»Ehrsame,
hier habt ihr Herzog Alba auf seinem tyrannischen Thron»
Die
wechselvolle Geschichte des niederländischen Aufstandes
begleitete ein Bild, das über viele Jahrzehnte sehr
populär war und das noch heute häufig als Gleichnis
für den 80jährigen Befreiungskrieg veröffentlicht
wird. Die älteste erhaltene Umsetzung des beliebten
Bildthemas wurde als Handzettel in Städten an Passanten
verteilt oder auf belebten Plätzen heimlich hinterlegt.22
Der Druck eines unbekannten Stechers war 1569 für
einen außerhalb der niederländischen Grenzen
lebenden Leserkreis bestimmt. Bis auf eine kurze französische
Zusammenfassung sind der Titel und der größte
Teil der Beschriftung in Deutsch verfaßt. Offensichtlich
war der Stich für ein im Umfeld niederländischer
Emigranten lebendes deutsches Publikum gedacht. Der mit
den Ereignissen vertraute Graveur war sicherlich ein Flüchtling,
der vermutlich in der berühmten niederländischen
Künstlerkolonie von Köln tätig war.23
Mindestens fünf teilweise leicht veränderte
Versionen sind bekannt und dienten als Vorlage für
eine Reihe von Gemälden. Zu den frühesten Werken
gehört auch die Tafel des Deutschen Historischen
Museums. Die Schrift unten rechts heißt übersetzt:
»Ehrsame, hier habt ihr Herzog Alba auf seinem tyrannischen
Thron«. Vor dem Spanier knien aneinandergekettet
die 17 niederländischen Provinzen. Sechs von ihnen
sind an ihrem Wappen als Personifizierung von Brabant,
Flandern, Zeeland, Gelderland, Holland und, halb verdeckt,
Utrecht zu erkennen. Weiter rechts befindet sich eine
Gruppe von Männern, die statt auf Beinen auf Pfählen
stehen und sich den Mund zuhalten: »Oberkeit«,
so der deutschsprachige Stich von 1569, »ist in
steine seulen Verwandelt, ist stumm Und mat worden; darfft
Nit reden um wegen ire gueter.« Die Regenten der
niederländischen Städte haben Angst, sich zu
bewegen oder zu sprechen, um einer Anklage vor dem »Blutrat«
zu entgehen, die mit dem Verlust ihres Besitzes enden
könnte. Deutlich ist die Kritik des Emigranten an
den Regierenden herauszuhören, die untätig die
Knechtung der Niederlande hinnehmen.24
Neben den Ratsherren stehen mit bedecktem Haupt Angehörige
des Adels. Obwohl sie den größten Abstand zum
Thron Albas wahren, bleiben auch sie teilnahmslose Zuschauer.
Eine Maueröffnung gibt den Blick auf den Brüsseler
Marktplatz frei. Um zwei Blutgerüste steht eine große
Menschenmenge, die der Hinrichtung von vier Männern
beiwohnt. Auf dem mit schwarzem Tuch ausgeschlagenen Schafott
werden die Grafen Egmont und Horne25
und auf dem anderen vermutlich Antoon van Stralen und
Jan Casembrood, Herr von Bakkerzeele, enthauptet. In zwei
Drucken verweist ein Stuhl neben dem Henker auf den Antwerpener
Altbürgermeister und Bankier van Stralen, den die
Folter so entstellt hatte, daß er nur noch im Sitzen
hingerichtet werden konnte. Mehr als drei Monate nach
den Grafen wurde er am 24. September 1568 zusammen mit
Bakkerzeele, dem Sekretär Egmonts, zur Richtstatt
gebracht. Das Blut der vier Männer füllt einen
Fluß, aus dem Margarete von Parma mit einem Netz
die konfiszierten Besitzungen herausfischt. Ein weiteres
Opfer steht, die Hände vor dem Bauch verschränkt
oder gebunden und mit offenem Kragen, auf den Stufen zu
Albas Thron. In einer anderen frühen Tafel aus dem
belgischen Schloß Belœil, die Pieter Breughel
d. Ä. zugeschrieben wird, bleibt dieser Mann namenlos,
wie er auch über die Druckgraphik nicht zu identifizieren
ist.
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Die
17 niederländischen Provinzen vor Herzog Alba
»Und
Ihr, o Brabant!, o Flandern!, o Ritterschaft und
aufrechte Bürgerschaft von Holland, Zeeland,
Utrecht und so vielen anderen Provinzen!, wie
seid Ihr unwürdig aus dem Schoß des
Überflusses gestoßen, um von Henkern
und Bluthunden zerrissen zu werden! Und Ihr, o
Egmondt!, o Hoorn!, Pyladen des Staates, wie schnöde
wurde Euer Vertrauen mit Mißtrauen, Eure
Treue mit Treulosigkeit vergolten!« (Wilhelm
I. von Oranien)
[Die Schrift unten rechts heißt übersetzt:
»Ehrsame, hier habt ihr Herzog Alba auf
seinem tyrannischen Thron«.]
