»Voor een' vryen Staet«
Die Niederlande, das Reich und »Tyrannen«
in den Krisenjahren 1572 und 1672
Gorch Pieken

Adam Frans van der Meulen ein flämischer
Maler im Dienst des Sonnenkönigs

 

Der holländische Krieg fiel mit einem Goldenen Zeitalter französischer Kreativität in Literatur, Theater und Musik zusammen. Liselotte von der Pfalz schrieb später über die 1670er Jahre: »Als ich nach Frankreich gekommen bin, habe ich Leute kennengelernt, wie es sie wohl auf Jahrhunderte hinaus nicht mehr geben wird. Da waren Lully für die Musik; Beauchamp für das Ballett; Corneille und Racine für die Tragödie; Molière für die Komödie; die Chamelle und die Beauval, Schauspielerinnen; Baron, Lafleur, Torilière und Guérin, Schauspieler. Alle diese Leute waren hervorragend auf ihrem Gebiet ... Alles, was man jetzt sieht oder hört, reicht nicht an sie heran.«72 Aber auch in der Architektur und Malerei schuf man Großes. Als Liselotte nach ihrer Hochzeit mit dem Herzog von Orléans am 7. Dezember 1671 Paris das erste Mal besuchte, hatte Ludwig XIV. der Stadt bereits für immer den Rücken gekehrt. Mit seinem Hofstaat hielt er sich abwechselnd in Saint Germain en Laye und in Versailles auf, das der Mittelpunkt einer riesigen Baustelle geworden war.

 

Paris mit der Seine vom PontNeuf
Auf dem Pont Neuf steht das Reiterstandbild Heinrichs IV. Am rechten Ufer sind die Bauten des Louvre seit dem Beginn der absolutistischen Herrschaft Ludwigs XIV. neu gestaltet, die Überreste der mittelalterlichen Burg sind verschwunden wie auch der größte Teil des Hôtel de Bourbon. An ihrer Stelle hat Louis le Vau den zum Fluß gewandten Flügel des 16. Jahrhunderts verlängert. Er bildet die Südseite des neuen Hofes, der den alten an Ausmaß um das Vierfache übertrifft. Auf der linken Uferseite wurde die Tour de Nesle abgetragen und an deren Stelle das Collège des Quatre - Nations (heute das Institut de France) errichtet. 1668 trug das Gebäude noch keine Kuppel.

 

