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Ausgrenzung
von Juden und die Nürnberger Rassegesetze
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Plakat zu den Nürnberger
Rassegesetzen |
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Plakat zu den Nürnberger Rassegesetzen
Stuttgart, 1935. Offset, 29,2 x 38,8
Berlin, Deutsches Historisches Museum, 1989/2578
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Dieses nationalsozialistische Plakat stellt die so genannten
Nürnberger Gesetze dar, die 1935 verabschiedet wurden.
Die Grenzen des Deutschen Reiches sind von einer hohen Mauer
eingefasst, die das „Gesetz zum Schutze des deutschen
Blutes und der deutschen Ehre“ graphisch veranschaulichen
soll. Mit dem „Reichsbürgergesetz“ radikalisierten
die Nationalsozialisten das Staatsangehörigkeitsrecht.
Im Gegensatz zu den mit vollen Rechten versehenen „Reichsbürgern“,
die „deutschen oder artverwandten Blutes“ sein
mussten, waren Juden fortan nur noch „ einfache Staatsangehörige“
des Deutschen Reichs, deren Rechte ständig ausgehöhlt
wurden. Die Staatsangehörigkeit war zu einem Status minderer
Wertigkeit gegenüber dem nach Rassekriterien definierten
Reichsbürger geworden.
Den rassistisch motivierten Regelungen der Nürnberger
Gesetze folgten Bestimmungen zu einer äußerlichen
Kennzeichnungspflicht von Juden. Ab 1938 wurden alle Personaldokumente
von Juden wie der Reisepass von Eva Benditt mit einem großen
roten „J“ gekennzeichnet. Zu Beginn des Jahres
1939 folgte die Einführung der Zwangsvornamen Sara und
Israel. Ab 1939 mussten alle Juden in Polen einen gelben Stern
tragen. Ab September 1941 galt dies auch für alle Juden
in Deutschland.
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Reisepass der jüdischen
Bürgerin Eva Benditt |
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Berlin, 21. April 1941. Druck, 16,5 x 11,2. Berlin,
Deutsches Historisches Museum, Do 72/121 II (MfDG)
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Bereits seit 1933 waren mit dem „Gesetz über den
Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen
Staatsangehörigkeit“ Strafexpatriierungen möglich
geworden. Diese Maßnahme diente der Verfolgung politischer
Gegner des NS-Regimes und der rassischen Homogenisierung der
Bevölkerung. Im Ausland lebende Deutsche konnten ausgebürgert
werden, "sofern sie durch ein Verhalten, dass gegen die
Pflicht zu Treue gegen Reich und Volk, die deutschen Belange
geschädigt haben". Das Gesetz betraf zunächst
politische Emigranten, ab 1936 wurde es verstärkt auf
emigrierte Juden angewendet. Vermutlich verlor Bertha Flegenheimer
die Staatsangehörigkeit durch ihre Emigration.
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Einwohnerkarteikarte mit der
Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft von
Bertha "Sara" Flegenheimer |
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1941/42. Druck, gestempelt, 14,8 x 20,8. Berlin,
Deutsches Historisches Museum, Do 2 92/477.6
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Umsiedlungen
Im Zweiten Weltkrieg begannen die Nationalsozialisten, annektierte
Gebiete zu ‚germanisieren’. Zwischen 1939 und
1944 wurden eine Million Menschen deutscher Herkunft aus ihren
Siedlungsgebieten in Südost-, Ostmittel- und Osteuropa
›heim ins Reich‹ geholt. Ziel war ihre Ansiedlung
in den vom NS-Staat eroberten und annektierten Gebieten. Die
Karte aus dem Jahr 1941 zeigt die Umsiedlungen so genannter
Volksdeutscher.
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Karte mit Siedlungsbewegungen
anlässlich der ‚Heimholung’ so genannter
Volksdeutscher |
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„Die führungslose Auswanderung / deutscher
Bauern und Bürgernach dem Osten und / die planvolle
Umsiedlung ins Großdeutsche Volksreich Adolf
Hitlers“. München, 1941, Offset, 40,0 x
56,0
Berlin, Deutsches Historisches Museum, P 98/135
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Einschiffung von "Volksdeutschen"
im rumänischen Cernavoda |
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Liselotte Orgel-Köhne
(Straßburg 1918-2002 Berlin)
Cernavoda, 1940. Photographie,
Berlin, Deutsches Historisches Museum, BA 109949
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Zuvor hatten Deutsche Wehrmacht und SS die ansässige
polnische und tschechische Bevölkerung, Juden und andere
verschleppt oder in Vernichtungslager deportiert. Dem ‚Volk
ohne Raum’ wurde gewaltsam Raum geschaffen. Der von
Heinrich Himmler formulierte „Generalplan Ost“
sah die Umsiedlung von über 30 Millionen Menschen vor,
die nach Sibirien deportiert werden sollten. Von den mehr
als 10 Millionen Menschen in den ehemals polnischen, nunmehr
dem Reich angegliederten „Reichsgauen“ Wartheland
und Danzig-Westpreußen galten gerade einmal 1,7 Millionen
als „eindeutschungsfähig“. Die Grenze des
„deutschen Volkstums“ wollten die Nationalsozialisten
bis an den Ural verschieben. Im Vernichtungskrieg gegen die
Sowjetunion setzten sie diese Ideologie ab September 1941
auf brutalste Weise um.
