»Voor
een' vryen Staet«
Die Niederlande, das Reich und »Tyrannen«
in den Krisenjahren 1572 und 1672 |
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Gorch
Pieken |
Das
Katastrophenjahr 1672
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Kriegsminister
François Michel le Tellier Marquis de Louvois
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Der
Krieg wurde von Frankreich erwartet, aber er wurde
von England eröffnet. Ohne vorherige Warnung
hatten britische Schiffe unter dem Kommando des
Herzogs von York die heimwärtssegelnde niederländische
Smyrnaflotte angegriffen. Am 5. Mai traf Ludwig
XIV. bei der Armee in Charleroi ein, die Louvois
von 30.000 Mann auf die stolze Zahl von 144.000
Soldaten hochgerüstet hatte.56
Voltaire schrieb später, »daß alles,
was menschliche Ehrsucht und Kraft vermochten, ins
Werk gesetzt wurde, um die Republik zu vernichten«57.
Die französische Militärführung rechnete
mit einem sehr kurzen Feldzug, bei dem die Niederlande
vollständig besetzt werden sollten, um sie
anschließend unter den verbündeten Königen
und Reichsfürsten aufzuteilen. Ein kleiner
Rest war dem Prinzen von Oranien als souveräner
Besitz vorbehalten. Bereits Anfang Juni ergaben
sich den Franzosen die schlecht ausgerüsteten
Besatzungen der niederländischen Festungen
Wesel, Büderich, Rheinberg und Orsoy auf Reichsgebiet.
Um in das Herz der Republik vorzustoßen, mußte
Ludwig mit der Hauptarmee über die ljssel oder
den Rhein setzen, zu deren Verteidigung Wilhelm
III. ein 18.000 Mann starkes Heer bei Arnheim bereithielt.
Der Prinz von Oranien war zuvor im Februar 1672
zum Kapitän General ernannt worden. Die Berufung
Wilhelms in das höchste militärische Amt
der Niederlande verschaffte den Regenten jedoch
nicht die innen und außenpolitische Entlastung,
die sie sich davon erhofften. Ohne Rücksicht
auf dieses Zugeständnis rüstete Karl II.
zum Krieg gegen die Republik, während die alten
Magistrate zusehends Einfluß und Macht an
den jungen Oranier verloren.
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Am
10. Juni fand Condé gegenüber dem Zollhaus
bei Lobith eine geeignete Stelle zur Überquerung
des Rheins. Bereits am nächsten Tag traf er Vorbereitungen
zur Errichtung einer Brücke. Unter dem Schutz von
zwei Batterien mit zwölf Kanonen wurden in der folgenden
Nacht die Bauarbeiten vorangetrieben. Als am Morgen jedoch
erst sechs Pontons im Fluß schwammen, fürchtete
der Marschall den Zeitverlust und die Aufmerksamkeit des
Feindes. Um einem Vorstoß des niederländischen
Heeres auf dem westlichen Ufer zuvorzukommen, entschlossen
sich die Franzosen, den Rhein zu durchwaten. Ein Bauer
aus der Umgebung führte sie an eine nahegelegene
seichte Stelle, von der aus Kavallerieabteilungen ohne
Mühe an das gegnerische Ufer gelangen konnten. In
dem trockenen Sommer des Jahres 1672 führte der Fluß
nur wenig Wasser. Die größere Strecke mußten
die Pferde nicht schwimmen. Am Morgen des 12. Juni eröffneten
die französischen Geschütze das Feuer auf die
wenigen holländischen Truppen am gegenüberliegenden
Ufer. Im Beisein des Königs überquerten die
ersten 2.000 Kürassiere den Fluß, während
einige Schaluppen für Condé und die anderen
Befehlshaber herbeigeschafft wurden. Die im und beim Zollhaus
verschanzte niederländische Infanterie wurde nach
einem kurzen, aber heftigen Schußwechsel, bei dem
Condé eine Verwundung erlitt, zur Aufgabe gezwungen.
Noch am selben Tag wurde die Schiffsbrücke über
den Rhein geschlagen, auf der bis zum 13. Juni die gesamte
Armee an das linke Ufer gelangte. Zeitgleich mit dem Vormarsch
der Franzosen fielen münsteranische und kurkölnische
Truppen in Overijssel ein.
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Rheinüberquerung
der französischen Armee am
12. Juni 1672
Auf
einem Schimmel inmitten von Offizieren gibt Ludwig
XIV. mit der Rechten Befehle, während er
den Kopf nach links einem heraneilenden Offizier
zugewandt hat. Hinter dem König in der Gruppe
der Generale befindet sich auch Condé.