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Spätere
Versionen bezeichnen ihn als Bakkerzeele, während
an seiner und van Stralens Stelle auf dem Schafott neben
Egmont und Horne die Batenburg Brüder enthauptet
werden. Der mit entblößtem Hals für das
Richtschwert vorbereitete Gefangene ist von Männern
umgeben, die der deutschsprachige Stich umschreibt als
»Die blutige mörderische Spanische inquisition
Sampt der gantze rhat Und papistiche hauff«. Zwei
von ihnen, rechts von Alba, tragen ähnliche pelzverbrämte
Mäntel wie die auf Pfählen stehenden Regenten.
Obwohl diese Kleidung bereits in der zweiten Hälfte
des 16. Jahrhunderts nicht mehr modern war, diente sie
in bildlichen Darstellungen noch lange zur Hervorhebung
von Ratsherren.26
Der sich zu Alba vorbeugende Mann ist der Vorsitzende
des Blutrates Juan de Vargas, bei dem anderen handelt
es sich um dessen engen Mitarbeiter im »Conseil
des Troubles«, den Halbspanier Lodewijk del Río.
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Der zwischen beiden stehende Geistliche wird in späteren
Darstellungen als Maarten Rijthoven, Bischof von Ypern,
kenntlich gemacht. Dieser eher moderate Kirchenfürst
überbrachte Egmont das Todesurteil und begleitete
ihn auf seinem letzten Weg.27
Von hinten legt Bruder Cornelius seine Hand auf die Schulter
del Ríos. Der Franziskanermönch war für
sein ausschweifendes Leben und seine unkeuschen Vorlieben
bekannt. Man begegnet ihm in vielen protestantischen Drucken
der Zeit als Sinnbild für den Verfall der alten Kirche.28
Auf der anderen Seite des Throns steht Kardinal Granvelle.
Mit einem Blasebalg bläst er Alba Haß und Mordlust
ins Ohr. Beide werden vom Teufel überragt. Über
den Herzog hält dieser eine weltliche Krone und über
den Kardinal die päpstliche Tiara. Die Unterschrift
auf der deutschen Vorlage erklärt den Grund: »Hie
Gibt der Teuffel eim leden Sein lohn nach Dem er verdient
Hat mit ungleiche Kroonen.« Die drei links um Granvelle
stehenden Männer gehören nicht zum ursprünglichen
Bildprogramm der Graphik. Selbst über die teilweise
sehr ausführlichen Legenden der Gemälde sind
sie nicht zu identifizieren. Ihre Kleidung und ihr Platz
hinter dem Thron kennzeichnen sie vermutlich als Angehörige
des Hofstaates. Auch die Hutfedern des auf die 17 Provinzen
weisenden Granden lassen diesen Schluß zu, sie ähneln
denen des Herzogs. Vor den Füßen Albas liegen
verstreut die zerrissenen Rechte und Privilegien der niederländischen
Staaten. Auf dem Boden neben dem Thron steht eine rote
Spardose. Sie ist ein Hinweis auf die Geldgier der Spanier
und als eine Anspielung auf den Streit um den zehnten
Pfennig zu verstehen. Daher ist die Büchse kein Bestandteil
der vor 1571 entstandenen Stiche. Vom Herzog abgewandt
schaut ein kleiner Hund aus dem Bild. Er hat nichts gemein
mit den Bluthunden späterer Gemälde, die auch
in R. C. Hoofts »Niederländischen Historien«
erwähnt werden. Vielleicht symbolisiert er das Vertrauen
Egmonts und Hornes, das die Spanier mit Mißtrauen
beantworteten, und die Treue zum König, die mit Treulosigkeit
vergolten wurde.29
In einem Verlies links vom Thronbaldachin erleiden Protestanten
die Folter: »Hie ist wie man die Evangelisten Zwingt,
streckt und auffhenckt Mit grosser marter das sie andere
solten anzegen«, beschreibt der Druck von 1569.
Am rechten Bildrand werden verschiedene Todesstrafen vollstreckt.
Eine unbekleidete Frau steht auf einem Scheiterhaufen,
ein Baum dient als Galgen. Weder der König von Spanien
noch der Prinz von Oranien sind auf der Tafel abgebildet.
Das über dem Thron prangende Wappen mit dem Goldenen
Vlies ist das des eisernen Herzogs. Zur Entstehungszeit
des Stiches galt Philipp II. noch als der »gute,
jedoch schlecht informierte Monarch«, der für
die Politik seines Gouverneurs nicht verantwortlich war.
