Vor mehr als 150 Jahren, am 3. Juli 1866, besiegten preußische Truppen die Armeen Österreichs und Sachsens in der Schlacht bei Königgrätz im damaligen böhmischen Teil Österreichs (heute Hradec Králové, Tschechien). Diese militärische Entscheidung bedeutete nicht nur den Sieg Preußens über Österreich, sie machte in den weiteren Auseinandersetzungen des „Bruderkrieges“ Preußen zur Führungsmacht unter den deutschen Territorialmächten und kann mittelbar als Wegbereiter für die deutsche Reichsgründung von 1871 angesehen werden. Die Schlacht bei Königgrätz stellt somit einen Schlüsselmoment der deutschen Geschichte dar.
Dieser Krieg stand zusammen mit dem Deutsch-Dänischen Krieg von 1864 und dem Deutsch- Französischen Krieg von 1870/71 unter den Vorzeichen der vom preußischen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck aggressiv betriebenen Bündnis- und Außenpolitik. Bereits mit der Kapitulation der hannoverschen Truppen gegenüber den Preußen nach der Schlacht von Langensalza (27. Juni 1866) wurde das eng mit dem englischen Königshaus verbundene Königreich Hannover als politischer Gegner Preußens ausgeschaltet. Mit dem darauf folgenden Sieg gegen die Österreicher und Sachsen bei Königgrätz konnte Preußen sich erfolgreich gegen seine bis dahin stärksten Konkurrenten behaupten. Die endgültige Durchsetzung der preußischen Führungsmacht gelang indes erst in den weiteren Kämpfen des „Bruderkrieges“ gegen die deutschen Bundestruppen, so etwa in der Schlacht bei Kissingen am 10. Juli 1866. Die Schlacht bei Königgrätz wird zu Recht als „Zeitenwende“ (Frank Becker) beschrieben, die letztlich an der Innovationsfähigkeit des preußischen Militärs festgemacht werden kann. Im Fokus steht das Modernitätsstreben der preußischen Armee – und das Fehlen desselben auf österreichischer Seite. Die preußische Armee wurde durch technische, strategisch-taktische, organisationelle wie politische Neuerungen zur modernsten Streitkraft ihrer Zeit. Hierzu zählen die allgemeine Wehrpflicht, die Etablierung des Generalstabs, die Aufrüstung der Heeresreformen, die Einführung der Auftragstaktik, die Nutzung von Telegrafentechnik und der Eisenbahn sowie die beständige Weiterentwicklung der Waffentechnik (Zündnadelgewehr). Diese Entwicklungen werden durch das Österreichische Heer kontrastiert, das, bedingt durch Sparmaßnahmen der Regierung, schlecht ausgerüstet und, vor allem im Bereich der Unteroffiziere, personell schlecht ausgestattet war, was zu einer Überlastung der Stäbe führte. Während in Preußen mit Bismarck und Moltke zwei Vertreter des niederen Adels in führenden Positionen zu großer Macht kamen, wurde dem österreichischen Oberbefehlshaber Benedek, ebenfalls niederen Adels, die Durchsetzung seiner Autorität durch das konservativ-ständische Offizierskorps erheblich erschwert. Insubordination ließ den taktischen Plan Benedeks nicht aufgehen und trug entscheidend zur österreichischen Niederlage bei.
Königgrätz war die quantitativ größte Schlacht der Menschheitsgeschichte vor dem Ersten Weltkrieg, gemessen an der Zahl der unmittelbar involvierten Individuen (Kombattanten). Gleichzeitig handelte es sich um eine der letzten Großschlachten, in denen es zum kriegsentscheidenden Einsatz der Kavallerie alten Types kam.
Das Thema bietet in vielfacher Hinsicht die Möglichkeit einer weiterführenden Differenzierung traditioneller und neuerer Perspektiven: Lange Zeit berief sich die wissenschaftliche Forschung auf den Einfluss technischer Neuerungen, wie das Zündnadelgewehr oder die Telegraphentechnik, und logistischer Revolutionen, wie die hauptsächliche Nutzung der Eisenbahn für die Truppenverlegungen. Diese hätten entscheidend zur Einführung der Auftragstaktik beigetragen und seien der Grundstein des preußischen Sieges gewesen. Die schlachtentscheidende Bedeutung des Zündnadelgewehrs wird in der modernen Forschung vermehrt in Frage gestellt. Das Gewehr bestach durch eine enorm hohe Schusskadenz und konnte im Liegen nachgeladen werden, war letztlich aber sehr wetteranfällig und nur mit speziellem Werkzeug zu warten. Ähnlich verhält es sich mit der Tragweite des Eisenbahneinsatzes durch Helmuth von Moltke d.Ä. als Haupttransportmittel für Truppen, militärisches Gerät und Nachschub, das mittlerweile eher als Risikounternehmen denn als genialische Planungsleistung eingeschätzt wird. Zur Entscheidung der Schlacht wird grundsätzlich diskutiert, inwiefern rein militärische Entwicklungen oder die politische Einflussnahme der österreichischen Regierung für einen Ausgang der Schlacht zugunsten Preußens ursächlich waren. Der Deutsche Krieg und die Schlacht von Königgrätz zeigen nicht nur einen Wandel in den militärischen Strukturen sondern beleuchten auch eine Veränderung in der öffentlichen Wahrnehmung. Durch die oben beschriebene Durchmischung des preußischen Heeres treten nun erstmals auch Schriftquellen auf, die nicht von kommandierenden Adligen verfasst wurden. Die „Medienrevolution“ des 19. Jahrhunderts entfaltete in diesem Zeitraum ihre Wirkung. Korrespondenten folgten den Heeren in die Schlacht und konnten bereits wenige Tage später detaillierte Berichte publizieren – vornehmlich über das neue Massenmedium der Zeitung.