In der Senke vor ihnen sammelt sich die Kavallerie,
die unter dem Schutz der Kanonen über den
Rhein setzt. Die lockere und weiche, skizzenhafte
Fassung zeigt nicht nur Van der Meulens Geschick
landschaftlicher und figürlicher Regie, sondern
auch seine malerisch atmosphärische Behandlung
des Stoffes.
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Militärlager |
In Panik zog sich der Hauptteil des niederländischen
Heeres in den Westen zurück und überließ
die östlichen Provinzen weitgehend ungeschützt
ihrem Schicksal. Eine Stadt nach der anderen kapitulierte
vor den Angreifern, und als sich Utrecht am 22.
Juni ergab, öffneten die Holländer im
letzten Moment die Schleusen der Dämme und
überfluteten ihre Provinz. Michiel de Ruyters
Erfolge zur See gegen die französische und
englische Flotte konnten die Niederlagen zu Lande
nicht aufwiegen, wenn sie auch eine englische Invasion
vorläufig verhinderten. Die um sich greifende
Mutlosigkeit führte zur Entsendung einer Verhandlungsdelegation
in das französische Heerlager. Obgleich sich
die Niederländer zur Abtretung aller den Spaniern
zu Beginn des 17. Jahrhunderts entrissenen Gebiete,
der sogenannten Generalitätslande, und zur
Zahlung einer hohen Geldsumme bereit erklärten,
wurde das Friedensangebot brüsk abgelehnt.
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Louvois forderte für die französische Krone
weit mehr: alle Gebiete außerhalb der sieben stimmberechtigten
Provinzen sowie einen großen Teil von Gelderland,
eine Kriegsentschädigung von 20 Millionen Livres,
die Aufhebung von Handelsbeschränkungen gegenüber
Frankreich, freie Gottesdienstausübung und politische
Rechte für Katholiken. Außerdem sollten die
Niederländer alljährlich eine Gesandtschaft
nach Paris entsenden und eine Gedenkmedaille prägen,
um dem König für seine Großmut zu danken.
Die Ansprüche der Alliierten Frankreichs sollten
darüber hinaus gesondert verhandelt werden.58
Mit der Einnahme von Woerden war die französische
Offensive an der Wasserlinie zum Erliegen gekommen. Erst
mit dem Frost des nächsten Winters war an einen Vormarsch
zu denken, und doch blieb Ludwig XIV. bei seinen Truppen,
um die sicher geglaubte Kapitulation der Generalstaaten
entgegenzunehmen.
In den unbesetzten Gebieten wich jedoch die Verzweiflung
der Empörung über die um des Friedens willen
zu allem bereiten Regenten. Während sich die Menschen
um Wilhelm III. von Oranien scharten, mußten allerorts
Magistrate dem Unmut der Straße weichen. Wenige
Tage nach seinem Rücktritt als Ratspensionär
wurde Johan de Witt zusammen mit seinem Bruder Cornelis
von einer aufgebrachten Menge in Den Haag gelyncht. Mit
der Erhebung des Prinzen Anfang Juli zum Statthalter von
Zeeland und Holland begannen die Niederländer, wieder
Mut zu fassen und ihre Anstrengungen zur Verteidigung
der Republik zu vervielfachen. Nicht nur Landleute und
Bürger, sondern auch Matrosen und gut ausgebildete
Seesoldaten verstärkten das Heer. Bevor Ludwig XIV.
Ende Juli die Armee verließ, um nach Saint Germain
zurückzukehren, gestattete er der Gegenseite zum
Zeichen seiner Geringschätzung , 20.000 ihrer kriegsgefangenen
Soldaten für einen geringen Betrag freizukaufen.
Diese Einheiten, die wenig später um in Deutschland
geworbene Regimenter ergänzt wurden, sollten bei
den holländischen Offensiven im darauffolgenden Jahr
eine bedeutende Rolle
spielen, so vermerkte es zumindest Ludwig mit Bedauern
in seinen Memoiren.59
Derweil Wilhelm III. mit Geschick und Disziplin die Verteidigung
der beiden oranischen Provinzen organisierte, begannen
nach der Eroberung von Coevorden die münsteranischen
und kurkölnischen Truppen mit der Belagerung von
Groningen. Die stark befestigte Stadt wurde unter dem
Kommando ihres deutschstämmigen Gouverneurs Rabenhaupt
hartnäckig verteidigt. Die Flüsse und Kanäle
um Groningen verhinderten einen vollständigen Einschluß
der Stadt und damit
eine Blockade der Nachschublinien aus Holland. Wie lange
sich eine Festung halten konnte, die ungehindert mit Hilfsmitteln
und frischen Truppen
versorgt wurde, hatte zwischen 1601 und 1604 Oostende
bewiesen. Wenn auch das Bombardement der bischöflichen
Truppen viele Häuser zerstörte, so gewann die
zahlreichere Artillerie der Groninger schnell die Oberhand
im Fernduell mit den Kirchenfürsten. Das überlegene
Geschützfeuer und die gelegentlichen Ausfälle
der Eingeschlossenen verhinderten jeden erfolgversprechenden
Vorstoß der Angreifer, die zudem von in Friesland
zusammengezogenen holländischen Truppen und von bewaffneten
Bauern bedrängt wurden. Die Nachricht vom Anmarsch
des Kurfürsten von Brandenburg führte schließlich
nach knapp sechs Wochen am 28.
