PFAHLHEIM:
EINE AUSGRABUNGSRUINE DES 19. JAHRHUNDERTS
|
Geschichte
der heimischen Archäologie
|
Ausgrabungstechnik und Methoden zur Dokumentation sowie Kategorisierung
der Funde waren vor 1850 erst in Ansätzen entwickelt und hatten noch keine
allgemeine Anerkennung gefunden. Selbst das von Christian Thomsen und anderen
seit 1830 propagierte Dreiperiodensystem - Steinzeit, Bronzezeit, Eisenzeit
- war bis in die 70er Jahre Thema heftiger Gelehrtendiskussion und noch
mehr war das die ethnische Zuweisung des Fundmaterials, für die bereits
um die Jahrhundertmitte die Geschichts- und Sprachwissenschaften herangezogen
wurden. "Keltomanen", "Germanophile" und "Römlinge" disputierten ihre emotional
überfrachteten Deutungen in den Zentralorganen der neuen Wissenschaft. In dieser von methodischen und terminologischen Unsicherheiten und Missverständnissen geprägten Zeit wurden aber schon einzelne Gräberfelder in Süddeutschland, so das schwäbische Nordendorf oder der außergewöhnliche Bestattungsplatz am Lupfen bei Oberflacht 1847 als alamannisch und aus dem frühen Mittelalter stammend erkannt. Sicherheit gewannen diese frühen Erkenntnisse der Archäologie der Merowingerzeit durch münzdatierte Gräber in Selzen in Rheinhessen, wo die beigegebenen Silbermünzen des römischen Kaisers Justinian I. (526-565) die Datierung der Grablege frühestens in das 6. Jahrhundert bestätigten. Mit dem Erscheinen des von Ludwig Lindenschmit, Direktor des "Römisch-Germanischen Central-Museums zu Mainz" zwischen 1880 und 1889 herausgegebenen "Handbuch der Deutschen Alterthumskunde I. Die Alterthümer der merowingischen Zeit" schienen nicht nur alle bis dahin bestehenden Unklarheiten in den chronologischen und ethnischen Bestimmungen der frühmittelalterlichen Grabfunde ausgeräumt, sondern auch die Probleme gelöst. In einer heute wieder modern wirkenden Symbiose von Quellentexten und Sachaltertümern wird hier die Archäologie des 5.-8. Jahrhunderts n. Chr. realienkundlich dargestellt. Wahrscheinlich liegt hierin eine der Ursachen dafür, dass sich die Forschung erst wieder Jahrzehnte später intensiv mit der systematischen Aufarbeitung der Bodenfunde aus den "dunklen Jahrhunderten zwischen Antike und Mittelalter" beschäftigte. Die Begeisterung für die heimische Archäologie im patriotisch gesinnten Deutschland und der wirtschaftliche und verkehrstechnische Aufschwung in der Gründerzeit hatte einen Ausgrabungsboom zur Folge. Ungehindert von gesetzlichen Bestimmungen tobten Sammler und Liebhaber prähistorischer Objekte ihren dilettantischen Forschungsdrang aus oder fuhren gar unter kommerziellen Aspekten mit der Eisenbahn zum "Urnenstechen" trichterten Grabhügel an oder schürften und plünderten in römischen und frühmittelalterlichen Friedhöfen. Regelrechte Tausch- und Verkaufsbörsen, oft am Rande von Vorgeschichtskongressen, wurden abgehalten; der Handel mit prähistorischen Objekten blühte, wobei gerade die großen finanzkräftigen Museen die Konjunktur anheizten. Um einerseits die Fundausbeute - die "Ausgrabungen" waren auch nach damaligen Maßstäben unsachgemäß - vor Verstreuung und Verlust zu bewahren und andererseits ihre Sammlungen zu komplettieren, wurden über Agenten, Antiquare oder direkt bei den Raubgräbern "Schauobjekte" in großer Zahl und zu stattlichen Preisen angekauft. Pfiffige Händler teilten die geschlossenen Fundkomplexe und verkauften sie partieweise an verschiedene Museen. Die nach Qualität und Seltenheitswert erstandenen Objekte vergrößerten die Sammlungen, aber zugleich vermehrten sie auch die zerstörten oder ruinierten Bodendenkmäler im Lande. Obwohl bereits um die Jahrhundertwende ein Abflauen des Sammlerunwesens festzustellen war, konnte der "graue Markt" für heimische Altertümer erst mit Erlass der Ausgrabungs- und Denkmalschutzgesetze oder Verordnungen in den deutschen Staaten zu Beginn unseres Jahrhunderts eingeschränkt und allmählich eine archäologische Denkmalpflege aufgebaut werden. Unter diesen Aspekten sind die Ausgrabungen im 1883 entdeckten alamannischen Friedhof von Pfahlheim zu sehen. |