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Im Deutschen Reich galt bis 1914
das Staatsangehörigkeitsgesetz von 1870. Erst 1913 wurde
ein neues Gesetz zur „Reichs- und Staatsangehörigkeit“
verabschiedet. Es schuf eine nationale „deutsche“
Staatsangehörigkeit, die auf Abstammung beruhte. Das
Gesetz schaffte das Territorialprinzip ab, wonach schon ein
mehrjähriger Aufenthalt im Land die Staatsangehörigkeit
begründete. So erschwerte es die Einbürgerung unerwünschter
Zuwanderer aus dem benachbarten Osten. Es galt im Kern bis
zum Jahr 2000.
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Das Reichs- und
Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913 |
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Albert Magnus
Berlin: Puttkamer und Mühlbrecht, 1917
Druck, 22,7 x 16,3, Berlin,
Staatsbibliothek zu Berlin –
Preußischer Kulturbesitz
Gw 16582
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Die Landwirtschaft brauchte ausländische Arbeitskräfte,
doch vor allem Preußen regulierte ihre Zuwanderung streng:
So mussten Saisonarbeiter aus dem Osten Preußen im Winter
verlassen. In den mittleren und Westprovinzen durften sie
nur in der Landwirtschaft arbeiten. 1909 führte Preußen
den „Inlandslegitimierungszwang“ ein. Um hier
arbeiten zu können, benötigte ein Saisonarbeiter
eine spezielle Legitimationskarte. Die Feldarbeiter-Zentralstelle
registrierte an ihren 141 Dienststellen entlang der deutschen
Ostgrenze die einreisenden ausländischen Arbeiter. Sie
mussten einen Arbeitgeber oder Arbeitsvertrag nachweisen,
um gegen Gebühr diese Legitimations-Karten zu erhalten,
die als Aufenthaltsausweis im Deutschen Reich galten. Polen
erhielten rote, Italiener grüne, Ruthenen gelbe, Niederländer
und Belgier blaue Karten. Die süddeutschen Staaten übernahmen
das rigide preußische System nicht.
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Arbeiter-Legitimationskarte
für Polen |
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Arbeiter-Legitimationskarte
für Ruthenen
Deutsche Feldarbeiter-Zentralstelle, Berlin, 1910
Druck, 17,2 x 10,8. Landesarchiv Baden-Württemberg,
Hauptstaatsarchiv Stuttgart, EA 151/03, Bü 59,
Qu. 73
(Alle Rechte vobehalten)
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Diese Legitimationskarten enthielten die Personalien des
Arbeitnehmers, aber auch Namen und Anschrift des Arbeitgebers.
Ein Wechsel des Arbeitsverhältnisses war nur mit Einwilligung
des Arbeitgebers möglich. Der unerlaubte Wechsel galt
genauso wie „mangelnder Arbeitseifer“ als „Kontraktbruch“
und zog die Ausweisung des Arbeiters nach sich. Wer ohne Legitimationskarte
erwischt wurde, war entweder illegal im Land oder „kontraktbrüchig“
und wurde sofort ausgewiesen. Die staatlich institutionalisierte
Diskriminierung besonders der polnischen Arbeiter begünstigte
ihre Übervorteilung und Ausbeutung durch die Arbeitgeber.
Häufig wurde ein Teil des Lohnes als Kaution einbehalten.
Gegen Ende des Vertrages provozierte man dann durch unmenschliche
Behandlung den Widerspruch der Arbeiter und stellte sie als
„kontraktbrüchig“ dar. Die Polizei übernahm
als Erfüllungsgehilfe die Abschiebung. Die Arbeiter wurden
um ihren Lohn geprellt. Die auslandspolnischen Wanderarbeiter
waren von den Restriktionen besonders betroffen, da man ihre
dauerhafte Einwanderung unbedingt verhindern wollte. Deshalb
unterlagen sie im Winter auch dem oben schon erwähnten
saisonalen Rückkehrzwang.
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