August zur Aufhebung der aussichtslosen Belagerung. Geschwächt
durch den Verlust von mehr als 10.000 zum großen
Teil fahnenflüchtigen Soldaten, mußte sich
das kurkölnisch münsteranische Heer fürderhin
auf Verteidigungsaufgaben beschränken.60
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Kaiser
Leopold I. |
Bevor
Friedrich Wilhelm von Brandenburg Anfang September
in Westfalen eintraf und damit das Territorium Christoph
Bernhard von Galens bedrohte, hatte er im Frühjahr
1672 bei anderen Reichskreisen und vor allem in
Wien um Unterstützung geworben. Der Kaiser
hatte sich von einem kräftezehrenden Krieg
zwischen dem französischen Rivalen und der
Ketzerrepublik eine Schwächung beider Staaten
erhofft, die dem Hause Habsburg auch Zeit lassen
würde, die eigenen Mittel zum Schutz der gefährdeten
Balkangrenzen und gegen die protestantischen Ungarn
zu bündeln. Nachdem sich jedoch gegen alle
Erwartungen die Niederlande als wenig widerstandsfähig
erwiesen hatten, gefährdete eine strenge Neutralität
die Mächtebalance in Europa zugunsten Frankreichs.
Am 11. Juni verpflichteten sich Kaiser Leopold I.
und Kurfürst Friedrich Wilhelm zur Aufrechterhaltung
des Westfälischen Friedens und zum Schutz jedes
Kontrahenten, also auch der Vereinigten Niederlande,
gegen den Angriff eines Reichsstandes, wie der Bischöfe
von Köln und Münster. Zudem garantierte
das Abkommen den Pyrenäischen und den Aachener
Frieden und damit die Integrität der südlichen
Niederlande.
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Darauf
hatten besonders die in Wien einflußreichen Diplomaten
der spanischen Habsburger gedrängt, die sich keine
Illusionen über das Schicksal ihrer niederländischen
Provinz machten, falls Frankreich Holland erobern würde.
Zur Erfüllung der Vertragsziele stellte Leopold eine
12.000 Mann starke Armee bereit, die sich mit der des
Kurfürsten vereinen sollte. Unter dem Befehl des
berühmten Feldherrn Raimund Montecuccoli und um weitere
4.000 Mann verstärkt, erreichte das kaiserliche Heer
Mitte September den Rastplatz der Brandenburger. Doch
statt wie vorgesehen den Rhein zu überqueren und
über Maastricht nach Hertogenbosch zu gelangen, »um
sich daselbst mit den Statischen zu conjugieren«61,
wichen die Reichstruppen einer von Turenne befehligten
Armee aus und marschierten auf Koblenz. Obwohl der Kurfürst
mit seinem Neffen Prinz Wilhelm darin übereinstimmte,
daß man dem Staat mehr nütze, wenn man sich
ihm nähere,62
entfernte sich das alliierte Heer zusehends von den Grenzen
der Republik. Die letztlich ins Feld gesandten kaiserlichen
Truppen schienen denn auch nach Meinung münsteranischer
Diplomaten mehr zur Kontrolle des Kurfürsten von
Brandenburg gedacht zu sein als zur Verteidigung der westlichen
Reichsgrenzen.63
Tatsächlich hatte Montecuccoli den Befehl, eine direkte
Konfrontation mit den Franzosen zu vermeiden. Im gemeinsamen
Kriegsrat der Verbündeten wußte er jeden offensiven
Ansatz mit allerlei Bedenken zu verhindern.
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Raimund
Graf von
Montecuccoli
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Henri
de la Tour
d'Auvergne, Vicomte de
Turenne
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Am
6. November wurde der Kurfürst über den
Aufbruch Wilhelms III. mit 25.000 Mann in Richtung
Maastricht informiert und von dem niederländischen
Gesandten im Feldlager der Alliierten aufgefordert,
den Rhein zu passieren und auf Köln vorzurücken.
Der Prinz hoffte mit diesem gewagten Unternehmen
nicht nur die französischen Versorgungslinien
zu durchschneiden, sondern auch Spanien über
die Bereitstellung von Hilfstruppen hinaus zum offenen
Kriegsbeitritt zu bewegen. Zusammen mit den vom
Gouverneur in Brüssel entsandten spanischen
Einheiten wartete die holländische Armee mehrere
Wochen vergeblich auf Friedrich Wilhelm und Montecuccoli.