Aber auch in Paris waren Handwerker und Architekten in großer Zahl beschäftigt. Als eine Art Abschiedsgeschenk erhielt die Metropole zwei große königliche Stiftungen, für die das Hôtel des Invalides und die Chapelle de la Salpêtrière errichtet wurden. 1672 wurden auch das Collège des Quatre Nations fertiggestellt und damit Mazarins letzter Wille erfüllt , die Porte Saint Denis errichtet, die an die Überquerung des Rheins und die Eroberung von Maastricht erinnert, sowie die nördlichen Befestigungsanlagen geschleift und der Boulevard mit vier Reihen Ulmen zwischen der Porte Saint Antoine und der Porte Saint Martin angelegt.
Eine besondere Förderung durch den König erfuhr die Malerei. Die vom Hof in Auftrag gegebene Kunst und Architektur dienten der Verherrlichung des Monarchen bis weit über die Landesgrenzen hinaus und können so »als Instrumente der Selbstbehauptung angesehen werden, als Fortsetzung von Krieg und Diplomatie mit anderen Mitteln«73. Der umgebaute Louvre wurde zum »Hauptquartier der Imageproduzenten«74, nachdem führenden Künstlern eine Wohnung nebst Atelier im Palast eingerichtet worden war. Unter den bedeutendsten Malern des Königs machte ein gebürtiger Flame eine beispiellose Karriere Adam Frans van der Meulen. Als Direktor der von Colbert ins Leben gerufenen Manufacture Royale des Gobelins bereitete Lebrun seit 1663 eine Tapisserie Serie zur Geschichte des Königs vor, für die er Van der Meulen anwarb. Der 1632 geborene Künstler war in seiner Heimatstadt Brüssel seit 1646 Schüler des Schlachtenmalers Pieter Snayers gewesen und wurde bereits 1648 in die Gilde aufgenommen.75 Als Van der Meulen 1664 in Paris eintraf, fand er eine große Kolonie flämischer Künstler vor, von denen der wohl bekannteste Philippe de Champaigne war. Viele Niederländer verkauften ihre Bilder auf der Straße vor Saint Germain des Prés. Als » Peintre des conquêtes du roi« entwickelte sich Van der Meulen zum gewissenhaften Chronisten der Eroberungszüge des Sonnenkönigs. Die Modellgemälde (Modelli) des Flamen und die danach anfangs meist eigenhändig ausgeführten Gemälde in Riesenformaten (Staatsgemälde) als Schmuck für die königlichen Schlösser fanden den Beifall des Hofes und des Königs. »Heute zählen seine Gemälde zu den bedeutendsten und charakteristischsten Leistungen der Epoche Louis XIV.« 76 Im Devolutionskrieg begleitete Van der Meulen den König auf seinen Feldzügen und fertigte zahlreiche Skizzen von Städten und Schlachten. Vor den ausgeführten Bildern stehend, meinte Ludwig später: »so ist es, ich finde mich wieder«. Und oft antwortete Van der Meulen: »Majestät, sie befreien mich von der Phantasie, und deshalb habe ich Talent. Sie machen das Bild, und ich male es.« 77 Bemerkenswert ist, daß Ludwig auch dort als Oberbefehlshaber abgebildet ist, wo er nachweislich gar nicht anwesend war, wie bei der Schlacht am Kanal von Brügge. Dieses Bild gibt es in verschiedenen Versionen auch in Straßburg, im Musee National und im Musée des Beaux Arts in Versailles, von allen Fassungen ist jedoch die des Deutschen Historischen Museums dem Original im Louvre am ähnlichsten.
Dichter und Historiker trugen ebenfalls zur Verherrlichung des Königs bei. So schrieb Chapelain Sonette über die Invasion von Flandern und die Eroberung der Franche Comté. Molière verfaßte ein Sonett zum selben Thema, während Corneille den König »bei seiner Rückkehr aus Flandern« als »großen Eroberer« und »überhäuft mit Lorbeerkränzen« bezeichnete, dessen »großartige Taten« und »erhabenen Stolz« lobte und von der Schnelligkeit der königlichen Eroberungen sprach, die dem Dichter keine Zeit lasse, sie zu beschreiben.78 Im Vergleich zum Devolutionskrieg bot die holländische Kampagne eine Besonderheit, um deren Herausstellung Dichter und Maler miteinander wetteiferten, nämlich die Überquerung des Rheins im Jahre 1672. In der »Gazette« wurde diese Tat als eine Leistung herausgestellt, an die selbst Cäsar nicht herangekommen sei, da er sich einer Brücke bedient habe, während Ludwig, »in der Überwindung von Schwierigkeiten fähiger als sämtliche Cäsaren«, die Hindernisse, die seinem Vormarsch im Wege standen, ohne mechanische Hilfsmittel überwand.79 Corneille wies darauf hin, daß spanische Feldherren wie Alba und Farnese nicht imstande gewesen seien, die Holländer über den Rhein hinweg zu verfolgen. Die Furchtlosigkeit der Franzosen war das Resultat der Anwesenheit des Königs, dessen Heldentat den Fluß »erschreckt« habe.80 Die Königliche Akademie der Bildenden Künste wählte den Rheinübergang zum Thema des Wettbewerbs von 1672. Van der Meulens Umsetzung zählt zu seinen bekanntesten Bildschöpfungen. Wenn er auch nicht selbst Zeuge dieses Ereignisses war, so bereiste er den Ort noch nachträglich, um die topographischen Gegebenheiten exakt wiederzugeben. Erhalten sind neben dem Original im Louvre das Exemplar im Deutschen Historischen Museum und Versionen in Caen, Dijon sowie Amsterdam.


Urkunde über die Erlaubnis zur Übersiedlung (Lettres de naturalfité)
der Niederländerin Marie Margueritte Françoise Virion aus Rotterdam
nach Frankreich mit eigenhändiger Unterschrift Ludwigs XIV.

 

Adam Frans van der Meulen wurde 1673 ohne Aufnahmestück Mitglied der Akademie und 1686 deren »premier conseiller«. Vorher hatte ihm der König einen Brief zur »französischen Naturalisierung« ausgefertigt. Einen besonderen Gunstbeweis hatte ihm Ludwig schon geliefert, als er 1669 Taufpate einer Tochter des Künstlers geworden war. Im selben Jahr erhielt Van der Meulen das Privileg, Stiche von seinen Gemälden zu verkaufen. Nur Lebrun verdiente als Künstler mehr als der beliebte Flame. In dritter Ehe heiratete er 1681 Marie de By, eine Kusine Lebruns. Nach dem Tod Colberts 1683 wurde dessen Rivale Louvois mit der Leitung der königlichen Kunstpolitik betraut. Während der Einfluß Lebruns infolge dieses Wechsels an der Spitze zusehends schwand, erfreute sich Van der Meulen der besonderen Wertschätzung von Louvois. Am 15. Oktober 1690 um 5 Uhr morgens verstarb Adam Frans van der Meulen hochgeehrt mit 58 Jahren wahrscheinlich an der »Krankheit Molieres«, der Syphilis.

 

 

 

 

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