Die Rebellion der Niederländer richtete sich gegen
das tyrannische Unrechtsregime Albas und wurde nicht als
Aufstand gegen den rechtmäßigen König
verstanden. Erst 1581 vollzog Wilhelm den endgültigen
Bruch mit Philipp. Während er diesen als Fürsten
und als Person angriff, begab er sich auf die Suche nach
einem neuen Landesherrn.30
Zu unbestimmt war die Rolle des Prinzen, um ihn in das
Bildprogramm von 1569 mit aufzunehmen. Nach der verheerenden
Niederlage in der Schlacht von Jemgum und dem mißglückten
Feldzug in Brabant 1568 mußte Wilhelm nicht nur
vor den Spaniern, sondern auch vor seinen Gläubigern
fliehen. Vier Jahre konnte er keine Armee aufstellen,
und erst 1573 schloß er sich der entschiedensten
Partei des Aufstandes an, indem er zum Kalvinismus übertrat.
Auch später wurde die Komposition um keine wesentlichen
Elemente ergänzt.
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Die
in Deutschland als Warnung vor Spanien konzipierte Graphik
entwickelte sich in wenigen Jahren zur wichtigsten Ikone
des niederländischen Befreiungkrieges. Die bei weitem
größte Gruppe der bekannten Gemälde entstand
nach einer Adriaen Pietersz van de Venne zugeschriebenen
Zeichnung. Die 1622 vermutlich von Willem Jacobszoon Delff
gestochene Graphik diente als Propagandablatt in einem
innenpolitischen Streit. Es ging um Krieg oder Frieden.
40 Jahre nach dem Tode Albas sollte die Erinnerung an
das tyrannische Regiment des Herzogs und an die verlorene
Einheit der 17 niederländischen Provinzen einen neuen,
gegen Spanien geführten Feldzug rechtfertigen helfen.
Die um Mauritz von Oranien gruppierte Kriegsfraktion verhinderte
1621 eine Verlängerung des zwölfjährigen
Waffenstillstands mit Spanien. Der Prinz konnte sich gegen
die Friedenspartei durchsetzen und die Vereinigten Provinzen
im Bündnis mit den deutschen Protestanten in den
Dreißigjährigen Krieg führen. Im Kampf
um Macht und Einfluß hatte der langjährige
und angesehene Leiter der niederländischen Politik,
der holländische Landadvokat Johan van Oldenbarnevelt,
nicht nur den Streit, sondern auch sein Leben verloren.
Aus dem Jahr seiner Hinrichtung 1619 datiert ein Stich
mit dem Titel »Abbild der alten und der neuen Zeit«.
Die obere Hälfte des Druckes ist umklappbar: Schlägt
man diesen Teil nach unten, werden aus dem am Tisch sitzenden
Alba der holländische Landadvokat und aus Kardinal
Granvelle der Advokat von Utrecht und enge Vertraute Oldenbarnevelts,
Gillis van Ledenberg. Aus dem Schafott mit der Enthauptung
der Grafen Egmont und Horne wird der Platz für die
Hinrichtung Oldenbarnevelts. Die Graphik ist ein Beleg
für die Popularität des Bildprogramms von 1569.
Die einzelnen Elemente der Darstellung waren so bekannt,
daß sie ohne Erläuterung in ganz andere und
neue Zusammenhänge gebracht wurden.31
Unabhängig vom wieder aufgenommenen Krieg gegen Spanien
sollten die nach Delffs Stich entworfenen Gemälde
an die mühevollen Anfänge der Staatsgründung
erinnern und gemahnen. Auftraggeber waren oft die Nachfahren
des gegen Alba rebellierenden Adels, wie Floris I. van
Pallandt, Graf van Culemborg, und Philipp van Marnix van
Sint Aldegonde. Von den 23 bislang bekannten Gemälden
gehören vier zu einer dritten Gruppe.32
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Abbild der alten und der neuen Zeit
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In
diesen Bildern ist die allegorische Vorstellung auf wenige
Elemente reduziert und um einen Tisch mit dem tagenden Blutrat
ergänzt. Diese sehr freie Umsetzung des Vorbildes legt
den Nachdruck vor allem auf die Wiedergabe einer klassischen
Monumentalarchitektur.33
Ungewöhnlich war dieses Verfahren nicht, wurde doch
das Architekturbild durch die Allegorie aufgewertet, die
noch vor der Genremalerei rangierte.34
Glaubt man der Signatur und Datierung eines Gemäldes
aus dem belgischen Schloß Ooidonk, so ist dieses Bild
zusammen mit einer im Bijlokemuseum von Gent aufbewahrten
Tafel die letzte bekannte Fassung des Bildprogramms von
1569. Beide Bilder stammen von der Hand desselben Künstlers,
der möglicherweise Jan Molenaer hieß und zumindest
die Ooidonk Tafel 1671 vollendet haben soll.35
In unmittelbarer Nähe zum Thron befindet sich im Genter
Bild ein in morgenländische Tracht gekleideter Mann
mit Turban. War zur Zeit Philipps II. eine Allianz mit den
Osmanen noch ungewöhnlich, verweist dieses Bild vielleicht
auf einen anderen Monarchen, der solche Skrupel nicht kannte
und im berühmten Katastrophenjahr 1672 zur Vernichtung
der niederländischen Republik ansetzte - König
Ludwig XIV. von Frankreich. |
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