Die Versuche des Kapitän Generals, ohne die
Unterstützung des Reichsheeres Tongern und
auch das strategisch wichtige Charleroi einzunehmen,
scheiterten und zwangen ihn zum Rückzug. Mit
Beginn des neuen Jahres gelangten die brandenburgischen
Truppen wieder nach Westfalen, wo sie dem überlegenen
taktischen Geschick Turennes nichts entgegensetzen
konnten. Kleve, das von den Hohenzollern regiert
wurde, blieb weiterhin von Frankreich besetzt, und
auch für die brandenburgische Grafschaft Mark
und Ravensberg konnte kein wirkungsvoller Schutz
geboten werden.
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Deshalb
und wegen des beklagenswerten Zustands der Truppen, der
ohne neue Hilfsgelder aus Den Haag nicht zu beheben war,
entschloß sich Friedrich Wilhelm zum Bündniswechsel
und trat schließlich nach mehrmonatigen Verhandlungen
am 6. Juni auf die Seite Ludwigs XIV. Der Kurfürst
mochte sich dabei an die Devise halten, die der bedeutendste
französische Staatsmann des 17. Jahrhunderts für
die fürstlichen Politiker seiner Größenordnung
bereithielt. Richelieu meinte erklärend und entschuldigend
zugleich: »Für die kleinen Fürsten gibt
es nichts Gewöhnlicheres, als im Zuge der Welthändel
ihrem Vorteil zu folgen, nach Gelegenheit der Zeit Partei
zu ergreifen, ihre Allianzen zu wechseln, wenn sie wenig
Glück bringen und wenn sie keine Hilfe mehr von ihnen
erwarten, und statt dessen mit den Siegern oder derjenigen
abzuschließen, die im Vorteil stehen.« Nur
die wirklichen Großmächte müßten
sich, so der Kardinal, im Interesse ihrer Reputation der
Vertragstreue befleißigen.64
Einen Monat nach der im französischen Feldlager zu
Vossem getroffenen Vereinbarung zwischen Ludwig und Friedrich
Wilhelm von Brandenburg errang der König einen fulminanten
Sieg über die Republik.
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Kardinal
Richelieu
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Sappenpanzer
Die
Sappeure gehörten zu den Pionieren und wurden
für Bau und Befestigungsarbeiten eingesetzt.
Ihren Namen erhielten sie nach den bei Belagerungen
zum Feind vorgetriebenen Laufgräben, den sogenannten
Sappen. Obwohl bei diesem Stück der Rückenteil
fehlt, wiegt der Panzer noch 18.200 g. Sappenpanzer
aus dem 17. Jahrhundert sind selten. Die vergoldeten
Nietknöpfe lassen darauf schließen, daß
der Panzer einem Offizier gehörte.
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Nach
wenigen Tagen Belagerung gelang es der überlegenen
Ingenieurskunst und der erdrückenden Artillerie
des ludovizianischen Heeres, Maastricht und seine
auf dem rechten Ufer der Maas gelegene Vorstadt
Wijck zur Aufgabe zu zwingen. Bis zu 3.400 Kanonenkugeln
waren Tag für Tag auf die Stadt gefallen, bis
die Sappeure Ende Juni die Laufgräben öffneten
und die Verteidiger in blutigen Nahkämpfen
zurückdrängten. Gegen den freien Abzug
der bewaffneten Garnison wurde den Franzosen am
2. Juli Maastricht übergeben. Beim französischen
Angriff auf die Republik war die berühmte Festung
im Vorjahr noch umgangen worden, nun wurde ihr Fall
als persönliche Waffentat des Königs entsprechend
gefeiert. Colbert berichtete von den Reaktionen
auf die gute Nachricht: »Paris war noch nie
so außer sich. Am Samstagabend brannten die
Bürger, auf ihre eigene Initiative hin, ohne
Befehl, Freudenfeuer ab.«65
Viele europäische Staatsmänner glaubten,
daß sich die Republik von dem Eindruck dieser
Niederlage nicht erholen würde und sich den
Forderungen der Franzosen beugen müßte.
Zumindest führte die Kapitulation Maastrichts
zu einer wachsenden außenpolitischen Isolierung
der Republik und verschreckte eventuelle Bündnispartner.
