Das Ereignis, das sich am 1. März 2015 zum 200. Mal jährt, beschrieb der französische Schriftsteller François-René de Chateaubriand (1768-1848) als die „Invasion eines Landes durch einen Mann“. Napoleon Bonaparte (1769-1821) setzte an diesem Tag wieder seinen Fuß auf französischen Boden, nachdem er am 12. April 1814 in Fontainebleau seine Abdankung unterschrieben hatte und anschließend auf die Insel Elba verbannt worden war. Nach der erneuten Übernahme der Macht am 20. März 1815 sollte es Hundert Tage dauern, bis sich Napoleon mit der Niederlage bei Waterloo am 18. Juni 1815 endgültig von der Bühne der Weltgeschichte verabschiedete.
Als Napoleon am 4. Mai 1814 Elba erreichte, trug er zwar noch immer den Kaisertitel, seine Entscheidungsgewalt blieb jedoch auf die kleine Mittelmeerinsel beschränkt. Trotzdem machte er sich voller Tatendrang daran, den Ort seines Exils zu verändern. Napoleon ließ die Verwaltung der Insel umgestalten, neue Straßen bauen und den Hafen der Insel erneuern. Lange konnten diese Aufgaben den Kaiser jedoch nicht ausfüllen.
Da Napoleon über ein großes Netzwerk aus Spionen verfügte, war er über die Vorgänge auf dem Kontinent gut unterrichtet. Er wusste, dass es um den wieder eingesetzten Bourbonenkönig Ludwig XVIII. (1755-1824) in Frankreich nicht zum Besten stand. Besonders den Zorn der Soldaten zog Ludwig auf sich, da er die kampferfahrenen älteren Soldaten entließ oder ihren Sold halbierte. Die Offizierstitel vergab er nicht nach Verdienst, sondern nach Gunst. Zudem fürchteten die Bürger Frankreichs einen Rückfall in vorrevolutionäre Zustände. Napoleon wusste auch, dass die Siegermächte auf dem Wiener Kongress noch zu keiner abschließenden Einigung gekommen waren.
Am 26. Februar 1815 verließ Napoleon mit einer kleinen Flotille Elba und brach Richtung Frankreich auf. Mit sich nahm er etwa 1100 Soldaten und eine Handvoll Geschütze. Niemand hielt ihn auf. Der britische Oberst Neil Campbell (1776-1827), der vor Ort für die Bewachung zuständig war, befand sich zu diesem Zeitpunkt bei seiner Geliebten in der Toskana.
Am 1. März landete Napoleon schließlich bei Cannes im Golf von Jouan. Im Gepäck hatte er die beiden Proklamationen „An das Volk“ und „An die Armee“, die bereits auf Elba niedergeschrieben und auf der Überfahrt von Soldaten vervielfältigt wurden. Die beiden Schriften lieferten den programmatischen Rahmen für Napoleons Rückkehr zur Macht: Der Krieg von 1814 wurde verloren, weil die beiden Marschälle Auguste Frédéric Louis Viesse de Marmont (1774-1852) und Charles Pierre François Augereau (1757-1816) ihren Kaiser verraten hätten. Die Bourbonen seien illegitime Herrscher und Feinde Frankreichs.
Der Marsch auf Paris konnte beginnen. Seine Vorhut entließ er mit der Order „keinen Gewehrschuss abzugeben“, denn der Kaiser wollte seine Krone wiedergewinnen, „ohne einen einzigen Blutstropfen zu vergießen.“ Die schnellste Route nach Paris führte an der Rhône entlang. Da man auf dieser Route auch mit größerem Widerstand rechnen musste, entschied sich Napoleon für den längeren aber sichereren Weg durch die französische Provinz Dauphiné.
Am 7. März zog er in die Stadt La Mure ein, in der ihm ein freundlicher Empfang bereitet wurde. Am selben Tag kam es bei Laffrey, kurz vor Grenoble, zum ersten Aufeinandertreffen des Kaisers mit den königlichen Truppen. Napoleon ging auf die schussbereiten Soldaten zu, öffnete in einer theatralischen Geste seinen grauen Schlachtenmantel und forderte die Soldaten zum Schießen auf. Doch die Soldaten zeigten sich begeistert von der Rückkehr ihres ehemaligen Feldherrn und wechselten die Seiten.
