Am gegenüberliegenden Ende schaut ein zweiköpfiges Tier nach beiden Seiten. Vielleicht nicht zufällig macht diese Seite von der Spitze aus gesehen den Eindruck eines Menschengesichts. Meinte man Verwandlung und Unendlichkeit, Anfang und Ende gleichzeitig?

Kunsthandwerk
 










 

 


 

 

 

 

 



Scheibenfibel



Perle in
Millefioritechnik



Schnalle mit Beschlag





Saxgürtelschnalle
mit Beschlag






Saxgürtelbeschlag

 
 
                         
 
Übersicht
 
Ausstellung
 
Katalog
 
Impressum
 
Gästebuch
 
DHM
 
                         

   
zur vorherigen Seite
  zum Seitenanfang  
zur nächsten Seite