Und doch markiert dieses Jahr 1673 den Wendepunkt
im niederländischen Verteidigungskampf, der
sich gegen Ende des Sommers zu einem europäischen
Krieg ausweiten sollte. Verfügte der französische
König mit Turenne und Condé über
die führenden Heeresstrategen seiner Zeit,
so wurde die holländische Flotte von den besten
Admiralen befehligt: Michiel de Ruyter und Cornelis
Tromp. Auf der Höhe von Kijkduin errangen die
Niederländer am 21. August einen brillanten
Sieg über die vereinte englische und französische
Flotte. Der Ausgang dieser Schlacht führte
letztlich zum englischniederländischen Separatfrieden
von Westminster und zum Durchbruch bei den Verhandlungen
mit dem Wiener Hof.
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Admiral
Michiel de Ruyter
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Am
30. August schlossen sich Spanien, Lothringen, die Republik
und der Kaiser zu der ersten gegen Frankreich gerichteten
Koalition zusammen. Die Vertragspartner garantierten sich
nicht nur den territorialen und rechtlichen Besitzstand
vor dem Krieg, sondern wollten auch die Rückgabe
Lothringens und der im Aachener Frieden abgetretenen Städte
durchsetzen. Nur acht Tage später unternahm Wilhelm
III. einen Vorstoß auf die wichtige, Amsterdam vorgelagerte
Festung Naarden und zwang sie am 12. September zur Kapitulation.
Schon im August war Montecuccoli an der Spitze eines 36.000
Mann starken Heeres aus Böhmen aufgebrochen und den
französischen Truppen entgegenmarschiert, die sich
zuvor als Demonstration der Stärke und zum Schutz
des Rheins gegen den Willen des Kurfürsten Karl Ludwig
in der Pfalz festgesetzt hatten. Noch bis in das Jahr
1674 hinein verwüsteten sie in gezielten militärischen
Operationen das neutrale Land. Louvois schrieb im Mai
1674, er habe weniger den Wunsch, zum Vorteil des Königs
aus den Untertanen Seiner Kurfürstlichen Hoheit Geld
zu ziehen, als vielmehr diesen zur Aufgabe seiner Neutralität
zu zwingen, sich zu Füßen des Königs zu
erniedrigen, der ihm gerne gnädig sein werde »à
la consideration de Monsieur et de Madame«.66
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Der
Prinz von Conde vor
Maastricht
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Liselotte
von der Pfalz |
Das
ungeheure Ausmaß der Zerstörungen zwang
jedoch selbst die Tochter des Kurfürsten und
Madame de France, Liselotte, in einen Gewissenskonflikt
zwischen der Loyalität dem Land gegenüber,
dem sie als Herzogin von Orléans und Schwägerin
des Königs verpflichtet war, und ihrem Vaterland.
In einem Brief an ihre Tante Sophie von Hannover
bemerkte sie: »Es ist ... zu wünschen,
daß uns Gott den gutten frieden wider verleyen
wolle, denn sonsten würde der pap (Kinderbrei,
allgemein: Essen) in der gutten Pfalz gar theuer
werden, wan Mons. de Turene noch mehr kühe
wegnehmen sollte, welches aber, wie ich verhoffe,
pate (Herzog Georg Wilhelm) nun woll wehren wirdt.«67
Die erste große Pfalzzerstörung, die
nur ein Vorspiel der Verwüstungen des neunjährigen
Krieges von 1688 bis 1697 sein sollte, trieb die
kleinen und mittleren Reichsfürsten auf die
Seite des Kaisers, statt sie an Frankreich zu binden.
Vorteile aus der Parteinahme einzelner Territorialstände
zog bereits Graf Montecuccoli beim Feldzug des Spätsommers
1673. In überlegenen taktischen Manövern
drängte er Turennes Armee in die Defensive
und zwang ihn zur Preisgabe des Niederrheins. In
nicht zwei Monaten war das rechte Rheinufer von
den Franzosen geräumt.
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Es
war, als ob Montecuccoli seine durch politische Rücksichten
gebotene Untätigkeit im vorigen Sommer wiedergutmachen
und seinen etwas verdunkelten Feldherrenruhm im alten
Glanz leuchten lassen wollte. Turenne war diesmal, wie
im Februar der Große Kurfürst, ohne Schlacht
geschlagen worden.
Am 13. Oktober hatte Wilhelm III. niederländische
Truppen zusammengezogen und war nach Herenthals aufgebrochen,
wo ihn der spanische General Louvigny mit einem Hilfskorps
von 15.000 Mann erwartete. Die vereinte Macht überquerte
bei Venlo die Maas und zog durch Jülicher Land an
Neuss und Köln vorbei nach Bonn, in dessen Nähe
8.000 Kaiserliche, die bei Koblenz über den Rhein
gegangen waren, das Heer verstärkten. Bis sich das
Gros der Truppen Montecuccolis näherte, nahm der
Prinz einige kleine Plätze in der Umgebung von Köln.