Auch Grenoble und Lyon – die zweitgrößte Stadt Frankreichs – ließen sich zum Abfall von Ludwig XVIII. bewegen. Lyon öffnete am 10. März kampflos seine Tore. Auf seinem Weg durch Frankreich wurde das zunächst noch kleine Heer von jubelnden Bauern von Dorf zu Dorf begleitet. Der Frust über die Herrschaft des Königs saß tief, die Freude über die Rückkehr des Kaisers war groß. Die Wut, die Napoleon noch auf dem Weg in seine Verbannung entgegenschlug, war verflogen.
Am 20. März erreichte Napoleon mit seinem Heer, dass von 1100 auf 30.000 Mann angewachsen war, nach 20-tägigem Marsch die französische Hauptstadt. Ludwig XVIII. hatte alldem nichts entgegenzusetzen und war bereits am 18. März aus Paris geflohen. Er hat sich in die britisch besetzten Niederlande abgesetzt, wo er in Gent Quartier bezog, da ihm der Zugang zu seinem Wunschexil in England verwehrt blieb. Napoleon hatte es geschafft: Mit der Übernahme der Tuilerien war er wieder Herrscher Frankreichs – und das ohne ein einziges Gefecht.
Die ersten Berichte über die Rückkehr Napoleons veröffentlichte die französische Presse ab dem 7. März. Im Moniteur erschien eine königliche Erklärung, die Bonaparte als „Verräter und Rebell“ brandmarkte. Die Pariser „Gacette de France“ schürte Ängste vor einem Rückfall in Zeiten des Jakobinerterrors und warf Napoleon vor, die seit seiner Abdankung glücklichen Franzosen wieder ins Verderben stoßen zu wollen. Auch in Wien, Berlin und London gab es Meldungen über das Ereignis.
Was die breite Öffentlichkeit in der Zeitung lesen konnte, war auch den Vertretern der Siegermächte auf dem Wiener Kongress nicht verborgen geblieben. Durch die gemeinsame Anwesenheit in Wien konnten sie schnell reagieren und bereits am 13. März bezogen sie zu Napoleons Rückkehr Stellung. England, Österreich, Russland und Preußen erklärten Napoleon zum „Feind und Störer der Ruhe der Welt“, gegen den „gemeinschaftliche Maßregeln“ ergriffen werden mussten. Am 25. März schmiedeten die Siegermächte ein neues Kriegsbündnis gegen Napoleon. Jede Partei verpflichtete sich 150.000 Soldaten zum Kampf gegen den Invasor zu stellen. Zusammen mit den kleineren Bündnispartnern hatte die Allianz die Verfügungsgewalt über 800.000 Mann. Napoleon hatte sich verschätzt, denn er ging davon aus, dass die Souveräne Europas Wien bei seiner Ankunft in Frankreich längst verlassen hätten.
Napoleon widmete sich nach seiner Ankunft in Paris der politischen Arbeit, die er bereits in Lyon begonnen hatte. In mehreren Dekreten wurde die bourbonische Restauration zurückgesetzt. Als Schöpfer der neuen Verfassung wählte er den liberalen Benjamin Constant (1767-1830). Die „Acte conditionnel“, zu Deutsch Zusatzakte, beschnitt Napoleon in seiner absoluten Macht und verlieh der Herrschaft konstitutionelle Züge.
Dennoch bröckelte Napoleons Rückhalt im Volk. Besonders der herannahende Krieg brachte die Franzosen gegen den Kaiser auf, denn das Land war kriegsmüde. Es kam zu Aufständen der Königstreuen in Bordeaux und Toulon. Besonders stark war der royalistische Widerstand in der Bretagne, sodass Napoleon sich gezwungen sah , 20.000 Mann dorthin zu entsenden, um den Widerstand zu brechen. Trotz allem bereitete Napoleon sich auf den Krieg vor, denn dieser war unvermeidlich. Am 12. Juni begab er sich zur Grenze des Vereinigten Königreichs der Niederlande. Sein Heer bestand aus 125.000 Mann, darunter viele kampferfahrene Veteranen. Auch an Artillerie und Kavallerie mangelte es nicht.
Seine Kontrahenten waren jedoch in der Überzahl. Die preußischen und englischen Truppen unter der Führung Blüchers (1742-1819) und Wellingtons (1769-1852) brachten Napoleon seine letzte Niederlage bei. Die Schlacht bei Waterloo am 18. Juni 1815 markiert das endgültige Ende der Herrschaft des Korsen. Am 22. Juni wird er erneut zur Abdankung gezwungen und am 15. Juli bestieg er das Schiff, das ihn abermals in die Verbannung überführen sollte. Dieses Mal nach Sankt-Helena, wo er am 5. Mai 1821 starb.