> Der Untergang der "Titanic"

Der Untergang der "Titanic"

Am 14. April 1912 gegen 23.45 Uhr kollidierte die "Titanic" rund 550 Kilometer südostlich von Neufundland mit einem Eisberg. Das damals mit 269 Metern Länge größte Passagierschiff der Welt sank in etwas mehr als zweieinhalb Stunden und riss rund 1.500 Menschen mit in den Tod. Etwa 700 Passagiere überlebten den Untergang, der zu den größten Schiffkatastrophen in der Seefahrtsgeschichte zählt und bis heute den Stoff für ungezählte Legenden, für Buch- und Filmproduktionen liefert.

Die Hauptschuld am Untergang der "Titanic" trägt der Kapitän des Schiffes, Edward John Smith (1850-1912). Obwohl er von anderen Schiffen wiederholt vor Eisbergen auf seiner Route gewarnt worden war, drosselte er nicht die Geschwindigkeit des Dampfers und hielt den Kurs bei. Die schnelle Atlantiküberquerung von Southampton nach New York lag im Interesse des Kapitäns wie der britischen Reederei White Star Line, um die Leistungsfähigkeit der "Titanic" unter Beweis zu stellen. Wie Untersuchungen zeigen, hätte eine Reduzierung der Geschwindigkeit um nur wenige Knoten ausgereicht, dem Eisberg auszuweichen und so der todbringenden Kollision zu entgehen.

Ende des 19. Jahrhunderts hatte die Blütezeit der Passagierdampffahrt begonnen. Neben Auswanderern auf der Suche nach einer neuen Heimat in Nordamerika beförderten die Schiffe immer mehr Geschäftsleute und begüterte Erholungssuchende aus Adel und Großbürgertum über den Atlantik. Die sich nun in schneller Folge entwickelnden Ozeanriesen boten einen für Schiffsreisende bis dahin unbekannten Luxus. Passagiere der I. Klasse konnten jeden denkbaren Komfort genießen. Die führenden Reedereien versuchten sich gegenseitig in der Ausstattung, aber auch im Ausmaß der Luxusdampfer zu übertrumpfen. Die "City of New York" der britischen Inman Line hatte 1888 erstmals die Grenze von 10.000 Brutto-Register-Tonnen (BRT) überboten, die 1901 vom Stapel gelaufene "Celtic" der White Star Line verdoppelte die BRT schon wenige Jahre später.

Dazwischen waren kurzzeitig auch die "Pennsylvania" der deutschen HAPAG mit rund 13.000 BRT sowie die im Folgejahr 1897 vom Stapel gelaufene "Kaiser Wilhelm der Große" der Norddeutschen Lloyd mit über 14.300 BRT die größten Passagierschiffe der Welt. Der viel zitierte deutsch-britische Gegensatz zur See bezog sich nicht nur auf die Kriegsmarinen beider Länder, sondern im gleichen Maße auch auf die Passagierschifffahrt. Die britische "Olympic" mit über 45.000 BRT und 269 Metern Länge übertraf bei ihrer Jungfernfahrt von Southampton nach New York im Juni 1911 alles Dagewesene, bevor sie wenige Monate später von ihrem Schwesterschiff "Titanic" um rund 1.000 BRT übertroffen wurde.

Doch auch ohne ihren Untergang hätte sich die "Titanic" nicht lange mit dem Prädikat "größtes Schiff der Welt" schmücken können: Der deutsche "Imperator" der HAPAG war mit 272,7 Metern nicht zufällig rund drei Meter länger als das britische Konkurrenzschiff. Der Stapellauf des 52.117 BRT-Ozeanriesen am 23. Mai 1912 in Hamburg war ein Spektakel, dem Tausende beiwohnten. Der Dampfer mit Platz für über 3.000 Passagiere sei laut den überschwänglichen Presseberichten ein eindrucksvoller Beweis deutscher Ingenieurskunst und im Gegensatz zur "Titanic" tatsächlich unsinkbar - zumindest was Eisberge beträfe. Sein Taufpate war Kaiser Wilhelm II., auf den der Name des Schiffes Bezug nahm. Der ursprünglich vorgesehene Schiffsname "Europa" war dem Monarchen nicht genehm gewesen. Er widersprach dem Selbstverständnis des Kaisers, der zur Erinnerung an den Festakt von der HAPAG ein aufwendig gearbeitetes Modell des "Imperator" überreicht bekam. Dessen Ausführung in Silber sollte ein Bild von der Pracht des Luxusdampfers heraufbeschwören. Im Modell fehlt jedoch der kolossale gekrönte Bronzeadler am eleganten Bug des Schiffes, der das Selbstbewusstsein der HAPAG als größter Reederei der Welt ebenso wie den imperialen Herrschaftsanspruch des Deutschen Reiches auf allen Meeren zum Ausdruck bringen sollte: In seinen Klauen trug er die Welt.

Arnulf Scriba
April 2017

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