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Im Europa der Frühen Neuzeit
galt religiöse Homogenität eines Landes als Voraussetzung
gesellschaftlicher Einheit und sozialen Friedens.
In den Spanischen Niederlanden verfolgte der katholische König
Philipp II. die Anhänger der Reformation als ‚Ketzer’.
1566 entlud sich der Protest gegen die spanische Herrschaft
im „Bildersturm“: Niederländische Calvinisten
zerstörten Hunderte katholischer Kirchen. Der Aufstand
wurde von spanischen Truppen blutig niedergeschlagen.
Rund 100.000 niederländische Anhänger der Reformation
verließen im 16. Jahrhundert ihre Heimat. Mindestens
19.000 siedelten sich in deutschen Territorien an. Nicht alle
flohen aus religiösen Gründen. Sie hatten auch unter
den wirtschaftlichen und sozialen Folgen der spanischen Unterdrückung
gelitten.
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Die Weseler Ratspokale
(„Geusenbecher“) der Flamen und Wallonen |
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Die Weseler Ratspokale („Geusenbecher“)
der Flamen und Wallonen
Gilles Sibricht (eingeschrieben Köln 1542 –
1598 Frankfurt a.M.)
Wesel 1578
Silber, gegossen, getrieben, vergoldet, graviert, H
58,5, Dm Kuppa 15,5
Wesel, Städtisches Museum Wesel, SMW
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Im Auftrag niederländischer Glaubensflüchtlinge
fertigte der Kölner Goldschmied Gilles Sibricht 1578
zwei prächtige vergoldete Pokale an, mit denen sich Flamen
und Wallonen beim Rat der Stadt Wesel für ihre Aufnahme
bedankten. Sie sehen hier die Pokale der wallonischen Flüchtlinge,
die im Mittelstück biblische Beispiele für Gastfreundschaft
zeigen. Die wertvollen Goldschmiedearbeiten sind mit allerlei
Ornamenten, Masken und Fruchtgehängen reich dekoriert.
Das Weseler Wirtschaftsleben war vor der Ansiedlung der Niederländer
einseitig durch den Handel bestimmt. Die gut ausgebildeten
Handwerker aus den Niederlanden stellten deshalb eine willkommene
Bereicherung dar.
Nicht in allen Aufnahmeorten verlief die gesellschaftliche
und wirtschaftliche Integration der Niederländer so gut
wie in Wesel. Im katholischen Köln begegnete man den
calvinistischen Zuwanderern mit viel Misstrauen.
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Kirchenordnung
der Reformierten Kirche der Niederlande |
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„Kercken Ordnung / in den general Synodo der /
Nederlandtschen kercken gestelt / tot Middelborch in
Junio / Anno 1581“
Zeitgenössische Kopie
Middelburg, 29. Mai / 29. Juni 1581
Handschriftlich, 33,0 x 21,0
Wesel, Evangelische Kirchengemeinde Wesel
Wesel, Gefach 60, 7.1
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Diese reformierte, das heißt calvinistische Kirchenordnung
regelte detailliert alle Aspekte des Bekenntnisses und des
Gemeindelebens. Sie galt für die im Untergrund handelnden
Gemeinden in den Spanischen Niederlanden und die Flüchtlingsgemeinden,
so auch für die niederländische Gemeinde in Wesel.
Unter dem Einfluss der calvinistischen Immigranten aus den
Spanischen Niederlanden vollzog sich im lutherischen Wesel
in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts eine „zweite
Reformation“: Der Calvinismus wurde zum vorherrschenden
Bekenntnis in der Stadt.
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