Am 4. November erfolgte die Vereinigung beider Armeen
zwischen Andernach und Bonn. Der 23jährige Prinz
von Oranien übernahm das Kommando des nun 50.000
Mann starken Heeres und begann sofort am 5. November die
Belagerung der Residenzstadt des Kurfürsten Max Heinrich.
Am 8. November eröffneten die Geschütze der
Verbündeten ihr Feuer auf Bonn, wobei die Kanoniere
den Gepflogenheiten der Zeit entsprechend nicht nur auf
das Festungswerk zielten, sondern auch auf alle hohen
Gebäude der Stadt und den bischöflichen Palast.
Hoffnung auf Entsatz gab es nicht, und so wurde die Festung
am 13. November übergebenDie Einnahme Bonns war in
vielerlei Hinsicht von Bedeutung, sie sicherte die Verbindung
zwischen den kaiserlichen Truppen und der spanischen und
niederländischen Kriegsmacht und nötigte den
Kölner Kurfürsten zum Frieden. Vor allem aber
wurden mit dem Fall der Stadt die französischen Nachschublinien
durchschnitten und dadurch das französische Besatzungsheer
zum Abzug aus den Niederlanden gezwungen.
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Einzug
Wilhelms III. in das eroberte Bonn
Der
bekannte holländische Schlachtenmaler Jan van
Huchtenburgh malte Bonn mit der erst 1689 erbauten
Jesuitenkirche und ohne das gotische Münster.
Die Kathedralen der Gotik entsprachen so wenig dem
Zeitgeschmack des 17. Jahrhunderts, daß selbst
ihr Abriß vielerorts erwogen wurde und nur
am Geldmangel scheiterte.
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Nach
der Einnahme von Brühl, Lechenich, Kerpen und Düren
trennten sich die verbündeten Heere angesichts der
fortgeschrittenen Jahreszeit. Vor Beginn der Kampagne
des Jahres 1674 konnte sich Christoph Bernhard von Galen
ohne den kurkölnischen Verbündeten nicht mehr
behaupten und schloß Frieden mit der Koalition.
Bereits im Februar hatte Karl II. auf Druck des englischen
Parlaments das Bündnis mit Frankreich aufgekündigt.
Gegen die Rückgabe der von einer holländischen
Flotte eingenommenen Stadt New York zog sich Großbritannien
ohne weiteren territorialen Vorteil vom europäischen
Kriegsschauplatz zurück. Zur gleichen Zeit schlossen
Dänemark und Braunschweig Lüneburg ein Bündnis
mit dem Kaiser, und Anfang Mai erklärte der Reichstag
in Regensburg den Reichskrieg gegen Frankreich. Selbst
Christoph Bernhard von Galen trat auf die Seite der Verbündeten.
Am Ende des Monats war von den niederländischen Provinzen
und Städten nur noch Maastricht besetzt.
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Zu
Beginn des Sommerfeldzuges waren die Franzosen, die zur
Vorbereitung des Krieges Holland mächtepolitisch
isoliert hatten, nun selbst ohne Verbündete. In Berlin
beobachtete man diese Entwicklung mit wachsender Unruhe.
Friedrich Wilhelm wollte und konnte in den offensichtlich
entscheidenden Tagen dieses Jahres nicht abseits stehen.
Und welcher der beiden Parteien seine Sympathie galt,
belegt die Korrespondenz mit seinem Neffen Prinz Wilhelm.
Dieser antwortete seinem Onkel: So unauflöslich das
Band sei, das Himmel und Erde zusammenhalte, ebenso seien
die Staaten und der Kurfürst, das Haus Brandenburg
und Oranien aufeinander angewiesen, und das größte
Interesse, das größte Unglück dürfe
sie nicht trennen.68
Am 1. Juli schloß sich Brandenburg mit 28.000 Soldaten
der Koalition gegen Frankreich an. Während bereits
Ende August in Flandern mit der nicht eindeutig entschiedenen
Schlacht von Séneffe die Kampfhandlungen für
dieses Jahr eingestellt wurden, verzettelten sich die
verbündeten Reichstruppen am Oberrhein. Einige Erfolge
des vorwiegend aus Brandenburgern, Kaiserlichen und Braunschweigern
zusammengesetzten Heeres gegen eine französische
Armee unter Befehl Turennes konnten keine entscheidende
Wende herbeiführen. Erneut hemmten Uneinigkeit und
eine an den Feldzug von 1672 erinnernde defensive Kriegführung
des kaiserlichen Feldherrn Bournonville manchen greifbar
nahen Fortschritt.
