1987 konnten Besucher des Spreebogens in Berlin erstmals eine Bronzetafel mit der Aufschrift entdecken: "Hier entsteht das Deutsche Historische Museum. Die Bundesrepublik Deutschland schenkt das Museum dem Land Berlin zum 750-jährigen Jubiläum der Stadt. 28. Oktober 1987". Der vom italienischen Stararchitekten Aldo Rossi (1931-1997) entworfene Museumsneubau wurde allerdings nie realisiert. Ihn verhinderte die glückliche Fügung der Deutschen Einheit, in deren Folge das drei Jahre zuvor gegründete Deutsche Historische Museum (DHM) in das prestigeträchtige Zeughaus Unter den Linden einzog. Ab 1831 war hier die "Königliche Waffen- und Modellsammlung" Preußens öffentlich zugänglich, von 1952 bis 1990 hatte das Ost-Berliner Museum für Deutsche Geschichte (MfDG) im Zeughaus seine Ausstellungen präsentiert.
Dem Gründungsfestakt im Deutschen Bundestag am 28. Oktober 1987 gingen jahrelange erregte, zum Teil polemisch geführte Debatten über Wesen und Zweck eines nationalen Geschichtsmuseums voraus. Befürworter sahen darin eine Stärkung des historischen Selbstverständnisses, Kritiker lehnten es als nationalistische Selbstglorifizierung ab. Der Diskussionsprozess begann Anfang der Achtziger Jahre, nachdem der Berliner Senat unter dem Regierenden Bürgermeister Richard von Weizsäcker angeregt hatte, in Berlin ein historisches Museum zu errichten. Von Berlin müssten Antworten auf die Fragen ausgehen, "wo die Deutschen herkommen, wohin sie gehen. Nur solche Antworten werden vor der Geschichte bestehen, die an der Mauer nicht haltmachen", so Weizsäcker in einer Regierungserklärung vor dem Abgeordnetenhaus von Berlin am 2. Juli 1981. Die Teilung Berlins war eine ganz wesentliche Grundlage für die geplante Errichtung eines geräumigen historischen Museums im Westteil der Stadt. Denn im Osten Berlins zog seit Anfang der Fünfziger Jahre das MfDG Scharen auch westdeutscher Besucher an, um mit bemerkenswertem Aufwand und unter sozialistischem Blickwinkel einen Überblick über die deutsche Geschichte anzubieten. Ein solches Museum suchte man in der Bundesrepublik Deutschland vergeblich. Der überragende Publikumserfolg der am 15. August 1981 im West-Berliner Martin-Gropius-Bau eröffneten Ausstellung "Preußen - Versuch einer Bilanz" schien den Befürwortern eines Geschichtsmuseums Recht zu geben. Viele Beobachter waren der einhelligen Meinung, dass die rund 480.000 Besucher in nur drei Monaten Laufzeit sozusagen "mit den Füßen" über eine derartige Gründung abgestimmt hätten. Der Berliner Senator für Wissenschaft und Kulturelle Angelegenheiten, Wilhelm Kewenig (1934-1993) sprach Vielen aus dem Herzen, als er im Februar 1982 feststellte: "Der Erfolg der Preußen-Ausstellung hat gezeigt, wie stark das Interesse an der Aufarbeitung der deutschen Geschichte in der Bevölkerung ist. Insbesondere die jüngere Generation sucht einen echten Nachholbedarf dadurch zu befriedigen, daß sie in Museen, in Ausstellungen geht." Der entsprechende Name für das ehrgeizige Projekt - "Deutsches Historisches Museum" - war zu diesem Zeitpunkt in Politikerreden und Denkschriften namhafter Geschichtswissenschaftler bereits gefallen. Schon bald regte sich Widerstand gegen das Museumsprojekt, zu Beginn organisatorisch vereinigt in der Akademie der Künste. Insbesondere deren Präsident, Günter Grass, warnte vor einem Geschichtsmuseum "von oben" als Gegenmodell zum Ost-Berliner MfDG, mit dem sich der SED-Staat ein wichtiges Propagandainstrument geschaffen hatte. Grass sah die Gefahr des "Gegen-Ideologiehaften". Von Anfang an war die Auseinandersetzung um die Gründung des DHM vor allem von der Furcht vor einer staatlich verordneten Geschichtspräsentation geprägt. Die Sorge vor einer Geschichtsschreibung, die quasi von "den Herrschenden" selbst in Auftrag gegeben werden würde, ging schließlich weit über die kulturpolitische Öffentlichkeit West-Berlins hinaus, nachdem sich Bundeskanzler Helmut Kohl der Museumsgründung persönlich angenommen hatte. Deutschlandweit erregte seine Regierungserklärung vom 4. Mai 1983 Aufmerksamkeit, in der Kohl im Zusammenhang mit der Gründung eines Hauses der Geschichte für die Bundesrepublik Deutschland in der Bundeshauptstadt Bonn bemerkte, dass die Bundesregierung sich gleichzeitig auch um die Errichtung eines Deutschen Historischen Museums in Berlin bemühen werde, das im Jubiläumsjahr 1987 seine Tore öffnen solle. Heftige Kritik an der nun von der Bundesregierung übernommenen und vorangetriebenen Museumsplanung kam vor allem von politisch links-alternativer Seite, von Intellektuellen wie Jürgen Habermas oder von Politikern wie Hans-Christian Ströbele (1939-2022). Für den seit 1985 im Bundestag sitzenden Grünen solle das Museum lediglich für die "verlorengegangene Identifikation der Menschen in unserem Land mit den Regierenden […] sorgen. Museen werden als Kirchen ihrer Herrschaft errichtet". Ströbele sprach damit verbreitete Befürchtungen an, ein nationales Geschichtsmuseum könne nichts anderes als eine Propagandaeinrichtung der Bundesregierung zur Instrumentalisierung der Vergangenheit mit einem verordneten Geschichtsbild sein. Das Museum sei lediglich der Versuch, eine geradezu apologetische Deutung der Geschichte durchzusetzen, eine "Anstalt zur vaterländischen Aufrüstung" mit konservativer Deutungshoheit. Mit dem Museum solle eine nationale Identität gefördert werden, die es Mitte der Achtziger Jahre vor dem Hintergrund der Teilung nicht mehr gäbe, so die Kritiker. Die erbittert geführte Auseinandersetzung um das Deutsche Historische Museum war bis zu seiner Gründung 1987 und darüber hinaus immer auch ein Seismograph für das Verhältnis der bundesrepublikanischen Gesellschaft zur Geschichte. Das Museumsprojekt diente oft genug als Allegorie für die in den Augen der Kritiker nicht mehr vorhandene Nation. Die vielfältigen, aus unserer heutigen Sicht mitunter grotesk anmutenden Befürchtungen bestätigten sich nicht. Das Deutsche Historische Museum unter seinem Gründungsdirektor Christoph Stölzl (geb. 1944) erwarb sich schon bald nach seiner Gründung und den ersten Ausstellungen international den Ruf einer politisch unabhängigen Institution, die bis heute frei ideologischer Barrieren dem Besucher deutsche Geschichte im europäischen Kontext näher bringen möchte. |