Zwangsarbeiter
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Plakat in russischer Sprache
zur Anwerbung von Arbeitskräften für Deutschland
aus den besetzten sowjetischen Gebieten |
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„Wir gehen
nach Deutschland, um für den Frieden und eine
bessere Zukunft zu arbeiten.“ Deutsches Reich,
um 1942
Offset, 49,8 x 83,5 Berlin, Deutsches Historisches
Museum, P 96/978
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„Wir gehen nach Deutschland, um für den Frieden
und eine bessere Zukunft zu arbeiten“ erklären
die beiden Abreisefertigen auf dem Plakat dem Betrachter.
Sie drehen uns bereits den Rücken zu, den Blick fest
auf die glückliche Zukunft als qualifizierte Arbeiter
in deutschen Betrieben gerichtet. Mit solchen Propagandaplakaten
warben die deutschen Behörden in den besetzten sowjetischen
Gebieten um Arbeitskräfte für die deutsche Kriegswirtschaft.
Da sich jedoch kaum Freiwillige meldeten, ging man zu Zwangsrekrutierungen
über.
Im Oktober 1944 wurden fast acht Millionen ausländische
Arbeitskräfte in Deutschland gezählt. Die zwei Millionen
Kriegsgefangenen in Deutschland mussten Zwangsarbeit leisten,
ebenso wurden sechs Millionen Zivilisten, davon ein Drittel
Frauen, aus den besetzten Gebieten zur Arbeit nach Deutschland
verschleppt. Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter waren in allen
Bereichen der deutschen Wirtschaft eingesetzt. Etwa die Hälfte
aller Zwangsarbeiter arbeitete in der Landwirtschaft. Ein
Merkblatt für Landwirte gab Regeln zum Verhalten gegenüber
polnischen Arbeitern vor. Deutlich kommt dabei die NS-Rassenideologie
zum Ausdruck. So heißt es warnend: „Die Polen
gehören nicht zur deutschen Volksgemeinschaft. Wer sie
wie Deutsche behandelt oder gar besser, der stellt seine eigenen
Volksgenossen auf eine Stufe mit Fremdrassigen.“ Ohne
den Arbeitseinsatz dieser Millionen von Zwangsarbeitern, Kriegsgefangenen
und Häftlingen aus den Konzentrationslagern wäre
die Weiterführung des Kriegs für das Deutsche Reich
spätestens ab 1942 nicht möglich gewesen.
Je tiefer die ‚Fremdarbeiter’ in der nationalsozialistischen
‚Rassehierarchie’ standen, desto schlechter waren
ihre Lebensbedingungen. ‚Westarbeiter’ wie Franzosen,
Belgier und Niederländer wurden besser behandelt als
Polen und Sowjetbürger: Diese ‚Ostarbeiter’
genannten Fremdarbeiter galten als ‚slawische Untermenschen’
und mussten bis zur Erschöpfung arbeiten. Sie wurden
gezwungen, auf ihrer Kleidung die Aufnäher „OST“
bzw. „P“ zu tragen.
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Abzeichen für polnische
Zwangsarbeiter |
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1939/1945. Textiles Material, bedruckt, 6,0 x 6,5
Berlin, Deutsches Historisches Museum, A 93/18
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Viele Zwangsarbeiter starben an Unternährung, Krankheit
und Misshandlung. Am untersten Ende der Hierarchie standen
die Häftlinge in den Konzentrationslagern, die zur Arbeit
in der Rüstungsproduktion gezwungen wurden. Ihr Tod durch
Arbeit und Entkräftung innerhalb weniger Wochen war einkalkuliert.
In der Form eines im großen Maßstab auf ausländischer
Arbeitskraft basierenden Zwangsarbeitersystems blieb der nationalsozialistische
›Ausländer-Einsatz‹ historisch ohne Parallele.
Über die untenstehenden Buttons haben Sie die Möglichkeit,
Berichte von ehemaligen Zwangsarbeitern anzuhören.
Auszüge
aus einem Interview mit der ehemaligen ukrainischen
Zwangsarbeiterin Galina Halina
Kramatorsk (Ukraine), 28. Juli 2002
Interviewer: Wladimir Maljutin
Dortmund, Westfälisches Industriemuseum, Landesmuseum
für Industriekultur
des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL)
Übersetzung: Sergej Avicjuk
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Auszüge
aus dem autobiographischen Bericht des ehemaligen sowjetischen
Kriegsgefangenen Dr. med. Nikolai Gubaraw
Aus: Nikolai Gubaraw, Mein Kriegsschicksal, Tallin (Estland)
Hemer, Stadtarchiv
Übersetzung: Nils Scharfenberg |
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