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Generalfeldmarschall
Georg
Freiherr von Dertflinger
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Schlacht
von Fehrbellin
»Wer,
unvertraut mit den Großtaten unserer Geschichte,
zwischen Linum und Hakenberg hinfährt, rechts
das Luch, links ein paar Sandhügel, der wird
sich die Schirmmütze übers Gesicht ziehen
und in der Wagenecke zu nicken suchen; wer aber
weiß, hier fiel Froben, hier wurde das Regiment
Dalwigk in Stücke gehauen, dies ist das Schlachtfeld
von Fehrbellin, der wird sich aufrichten im Wagen
und Luch und Heide plötzlich wie in wunderbarer
Beleuchtung sehen.« (Theodor Fontane)
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Noch
bevor die Alliierten durch Turenne mitten im Winter
aus dem Elsaß wieder hinausgedrängt
wurden und der mit so günstigen Aussichten
begonnene Feldzug ohne Erfolg endete, war Friedrich
Wilhelm durch schwedische Rüstungen aufgeschreckt
worden. Anfang Januar 1675 fielen auf Drängen
des französischen Hofes Truppen König
Karls XI. in die Kurmark ein. Mit der Eröffnung
dieser »zweiten Front« sollten der
flandrische und der oberrheinische Kriegsschauplatz
entlastet werden. Am 23. Mai brach die kurfürstliche
Armee aus Schweinfurt auf. Drei Tage später
folgte Friedrich Wilhelm seinen Truppen mit dem
Vorsatz, die feindliche Armee nicht nur aus seinem
Land zu vertreiben, sondern das zu Schweden gehörende
Vorpommern zu gewinnen. Mit dem glänzenden
Sieg des Kurfürsten und seines Feldmarschalls
Derfflinger bei Fehrbellin am 28. Juni 1675 begann
Friedrich Wilhelm einen Eroberungskrieg, den er
drei Jahre später mit der Einnahme Stettins
beenden sollte. Am 11. Mai war Ludwig von Saint
Germain aufgebrochen, um den Oberbefehl über
die Hauptarmee zu übernehmen.
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Unterdessen
hatten sich unter den Mauern von Dinant die Truppen des
Marschalls Crequi und des Marquis De Rochefort vereinigt.
Am 28. des Monats ergaben sich die Stadt und die Zitadelle
von Dinant. In den folgenden 30 Jahren sollte die Festung
zu einem nicht unbedeutenden strategischen Bezugspunkt des
französischen Kriegsministeriums werden. Bereits nach
der Einnahme von Limburg verließ Ludwig wieder die
Armee und unterstellte sie Ende Juli dem Befehl des Prinzen
Condé.
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Marschall
François Crequi vor Dinant
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Herzog
Karl V. von Lothringen
Als
Schüler von Joachim von Sandrart wurde Matthäus
Merian 1639 an Van Dyck nach London empfohlen.
1641 bildete er sich in Paris an Champaigne, Simon
Vouet und Poussin. Von 1643 bis 1647 ist er in
Italien bei Varotari, Sacchi und Ribera nachzuweisen.
Sein modisch wechselnder Eklektizismus veschaffte
ihm den Ruhm des »besten deutschen Porträtisten«
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Während
die Franzosen im flandrischen Festungskrieg gute
Resultate erzielten, konnte die Koalition am Oberrhein
leichte Vorteile gewinnen, nachdem ein junger Feldherr
das Kommando über die kaiserlichen Truppen
übernommen hatte Karl V. von Lothringen. Zwei
Monate nach dem tragischen Tod Turennes, der bei
Sasbach von einer Kanonenkugel tödlich getroffen
worden war, starb am 17. September der alte Herzog
von Lothringen, von dem Voltaire sagte: »Er
verbrachte. sein Leben damit, sein Land zu verlieren
und Armeen auf die Beine zu stellen.«69
Sein Neffe und Erbe Karl V. wurde vom Kaiser zum
Feldmarschall und Nachfolger Montecuccolis ernannt.
Doch die guten Nachrichten vom süddeutschen
Kriegsschauplatz wurden bald wieder von schlechteren
getrübt, und so rückte ein Durchbruch
im Kampf mit Frankreich in weite Ferne. Die Kräfte
der kriegführenden Parteien ermüdeten
langsam. In den Niederlanden verloren außerhalb
des oranischen Hofes die Gründe für eine
Fortsetzung des Krieges an Bedeutung. Wilhelm III.
mußte dem wachsenden Einfluß der Friedenspartei
Rechnung tragen und der Entsendung einer niederländischen
Delegation zu dem im Herbst 1676 in Nijmegen einberufenen
Friedenskongreß zustimmen. Im Kriegseintritt
Englands auf Seiten der Koalition sah Wilhelm den
einzigen Weg, das Patt auf dem Kontinent zu überwinden
und einen Kompromißfrieden zu verhindern.
