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In den Alpenregionen Vorarlberg,
Tirol und Graubünden konnte die Landwirtschaft die Bevölkerung
kaum ernähren. Viele Familien schickten im Sommer Kinder
nach Bayern und Württemberg. Dort wurden sie auf den
wohlhabenden und großen Höfen als billige Arbeitskräfte
gebraucht. Sie leisteten harte Arbeit beim Vieh hüten
oder als landwirtschaftliche Helfer. In der ersten Hälfte
des 19. Jahrhunderts erreichte die „Schwabengängerei“
ihren Höhepunkt, rund 5000 Kinder kamen jährlich
zur Arbeit nach Süddeutschland.
Den Weg über die Alpen traten die 8- bis 16-jährigen
Kinder jährlich im März an. Kinder, deren Reise
nach Südwürttemberg und Südbaden führte,
überquerten den Bodensee von Bregenz aus auf einem Sonderschiff.
Nach der mühsamem Reise versammelten sie sich auf so
genannten Kindermärkten.
Jedes Jahr im Frühjahr fanden in Ravensburg und Friedrichshafen
am Bodensee diese auch „Sklavenmärkte“ genannten
Treffen statt. Dort suchten sich Bauern die notwendigen Arbeitskräfte
und verhandelten den Lohn. Kinder, die keinen Dienstherrn
fanden, mussten wieder in die Heimat zurück kehren.
Um die Jahrhundertwende erhielt ein Kind zwischen 70 und 100
Mark, dazu neue Kleidung, Kost und Logis. Am 11. November,
dem Martinstag, endete die Dienstzeit. Die bessere Ernährung
und Kleidung zum Ende der Dienstzeit sieht man auch auf dem
Foto.
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'Schwabenkinder’ vor
der Rückfahrt |
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Peter Scherer (1869
– 1922), Friedrichshafen, um 1900
Photographie, (neuer Abzug vom Glasnegativ)
Ravensburg, Sammlung Thomas Weiß
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Die Schweizer und österreichischen Behörden standen
dem Phänomen zwiespältig gegenüber: Einerseits
wollte man die Schulpflicht durchsetzen und fürchtete
um die sittliche Entwicklung der Kinder im Ausland, andererseits
war der Verdienst der Kinder von enormer Bedeutung in den
armen Regionen. Die Schulbildung musste letztlich hinter wirtschaftlichen
Interessen zurückstehen. Die letzten „Schwabengänger“
kamen noch in den 30er Jahren des
20. Jahrhunderts nach Süddeutschland
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