Mit der Heirat seiner Cousine Mary Stuart, der ältesten
Tochter des Herzogs von York, schien Wilhelm seinem
Ziel 1677 sehr nahegekommen zu sein.70
Doch mit weitreichenden Zugeständnissen an
die holländischen Verhandlungsführer in
Nijmegen konnte Ludwig am 10. August 1678 einen
Separatfrieden mit der Republik schließen.
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Wilhelms
Angriff unter Beteiligung englischer Einheiten auf eine
französische Armee bei Saint Denis vier Tage nach
der Vertragsunterzeichnung konnte den von beiden Seiten
gewünschten Frieden nicht mehr gefährden. Als
unausbleibliche Folge des holländischen wurden am
17. September die 36 Artikel des spanisch französischen
Friedenstraktates in Nijmegen unterzeichnet. Die militärischen
und finanziellen Mittel Madrids waren erschöpft.
Die spanischen Habsburger mußten 13 Grenzbefestigungen
in den spanischen Niederlanden abtreten und auf die Franche-Comté
verzichten. Ohne die niederländischen Hilfsgelder
und die große reorganisierte Militärmacht der
Republik mußten auch der Kaiser und das Reich ihren
Frieden mit Ludwig XIV. schließen. Er beruhte im
wesentlichen auf der Grundlage des Vorkriegszustandes.
Lothringen sollte Karl V. bis auf Nancy und vier breite,
durch das Land führende Heeresstraßen restituiert
werden.
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Friede
von Nijmegen zwischen dem Kaiser, Spanien, Frankreich
und den Generalstaaten
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Friedrich
Wilhelm von
Brandenburg, der Große
Kurfürst
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Mit
diesem Vertrag waren als Gegner Frankreichs nur
noch Brandenburg und Dänemark übriggeblieben.
Die überlegene Macht des französischen
Königs zwang Friedrich Wilhelm im Friedensvertrag
von Saint Germain am 29. Juni zur Herausgabe aller
Eroberungen. Obwohl die Brandenburger Vorpommern
vollständig besetzt hielten, mußten sie
es bis auf einen kleinen Gebietszipfel und gegen
eine beachtliche Geldsumme aus der französischen
Staatskasse wieder räumen.
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Der
holländische Krieg ist nicht so bekannt und hat nicht
die Beachtung gefunden wie die »Weltkriege«
von 1688 bis 1697 und 1701 bis 1713/14, obwohl er in »gewisser
Hinsicht der wichtigste Krieg Ludwigs XIV. war«.
Der Kampf mit Holland wurde als »erste entscheidende
Handlung des Königs, vielleicht sogar als Wendepunkt
seiner Regierung« beschrieben. Mit dem Angriff im
Jahre 1672 begann nicht nur ein langer und mühevoller
Konflikt, sondern eine Serie von Kriegen, die letztlich
die menschlichen und materiellen Ressourcen Frankreichs
erschöpften. Während der Devolutionskrieg nur
eine Art Test war, gefährdete der holländische
Krieg mit zunehmender Dauer die politische und militärische
Position Frankreichs in Europa. Der Erzbischof von Cambrai
und Erzieher des Herzogs von Burgund, des ältesten
Enkels Ludwigs XIV., François Fénelon, sah
in dem holländischen Krieg die Ursache aller politischen
und wirtschaftlichen Übel Frankreichs.71
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Der
Friede von Nijmegen ist auch das Eingeständnis einer
französischen Niederlage. Im Jahre 1678 arrangierte
sich Ludwig XIV. mühevoll gegen den Willen Wilhelms
III. mit den Kräften des Ständestaates, die
er mit der Offensive des Jahres 1672 zugunsten des Prinzen
von Oranien vertreiben wollte. Ungeachtet des von der
Republik entrichteten Blutzolls traf das Katastrophenjahr
1672 nur die Symbole des Ständestaates, ohne das
System wirklich zu beschädigen. Der Einfluß
der vermeintlich erschöpften Regentenaristokratie
war, unbeschadet der Restauration der Oranier, noch immer
bestimmend für die niederländische Föderation.
Im Frieden von Nijmegen festigten die Niederlande ihre
Großmachtposition auf der Grundlage ihres ungeschmälerten
ökonomischen und militärischen Potentials. Unter
der militärischen Leitung des holländischen
Statthalters und nachmaligen Königs von Großbritannien
erhob die Republik ihren Führungsanspruch in Europa
und innerhalb der gegen Frankreich gerichteten Koalition.
Vierzig Jahre später fielen die Niederlande erschöpft
ins zweite Glied der Staatengemeinschaft zurück und
erstarrte die bankrotte Bourbonen Monarchie in den Verkrustungen
des Ancien Régime. Schließlich haben paradoxerweise
die siegreichen Waffen des letzten Oraniers das Land ruiniert
und den Platz der Vereinigten Niederlande in Europa und
der Welt an England verloren.
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Ludwig XIV. |
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